Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der WAV gestatte ich mir, Ihnen folgende Erklärung zur Kenntnis zu bringen:
Die WAV-Fraktion hat seit jeher mit aller Entschiedenheit die Einigung des deutschen Volkes über alle Zonengrenzen hinweg gefordert. Wir wissen, daß dies auch das Ziel der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes ist. Das deutsche Volk gehört zusammen! Die unnatürlichen Zonen- und Gewaltgrenzen, die uns von den Siegermächten in völliger Verkennung ihrer moralischen Verpflichtungen gegenüber der ganzen Welt auferlegt wurden, müssen so rasch als möglich verschwinden. Wir berufen uns in diesem Zusammenhang auch auf die Erklärungen führender alliierter Staatsmänner, so z. B. des britischen Premierministers Chamberlain vom 4. September 1939, der ausdrücklich erklärt hat: „In diesem Kriege kämpfen wir nicht gegen euch Deutsche, nicht gegen das deutsche Volk, gegen das wir keine feindlichen Gefühle hegen". Wir berufen uns ebenso auf die Atlantik-Charta, die, von den Alliierten selbst unterzeichnet, folgende Sätze enthält:
Die Alliierten streben keine Bereicherung an,
weder in territorialer noch in anderer Hinsicht.
. . . . Sie wünschen keine territorialen Veränderungen zu sehen, die nicht im Einklang
stehen mit dem in Freiheit ausgedrückten
Willen der betreffenden Völker selbst.
Wir erinnern ferner an die vier Freiheiten Roosevelts und an seine Botschaft an die amerikanischen Bischöfe, wo es heißt:
Im Siege werden wir nicht Rache suchen, sondern die Errichtung einer internationalen Ordnung, in welcher der Geist Christi die Herzen der Menschen und Völker regieren soll.
Und Truman schrieb an den Papst:
Wir glauben an den Sieg der Wahrheit und Sittlichkeit. Unser gemeinsames Ziel ist es, diesen Glauben der Menschen aufzurufen und zu stärken, um die ewigen Werte für unser Geschlecht zu sichern.
Die Alliierten — ich wiederhole: die Alliierten selber — haben mit diesen Erklärungen das Recht auf Zusammengehörigkeit aller Deutschen feierlich zuerkannt.
Um diese Einigung des deutschen Volkes herbeizuführen, muß alles versucht werden, wenigstens ein Gespräch über die gesamtdeutschen Fragen zustande zu bringen, zu welchem auch die Vertreter aller politischen Parteien zuzuziehen sind. Wir in Westdeutschland können es zu einem Zeitpunkt, in dem sogar die amerikanische, britische und fran-
zösische Regierung ein Gespräch mit den russischen Kommunisten eingeleitet haben, nicht ablehnen, eine Aussprache mit Deutschen aus der Ostzone herbeizuführen.
Wenn wir ein Gespräch mit Deutschen aus der Ostzone ablehnen, geben wir lediglich den Kommunisten die Propagandawaffe gegen uns in die Hand, die sie brauchen und suchen.
Wir wissen, genau wie die Westmächte, daß Gespräche mit Kommunisten mit allergrößter Vorsicht geführt werden müssen. Wir verlangen, daß bei diesen Gesprächen von seiten der Bundesregierung mit aller Klarheit gefordert wird: freie Wahlen in Gesamtdeutschland, und zwar unter Aufsicht nicht alliierter, neutraler Staaten; freie Zulassung und Wirkungsmöglichkeit aller politischen Parteien auch in der Ostzone, Aufhebung jeder Art von politischer Justiz, ganz egal ob in der Ostzone oder in Westdeutschland, und — als allerwichtigste Forderung — die Erklärung, daß keine deutsche Regierung befugt war oder ist, irgendeinen Verzicht auf die deutschen Gebiete im Osten oder im Westen oder einen Verzicht auch nur auf deutsche Hoheitsrechte in diesen Gebieten zu erklären. Die Welt muß einsehen, daß ein wiedervereinigtes, in seinen alten Grenzen wiederhergestelltes Deutschland für den Westen wie für den Osten ein besserer Garant des Friedens ist als ein durch unnatürliche Grenzen entzweigerissenes, blutendes Land und vergewaltigtes Volk. Frieden und Freiheit für Deutschland bedeuten zugleich Frieden und Freiheit für die ganze Welt! Bei einem kommenden Gespräch wird es die Hauptaufgabe der westdeutschen Regierung und aller westdeutschen Parteien sein, den ostzonalen Vertretern klar und deutlich die Frage zu stellen: Wollt ihr mit uns in Westdeutschland diesen deutschen Standpunkt nach jeder Seite hin eindeutig vertreten oder nicht?
Gerade und allein schon um eine klare Beantwortung dieser Frage durch die Vertreter der ostzonalen Regierung zu erzwingen, ist die Aufnahme der Besprechungen mit den ostdeutschen Vertretern das Gebot der Stunde für jeden Deutschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt unseres ganzen Denkens
muß eines stehen: das deutsche Volk und das deutsche Vaterland!