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    Deutscher Bundestag — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. März 1951 4757 125. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4757B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Konferenz der Außenminister und Deutschland-Problem; Wiederherstellung der Einheit Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 4757C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Dr. Schumacher (SPD) 4761B Dr. von Merkatz (DP) 4767C Loritz (WAV) 4771C Fisch (KPD) 4772B Tichi (BHE-DG) 4776C Dr. Seelos (BP) 4776D Frau Wessel (Z) 4777A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z, BHE-DG (Nr. 2028 der Drucksachen) 4779A Beschlußfassung 4780A Präsident Dr. Ehlers 4780A Nächste Sitzung 4780C Die Sitzung wird um 10 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Kurt Schumacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Frage der deutschen Einheit ist für unser Volk ein zentrales Problem. Sie ist aber auch eine bedeutsame Frage für die Erhaltung der Freiheit in der Welt. Alle europäischen Probleme und Projekte werden nicht europäisch behandelt, wenn man aus der Teilung Deutschlands Nutzen ziehen will. Die Kosten für eine solche Politik zahlt nicht Deutschland allein, die Kosten zahlt die Sache der Freiheit in der ganzen Welt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

    Jede Betrachtungsweise hat von der Tatsache auszugehen, daß es Sowjetrußland gewesen ist, das seine Zone separiert und isoliert hat.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Das ganze Kampfgeschrei der Kommunisten und ihrer Anhänger für die Einheit, wie sie sie verstehen, wäre völlig unnötig, wenn sich die kommunistische Praxis der Teilung Deutschlands dem angeblichen kommunistischen Wunsche der Einigung Deutschlands untergeordnet hätte.

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Die Stärke der totalitären Position beruht weitgehend auf der Unkenntnis und der Unklarheit über das Wesen des Totalitarismus bei den westlichen Demokratien und erst recht bei großen Teilen des deutschen Volkes.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

    Die Uneinheitlichkeit und Unentschlossenheit der westlichen Demokratien in ihrer Deutschlandpolitik, die vielen Vorbehalte und Unklarheiten in der Behandlung und der Zusammenarbeit mit den Deutschen schwächen die Front der Freiheit, nehmen ihr die Geschlossenheit und bedrohen ihre letzte Gemeinsamkeit.

    (Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wir haben einen Gegner, dessen Einheit und Konzentration seiner politischen Kräfte zentral dirigiert wird. Die deutsche Frage kann nicht für sich allein betrachtet werden; sie kann aber auch nicht vom Westen her mit Deutschland als Objekt gelöst werden.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wenn wir auf der Viererkonferenz nicht am Tisch sitzen, so gibt es doch in der Sache nur die eine große Möglichkeit: man darf nicht über Deutschland beraten, man muß letzten Endes mit Deutschland beraten.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Es dient der Sache der Demokratie nicht, wenn man in einer Hauptstadt der westlichen Welt kürzlich lesen konnte, die Aussichten für das Gelingen der Viererkonferenz würden davon abhängen, daß Westdeutschland ausgeschaltet bliebe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nein, das ist der falsche Weg! Auch das Mittel der gelegentlichen Information und Konsultation würde nicht genügen. Die Information der deutschen Politik vor, während und nach der Viererkonferenz bei der Behandlung des ganzen Komplexes muß permanent und vollständig sein. Die Deutschen sollten auch wirklich befragt werden, sie sollten auch wirklich die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern. Es liegt im Interesse einer großen gemeinsamen Sache, daß die Erkenntnisse und aktiven demokratischen Kräfte unseres Volkes mobilisiert werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Letzten Endes gibt es keinen Erfolg der kommenden Viererkonferenz, wenn nicht das Ergebnis der Beratungen vom deutschen Volk bejaht und darum als verbindlich angesehen wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Man hat in einem Teil der westlichen Presse sehr leichtfertig empfohlen, die deutsche Einheit nach dem österreichischen Vorbild zu organisieren. Man übersieht dabei, daß der Prozeß und die Methoden, die in Österreich 1945 begannen, etwas grundsätzlich Verschiedenes und Unvergleichbares sind, wenn sie auf das Deutschland von 1951 angewandt werden.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Hier in Deutschland sind in sechs Jahren durch die sowjetischen Besatzungsmethoden tatsächlich Machtpositionen des Kommunismus geschaffen worden. Angesichts dieser Tatsache wäre die Übertragung des österreichischen Beispiels die Auslieferung Deutschlands an den Kommunismus mit Privilegierung der kommunistischen Chancen.

    (Zustimung bei der SPD.)

    Das deutsche Volk kann weder diesem noch einem
    anderen Vorschlag zustimmen, der zur Viermächte-


    (Dr. Schumacher)

    kontrolle oder gar zur Viermächtekontrolle mit Vetorecht führt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die sowjetische Politik versucht jetzt, entgegen der Tatsache, daß sie die Deutschen als bloßes Material handhabt, bei denselben Deutschen das Gefühl zu erzeugen, als ob sie ein selbständiges, nach eigenem Willen handelndes, souveränes Subjekt seien. Tatsächlich ist die Ostzonenverwaltung nur der Bestandteil eines Satellitensystems, in dem es nur einen Willen gibt, nämlich den Willen des zentralen Auftraggebers und Herrschers, der Sowjetunion.

    (Sehr richtig! bei der SPD und rechts.)

    Das System von Pankow ist die völlige Entdeutschung und die völlige Sowjetisierung der Politik.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Die angebliche deutsche Initiative aus dem Osten für die Einheit ist ein Bestandteil der nationalrussischen Außenpolitik.

    (Zuruf rechts: Ausgezeichnet!)

    Sie dient der Stärkung der sowjetischen Position gegenüber den westlichen Alliierten. So war es vor jeder Viererkonferenz. So war es vor Moskau im März 1947, so war es vor London im November 1947, so war es vor Paris im Mai 1949, und so ist es auch heute wieder. Man will bei unserem Volk den Blick für die Realitäten der Macht und für die Motive der Machtpolitik vernebeln, und man will den Typen, die ausgesprochene Marionetten sind, einreden, aus eigenem freiem Willen handeln zu dürfen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Nun ist Propaganda bei einem Volk mit den speziellen Erfahrungen des deutschen Volkes in ihrer Wirksamkeit doch recht beschränkt. Dafür haben wir ein großes Beispiel, das Beispiel Berlins. Der 20. Oktober 1946 wäre nicht möglich gewesen, wenn die Propadanda allmächtig wäre. Der 20. Oktober 1946 ist der Sieg des Willens zur Freiheit über die Propaganda der Totalitären.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Jetzt steigert sich die Intensität der Propaganda. Die vorsichtigste Schätzung über die Briefe und Postsachen, die wöchentlich in das Gebiet der Bundesrepublik kommen, beläuft sich auf mehr als 2 Millionen Stück wöchentlich!

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    An dieser Stelle ist es unsere Aufgabe, die Ahnungslosen, Wohlmeinenden in unserem Volk vor jeder Form der Gemeinsamkeit zu warnen, mag sie noch so freundlich angebahnt werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

    Es darf keine Unterschriften geben, es darf keine Gemeinsamkeit der Kundgebungen geben, es darf keine Aktionseinheiten geben.

    (Lachen bei der KPD.)

    Es ist Tatsache, daß die Sozialdemokratische Partei in der Bundesrepublik 8000 Ortsvereine hat. Kein einziger Ortsverein hat mit ihnen verhandelt.

    (Bravo-Rufe bei der SPD.)

    Die agitatorische Betriebsamkeit kann uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen ihrem System und den Menschen in diesem Lande jede menschliche Beziehung fehlt.

    (Sehr richtig! - Lebhafte Zustimmung.)

    Den Wohlmeinenden, den Redewütigen und Repräsentationshungrigen hier in diesem Lande möchte ich sagen: Man kann nicht mit den Peinigern verhandeln und die Gepeinigten ignorieren.

    (Beifall.)

    Die Opfer der Freiheit, die Eingekerkerten, die Verschleppten, die gesamten Bewohner der Ostzone, die Kriegsgefangenen, sie alle haben Anspruch auf unsere menschliche und nationale Solidarität.

    (Lebhafte Zustimmung mit Ausnahme der KPD.)

    In der Propaganda ist jetzt das soziale Moment etwas in den Hintergrund getreten. Es ist als Realität aber immer da. Die Bundesrepublik sollte in einer Periode der steigenden Preise, denen Löhne, Gehälter und Renten nicht nacheilen können, daran denken, diese Dinge mit letztem Ernst zu behandeln.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Gerade die demokratische Staatsverfassung ist stärker als jede andere auf die soziale Fundamentierung angewiesen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Worte gegen den Kommunismus verlieren an Wirkung ohne Tate für die soziale Gerechtigkeit.
    Die Kommunisten machen jetzt eine große Propagandaaktion mit angeblichen Preissenkungen, die in der Sowjetzone durchgeführt sein sollen. Man will damit die soziale Deklassierung der arbeitenden Menschen und das Aufhören jeder sozialen Gemeinschaft durch Ausbeutung und Herabdrücken auf ein Helotendasein verdecken. Man will den Blick ablenken von dem ungeheuren wirtschaftlichen Rückschritt in den Satellitenländern und in der sowjetischen Besatzungszone.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Man sollte bei uns nie vergessen: Wenn einmal das Wort galt: Die Gerechtigkeit ist die Grundlage der Staaten, dann heißt es heute: Die soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage der Demokratie.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD).)

    In den Mittelpunkt der östlichen Propaganda ist jetzt das nationale Moment getreten. Es wird dort das Problem gelöst, wie man nationalrussische Politik mit nationaldeutschen Phrasen macht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn ich diese nationale Agitation untersuche, dann ist das ins Auge springende Resultat: Diese nationalistische Agitation aus dem Osten hat keine einzige eigene Idee und keine einzige neue Idee. Alle Parolen sind Zwangsanleihen aus den diversen Mottenkisten des deutschen Nationalismus.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Sie sind alle so „angenehm" historisch; man trifft nur alte Bekannte wieder.

    (Heiterkeit.)

    Die Satellitenparteien der sowjetischen Besatzungszone, die offiziell nicht auf das Programm des Leninismus-Stalinismus verschworen sind, haben dabei eine besondere Aufgabe. Sie haben die Aufgabe, in gewissen Schichten des deutschen Volkes in der Bundesrepublik dieses Geraune und Gewisper zu erzeugen, daß diesmal Sowjetrußland ganz besondere, für die Deutschen außerordentlich positive Maßnahmen plane. Wir kennen aber diese Methode aus den Perioden vor Beginn jeder der vergangenen Außenministerkonferenzen. Außerdem mögen viele Leute, die heute noch in der Ostzone


    (Dr. Schumacher)

    sind, sich einmal daran erinnern, daß auch sie einst Träger dieser Parolen waren. Wir haben seit 1945 viele deutsche Hirtenknaben kennengelernt, die das sowjetische Lämmlein hüten wollten.

    (Heiterkeit.)

    Die Führungsschichten gewisser rechtsradikaler Gruppen glauben, die sowjetische Politik überspielen und für sich, die deutschen rechtsradikalen Gruppen, nutzen zu können. Es ist das alte Unglück in unserem Lande, daß gerade unser extremster Nationalismus in den Stunden der großen Gefahr nicht national genug im einfachen, anständigen Sinne des Wortes gewesen ist.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und in der Mitte.)

    Der Hunger nach Macht für die eigene Clique und Richtung hat sie immer wieder verführt und droht, sie auch jetzt zu verführen, das Schicksal des Staates und Volkes ihrem Gruppenegoismus unterzuordnen.
    Alle die Illusionisten und Spekulanten, sie sollten das eine wissen: Was sollen Verhandlungen, bei denen der kommunistische Partner seinen Auftraggeber nicht binden kann? Der große Auftraggeber im Hintergrund behält freie Hand; seine deutschen Beauftragten mögen tun und lassen, was sie wollen. Aus dem Mangel auch nur der Möglichkeit einer Vertragstreue sollte sich die Meinung unseres Volkes in der Behandlung dieser Personen und Komplexe bestimmen. Es ist eben jedem Totalitarismus strukturell unmöglich, sich mit einem anderen zu verständigen oder gar auszusöhnen.

    (Sehr richtig!)

    Was er dem andern an Selbständigkeit läßt, soll immer nur dem Totalitarismus als Deckwand dienen und ihm nützen. Ob dieser Totalitarismus also eine politische Partei zertrümmert oder andere politische Parteien bestehen läßt, ist nur unter dem Gesichtspunkt des Nutzens eben für diesen Totalitarismus entschieden worden und wird in Zukunft so entschieden werden. Die Rolle, die der Kommunismus den deutschen Illusionären zugewiesen hat, ist doch eine sehr kurzfristige. Sie sollen die Aufgabe erfüllen, dem antidemokratischen, dem totalitären, dem diktatorischen Prinzip zur Macht zu verhelfen. Haben sie ihm dazu verholfen, dann werden sie überflüssig und als hinderlich zertreten und zerschlagen. Die Geschichte der Eroberung der Macht durch die Kommunisten in den Satellitenstaaten spricht eine eindeutige und unwiderlegbare Sprache.

    (Zustimmung.)

    Jetzt steht neben dem nationalen Moment im Vordergrund der angebliche Kampf für den Frieden, ausgerechnet durch die Partei der Kriegsrüstung in der ganzen Welt für die stärkte Militärmacht in der ganzen Welt!

    (Sehr gut!)

    Der Sinn dieser Propaganda ist nicht Krieg dem
    Kriege, sondern in der kommunistischen Formulierung: Krieg dem imperialistischen Kriege, d. h.
    für die Kriegspotenz der Sowjetunion und für die
    Ohnmacht der demokratischen Länder einzutreten.

    (Sehr richtig!)

    Was der Kommunismus wirklich denkt über den Frieden, seine Bedeutung, seine sittlichen Werte, seine Wohltaten für die Völker, das zeigt am besten eine Rede, die Stalin am 13. Juni 1928 vor der kommunistischen Parteiorganisation in Leningrad gehalten hat. Dort heißt es klar und eindeutig:
    Das am weitesten verbreitete Mittel, um die Arbeiterklasse einzulullen und sie vom Kampf gegen die Kriegsgefahr abzulenken, ist der heutige Pazifismus mit seinem Völkerbund, seinen Friedenspredigten, mit dem Verbot des Krieges, mit seinem Abrüstungsgeschwätz.
    Ich glaube, an dem Tage hat der spätere Generalissimus Stalin einen tiefen Blick in seinen Spiegel getan.

    (Heiterkeit und Beifall. — Abg. Fisch: Warum lesen Sie denn nicht weiter? Lesen Sie doch das Zitat weiter!)

    — Ich bin doch nicht dazu da, Ihre Makulatur zu verlesen!

    (Erneute Heiterkeit und Beifall. — Zurufe von der KPD. — Gegenruf rechts: Ruhe im Kreml!)

    Die Behandlung der Abrüstungsfrage seit 1945 bringt Aufklärung genug. Die Abrüstung ist von den Angelsachsen, besonders den Amerikanern, weitgehend durchgeführt worden. Aber bis heute hat ein großes Land praktisch die Abrüstung verweigert: Sowjetrußland. Wenn die Viererkonferenz eine Aufgabe hat, dann ist es die, vor der Welt über diese Tatsache Klarheit zu schaffen.

    (Sehr richtig!)

    Die Auslösung der großen Aufrüstungswelle in der ganzen Welt ist doch durch den sowjetischen Militarismus erfolgt.

    (Sehr richtig!)

    Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.

    (Lebhafter Beifall.)

    Offen muß aber auch gegenüber dem Westen gesagt werden: Die uns im vergangenen Jahre von dort reichlich unbesonnen aufgezwungene Diskussion über einen deutschen militärischen Beitrag hat entscheidend daran gekrankt, daß sie ohne die Fixierung absolut fester Voraussetzungen und ohne Rücksicht auf die möglichen Gefahren für das deutsche Volk eingeleitet worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    ist der alte Fehler des Westens, unser Volk gar zu sehr als Materie zu betrachten, die von fremdem Willen geformt werden könnte. Das hat praktisch und in der Propaganda nur der heuchlerischen Friedensattacke der östlichen Übermilitaristen gedient, ohne die Realitäten der Macht auf dem Kontinent zu verändern.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es waren und es sind die Sowjets, die die internationale Kontrolle der Atombombe verhindert haben. Es waren und es sind die Sowjets, die die internationale Inspektion des Rüstungsstandes vereiteln. Sie haben es heute in der Hand, in der Frage der Atomkontrolle und der internationalen Rüstungsinspektion in der ganzen Welt, auch in Sowjetrußland selbst, den Völkern den Eindruck ihres Friedenswillens zu vermitteln.

    (Lebhafter Beifall.)

    Der Westen hat lange genug dem Osten die deutsche Einheit gütigst überlassen zur Ausnutzung als Schwindelparole. Er darf nicht denselben Fehler beim Ideenkampf um den Frieden begehen. Von der kommenden Viererkonferenz erwarten die Völker


    (Dr. Schumacher)

    die Erhaltung des Friedens und die Verbesserung der Aussichten seiner Bewahrung. Diese große Menschheitsfrage bewegt alle. Hier haben die Mächte Zeugnis abzulegen für ihre menschlichen und moralischen Werte.

    (Sehr gut!)

    Die Erkenntnis von der Gleichheit als der Grundlage eines von allen Teilen leidenschaftlich gewollten Europas ist zum großen Teil doch noch recht theoretisch. Die Behandlung des Besatzungsstatuts in diesen Tagen ist die Manier eines vorsichtigen Kaufmanns, allerdings, meine Damen und Herren, eines pfennigfuchsenden Kaufmanns,

    (Heiterkeit und Beifall)

    der damit nie in das große politische Geschäft kommen kann.

    (Sehr gut!)

    Sie ist nicht geeignet, die moralischen Kräfte des
    gutwilligen deutschen Volkes aufzurütteln und
    wachzurufen. Dazu gehören beim Westen die Einmaligkeit und die Eindeutigkeit befreiender Taten.

    (Erneuter lebhafter Beifall.)

    Völlig ungeeignet aber erscheint uns ein System, eine Vereinigung Europas durch Maßnahmen auf Spezialgebieten, wie jetzt durch Pläne militärischer oder wirtschaftlicher Struktur, herbeizuführen, solange die grundlegende Ungleichheit im Politischen besteht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Schaden, den das Bemühen um die Durchsetzung dieser Pläne unter den gegebenen Voraussetzungen anrichtet, ist in jedem Falle größer als ihr eventueller Nutzen. Außerdem tragen die jetzigen Projekte vielzusehr die Züge eines rein machtpolitischen, nationalistischen Egoismus.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Diese Politik bedeutet den Versuch, die sich zwangsläufig anbahnende politische Gleichheit durch eine Politik der vollendeten Tatsachen der Ungleichheit zu dämpfen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.) Gemeinsamkeit aber mit der Konsequenz der Gleichheit auf den einzelnen besonderen Gebieten gibt es nur unter Gleichen.


    (Beifall bei der SPD.)

    Der politische und propagandistische Angriff der Totalitären soll den Angreifern das Gesetz des Handelns in der Frage der deutschen Einheit in die Hand spielen. Sie wollen die Themen bestimmen, die Reihenfolge und die Art ihrer Behandlung und die Umstände der Diskussion. Sie sind die alles bestimmenden Fragesteller. Derjenige verspielt die Sache der Freiheit, der sich als Antwortender in das System dieser Fragen hineindrängen läßt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie wollen überall hineinreden und alles bestimmen. Sie selbst aber wollen sich in nichts hineinreden lassen und keinen anderen Wunsch respektieren. Zur gleichen Zeit, in der sie sich jetzt als kameradschaftliche Gesprächspartner aufführen, versuchen sie mit der Einheitsfront von unten dem Gesprächspartner der anderen Seite den festen politischen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Je härter man aus unseren Reihen das Nein gegen das diktatorische Manöver ausspricht, desto mehr geht die heuchlerische Kameradschaftlichkeit in die Binsen. Wenn Sie in den letzten Wochen die SED-Presse in Berlin und in der Ostzone gelesen hätten, dann würde Ihnen grauen vor der letzten Unflätigkeit dieser Sprache und dieser Methoden gegenüber
    denselben Leuten, mit denen man sich angeblich,
    wie es so schön heißt, „an einen Tisch setzen" will.

    (Lachen bei der SPD.)

    Diesmal aber ist der Angriffsplan genauer durchdacht und enthält mehr Alternativen. Scheitert der eine Schritt, soll der andere Schritt getan werden. Ist der Brief Grotewohls an den Bundeskanzler ohne Erfolg geblieben, dann schreibt eben die Volkskammer an den Bundestag. Aber das sind ja alles nur noch Ersatzmaßnahmen ohne politische Bedeutsamkeit. Es gehört schon die schauerliche Talentlosigkeit in der Politik dazu, die leider bei vielen Menschen in unserem Lande vorhanden ist, wenn man gestern und heute im Rundfunk hören konnte: Der Bundestag versammelt sich heute, um den Brief der Volkskammer zu beantworten.

    (Lachen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Es gab eine Stunde der politischen Entscheidung. Das war die Antwort, die der Bundeskanzler im Auftrag und im Einverständnis mit allen Parteien gegeben hat. Die Diskussion aber über die Ersatztaktiken ist völlig uninteressant und überflüssig.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es ist die Entschlossenheit, Bewußtheit und Zielklarheit des demokratischen Widerstands, die in diesen letzten Wochen die Kommunisten gezwungen hat, viel von dem zu sagen, was sie erst nach Erreichung ihres ersten Ziels, nämlich des Konstituierenden Rates, hatten sagen wollen.

    (Sehr gut!)

    Jetzt haben sie erkennen lassen, daß sie die freien Wahlen mit den gleichen Chancen für alle Beteiligten mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser.

    (Heiterkeit.)

    Davon zeugen die Anweisungen, die zentral und in den einzelnen Ländern der sowjetischen Besatzungszone von der Führung der „Nationalen Front" an ihre sogenannten „Aufklärer" gegeben werden. Dort bekennt man sich zur Blockpolitik; dort erklärt man gegenüber den aufgeregten Anhängern, man wolle Konzessionen nur formal und vorübergehend machen und man habe alles für die Machtergreifung im Stile der Prager Vorgänge vorbereitet. Die Leute, die die Aufgabe haben, propagandistisch auch gegenüber den eigenen Anhängern die Taktik der Kommunisten abzudecken, haben sich gar dazu verleiten lassen, den Terrorakt des 15. Oktober und die Einheitslisten als demokratische Vorbilder für die zukünftige Gestaltung Deutschlands zu preisen.
    Das oberste Ziel; auf das vom Osten her alle Kräfte konzentriert werden, ist also, um in der kommunistischen Sprache zu sprechen, die Errichtung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates. Dieser Konstituierende Rat ist das Stück im taktischen System, durch das alles bedingt ist. Von seiner Schaffung oder von seiner Verweigerung hängt das Gelingen oder Mißlingen der kommunistischen Politik ab. Der Konstituierende Rat soll, wie die Kommunisten sagen, die „Repräsentanz des deutschen Volkes" sein. Aber diese Repräsentanz des deutschen Volkes soll nicht gewählt werden, sie soll den Willen des deutschen Volkes nicht ausdrücken, weil eine solche Einrichtung dann für die sowjetische Besatzungsmacht gar zu schwer zu handhaben wäre. Es ist kein Zufall, daß in dem Brief Grotewohls an den Herrn Bundeskanzler der Passus bezüglich des Gesamtdeutschen Konstituierenden Rats wörtlich abgeschrieben ist aus dem Be-


    (Dr. Schumacher)

    schluß der Prager Außenministerkonferenz der Oststaaten vom 21. Oktober 1950.

    (Hört! Hört! bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    — Wenn man das ganze Drum und Dran betrachtet, dann ist es nicht nur der Geist der Prager Außenministerkonferenz, sondern auch sogar der Geist des Warschauer Abkommens, der die kommunistischen Kräfte in ihrer Propaganda vorwärts-treibt.
    Der Konstituierende Rat soll paritätisch zusammengesetzt sein. Die Parität zwischen zahlenmäßig ungleich Starken ist immer der Versuch, die Herrschaft der Minderheit über die große Mehrheit zu etablieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dabei rechnen die Leute des Totalitarismus auf das Bündnis mit den Illusionären und den Rückversicherern der Bundesrepublik.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dieser Konstituierende Rat ist die nationale Methode zur Erkämpfung der kommunistischen Diktatur in Deutschland. Viel zu wenig wird in unserem Lande die zur gleichen Zeit angewandte internationale Methode beachtet. Wenn die nationale Methode, der Kampf um die Etablierung des Konstituierenden Rates, eine propagandistische Aktion ist, bei der die Wahrheit unterdrückt werden muß, so ist die internationale Methode, die es auch mit anderen Kräften als den Deutschen zu tun hat, von dem Wunsche nach Klarheit und nach Ausdruck der wirklichen Absichten bestimmt. — Im Februar dieses Jahres fand in Berlin — ausgerechnet in Berlin! — eine internationale „Friedenskonferenz" statt, die aus 81 Ländern beschickt war. Dort wurde kein einziges versöhnliches Wort gegenüber dem deutschen Volke gesprochen.

    (Sehr wahr!)

    Dort haben sich die Kommunisten, die überall in der Welt die rücksichtslosesten Feinde Deutschlands sind, und ihre deutschen Satelliten und Mitläufer mit den fremden Kommunisten geeinigt in dem Willen zur Unterdrückung und Entrechtung Deutschlands.

    (Zurufe von der CDU und SPD: Sehr wahr! — Hört! Hört! — Pfui!)

    Dort verlangte man die Rückkehr zu den Abkommen, die die Alliierten während der härtesten Perioden des Krieges miteinander geschlossen haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dort erklärte ausgerechnet der französische Kommunist Farge unter einmütigem Beifall der Versammlung etwas, das sich jeder Deutsche einprägen sollte: man müsse „eine Friedenssolidarität schaffen, die im Interesse der Völker die Solidarität des Krieges weiterzuführen" habe.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Man will also eine neue Welt mit den Mitteln der Kriegspsychose aufbauen. Daß Deutsche dazu ihre Zustimmung geben können, ist eine Warnung für die Ahnungslosen in unserem Lande. Daß ausgerechnet die Kommunisten in der Welt sich auf die Heiligkeit der Verträge besinnen, nämlich der Verträge mit sehr unheiligem Inhalt,

    (Heiterkeit)

    das ist um so überraschender, als doch die Kommunisten die Verträge mit einem heiligen Inhalt, nämlich die Friedensverträge, die den Balkanländern
    Rumänien, Bulgarien und Ungarn die Freiheit und die Demokratie sichern sollten, rücksichtslos gebrochen haben.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Auf dem Berliner Friedenskongreß bekannten sich die Kommunisten der ganzen Welt zu dem Vernichtungswillen von Jalta und Quebec und all den anderen Konferenzen. Dort bekannte man sich ausdrücklich immer wieder zu Potsdam. Dort wurde nicht nur politische und militärische Abwehr gegen den Westen gepredigt und das deutsche Volk unter diesem Gesichtspunkt negativ behandelt; dort erklärte man dem Sinne nach jede deutsche Industrie zu einer Kriegsindustrie und deklarierte wörtlich den Passus der Forderung der Quebecer Konferenz vom September 1944: „Schließung oder Zerstörung aller metallurgischen, chemischen und elektrischen Industrien der Ruhr und der Saar."

    (Hört! Hört! bei der CDU und bei der SPD. — Abg. Rische: „Rüstungsindustrie" hieß es!)

    — Lesen Sie nach, Sie Kenner der diplomatischen Akten!

    (Abg. Rische: Das ist doch Blödsinn! — Zurufe aus der Mitte: Ruhig! — Glocke des Präsidenten.)

    Die beiden Hauptziele der kommunistischen Kampagne sind: erstens propagandistisch die Kompagne gegen die sogenannte Remilitarisierung.

    (Erneute Zurufe von der KPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, diese sogenannte Remilitarisierung ist in diesem Munde ja wohl eine Lähmungsaktion ohne sachlichen Ernst. Die Diskussion, die jetzt auf einer kommenden, von der Weltfriedenskonferenz eingesetzten „Europäischen Arbeiterkonferenz gegen die Remilitarisierung Deutschlands" begonnen wird, hat ja tatsächlich ein anderes Ziel. Tatsächlich erstrebt man die Verlangsamung, wenn nicht gar das Abstoppen bei der Aufstellung der ungeheuren Produktionskaders der amerikanischen Rüstungsindustrie.
    Neben dieser propangandistischen Attacke gibt es aber eine sehr realpolitische. Man will dem undemokratisch zustande gekommenen totalitären Konstituierenden Rat als Hauptaufgabe den Abschluß eines Friedensvertrages noch im Jahre 1951 zuweisen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Lachen.)

    Was in einem solchen Friedensvertrag stehen soll, haben die Sowjets ja unvorsichtigerweise vor der Pariser Außenministerkonferenz 1949 erzählt. Sie forderten die Entnahme von Reparationen für die Sowjets aus der laufenden Produktion Westdeutschlands. Sie wollen die sowjetische Mitkontrolle und die Heranziehung ihrer Satellitenstaaten bei der Mitkontrolle des Ruhrgebiets. Sie erstreben die verstärkte politische Einwirkungsmöglichkeit auf die Gestaltung des deutschen Staatswesens. — Diese undemokratische Zweckeinrichtung des Konstituierenden Rates soll eine ebenso undemokratische Zweckregierung schaffen. Die Aufgabe dieser sogenannten Regierung wäre, die Politik der vollendeten Tatsachen im kommunistischen Sinne durchzuführen.

    (Sehr gut! bei der CDU und SPD.)

    Alle Parteien sollen mit diesem Friedensvertrag, der eine Kapitulation vor den Sowjets unter Verleugnung der deutschen Lebensnotwendigkeiten zu sein hat, belastet werden. So will man den Weg zur Eroberung der Macht nach dem Vorbild der Satel-


    (Dr. Schumacher)

    litenstaaten gehen. Es ist eine Illustrierung der Leninschen Theorie von der provisorischen Regierung, die so viel Tatsachen zu schaffen hat, daß sie nachher durch demokratische Wahlen nicht mehr korrigiert oder gar aus der Welt geschafft werden können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Hauptbestandteil eines Friedensvertrags noch 1951 wäre aber ein anderer. Er soll die Befreiung der Sowjets von ihrer größten europäischen und deutschen Sorge sein, die imstande ist, das ganze Satellitensystem zu schwächen und zu lähmen. Das Hauptziel dieses Friedensvertrages wäre, die deutsche Zustimmung zur Oder-NeißeLinie als der endgültigen Grenze zu erlangen.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Zur gleichen Zeit, in der man hier wilhelminisch, hitlerisch und in allen anderen Sprachen des Nationalismus unserem Volk propagandistisch kommt, verhandelt der sogenannte Ministerpräsident von Pankow mit Polen! Dieser Monat März ist der Monat der deutsch-polnischen Freundschaft.

    (Zuruf von der KPD: Gott sei Dank! — Zuruf rechts: Pfui Teufel!)

    Wir wollen die Freundschaft mit dem polnischen Volk, — aber nicht um den Preis des deutschen Selbstmords.

    (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

    Die Kommunisten haben nicht das Recht, auf Menschen und Gebiete Deutschlands zu verzichten, die ihnen doch nicht gehören, diese kommunistische Partei, eine Funktion einer Besatzungsmacht!

    (Erneuter lebhafter Beifall.)

    Dabei ist wichtig, daß bei den Erklärungen und gemeinsamen Aufrufen im Osten die Oder-Neiße-Linie nicht mehr die bloße Grenze ist. Im Stil der Agitation des vorigen Jahres ist sie nicht einmal nur die berühmte „Friedensgrenze" und die „Friedensgrundlage". Jetzt ist sie noch mehr! Es heißt in dem gemeinsamen großen Aufruf der „Blockparteien" wörtlich: „Die Oder-Neiße-Grenze ist ein Bindeglied beider Völker geworden."

    (Abg. Renner: Richtig! — Allgemeine Heiterkeit.)

    Man schwärmt in diesen Erklärungen davon — ich zitiere wieder wörtlich —, „daß sowjetisches Erz und polnische Kohle zu deutschem Friedensstahl verarbeitet werden".

    (Große Heiterkeit.)

    Bloß wie die Kommunisten zu anständigen Deutschen gemacht werden, dafür ist kein Programm vorgesehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts. — Zurufe bei der KPD.)

    Die „Nationalzeitung", das Blatt des organisierten Rechtsradikalismus im Dienste Sowjetrußlands,

    (anhaltende Zurufe von der KPD; — Glocke des Präsidenten; — Zuruf rechts: Ruhe bei den Sowjets!)

    das Organ des früheren Generals Vinzenz Müller, schreibt sogar: „Die Friedensgrenze an der OderNeiße ist heute für beide Völker zur begünstigenden Brücke geworden."

    (Hört! Hört!)

    So weit — und das mögen sich viele Leute in Westdeutschland zur Lehre dienen lassen — sinken die
    Vertreter des alten Nationalismus, wenn sie mit
    dem sowjetischen Totalitarismus zusammenarbeiten.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Von dieser Stelle aus ist es unsere Aufgabe, die Offiziere und Mannschaften der Volkspolizei in der sowjetischen Besatzungszone zu fragen, wie lange sie noch den Weg unter den Fahnen des Kommunismus gegen ihr eigenes Vaterland weitermarschieren wollen.

    (Stürmischer Beifall von der SPD bis rechts. — Zurufe von der KPD. — Gegenrufe: Raus!)

    Alle Bemühungen der östlichen Politik haben nur das eine Ziel, den Konstituierenden Rat zu schaffen und ihm die Funktion der Gesetzgebung und der Regierungsbildung zu überlassen. Demgegenüber haben wir Sozialdemokraten schon seit 1946 immer wieder gleiche und freie Wahlen unter den gleichen Chancen für alle Beteiligten als den Schritt Nr. 1 angesehen. Wenn die kommunistische Taktik siegen oder auch nur auf dem Wege des Kompromisses gewisse Erfolge haben würde, dann, meine Damen und Herren, wäre nicht nur eine Schlacht, dann wäre der Feldzug um die Freiheit in Deutschland, vielleicht in Europa verloren.

    (Sehr richtig! bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Alles steht und fällt damit, daß die freien Wahlen unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen für alle politischen Richtungen der Demokratie der Schritt Nr. 1 sind.

    (Bravo!)

    Die deutsche Frage auf der Außenministerkonferenz ist die Frage nach den freien Wahlen und damit die Frage nach einer freien und starken Regierung.

    (Abg. Rische: Ohne amerikanische Aktien!)

    — Nein; wir werden unsere Bundesgenossen aber auch nicht aus der Kirgisensteppe holen.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Das ist politischer Sinn und Inhalt des Briefes der Sozialdemokratischen Partei vom 31. Januar an den Herrn Bundeskanzler. Ich hoffe, die Befriedigung von vielen außerhalb der Regierungskoalition auszudrücken, wenn ich sage, daß das auch der entscheidende Punkt der Note und der Erklärung der Bundesregierung gewesen ist.

    (Bravo! bei der SPD.)

    Ein frei gewähltes und freies Parlament hat nicht nur eine Verfassung zu schaffen, es hat die ganze Gesetzgebung zu bewältigen und es hat die oberste Aufgabe der Bildung einer demokratischen Regierung, einer starken Zentralgewalt. Diese Zentralgewalt und das sie tragende Parlament haben nicht nur Recht zu setzen, sondern sie haben Tatsachen zu schaffen. Diese Tatsachen haben übereinzustimmen mit den Tatsachen, die vor, während und nach den Wahlen durch die demokratischen Kräfte der ganzen Welt gestaltet und organisiert werden sollen.
    Die propagandistische Welle der Kommunisten wird weitergehen. Aber die politische Aktion ist für diese Situation gescheitert. Die politische Eroberung der Deutschen Bundesrepublik durch den Kommunismus findet nicht statt.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Sie findet wenigstens legal nicht statt.

    (Zurufe von der KPD.)



    (Dr. Schumacher)

    Sie dürfen aber nicht übersehen, daß die Kommunisten das, was sie legal nicht erreichen, in der Illegalität einer durch nichts gehemmten Propaganda zu erreichen versuchen werden.

    (Sehr wahr!)

    Das heißt: die Gefahr bleibt vorn Propagandistischen her, und die Gefahr steigert sich. Die Gegenseite erreicht ihren Konstituierenden Rat nicht, weil sich die Bundesrepublik im Interesse der Notwendigkeiten des deutschen Volkes und der Notwendigkeiten der Freiheit in der Welt verweigert. Darum werden die Kommunisten den Versuch machen, ein Schattenparlament, ein Scheinparlament, auch Konstituierender Rat genannt, zu schaffen und dabei die Vertreter aus dem Westen nach ihrer kommunistisch-sowjetischen Einsicht benennen.

    (Zuruf von der KPD: Frei nach Hedler!)

    Bei dieser Gelegenheit werden wir einmal die ganze trojanische Kavallerie hier vorbeigaloppieren sehen,

    (Große Heiterkeit)

    und wir werden dann die Möglichkeit haben, uns politisch, moralisch und juristisch mit den Leuten auseinanderzusetzen, die Deutschland im Stich lassen, um Sowjetrußland zu dienen.

    (Stürmischer Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Dieses Schattenparlament hätte dann die Aufgabe, eine Schattenregierung zu bilden.

    (Zuruf von der KPD: Die Pferde wiehern schon!)

    - Ja, das höre ich gerade.

    (Heiterkeit; — Erneute Zurufe von der KPD.)

    Genau wie dieses Schattenparlament wäre diese Schattenregierung auch ein Propagandainstrument der Sowjets. Diese Tatsache legt dem deutschen Volk, soweit es das Glück hat, seinen politischen Willen frei bilden und frei vertreten zu können, eine große Aufgabe für die deutsche und für die Demokratie der Welt auf.
    Die Viererkonferenz mag ausgehen, wie sie will: Wir können nicht in einem Zustand der Passivität, des Sichabfindens mit den Dingen verharren.

    (Zustimmung.)

    Die Teilung Deutschlands kann man nicht in dem Stil behandeln, als sei sie eine hoffentlich vorübergehende Angelegenheit. Das Resignieren ist eine Chance für die Diktatur.

    (Sehr gut!)

    Die westdeutsche Bundesrepublik muß bei jedem Ausgang der Viererkonferenz und bei jedem Verhalten der Propagandamaschinerie der Kommunisten immer wieder von dem einen Gebot ausgehen: Wir freien, wir demokratischen Deutschen haben die Aufgabe, politisch und propagandistisch für die deutsche Einheit aktiv und kämpferisch zu bleiben und diese Aktivität um dieses Zieles willen weiterzuentwickeln.

    (Beifall.)

    Wir haben dabei drei große Komplexe zu behandeln. Wir haben eine starke soziale Ordnung zu schaffen, die den weltweiten Unterschied im Sozialen zwischen den Ländern der Demokratie und den Ländern der Diktatur auch den Menschen im Osten, auch den Bewohnern der Satellitenstaaten klarmacht.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir haben zum anderen eine demokratische Praxis
    im eigenen Lande und eine demokratische Praxis
    der Außenpolitik zu entwickeln, die die Gleichberechtigung zum idealen Vorbild für die Völker des Ostens macht, die Gleichberechtigung, die aus der Vernunft und der natürlichen Solidarität der Demokratie allen Völkern gegeben ist.

    (Beifall.)

    Wir haben schließlich ein System praktischer Maßnahmen zu schaffen, wie sie von den Kräften der Demokratie bei der Rückgewinnung der sowjetischen Besatzungszone nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich für die Eroberung und Sicherung der Freiheit durchgeführt werden sollen.
    Meine Damen und Herren! Mit dem Kampf für die deutsche Einheit dienen wir unserem eigenen Volk. Mit dem Kampf für die deutsche Einheit dienen wir aber auch der Sache der Freiheit und der Menschlichkeit in der ganzen Welt!

    (Anhaltender stürmischer Beifall.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, für die Fraktionen der Christlich-Demokratischen Union, der Freien Demokratischen Partei und der Deutschen Partei unsere Auffassungen zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers darzulegen. Ich möchte an den Anfang meiner Ausführungen stellen, daß wir dieser Erklärung und dem Verfahren, das der Herr Bundeskanzler vorsieht, voll und ganz zustimmen. Wir stimmen sowohl der grundsätzlichen Betrachtung, die in der Erklärung der Bundesregierung zum Ausdruck gekommen ist, als auch insbesondere der Tatsache zu, daß sich die Bundesregierung entschlossen hat, in dieser entscheidenden, vielleicht der entscheidendsten Stunde in der Geschichte unseres Volkes nach 1945 eine Note abzusenden. Wir stimmen dem Inhalt dieser Note und den in ihr zum Ausdruck gebrachten Forderungen zu. Wir unterstreichen das Verlangen der Bundesregierung, daß letzthin für alle Entscheidungen, die über unser Volk getroffen werden, die deutsche Zustimmung erforderlich ist. Wir unterstreichen von ganzem Herzen das große Ziel, die Einheit unseres Vaterlandes in der Freiheit zu erreichen. Dieses Ziel und seine Verwirklichung wird nicht nur über die Geschicke unseres eigenen Vaterlandes entscheiden, sondern über das Geschick ganz Europas und damit der Welt. Es wird mitbestimmend dafür sein, nach welchem nomos, nach welchem Gesetz die Menschheit künftig leben wird. Darum bedeutet die Forderung, unsere Einheit aus der innersten Freiheit, aus der tatsächlichen Freiheit herzustellen, viel mehr als nur die Entscheidung einer politischen Form; sie bedeutet die große Entscheidung, sich einzugliedern, daran mitzuhelfen, daß dieser alte, aus dem Abendland entstandene freie Bereich der Kultur bestehen bleibt und sich verwirklicht. Die Forderung auf eine demokratische Entscheidung, d. h. auf eine wirklich freie, aus dem innersten Entschluß des deutschen Volkes zu fällende Entscheidung bedeutet ein Stück Verwirklichung des innersten Wesens unserer Kultur.
    Ich darf mich im Anschluß hieran den Ausführungen des Führers der Opposition zuwenden und feststellen, daß in diesen grundsätzlichen Fragen der nationalen Solidarität bis in die tieferen Bezirke der Betrachtung hinein kein Unterschied besteht, daß damit in dieser Stunde und in diesem Hause ein großes Faktum geschaffen worden ist,


    (Dr. von Merkatz)

    wie wir unser Schicksal angesichts der großen Bedrohung, die von allen Seiten auf uns eindringt, zu gestalten haben, und daß wir auf diesem Weg der Wahrung unserer wahren nationalen Interessen mit allen, die da guten Willens sind, von der Passivität zur Aktivität gelangen. Ich möchte diesen Satz in der Rede des Führers der Opposition, der eine aktive Politik gefordert hat, ganz nachdrücklich unterstreichen. Uns reift und wächst nichts zu. Wenn, wir auch geduldig sein müssen, wenn wir auch die Fähigkeit des Abwartens besitzen müssen, so glaube ich doch, daß im Kern und in der Substanz das deutsche Schicksal aus unserem eigenen Entschluß und daraus zu schaffen ist, wieviel wirklich politische Kraft wir in der Gestaltung unserer inneren und äußeren Verhältnisse aufzubringen vermögen, wieweit es uns gelingt, die Lähmung und Ohnmacht, die auch in den seelischen Bezirken als eine Folge unserer Niederlage zurückgeblieben ist, zu überwinden und damit zu einer aus dem Innersten heraus wachsenden Kraft zu gelangen, die die Welt von dem Wesen unseres Daseins überzeugt.
    Der Führer der Opposition hat auf den grundlegenden Unterschied in den Verhältnissen Österreichs und Deutschlands hingewiesen. Auch diese Feststellung möchte ich unterstreichen. In Österreich ist es nicht zu dem Aufbau eines kommunistischen Machtapparats gekommen. Damals hat die sowjetische Besatzungsmacht offenbar in dem Schwung ihres Sieges darauf vertraut, daß durch freie Wahlen eine kommunistische Entscheidung gefällt werden könnte. Diese freien Wahlen haben aber seinerzeit die Grundlage dafür gelegt, daß in Österreich das österreichische Volk über seine inneren Verhältnisse zu entscheiden hat.
    Ich stimme auch den Ausführungen des Führers der Opposition hinsichtlich der Tatsache zu, daß eine soziale Fundamentierung ein richtiges Mittel dafür ist, unser Dasein zu erhalten und zu verteidigen.

    (Zuruf von der SPD: Nächsten Mittwoch!)

    Aber ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß durch die Korea-Krise in der ganzen Welt eine Mangellage hervorgerufen worden ist. Diese Krise wiederum beweist, daß es den totalitären Systemen angelegen ist, den Aufbau und die Befriedung der Welt zu stören und zu verhindern, um dadurch die Ursachen für die sozialen Krisen zu setzen und zu erweitern.
    Zweck meiner Ausführungen soll sein, den Versuch einer Analyse unserer Situation zu unternehmen, eine Antwort auf die Frage zu finden; was man mit uns vorhat, und dann unsere Konzeption zu entwickeln, die wir der Bedrohung im Sinne einer Aktivierung unserer Kräfte entgegenzusetzen haben.
    Es ist der kommunistischen Propaganda gelungen, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen westlichen Welt ein Klima der Angst und der Unrast zu erzeugen. Deshalb möchte ich an den Anfang meiner Betrachtungen den Menschen stellen, den abendländischen Menschen unserer Zeit. Lebensmut und Lebenswille sind die Voraussetzungen für die Freiheit. Nihilismus und Defaitismus bedrohen uns mehr als die, Atombombe; sie schwächen unsere Kultur und ihren Behauptungswillen. Unsere Zeit ist eine Zeit der Krisen. Martin Luther hat einmal gesagt: Wenn die Menschen vom Weltuntergang reden, dann ist es Zeit, ein Apfelbäumchen zu pflanzen.
    Wenn wir das Unheil abwenden wollen, müssen wir den nötigen Mut aufbringen, uns ganz für das Ziel eines wahrhaften, auf die Achtung der Freiheit und Menschenwürde gegründeten dauerhaften Friedens einzusetzen. Das kann nicht in der Methode des Ausweichens vor und des Paktierens mit einem unversöhnlichen Gegner geschehen. Von uns werden Entscheidungen gefordert, die immer eine charakterliche Bewährungsprobe sind.
    Lassen Sie mich in dieser Stunde an das Beispiel Berlins erinnern. Ohne die mutige und entschiedene Haltung der Bevölkerung wäre es niemals zur Luftbrücke gekommen. Dieses Beispiel sollte Richtschnur für das Verhalten in ganz Deutschland sein.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Wir bereiten uns unsere Zukunft selbst je nach dem Maß an politischer Kraft oder Ohnmacht, das man bei uns findet.

    (Sehr richtig!)

    Ich fordere auch namens der Fraktionen, für die zu sprechen ich die Ehre habe, eine aktive Politik, die unseren politischen Sinn mit Entschlossenheit und Impulsen zur Freiheit bis in die Tiefenbezirke durchdringt, also einen Mut und Lebenswillen, der nichts anderes ist als das Gottvertrauen gereifter Menschen und eines unter den Schlägen der Geschichte gereiften Volkes, das seinen Standort erkennt und an seine Zukunft glaubt.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Ein Volk, das an seine Zukunft nicht zu glauben vermag, dem der große geschichtliche Sinn verlorengegangen ist, das sich nur als ein Objekt fühlt, ist zum Untergang verdammt. Wir aber wollen leben!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir begrüßen die Absicht der Westmächte, die Ursachen der Spannungen aufzuspüren, um eine Lösung zu ihrer Beseitigung zu finden. An dieser Stelle dürfen wir nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die vergangene deutsche politische Führung, die das eigene Volk und fast die ganze Welt in die Katastrophe eines Krieges verwickelt hat, damit die Ursache dafür gesetzt hat, daß die mittel- und osteuropäische Ordnung zusammengebrochen ist und so der Gegensatz zwischen der bolschewistischen und der nichtbolschewistischen Welt in solcher Unmittelbarkeit in Erscheinung treten konnte.
    Die geschichtlichen Konsequenzen sind unerbittlich. Der Trennungsstrich dieses Gegensatzes geht mitten durch unser Land. Deutschlands Schicksal ist ein Gleichnis für den Zustand Mitteleuropas, ja für den ganz Europas und so für das politische Gefüge in der ganzen Welt. Darum muß eine echte Lösung gefunden werden, die diese Zerstörung der Struktur Europas beseitigt und die Struktur wieder in ein Gleichgewicht bringt. Wir als Deutsche sollten unseren Beitrag vor allem darin sehen, daß wir in unserer Konzeption unser nationales Bedürfnis nicht in der Engstirnigkeit eines nationalen Egoismus erfassen, sondern aus europäischer Sicht zu verstehen vermögen. Deutschland steht stellvertretend für Europa, und wenn wir auch erkennen, daß die deutsche Frage nur ein Ausschnitt aus den weltweiten Spannungen ist, so sollten wir doch die Übersicht darüber behalten, daß die Lösung unserer nationalen Bedürfnisse in einem Geist erfolgt, der sich mitverantwortlich fühlt für die Bedürfnisse ganz Europas und aller Völker, die nach dem Gesetz der Freiheit


    (Dr. von Merkatz)

    leben. Ich meine damit ein neues Solidaritätsgefühl, das über die nationale Gemeinschaft hinausgeht.
    Damit rede ich nicht von Utopien, sondern von Realitäten. Die geschichtlichen Strömungen, die eine neue Weltordnung aus den Leiden, Krisen und Katastrophen der Gegenwart emporzuheben trachten, zielen, wenn nicht alle Zeichen trügerisch sind, auf die Bildung großräumiger Zusammenschlüsse hin, die dem Stand unserer Wirtschaft in Technik und Verkehr, dem wachsenden Bedürfnis des Warenaustausches und der menschenwürdigen Existenz der Massen entsprechen. Wenn wir genauer hinsehen, dann ist das sowjetische Imperium bereits ein solcher Großraum, der nahezu vollendet steht und fast ein Viertel der Welt umschließt, während die westliche Welt über das Stadium der Konferenzen noch nicht wesentlich hinausgekommen zu sein scheint.
    Davon aber fühlen wir uns auch bedroht. Wenn wir von Spannungen sprechen, von Krisen, ja von Katastrophen, dann dürfen wir nicht vergessen, daß sich die totalitären Bewegungen unseres Jahrhunderts diese katastrophische Betrachtung zu eigen gemacht haben. Ein Hauptdogma des Kommunismus ist, daß die kapitalistische Welt an ihren eigenen Krisen zugrunde gehen muß. Darum ist der Kommunismus bemüht, in seiner Strategie des Untergrundes Krisen zu erzeugen, wo er nur kann. Der müde Geist des Kompromisses, der Verharmlosung und der intellektuellen Eselei leistet ihm hierbei ebenso Vorschub wie die Täuschung, daß alles normal sei und mit normalen Mitteln gemeistert werden könne.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Dazu kommt noch die Flucht in das Private, die bei gröberen Naturen ein brutales Überwechseln in die nackte Selbstsucht ist. Ich stehe nicht an, auch festzustellen, daß Deutschland zur Zeit — abgesehen von den Ohne-mich-Aposteln — durch einen Hang mancher Menschen zur Selbstsucht in seiner Gemeinschaft und damit in seiner staatlichen Ordnung schwer bedroht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Welches sind die Ursachen der Spannungen unserer Zeit? Ich möchte hier nur einige typische Beispiele einblenden: zwei Weltkriege innerhalb einer Generation, in denen zwischen 50 und 100 Millionen Menschen sowie Güter im Werte von mehreren Billionen vernichtet worden sind. Ich kann hierbei den Frevel der Massenvernichtung, der im letzten Krieg geschehen ist, nicht unerwähnt lassen. An 30 Millionen Menschen wurden und werden in Sklavenlager gesperrt, Millionen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Hunderttausende wurden in politischen Säuberungsprozessen beseitigt. Die Flut der Revolutionen ist seit 1917 nicht mehr geschwunden. Städte liegen in Trümmern, und in den Zentren der Großstädte wuchert das Unkraut. Vollgestopfte Güterwagen rollten von der Ostzone nach Sibirien. Die Teilurig Deutschlands, die Entwicklung furchtbarster Waffen der Massenvernichtung, alles das sind die Ursachen der Spannungen in dieser Zeit. Der Hintergrund und die Folgen dieser Tatsachen sind eine gefährliche, auch für das Gemeinschaftsleben gefährliche Neurasthenie der Menschen, die alle das Gepräge der Zeit eines Überganges tragen, in der wir uns aber zu behaupten haben. Um diese Ursachen zu überwinden, brauchen wir eine offensive, tatkräftige und selbstlose Politik und ein wirkliches Format verantwortungsbewußter Menschen, die gewillt sind, in die Freiheit voranzumarschieren.

    (Beifall in der Mitte und bei der DP.)

    Den Weg in die Freiheit zu finden, das Fazit aus
    dieser Zeit der Krisen und Katastrophen gerade in
    unserem Lande zu ziehen, ist die deutsche Aufgabe.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Weil sich bei uns alles das ausgetobt hat, was die anderen erst bedroht, deshalb sind wir so hellhörig geworden.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.)

    So wächst bei uns der Mut vor der Realität der Aufgabe, die uns gestellt worden ist, indem wir als Volk mit den furchtbaren Gewalten konfrontiert sind, die aus diesem Massenzeitalter hervorzubrechen vermögen. Wir als Volk können einen wichtigen Beitrag zur Bildung der Gesetze einer freien Gesellschaft leisten,

    (Zustimmung in der Mitte)

    indem wir mit unserem Schicksal fertigwerden und damit ein Beispiel geben; denn wir haben die Impulse zu bestimmen, die die Hilfe der größeren Gemeinschaft der freien Völker auslösen.
    Damit bin ich bei dem deutschen Beitrag zur Überwindung der Spaltung unseres Staates. Diese Spaltung hat eine Vergangenheit in den wechselnden Konzeptionen der Siegermächte, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Ich will nur andeuten, daß Jalta und Potsdam Höhepunkte in der manifestierten Absicht von Konzeptionen darstellten, die eine Zerstörung gewachsener politischer Ordnungen zur Folge hatten. Das heißt, daß auf diesen von den Kommunisten beherrschten Konferenzen Ursachen gesetzt worden sind, die nun das Weltgefüge in seinen Grundlagen bedrohen. Ich denke hierbei an den Dreiklang der Begriffe Neutralisierung, Pastoralisierung — damit meine ich den Morgenthau-Plan, der die Hauptgebiete der industriellen Produktion Deutschlands in eine Ziegenweide umzuwandeln trachtete — und Dismembration Deutschlands, worunter die einen die Auflösung Deutschlands in einen uferlosen Separatismus, die andern die praktische Aufteilung Deutschlands unter die Machtbereiche der Siegerstaaten verstanden. Mit der Byrnes-Rede in Stuttgart 1946 hat diese destruktive Aera der Siegerpolitik ihr Ende gefunden,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    wenn auch heute noch manche sturen und gehässigen Geister aus solchen Ideen kriegserhitzter Rachsucht ihre Auffassungen ableiten.
    Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, daß heute wieder hinter der Kulisse mit den Plänen der Sowjetzone die Tendenz verfolgt wird, diese Haßgefühle und das Mißtrauen gegenüber Deutschland zu mobilisieren, indem man von kommunistischer Seite auf angebliche Rechtstitel aus der Potsdamer Übereinkunft über die wirtschaftliche und politische Verstümmelung Deutschlands hinweist. Damit entschleiert sich ein entscheidendes Ziel kommunistischer Politik, in Deutschland und, wenn möglich, in ganz Westeuropa ein Vakuum zu schaffen, das dann dem kommunistischen Zugriff risikolos offenliegt.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Die Neutralisierung Deutschlands bedeutete ein
    solches Vakuum, d. h. die Schaffung der Voraussetzungen für die Gewinnung der Macht in einem
    solchen Raum der vollkommenen politischen Impotenz, ohne damit irgendwie ein Risiko kriege-


    (Dr. von Merkatz)

    rischer Verwicklungen einzugehen. Die VakuumPolitik der Kommunisten wurde wesentlich durch das Potsdamer Abkommen erleichtert, das die Handhabe bot, ohne Verletzung des Wortlautes eine Sowjetisierung der deutschen Mittelzone durchzuführen, während man im Kontrollrat durch das Veto jede aufbauende Politik der Westmächte zu durchkreuzen bestrebt war.
    Damit komme ich zu einer Analyse der kommunistischen Strategie, die in der Ausnutzung der in Jalta und Potsdam gewonnenen Positionen so erfolgreich gewesen ist. Der Kommunismus hat das Ziel der Weltherrschaft. Er ist von seinem Ziel und der Logik seiner Erreichbarkeit nicht abzubringen. Seine Stellungswechsel beruhen immer nur auf taktischen Erwägungen. Unter diesem Aspekt ist die bolschewistische Diplomatie überhaupt eine neue, bisher kaum begriffene Form der Diplomatie, die nicht auf die Reaktion der fremden Staatsorgane berechnet ist, sondern auf die Psychologie der Massen, die sich der Kommunismus zur Erreichung seiner weltweiten Pläne gewinnen will.
    Ich stelle fest, daß der Kommunismus Konferenzen als ein Forum benutzt, um zu den Massen zu sprechen und die Weltmeinung in der Richtung der kommunistischen Weltpolitik beeinflussen zu können.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.) Durch Appelle an die Massen sucht er die nichtkommunistischen Regierungen in ihrem Verhältnis zu deren Staatsbürgern zu unterminieren und zu schwächen und zugleich innerhalb der nichtkommunistischen Regierungen zu spalten, zu verbittern und von einer selbständigen antikommunistischen Politik abzulenken bzw. eine solche Politik zu blockieren.


    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    So werden diese Konferenzen zur Tarnung für die Behinderung einer antikommunistischen Politik und klaren Erkenntnis der Notwendigkeit einer Abwehr. Für den Kommunisten ist der Nichtkommunist der Klassenfeind, der vernichtet werden muß, um die Absolutheit der kommunistischen Vorherrschaft und Ideologie durchzusetzen.
    Wenn man diese Zusammenhänge einsieht, dann wird deutlich, warum eine verantwortungsbewußte deutsche Politik sich nicht auf ein Gespräch am runden Tisch einlassen kann. Es ist dies auch eine Frage der inneren Würde. Ich unterstreiche auch hier das Wort meines Herrn Vorredners: Man kann sich nicht mit dem Peiniger an einen Tisch setzen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    James Burnham, der bekannte amerikanische Soziologe, hat seinem Buch über die Strategie des Kalten Krieges das Motto vorangesetzt: Wer A sagt, muß auch B sagen.

    (Zuruf von der SPD: Bis zum Z!)

    — Bis zum Z! — Ein solches Gespräch mit den Handlangern des Kreml in der sowjetisch besetzten Zone hätte große Ähnlichkeit mit dem Gespräch zwischen Faust und Mephisto, das mit der Unterzeichnung des Blutpaktes enden mußte, nachdem sich Faust darauf überhaupt eingelassen hatte, mit Mephisto zu sprechen.
    In den Mittelpunkt der Vorschläge ist der Konstituierende Rat gerückt worden. Darin verlangt man die Parität zwischen der sowjetisch besetzten Zone mit rund 18 Millionen Einwohnern und der rund 45 Millionen Einwohner umfassenden Bundesrepublik. Nicht legitimierte Repräsentanten eines Drittels wollen also in Parität mit reichlich zwei
    Dritteln der deutschen Bevölkerung verhandeln und so schon in den Präliminarien ein Präjudiz für ein Übergewicht der Minderheit schaffen. Diese Minderheit wird wiederum von einer ganz kleinen Minorität von Usurpatoren und gekauften Leuten drangsaliert und in einer Weise repräsentiert, die in gar keinem Verhältnis zur Vertretungsvollmacht der gesamten deutschen Bevölkerung steht.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Was ist denn überhaupt der Unterschied zwischen einer Demokratie und einem totalitären System? In der Demokratie wird der Herrschaftswille aus der Mehrheit gebildet. Im totalitären System herrscht eine Minderheit, die sich auf einen Machtapparat stützt, der die Massen gefesselt und gelähmt hält wie unter einem Netz, dessen Maschen aus Terror und Propaganda im Sinne einer organisierten Massenbeeinflussung gewebt sind.
    Der uns vorgeschlagene Konstituierende Rat ist ein Gremium, das ohne demokratische Legitimation ernannt werden soll. Damit soll ein Gremium geschaffen werden, das ähnlich wie die Lubliner Regierung, diese „Lubliner Junta", darauf abzielt, nichtkommunistische Vertreter in einem ungleichen Kräfteverhältnis der nur auf der Macht basierenden kommunistischen Minderheit auszuliefern und ihrer Verhandlungstaktik zu unterwerfen. Die Forderung dieser demokratisch nicht legitimierten Parität, unterstützt durch einen Machtapparat — Staatssicherheitsdienst, Volkspolizei, Denunzianten und Spitzel —, ist der Anfang einer Blockpolitik mit ihren auf nationale Phrasen gegründeten Einheitslisten, die nicht durch Wahl, sondern durch manipuliertes Plebiszit bestätigt werden soll. Mit diesem Bruch mit den demokratischen Grundvoraussetzungen ist man entschlossen, die Gutgläubigkeit zu überfahren und durch die Mittel des Terrors einen Willen herzustellen, der eine kommunistische Entscheidung hervorbringt. Nach kommunistischer Gesinnung ist mit dem Klassenfeind ein Vertrag überhaupt nur als Vorwand zu schließen, um ihn zu überlisten.
    Hinter diesem System steht das, was nachher alles das „begradigt", was in verspäteter Erkenntnis dieses dolosen Verfahrens sich zur Wehr setzt, nämlich der Machtapparat, der vor keinem Mittel und vor keiner Maßnahme der Vernichtung zurückschreckt. Man benutzt die Gutgläubigkeit all derer, die den Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen versuchen. Das Endziel kommunistischer Strategie steht fest: die Einheit Deutschlands unter kommunistischer Herrschaft. Und diesem Endziele dient ein organisiertes Gespräch um die Bildung eines Gremiums, dessen Hauptaufgabe die Sowjetisierung ganz Deutschlands und in Ausführung der Warschauer und der Prager Beschlüsse die Schaffung eines Friedens ist, der Deutschland dem sowjetischen Machtbereich einverleibt. Wer diese Taktik nicht begreift, ist hoffnungslos dem kommunistischen Machtstreben ausgeliefert.
    Vielleicht ist es nützlich, sich einmal die Sprachregelung für die Aufklärer der Nationalen Front über das gesamtdeutsche Gespräch anzusehen. Sie lautet:
    Bei einer ganzen Reihe wirklich fortschrittlicher Demokraten und Patrioten ist teilweise Bestürzung und Verwirrung darüber entstanden, daß es den Anschein hat, als wollten wir hier in der Deutschen Demokratischen Republik unsere stolzen Errungenschaften wie die Blockpolitik an Stelle des parlamentarischen Kuhhandels der Koalitionspolitik, weiterhin die


    (Dr. von Merkatz)

    erstmals am 15. Oktober erreichte Art von wirklich freien demokratischen Wahlen und unter Umständen noch weitere mühsam erkämpfte Errungenschaften unserer wahren Demokratie zugunsten der gesamtdeutschen Einheit aufgeben.
    Mit dieser Erklärung werden die vom Landesausschuß Brandenburg der kommunistischen Natioonalen Front an die sogenannten Aufklärer herausgegebenen Propagandaanweisungen eingeleitet, die dem Informationsbüro West vorliegen.
    Tatsächlich sind wir bereit,
    — heißt es in den Propagandaanweisungen weiter — einen Teil dieser unserer stolzen Errungenschaften der DDR vorübergehend formal aufzugeben.
    In diesen Anweisungen wird wörtlich und klipp und klar dargelegt, was beabsichtigt und wie es beabsichtigt ist. Die Aufklärer der Nationalen Front werden dann in der Propagandaanweisung aufgefordert, in ihrer Diskussion zu betonen, daß nach der marxistischen Definition der Staat das Machtmittel der jeweils herrschenden Klasse fest und seine Macht niemals in der parlamentarischen Kulisse, sondern in dem tatsächlichen, realen ökonomisch-politischen Machtverhältnis liegt. Von hier ausgehend wird das eigentliche Ziel angedeutet: Nur weil die Deutsche Demokratische Republik Westdeutschland aus wirtschaftlichen Gründen und mit Rücksicht auf das politische Endziel dringend brauche, quäle man sich noch mit dem Klotz der bürgerlichen Parteien und müsse auch bereit sein, im Interesse der Erreichung des Zieles eine Veränderung in der Form der parlamentarischen Kulisse vorzuspielen.
    Alles dies ist also eine List, wie sie auf dem Hintergrund der Ihnen dargelegten bolschewistischen Taktik von jeher ausgeübt und gespielt worden ist. Diesem Verfahren haben wir unsere eigene Konzeption der Freiheit gegenüberzustellen. Alle Überlegungen im Zusammenhang mit der Wiedergewinnung der deutschen Einheit sollten von zwei Tatsachen ausgehen: erstens, daß Deutschland de jure nicht aufgehört hat, als Staat in den Grenzen des 31. Dezember 1937 zu bestehen,

    (sehr richtig! rechts und in der Mitte)

    und daß jede Änderung dieser Grenzen der deutschen Zustimmung bedarf und einem Friedensvertrage nicht vorweggenommen werden darf;

    (lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und bei der SPD)

    zweitens, daß alle Maßnahmen, die unter dem Namen „Eiserner Vorhang" zusammengefaßt werden,
    gegen die Einheit Europas gerichtet sind, damit ein
    im öffentlichen Bewußtsein bestehendes und durch
    den Vertrag über den Europarat geschütztes Rechtsgut verletzen und daher als widerrechtlich und als
    Angriff auf die Einheit Europas zu betrachten sind.

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Wenn wir von dieser grundsätzlichen und — wie ich behaupten möchte — konstruktiven Konzeption ausgehen, ergeben sich alle weiteren Maßnahmen mit einer zwingenden Logik gewissermaßen von selbst. Wir begrüßen daher — ich möchte die Darlegungen, die der Herr Bundeskanzler gemacht hat, nicht wiederholen — die offensive Forderung nach wirklich freien Wahlen und — das ist das Entscheidende — die daran geknüpfte Forderung, ein Klima der Freiheit als Voraussetzung dieser Wahlen zu schaffen.

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)

    Die einzelnen Voraussetzungen möchte ich hier nicht noch einmal darlegen, um nicht in die Gefahr zu geraten, daß diese so wichtigen und wohl zu überlegenden Dinge zerredet werden. Aber ich Lin der Überzeugung daß die Offensive gegenüber den
    Aggressionsabsichten der kommunistischen Strategie, eine Offensive mit der Forderung freier Wahlen und der Forderung, die Voraussetzungen dazu zu schaffen, die andere Seite in die Lage versetzen sollte, nun Farbe zu bekennen, Antwort zu geben, ob ja oder nein, ob man also das, was man sagt, wirklich will oder nicht.

    (Lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und bei der SPD.)