Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Aber er hat das in seiner Erklärung anläßlich des Volkskammerappells getan. Ich habe das gelesen. — Ich frage Sie darum, meine Damen und Herren, sind diese Grundsätze, deren Anwendung man als Bedingung für den Osten stellt, hier in-1 Westen eingehalten worden, hier, wo man der Kommunistischen Partei ihr Parteihaus wegnahm, wo man ihr sämtliche Zeitungen verbot, wo man Druckerzeugnisse aus dem Osten beschlagnahmt und wo man für den großen Patrioten unseres Volkes Max Reimann
ein Ausnahmerecht geschaffen hat, um ihn aus dem politischen Leben auszuschalten?
Wir glauben, daß man sich im Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat wohl darüber verständigen kann, welches die einfachsten Grundsätze einer rechtsstaatlichen Ordnung und einer freiheitlichen Regierungsform sein sollen, die in ganz Deutschland anwendbar sind.
Herr Adenauer hat heute erklärt, daß ihn die Existenz der Volkspolizei in der Deutschen Demokratischen Republik an der Aufnahme des gesamtdeutschen Gesprächs hindere. Wir sind der Meinung, daß der Gesamtdeutsche Konstituierende Rat darüber beraten und beschließen kann, wie die Stärke, die Bewaffnung und Verteilung der Polizei in ganz Deutschland sein soll
und welche Möglichkeiten der Verringerung des ziffernmäßigen Bestandes der Polizei in beiden Teilen Deutschlands nach gemeinsam vereinbarten einheitlichen Grundsätzen bestehen.
Herr Adenauer und Herr Schumacher gebärden sich empört über das in der Deutschen Demokratischen Republik beschlossene Gesetz zum Schutz des Friedens. Sie haben, Herr Bundeskanzler, offensichtlich dabei vergessen, daß sich zur selben Zeit, in der Sie sich darüber beklagen, der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestags mit dem strafrechtlichen Delikt des Friedensverrats befaßt und gerade dabei ist, entsprechend Art. 26 des Grundgesetzes gesetzliche Grundlagen für die Bestrafung der Propagierung eines Angriffskrieges auszuarbeiten. Wir sind deshalb der Meinung, daß man sehr wohl über ein Gesetz zum Schutz des Friedens beraten kann,
das einheitlich in ganz Deutschland in Kraft gesetzt werden könnte.
Nun zu den politischen Gefangenen. Ich bin davon überzeugt, daß, wenn Herr Kaiser und das Ostbüro der SPD aufhören werden, ihre sogenannten Selbstschutzleute und Agenten in das Gebiet der DDR zu schicken, um dort Unfrieden und Sabotage zu stiften, es keine Verhaftungen mehr geben wird.
Die Kommunistische Partei erklärt im übrigen, daß der Gesamtdeutsche Rat auch Maßnahmen zur Sicherung der Rechtseinheit und im besonderen zur Sicherung einheitlicher Grundsätze im Strafrecht beraten und beschließen kann.
Auch über die Ausarbeitung einer provisorischen Verfassung eines einheitlichen, demokratischen und unabhängigen Deutschlands könnte man sich im Konstituierenden Rat verständigen, wobei die beiden bestehenden Verfassungen im Osten und im Westen Deutschlands als Grundlage benutzt werden könnten.
Meine Damen und Herren! Ebenso kann und sollte sich nach Meinung der Kommunistischen Partei der Gesamtdeutsche Konstituierende Rat befassen mit der Ausarbeitung gemeinsamer Grundsätze für die Verhinderung der Remilitarisierung, für eine einheitliche Außenpolitik, für die Erweiterung des deutschen Binnenhandels und die Entwicklung eines freien ungehinderten Außenhandels, über Maßnahmen zur Herstellung der Einheit auf finanziellem Gebiet, insbesondere zur Wiederherstellung einer einheitlichen Währung, auch über die Verteilung der Arbeitsplätze mit dem Ziel, allen Werktätigen ganz Deutschlands Arbeit zu sichern, über gleichartige Arbeitsbedingungen und Löhne
sowie gleichartige Grundsätze der Besteuerung. Schließlich hält es die Kommunistische Partei für notwendig, sich über gemeinsame Grundsätze für die Durchführung allgemeiner, gleicher, freier, geheimer und direkter Wahlen zu einer gesamtdeutschen Nationalversammlung zu verständigen.
Allerdings sind wir dabei hinsichtlich des Verfahrens anderer Auffassung als Herr Schumacher.
Herr Schumacher betrachtet die Frage der gesamtdeutschen Wahlen als eine Angelegenheit, die unter dem Protektorat der Besatzungsmächte durchgeführt werden soll. Offensichtlich gehört er zu den Menschen, die sich das Leben ohne Besatzungsmächte überhaupt nicht mehr vorstellen können.
Wir sind der Meinung, daß es nicht Sache der Viermächtekonferenz ist, über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zu beschließen. Von der Viermächtekonferenz erwarten wir, daß sie sich hinsichtlich der Vorbereitungen des Abschlusses eines Friedensvertrags noch im Jahre 1951 einigt und daß sie dafür sorgt, daß die Besatzungsmächte möglichst bald verschwinden. Aber die Schaffung eines demokratischen Wahlgesetzes und die Durchführung demokratischer Wahlen sind Sache der Deutschen selbst. Wir sind der Meinung, daß beispielsweise — —