Der Bundeskanzler besorgte sich ein Ermächtigungsgesetz für die Überleitung der gewerblichen Wirtschaft in die Kriegswirtschaft. Sein Verkehrsminister gab die Anweisung, dafür Sorge zu tragen — so wenigstens haben wir es in der Presse gelesen —, daß den Amerikanern die Baupläne der bayerischen Mainbrücken ausgeliefert werden, damit alle Vorbereitungen zur Sprengung dieser Brücken getroffen werden können.
Der Herr Bundeskanzler verpflichtete sich in 0 seinem Schreiben vom 6. März, ohne den Bundestag zu fragen, alle Wünsche nach Lieferung von Rohstoffen und anderen Wirtschaftsgütern, die für die Kriegsrüstung der Westmächte von Bedeutung sind, zu befriedigen, ohne Rücksicht darauf, ob diese mit einer rigorosen Einschränkung des zivilen Verbrauchs der deutschen Bevölkerung erzwungen wird. Ebenfalls ohne das Haus zu fragen, fand er sich zur Anerkennung einer ungeheuerlichen Milliardenlast von Auslandsschulden bereit, wodurch den amerikanischen Konzernherren Tür und Tor für die Aneignung wirtschaftlicher Schlüsselpositionen in Westdeutschland geöffnet wurde.
Es ist klar, daß, wer eine solche Politik betreibt, allem abgeneigt ist, was geeignet ist, die Remilitarisierung Westdeutschlands zu verhindern und eine Verständigung der Deutschen in Ost und West herbeizuführen. Das, meine Damen und Herren, ist der Grund, weshalb sich Dr. Adenauer zusammen mit Herrn Ollenhauer mit Herrn Eisenhower in geheimen Besprechungen unterhielt,
um dort Fragen im Zusammenhang mit
der Bereitstellung von Hunderttausenden junger Deutscher für fremde Kriegsdienste zu erörtern. Er tat das lieber, als sich auch nur einmal mit Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik an einen Tisch zu setzen.
Ein solches Verhalten aber widerspricht zutiefst den Lebensinteressen unseres Volkes. Ein solches Verhalten wird von allen Deutschen, die den Frieden wollen und die Remilitarisierung ablehnen, verurteilt.
Um alle Möglichkeiten einer Verständigung in dieser ernsten Stunde auszuschöpfen, hat sich die Volkskammer am 30. Januar 1951
erneut mit einem eindringlichen Appell an dieses Haus, den Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, gewandt: Wiederum wird der Vorschlag gemacht, gemeinsam einen gesamtdeutschen Konstituierenden Rat zu schaffen. Herr Dr. Schumacher hat es in seiner Rede für angebracht gehalten, diesem Konstituierenden Rat Funktionen und Kompetenzen zu unterschieben,
die ihm von keiner Seite der Deutschen Demokratischen Republik jemals zugeschrieben worden sind. Er sprach davon, daß beabsichtigt sei, dem Konstituierenden Rat das Recht, als regierendes Organ zu fungieren, einzuräumen, das Recht der Gesetzgebung und der Regierungsbildung.
Ich zitiere daher wörtlich, welche Funktion im Vorschlag Otto Grotewohls dem Konstituierenden Rat zugewiesen worden ist:
1. die Bildung einer gesamtdeutschen souveränen, demokratischen, friedliebenden, provisorischen Regierung vorbereiten;
2. den Regierungen der USSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs die entsprechenden Vorschläge zur Bestätigung unterbreiten;
3. die genannten Regierungen bis zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung
— bis zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung, ich unterstreiche das! —
bei der Ausarbeitung eines Friedensvertrages konsultieren;
4. die Bedingungen zur Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen für eine Nationalversammlung vorbereiten.
Ich glaube, daß dieser Text etwas anderes besagt als die willkürlichen Erfindungen des Herrn Dr. Schumacher, die er in bezug auf den Konstituierenden Rat in seiner Rede vorgetragen hat.
Worum handelt es sich also, meine Damen und Herren? Darum, die Verständigung zwischen den Deutschen herbeizuführen, um die Remilitarisierung und damit Tod und Vernichtung für Millionen von Deutschen zu verhindern.
Das Volk hat mit großer Sorge beobachtet, wie in den letzten Wochen eine Kriegsmaßnahme nach der der anderen abrollt,
die die Bevölkerung in äußerste Unruhe versetzen.
Wir hören von der bevorstehenden Steigerung der Besatzungskosten auf 10,7 Milliarden DM, auf über zwei Drittel der gegenwärtigen Einnahmen des Bundes. Wir registrieren die geplante Schaffung von zunächst 20 bis 25 westdeutschen Kampfverbänden, die einen weiteren Mehraufwand von 12 bis 15 Milliarden DM erfordern würden. Wir erlebten die Bewilligung der ersten Rate in Höhe
von 350 Millionen DM zur Finanzierung einer westdeutschen Bürgerkriegsarmee.
Wir verzeichnen die rigorose Verschleuderung lebenswichtiger deutscher Rohstoffe für die Rüstungsbedürfnisse des Westblocks. Wir erleben die Verknappung der Waren des friedlichen Bedarfs und das ständige Ansteigen der Preise und sehen nun, wie die Bundesregierung beabsichtigt, zur Sicherung dieser Wirtschaftspolitik sich sogar ein Ermächtigungsgesetz zu verschaffen, wie es nach dem Art. 48 der Weimarer Verfassung von Brüning und Papen, den Wegbereitern des Faschismus, gehandhabt wurde. Wir erleben das Heranrollen einer ungeheuerlichen Steuerlawine, die das Volk zu erdrücken droht, und wir erleben schließlich die Drosselung bzw. Einstellung aller Ausgaben, die für den zivilen Wohlstand unseres Volkes erforderlich wären.
Jawohl, Herr Dr. Schumacher, Sie sprachen davon, man müsse die Bedürfnisse einer sozialen Politik in Rechnung stellen, das unterstreiche die Stärke Deutschlands. Aber ich frage: Woher sollen die Mittel für den Wohnungsbau, für den Lastenausgleich, für die Erhöhung der Renten, für soziale und kulturelle Zwecke denn eigentlich genommen werden, wenn Sie sich durch Ihre Politik verpflichten, die Steuergelder, das Nationalvermögen unseres Volkes, für die amerikanische Kriegsrüstung, für Besatzungskosten und für deutsche Divisionen bereitzustellen?
Wir werfen vor dem ganzen deutschen Volk die Frage auf: Wie kann dieser verhängnisvollen Entwicklung Einhalt geboten werden? Darum hat sich die Kommunistische Partei anläßlich der Vorschläge der Volkskammer die Frage vorgelegt, was sie ihrerseits tun kann, um das Zustandekommen einer gesamtdeutschen Verständigung zu erleichtern, um die Remilitarisierung zu verhindern und unserem Volk noch in diesem Jahr zu einem Friedensvertrag zu verhelfen. Meine Damen und Herren! Die Kommunistische Partei ist der Meinung, daß der in dem Brief Otto Grotewohls und in dem Appell der Volkskammer vorgeschlagene gesamtdeutsche Konstituierende Rat eine einheitliche, den Interessen des ganzen deutschen Volkes entsprechende Linie in allen wesentlichen, noch offenstehenden Fragen beraten und erarbeiten kann.
In den Erklärungen des Bundeskanzlers spielt immer wieder die Frage der Schaffung einer rechtsstaatlichen Ordnung eine Rolle, auch heute wieder. Nun wohl, Herr Bundeskanzler, man kann darüber streiten, was unter einer rechtsstaatlichen Ordnung zu verstehen ist. Man kann z. B. verschiedener Meinung darüber sein, ob es einer rechtsstaatlichen Ordnung entspricht, wenn, wie es vorgestern in diesem Hause geschah, die Regierung über eine Abstimmungsniederlage im Parlament einfach zur Tagesordnung übergeht, als ob nichts geschehen sei.
Man kann darüber streiten, ob die Verordnung des Bundeskabinetts vom 19. September 1950, wonach alle Menschen mit nicht petersbergischer Gesinnung aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen sind, einer rechtsstaatlichen Ordnung entspricht. Offensichtlich sind selbst die westdeutschen Gerichte in dieser Frage anderer Auffassung als Sie, Herr Bundeskanzler. Man kann auch darüber streiten, ob die
Zulassung der zügellosen Betätigung kriegstreiberischer Elemente, ob die Einkerkerung von Hunderten von Kämpfern für den Frieden, ob die gesetzwidrige Entlassung Dutzender von Betriebsräten, die sich für die Interessen ihrer Kollegen und für den Frieden einsetzen,
oder ob etwa die Aufstellung einer Proskriptionsliste von 30 000 Menschen in Westdeutschland, denen nach Weisung des Petersberges die deutschen Behörden keine Pässe ausstellen dürfen,
etwas mit einer rechtsstaatlichen Ordnung zu tun haben. Herr Adenauer und auch Herr Euler verlangen vom Osten die sogenannte Informationsfreiheit, die Freiheit der Parteibildung etc.