Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Geschäftsordnung auslegen will, muß man sie zunächst einmal gelesen haben; aber das scheint hier im Hause vielfach nicht der Fall zu sein. •
Die Tagesordnung des Bundestages ist vom Bundestage selbst am Schluß einer Sitzung für die nächste Sitzung zu bestimmen. Das steht in § 69. Danach ist aber gewöhnlich nicht verfahren worden. Für diesen Fall sieht die Geschäftsordnung vor, daß der Präsident die Tagesordnung festsetzt und das Haus zu Beginn der Sitzung darüber entscheidet. Das steht in § 70. Dort heißt es: Selbständig setzt der Präsident Zeit und Tagesordnung fest, wenn der Bundestag die Festsetzung unterlassen hat usw. In Abs. 2 steht: Hat der Präsident die Tagesordnung festgesetzt, „so muß er bei Beginn der Sitzung die Genehmigung des Bundestags einholen". Das ist ein Mußvorschrift. Gewöhnlich wird diese Forderung durch stillschweigendes Einverständnis des Hauses erfüllt. Es kann aber n u r bei Beginn der Sitzung und sonst zu
keinem andern Zeitpunkt mehr über die Tagesordnung entschieden werden.
Dazu kommt die Bestimmung des § 47:
Die Fristen zwischen der ersten und zweiten
Beratung können bei der Feststellung der Tagesordnung verkürzt oder aufgehoben werden.
Zeitpunkt für die Feststellung der Tagesordnung ist der Beginn der Sitzung; da hat das Hohe Haus über die ihm vorgelegte Tagesordnung zu entscheiden, und mit dieser Entscheidung sind auch die Fristen verkürzt. Es kann dann nicht bei irgendeinem Punkt 9 oder 10 jemand aufstehen und einwenden, daß die Fristen nicht gewahrt wären. Vor allen Dingen gibt gerade für diesen Fall, der uns heute hier interessiert, § 72 eine Sonderregelung. Dort heißt es:
Wird der von einem Ausschuß angekündigte mündliche Bericht nicht erstattet,
– genau das liegt vor —
so kann der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt oder zurückgestellt werden.
Es kann also geschehen, d. h. es bedarf eines Antrags, wenn es geschehen soll. Über den Antrag auf Absetzung ist dann abzustimmen.
Das ist alles so klar und einfach, wenn man sich einmal die Mühe gemacht hat, die Geschäftsordnung nicht nur in den ersten, sondern auch in den letzten Paragraphen zu lesen, daß darüber ein Streit gar nicht ausbrechen dürfte. Der Hintergrund ist ja, daß Sie nicht wagen, die Absetzung offen zu beantragen und darüber abstimmen zu lassen; das ist der wirkliche Grund.