Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob das, was der Herr Abgeordnete Loritz hier soeben vorgebracht hat, ein Anzeichen einer neuen Koalition ist.
Ich möchte nur folgendes feststellen: nach meiner Auffassung irrt der Herr Präsident. Er mißachtet den Abs. 1 und den Abs. 3 von § 36 der Geschäftsordnung. Der Abs. 1 lautet:
Gesetzentwürfe, Haushaltsvorlagen und Staatsverträge werden in drei Beratungen, alle anderen Vorlagen in einer Beratung erledigt. Die Beratungen beginnen frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksache.
Die Drucksache ist in Form einer Vorlage der
Bundesregierung verteilt worden. Der Ausschuß
hat sich bis jetzt nicht sehr beeilt und hat keinen
Ausschußbericht erstattet.
Der Geschäftsordnungsausschuß hat vor kurzem erst aus einem anderen Anlaß darauf hingewiesen — das ist in seinen Protokollen nachzulesen —, es sei ein Unding, daß ein Ausschuß die ordnungsgemäße Erledigung der ihm übertragenen Verpflichtungen aus eigenem Willen
nicht so vollzieht, wie es das Plenum erwarten darf.
In § 36 Abs. 3 heißt es:
Der Bundestag kann jederzeit beschließen, die Beratung eines Gegenstandes auf bestimmte Zeit bis zu vier Wochen auszusetzen. Der Antrag muß gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen.
Auch hier darf festgestellt werden, daß die Vorlage der Bundesregierung vor mehr als vier Wochen vorgelegen hat und dem zuständigen Ausschuß überwiesen worden ist.
Nun möchte ich darauf aufmerksam machen, daß in Anwendung des § 119 der Geschäftsordnung nach meiner Auffassung eine andere Regelung Platz greifen muß. Es heißt hier:
Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung
— und die hier beliebte Auslegung ist grundsätzlicher Natur und geht über den Einzelfall hinaus — einer Vorschrift der Geschäftsordnung kann nur der Bundestag beschließen, und zwar nur auf Antrag und nach Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß.
Es drängt sich also geradezu auf, diesen Fragenkomplex zunächst einmal dem Geschäftsordnungsausschuß in einer sofort einzuberufenden Sitzung zur Abklärung zu übertragen, ehe Sie, meine Damen und Herren, mit einer etwaigen Mehrheit gerade das tun, was der Herr Abgeordnete Loritz mit seinen letzten Ausführungen vermieden wissen wollte, nämlich ehe Sie die Rechte des Parlaments mit Füßen treten.