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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. März 1951 4757 125. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4757B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Konferenz der Außenminister und Deutschland-Problem; Wiederherstellung der Einheit Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 4757C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Dr. Schumacher (SPD) 4761B Dr. von Merkatz (DP) 4767C Loritz (WAV) 4771C Fisch (KPD) 4772B Tichi (BHE-DG) 4776C Dr. Seelos (BP) 4776D Frau Wessel (Z) 4777A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z, BHE-DG (Nr. 2028 der Drucksachen) 4779A Beschlußfassung 4780A Präsident Dr. Ehlers 4780A Nächste Sitzung 4780C Die Sitzung wird um 10 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sie werden gegen besseres Wissen erhoben. Demgegenüber aber hat die Sowjetunion ihre Rüstungsindustrie seit 1945 weiter ausgebaut und eine gewaltige Streitmacht neu aufgestellt. Allein in der Sowjetzone Deutschlands stehen an 30 voll ausgerüstete Divisionen. Darüber hinaus ist in der Sowjetzone in Gestalt der Volkspolizei eine Organisation geschaffen worden, die nach Größe, Aufbau und Art der Bewaffnung ein militärischer Verband ist.
    Gestützt auf diese militärische Macht und die straffe Organisation der kommunistischen Parteien ist es Sowjetrußland seit 1945 gelungen, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien völlig in seine Einflußsphäre einzubeziehen und einen Zustand der Spannung und der Furcht in ganz Europa und der Welt hervorzurufen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Ost und West hat sich zwangsläufig auch auf Deutschland übertragen. Das deutsche Problem, die Spaltung Deutschlands in zwei Teile ist eine der Folgen, aber gleichzeitig auch eine der Ursachen der jetzigen gespannten Situation. Die Beseitigung der Spaltung, die Wiederherstellung eines geeinten Deutschlands in Freiheit — ich wiederhole und unterstreiche dieses Wort: Einheit in Freiheit — ist daher nicht nur ein Anliegen des deutschen Volkes, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens in der Welt.

    (Lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und von Abgeordneten der äußersten Rechten.)

    Die Bundesrepublik hat auf diese Notwendigkeit schon wiederholt mit großem Ernst und mit großem Nachdruck hingewiesen, lange bevor die Machthaber der sowjetischen Zone den Versuch machten, sich durch eine laute und in ihren Zielen und Zwecken nur allzu durchsichtige Propaganda als die Rufer nach der deutschen Einheit dem deutschen Volke darzustellen. Bereits in den Erklärungen, die die Bundesregierung und der Bundestag vor einem Jahr, nämlich am 22. März 1950, und erneut am 14. September 1950 abgegeben haben, ist klar und eindeutig festgestellt worden, daß der Weg zur deutschen Einheit nur durch eine freie und unbeeinflußte Willensentscheidung des deutschen Volkes gefunden werden kann.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Der erste Schritt zur Einheit Deutschlands ist die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einem verfassunggebenden deutschen Parlament.

    (Lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und von Abgeordneten der äußersten Rechten.)

    Diesem Parlament muß gleichzeitig die Aufgabe übertragen werden, bis zum Inkrafttreten einer freiheitlichen Verfassung die Wahrnehmung der gesamtdeutschen Regierungsgewalt zu regeln.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und von Abgeordneten der äußersten Rechten.)

    Die drei westalliierten Regierungen haben sich diesen Auffassungen und diesem Verlangen nach Wahlen angeschlossen. Ich stelle ausdrücklich fest, meine Damen und meine Herren, daß weder von seiten der Regierung der Sowjetunion noch von seiten der Regierung der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands jemals auf diese klar und eindeutig formulierten Vorschläge überhaupt eine Antwort eingegangen ist.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Ich stelle weiter fest, daß sich die sowjetzonale Regierung, die sich heute so national gebärdet, nicht gescheut hat, gleichzeitig, während sie zur Wiederherstellung der deutschen Einheit ruft und uns beschuldigt, diese Wiederherstellung zu verhindern, das Gebiet jenseits der Oder und Neiße, d. h. ein Drittel Deutschlands, widerrechtlich an Polen abzutreten.

    (Pfui-Rufe.)

    Erst als von Sowjetrußland der Vorschlag der Einberufung einer Außenministerkonferenz gemacht wurde, änderte sich die Haltung der Sowietzonenregierung. Nunmehr kamen der Brief Grotewohls an den Bundeskanzler, der Brief der Volkskammer an den Bundestag, die Reden Grotewohls und Ulbrichts. Gleichzeitig ergoß sich eine Flut von Propagandaschriften und -briefen über die Bundesrepublik. Mit allen Mitteln wurde versucht, mit der Losung „Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" in Verhandlungen mit Vertretern der Bundesrepublik zu kommen. Während in den ersten Verlautbarungen „Abhaltung von gesamtdeutschen Wahlen" in den Vordergrund gestellt wurde, verlagerte sich später die Propaganda auf „sofortige Bildung eines gesamtdeutschen Konstituierenden Rates", zu dem die Bundesrepublik mit ihren 47 Millionen Einwohnern die gleiche Zahl von Mitgliedern entsenden sollte wie die Sowjetzone mit ihren 18 Millionen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dieser Rat sollte in der Hauptsache die Funktionen einer Regierung Deutschlands im Verhältnis zu den vier Besatzungsmächten übernehmen.
    Der Zweck des Ganzen ist klar.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!) Sowjetrußland wollte durch seinen Einfluß auf diesen Rat seine Stellung gegenüber den Westalliierten stärken. Jedem, dem die Verhältnisse auch nur einigermaßen bekannt sind, ist es klar, daß wirklich freie und geheime Wahlen in der Sowjetzone niemals beabsichtigt waren.


    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn es aber noch eines endgültigen Beweises für die Unaufrichtigkeit der östlichen Machthaber bedurft hätte, dann ist er in den letzten Tagen geliefert worden. Der Propagandachef der Sowjetzone, Staatssekretär Eisler, erklärte in aller Offenheit, daß nach Ansicht der Sowjetzonenregierung die Ostzonenwahlen vom 15. Oktober 1950 als allgemeine, freie, geheime Lind direkte Wahlen

    (Lachen bei der SPD und bei den Regierungsparteien)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    auch für die vorgesehenen gesamtdeutschen Wahlen vorbildlich sein müßten.

    (Erneutes Lachen bei der SPD und bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der Mitte: Schwindel ist das!)

    Bei diesen Wahlen vom 15. Oktober, meine Damen und Herren, waren die Sitze des Parlaments schon von vornherein unter den zugelassenen Parteien dadurch verteilt, daß nur eine Einheitsliste gewählt werden durfte. Die Wahl selbst vollzog sich nach dem durch die Wahlen in Sowjetrußland und seinen Satellitenstaaten bekannten Schema. Es ist dabei ein totalitärer Machtapparat in Funktion getreten, der sich in keiner Weise von dem des nationalsozialistischen Regimes unterscheidet,

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien)

    ja, ihn an Grausamkeit und Härte noch übertrifft.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    So also sollen nach der Erklärung des offiziellen Sprechers der Sowjetzonenregierung die gesamtdeutschen Wahlen gestaltet werden.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Nach dieser Erklärung Eislers ist es auch zu verstehen, daß Ulbricht die Besprechung gesamtdeutscher Wahlen auf der Viererkonferenz ausdrücklich ablehnt.
    Das deutsche Volk, auch soweit es in der Sowjetzone wohnt, lehnt diese Vergewaltigung der Freiheit mit Empörung ab.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir fordern wirklich freie und geheime Wahlen, die mit allen Schutzmitteln versehen sein müssen, damit der wahre Wille der Wähler zum Ausdruck kommt für ganz Deutschland.

    (Lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und der SRP.)

    Die Bundesregierung wiederholt heute mit aller Entschiedenheit ihre schon zweimal in aller Form ausgesprochene Forderung nach Abhaltung solcher Wahlen. Sie fordert die Sowjetzonenregierung auf, sich zu diesem Vorschlag mit einem klaren Ja oder Nein zu äußern. Sie fordert als Voraussetzung für die Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen, daß ebenso wie in der Bundesrepublik auch in der Sowjetzone die unerläßlichen Freiheiten vor, während und nach der Wahl sichergestellt sind.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Seit Jahr und Tag ist in der Sowjetzone die bürgerliche Freiheit unterdrückt und die Bevölkerung noch in jüngster Zeit durch das sogenannte Gesetz zum Schutze des Friedens unter einen besonders scharfen politischen Zwang gestellt worden. Diese Maßnahme, nicht zuletzt aber die völlige Beseitigung aller in demokratischen Staaten als Grundlage jeder bürgerlichen Freiheit angesehenen Garantien einer rechtsstaatlichen Ordnung, insbesondere einer wirklich unabhängigen Rechtspflege und eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, haben in der Sowjetzone eine Atmosphäre der Unsicherheit und der Angst geschaffen, in der freie Wahlen unmöglich durchgeführt werden können.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann es mir ersparen, hier ein Gesamtbild der Zustände in der Sowjetzone und der Rechtlosigkeit ihrer Bewohner zu geben. Die erschreckende Gesamtwirkung ist hinlänglich bekannt. Nur einige Einzelheiten darf ich hervorheben. Jahrelang sind Hunderttausende von Häftlingen in Konzentrationslagern festgehalten worden, von denen auch heute noch entgegen allen anderslautenden Behauptungen mindestens zwei, nämlich ein Lager in Mansfeld und ein Lager im Zwangsarbeitsschacht Annaberg, bestehen. Die staatliche Sicherheitspolizei in der Sowjetzone unterhält eigene Gefängnisse, in denen Verhaftete ohne richterlichen Schutz eingekerkert und oftmals schweren Mißhandlungen ausgesetzt sind.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die genaue Zahl dieser Gefangenen ist unbekannt; sie wird aber nach den vorliegenden Berichten auf mindestens 28 000 geschätzt.

    (Erneute Rufe: Hört! Hört!)

    Ebenso liegt auch kein genaues Zahlenmaterial über diejenigen Gefangenen vor, die nach außerhalb der Sowjetzone deportiert worden sind. Ein großer Teil der politischen Prozesse, wie z. B. die Verurteilung der 3500 aus sowjetischen Konzentrationslagern überstellten Gefangenen im Zuchthaus Waldheim, hat unter Ausschluß der Öffentlichkeit und vor politischen Sondergerichten stattgefunden, in denen weder eine ordnungsmäßige Verteidigung noch ein ordnungsmäßiges Verfahren sichergestellt waren.
    Diese Zustände widersprechen nicht nur den Grundsätzen der zivilisierten Welt und stellen eine grauenhafte Wiederholung der nationalsozialistischen Methoden dar, sie stehen auch in flagrantem Widerspruch zu der sowjetzonalen Verfassung, insbesondere zu den Artikeln 8, 127, 133, 134 und 136, in denen die Grundsätze der persönlichen Freiheit, der Unverletzlichkeit der Wohnung, der Unabhängigkeit der Richter, der Öffentlichkeit der Gerichte, der Notwendigkeit eines richterlichen Haftbefehls mit Worten, meine Damen und Herren, garantiert sind.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die durch diese Maßnahmen in der Sowjetzone geschaffene Unsicherheit und Angst schwinden nicht von heute auf morgen. Es genügt deshalb nicht, wenn hinsichtlich der Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen lediglich Erklärungen oder Zusicherungen gegeben werden.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Es ist vielmehr erforderlich, daß auch in der Sowjetzone und im Sowjetsektor von Berlin die rechtlichen und psychologischen Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen ohne Verzug geschaffen werden,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    damit sie sich während eines angemessenen Zeitraumes auswirken können. Die zum Wesen eines demokratischen Staates gehörende staatsbürgerliche Freiheit muß in der sowjetischen Besatzungszone geraume Zeit wiederhergestellt sein, bevor dort überhaupt eine freie Wahl möglich ist.

    (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung hält es für nötig, daß insbesondere folgende Maßnahmen in der Sowjetzone getroffen werden: Wiederherstellung der ordnungsgemäßen deutschen Rechtspflege, insbesondere unabhängiger Gerichte und eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, Freilassung aller wegen ihrer Gegnerschaft gegen das herrschende Regime inhaftierten Personen, Rückführung aller Deportierten, Außerkraftsetzung des sogenannten Gesetzes zum Schutze des Friedens, Auflösung des „Staatssicherheitsdienstes" und ähnlicher Einrichtungen.

    (Abg. Renner: Und Übernahme der Macht durch Adenauer!)

    Nur durch baldigste Schaffung dieser Voraussetzungen kann die für Abhaltung freier Wahlen


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    notwendige Atmosphäre der Freiheit in der Sowjetzone geschaffen werden.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    Nur aus solchen freien Wahlen kann ein gesamtdeutsches Parlament hervorgehen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Dieses Parlament hätte, wie ich bereits erwähnt habe, eine gesamtdeutsche Verfassung und bis zu deren Inkrafttreten eine provisorische gesamtdeutsche Regierung zu bilden. Es ist selbstverständlich, daß sich diese Wahlen auch auf Berlin erstrecken müssen.
    Nach alledem, was sich in den letzten Jahren in der Sowjetzone ereignet hat, müssen internationale Maßnahmen die Durchführung solcher Wahlen sichern.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Es muß weiter Vorsorge dafür getroffen werden, daß kein Deutscher nach der Wahl wegen seiner Abstimmung irgendwie zur Rechenschaft gezogen wird.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Falls das Hohe Haus mit diesen Grundsätzen einverstanden ist, werde ich im Auftrage der Bundesregierung eine sie enthaltende Note an die westalliierten Regierungen richten und sie bitten, auf der Viererkonferenz, falls sie stattfindet, die Beachtung dieser unserer Forderungen durchzusetzen, damit wir auf diese allein mögliche Weise zur deutschen Einheit in Freiheit kommen.

    (Lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und der SRP.)

    Lassen Sie mich noch mit allem Nachdruck folgendes erklären: Über lebenswichtige Interessen eines Volkes kann von keiner Konferenz ohne Zustimmung dieses Volkes selbst entschieden werden.

    (Anhaltender stürmischer Beifall.)

    Ich darf Ihnen nun, meine Damen und Herren,
    den Wortlaut der Note bekanntgeben, die ich, wie
    ich wohl annehmen darf, mit Ihrem Einverständnis
    und Ihrer Zustimmung über die Hohe Kommission
    an die westalliierten Regierungen richten würde:
    Mit Schreiben vom 22. Februar 1951 haben Sie mir mitgeteilt, daß die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen in voller Würdigung des deutschen Interesses an den auf der Vor- und Hauptkonferenz der vier Außenminister zu behandelnden Fragen bereit sind, die Bundesregierung in vollstem Umfange über die Verhandlungen zu unterrichten und die Auffassungen der Bundesregierung an ihre Regierungen entgegenzunehmen.
    In Ausführung dieser Zusicherungen haben Sie ich darüber unterrichtet, daß die drei westliierten Mächte beabsichtigen, auf der Konferenz der vier Außenminister vor allem die Gründe zu untersuchen, die zu den gegenwärtigen internationalen Spannungen geführt haben.
    Die Bundesregierung begrüßt diese Absicht aufrichtig, denn sie ist der Überzeugung, daß nur durch die Erkenntnis und Beseitigung der wirklichen Ursachen dieser Spannungen die Grundlage für einen dauerhaften Frieden in Europa und der Welt geschaffen werden kann. Sie teilt ferner die Auffassung der Westmächte, daß diese Ursachen sich keinesfalls auf das deutsche Problem beschränken. Das deutsche Problem ist vielmehr eine der Folgen der viel umfassenderen zwischen dem Westen und
    Sowjetrußland bestehenden Spannungen.
    Gleichzeitig ist es eine der Ursachen für das Fortbestehen dieser Spannungen. Die Regelung der deutschen Frage ist daher eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Erhaltung des Friedens.
    Diese Regelung kann nicht ohne Zustimmung des deutschen Volkes erfolgen.
    Ich beehre mich, Euerer Exzellenz nachstehend die Auffassung der Bundesregierung zur deutschen Frage mit der Bitte zu unterbreiten, sie an die Regierungen der drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Mächte weiterzuleiten.
    Bereits in den Erklärungen der Bundesregierung vom 22. März und vom 14. September 1950 ist klar und eindeutig festgestellt worden, daß der Weg zur deutschen Einheit nur durch eine freie und unbeeinflußte Willensentscheidung des deutschen Volkes gefunden werden kann. Es wurde deshalb die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einem verfassunggebenden deutschen Parlament gefordert, dem gleichzeitig die Aufgabe übertragen werden muß, bis zum Inkrafttreten einer freiheitlichen Verfassung die Wahrnehmung der gesamtdeutschen Regierungsgewalt zu regeln. Zur Genugtuung des deutschen Volkes hat sich die Alliierte Hohe Kommission diese Forderung zu eigen gemacht und sie mit Schreiben vom 9. Oktober 1950 an den Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission für Deutschland empfehlend weitergeleitet.
    Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nur auf Grund wirklich freier gesamtdeutscher Wahlen erfolgen kann. Sie wiederholt daher ihre Forderung auf baldmöglichste Abhaltung dieser Wahlen mit aller Entschiedenheit.
    Voraussetzung für die Durchführung wirklich freier Wahlen ist jedoch, daß ebenso wie in der Bundesrepublik auch in der Sowjetzone die unerläßlichen Freiheiten vor, während und nach der Wahl sichergestellt sind. Seit Jahr und Tag ist in der Sowjetzone die bürgerliche Freiheit unterdrückt und die Bevölkerung noch in jüngster Zeit durch das sogenannte „Gesetz zum Schutze des Friedens" unter einen besonders scharfen politischen Zwang gestellt wurden. Diese Maßnahme, nicht zuletzt aber die völlige Beseitigung aller in demokratischen Staaten als Grundlage aller bürgerlichen Freiheit angesehenen Garantien einer rechtsstaatlichen Ordnung, insbesondere einer wirklich unabhängigen Rechtspflege und eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, hat in der Sowjetzone eine Atmosphäre der Unsicherheit und der Angst geschaffen, in der freie Wahlen unmöglich durchgeführt werden können.
    Diese Unsicherheit und Angst schwinden nicht von heute auf morgen. Es genügt deshalb nicht, wenn hinsichtlich der Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen lediglich Erklärungen oder Zusicherungen abgegeben werden. Es ist vielmehr erforderlich, daß in ganz Deutschland die politischen und psychologischen Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen ohne Verzug geschaffen werden, damit sie sich während eines angemessenen Zeitraumes auswirken können. Die zum Wesen


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    eines demokratischen Staates gehörende staatsbürgerliche Freiheit muß also in der sowjetischen Besatzungszone in Angleichung an die Verfassung der Bundesrepublik und deren Handhabung während einer angemessenen Dauer wiederhergestellt sein, bevor eine freie Wahl dort stattfinden kann.
    Die Bundesregierung glaubt nicht, daß mit
    der Verwirklichung der vorstehend dargelegten, Deutschland allein betreffenden Maßnahmen die Ursachen der- bestehenden Spannungen in ihrer Gesamtheit beseitigt werden können. Sie ist aber überzeugt, daß diese Vorschläge denjenigen Beitrag darstellen, den sie
    selbst im gegenwärtigen Augenblick auf Grund
    ihres Anteils an der gemeinsamen Verantwortung zur Sicherung des Friedens zu leisten hat.
    Meine Damen und Herren, nachdem die Bundesregierung dieser Note einstimmig zugestimmt hat, darf ich zum Schlusse nochmals folgendes feststellen: Wir in der Bundesrepublik Deutschland wollen und haben immer gewollt mit ganzer Kraft die deutsche Einheit, aber wir wollen eine Einheit in Freiheit,

    (lebhafter Beifall)

    und wir hoffen und wünschen, daß die Viererkonferenz dem deutschen Volke zur Einheit in Freiheit verhelfen möge.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD und der SRP.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich eröffne die
Aussprache über die Erklärung
der Bundesregierung
im Rahmen der Ihnen vom Ältestenrat vorgeschlagenen Gesamtredezeit von 4 Stunden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schumacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Frage der deutschen Einheit ist für unser Volk ein zentrales Problem. Sie ist aber auch eine bedeutsame Frage für die Erhaltung der Freiheit in der Welt. Alle europäischen Probleme und Projekte werden nicht europäisch behandelt, wenn man aus der Teilung Deutschlands Nutzen ziehen will. Die Kosten für eine solche Politik zahlt nicht Deutschland allein, die Kosten zahlt die Sache der Freiheit in der ganzen Welt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

    Jede Betrachtungsweise hat von der Tatsache auszugehen, daß es Sowjetrußland gewesen ist, das seine Zone separiert und isoliert hat.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Das ganze Kampfgeschrei der Kommunisten und ihrer Anhänger für die Einheit, wie sie sie verstehen, wäre völlig unnötig, wenn sich die kommunistische Praxis der Teilung Deutschlands dem angeblichen kommunistischen Wunsche der Einigung Deutschlands untergeordnet hätte.

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Die Stärke der totalitären Position beruht weitgehend auf der Unkenntnis und der Unklarheit über das Wesen des Totalitarismus bei den westlichen Demokratien und erst recht bei großen Teilen des deutschen Volkes.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

    Die Uneinheitlichkeit und Unentschlossenheit der westlichen Demokratien in ihrer Deutschlandpolitik, die vielen Vorbehalte und Unklarheiten in der Behandlung und der Zusammenarbeit mit den Deutschen schwächen die Front der Freiheit, nehmen ihr die Geschlossenheit und bedrohen ihre letzte Gemeinsamkeit.

    (Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wir haben einen Gegner, dessen Einheit und Konzentration seiner politischen Kräfte zentral dirigiert wird. Die deutsche Frage kann nicht für sich allein betrachtet werden; sie kann aber auch nicht vom Westen her mit Deutschland als Objekt gelöst werden.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wenn wir auf der Viererkonferenz nicht am Tisch sitzen, so gibt es doch in der Sache nur die eine große Möglichkeit: man darf nicht über Deutschland beraten, man muß letzten Endes mit Deutschland beraten.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Es dient der Sache der Demokratie nicht, wenn man in einer Hauptstadt der westlichen Welt kürzlich lesen konnte, die Aussichten für das Gelingen der Viererkonferenz würden davon abhängen, daß Westdeutschland ausgeschaltet bliebe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nein, das ist der falsche Weg! Auch das Mittel der gelegentlichen Information und Konsultation würde nicht genügen. Die Information der deutschen Politik vor, während und nach der Viererkonferenz bei der Behandlung des ganzen Komplexes muß permanent und vollständig sein. Die Deutschen sollten auch wirklich befragt werden, sie sollten auch wirklich die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern. Es liegt im Interesse einer großen gemeinsamen Sache, daß die Erkenntnisse und aktiven demokratischen Kräfte unseres Volkes mobilisiert werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Letzten Endes gibt es keinen Erfolg der kommenden Viererkonferenz, wenn nicht das Ergebnis der Beratungen vom deutschen Volk bejaht und darum als verbindlich angesehen wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Man hat in einem Teil der westlichen Presse sehr leichtfertig empfohlen, die deutsche Einheit nach dem österreichischen Vorbild zu organisieren. Man übersieht dabei, daß der Prozeß und die Methoden, die in Österreich 1945 begannen, etwas grundsätzlich Verschiedenes und Unvergleichbares sind, wenn sie auf das Deutschland von 1951 angewandt werden.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Hier in Deutschland sind in sechs Jahren durch die sowjetischen Besatzungsmethoden tatsächlich Machtpositionen des Kommunismus geschaffen worden. Angesichts dieser Tatsache wäre die Übertragung des österreichischen Beispiels die Auslieferung Deutschlands an den Kommunismus mit Privilegierung der kommunistischen Chancen.

    (Zustimung bei der SPD.)

    Das deutsche Volk kann weder diesem noch einem
    anderen Vorschlag zustimmen, der zur Viermächte-


    (Dr. Schumacher)

    kontrolle oder gar zur Viermächtekontrolle mit Vetorecht führt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die sowjetische Politik versucht jetzt, entgegen der Tatsache, daß sie die Deutschen als bloßes Material handhabt, bei denselben Deutschen das Gefühl zu erzeugen, als ob sie ein selbständiges, nach eigenem Willen handelndes, souveränes Subjekt seien. Tatsächlich ist die Ostzonenverwaltung nur der Bestandteil eines Satellitensystems, in dem es nur einen Willen gibt, nämlich den Willen des zentralen Auftraggebers und Herrschers, der Sowjetunion.

    (Sehr richtig! bei der SPD und rechts.)

    Das System von Pankow ist die völlige Entdeutschung und die völlige Sowjetisierung der Politik.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Die angebliche deutsche Initiative aus dem Osten für die Einheit ist ein Bestandteil der nationalrussischen Außenpolitik.

    (Zuruf rechts: Ausgezeichnet!)

    Sie dient der Stärkung der sowjetischen Position gegenüber den westlichen Alliierten. So war es vor jeder Viererkonferenz. So war es vor Moskau im März 1947, so war es vor London im November 1947, so war es vor Paris im Mai 1949, und so ist es auch heute wieder. Man will bei unserem Volk den Blick für die Realitäten der Macht und für die Motive der Machtpolitik vernebeln, und man will den Typen, die ausgesprochene Marionetten sind, einreden, aus eigenem freiem Willen handeln zu dürfen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Nun ist Propaganda bei einem Volk mit den speziellen Erfahrungen des deutschen Volkes in ihrer Wirksamkeit doch recht beschränkt. Dafür haben wir ein großes Beispiel, das Beispiel Berlins. Der 20. Oktober 1946 wäre nicht möglich gewesen, wenn die Propadanda allmächtig wäre. Der 20. Oktober 1946 ist der Sieg des Willens zur Freiheit über die Propaganda der Totalitären.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Jetzt steigert sich die Intensität der Propaganda. Die vorsichtigste Schätzung über die Briefe und Postsachen, die wöchentlich in das Gebiet der Bundesrepublik kommen, beläuft sich auf mehr als 2 Millionen Stück wöchentlich!

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    An dieser Stelle ist es unsere Aufgabe, die Ahnungslosen, Wohlmeinenden in unserem Volk vor jeder Form der Gemeinsamkeit zu warnen, mag sie noch so freundlich angebahnt werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

    Es darf keine Unterschriften geben, es darf keine Gemeinsamkeit der Kundgebungen geben, es darf keine Aktionseinheiten geben.

    (Lachen bei der KPD.)

    Es ist Tatsache, daß die Sozialdemokratische Partei in der Bundesrepublik 8000 Ortsvereine hat. Kein einziger Ortsverein hat mit ihnen verhandelt.

    (Bravo-Rufe bei der SPD.)

    Die agitatorische Betriebsamkeit kann uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen ihrem System und den Menschen in diesem Lande jede menschliche Beziehung fehlt.

    (Sehr richtig! - Lebhafte Zustimmung.)

    Den Wohlmeinenden, den Redewütigen und Repräsentationshungrigen hier in diesem Lande möchte ich sagen: Man kann nicht mit den Peinigern verhandeln und die Gepeinigten ignorieren.

    (Beifall.)

    Die Opfer der Freiheit, die Eingekerkerten, die Verschleppten, die gesamten Bewohner der Ostzone, die Kriegsgefangenen, sie alle haben Anspruch auf unsere menschliche und nationale Solidarität.

    (Lebhafte Zustimmung mit Ausnahme der KPD.)

    In der Propaganda ist jetzt das soziale Moment etwas in den Hintergrund getreten. Es ist als Realität aber immer da. Die Bundesrepublik sollte in einer Periode der steigenden Preise, denen Löhne, Gehälter und Renten nicht nacheilen können, daran denken, diese Dinge mit letztem Ernst zu behandeln.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Gerade die demokratische Staatsverfassung ist stärker als jede andere auf die soziale Fundamentierung angewiesen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Worte gegen den Kommunismus verlieren an Wirkung ohne Tate für die soziale Gerechtigkeit.
    Die Kommunisten machen jetzt eine große Propagandaaktion mit angeblichen Preissenkungen, die in der Sowjetzone durchgeführt sein sollen. Man will damit die soziale Deklassierung der arbeitenden Menschen und das Aufhören jeder sozialen Gemeinschaft durch Ausbeutung und Herabdrücken auf ein Helotendasein verdecken. Man will den Blick ablenken von dem ungeheuren wirtschaftlichen Rückschritt in den Satellitenländern und in der sowjetischen Besatzungszone.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Man sollte bei uns nie vergessen: Wenn einmal das Wort galt: Die Gerechtigkeit ist die Grundlage der Staaten, dann heißt es heute: Die soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage der Demokratie.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD).)

    In den Mittelpunkt der östlichen Propaganda ist jetzt das nationale Moment getreten. Es wird dort das Problem gelöst, wie man nationalrussische Politik mit nationaldeutschen Phrasen macht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn ich diese nationale Agitation untersuche, dann ist das ins Auge springende Resultat: Diese nationalistische Agitation aus dem Osten hat keine einzige eigene Idee und keine einzige neue Idee. Alle Parolen sind Zwangsanleihen aus den diversen Mottenkisten des deutschen Nationalismus.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Sie sind alle so „angenehm" historisch; man trifft nur alte Bekannte wieder.

    (Heiterkeit.)

    Die Satellitenparteien der sowjetischen Besatzungszone, die offiziell nicht auf das Programm des Leninismus-Stalinismus verschworen sind, haben dabei eine besondere Aufgabe. Sie haben die Aufgabe, in gewissen Schichten des deutschen Volkes in der Bundesrepublik dieses Geraune und Gewisper zu erzeugen, daß diesmal Sowjetrußland ganz besondere, für die Deutschen außerordentlich positive Maßnahmen plane. Wir kennen aber diese Methode aus den Perioden vor Beginn jeder der vergangenen Außenministerkonferenzen. Außerdem mögen viele Leute, die heute noch in der Ostzone


    (Dr. Schumacher)

    sind, sich einmal daran erinnern, daß auch sie einst Träger dieser Parolen waren. Wir haben seit 1945 viele deutsche Hirtenknaben kennengelernt, die das sowjetische Lämmlein hüten wollten.

    (Heiterkeit.)

    Die Führungsschichten gewisser rechtsradikaler Gruppen glauben, die sowjetische Politik überspielen und für sich, die deutschen rechtsradikalen Gruppen, nutzen zu können. Es ist das alte Unglück in unserem Lande, daß gerade unser extremster Nationalismus in den Stunden der großen Gefahr nicht national genug im einfachen, anständigen Sinne des Wortes gewesen ist.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und in der Mitte.)

    Der Hunger nach Macht für die eigene Clique und Richtung hat sie immer wieder verführt und droht, sie auch jetzt zu verführen, das Schicksal des Staates und Volkes ihrem Gruppenegoismus unterzuordnen.
    Alle die Illusionisten und Spekulanten, sie sollten das eine wissen: Was sollen Verhandlungen, bei denen der kommunistische Partner seinen Auftraggeber nicht binden kann? Der große Auftraggeber im Hintergrund behält freie Hand; seine deutschen Beauftragten mögen tun und lassen, was sie wollen. Aus dem Mangel auch nur der Möglichkeit einer Vertragstreue sollte sich die Meinung unseres Volkes in der Behandlung dieser Personen und Komplexe bestimmen. Es ist eben jedem Totalitarismus strukturell unmöglich, sich mit einem anderen zu verständigen oder gar auszusöhnen.

    (Sehr richtig!)

    Was er dem andern an Selbständigkeit läßt, soll immer nur dem Totalitarismus als Deckwand dienen und ihm nützen. Ob dieser Totalitarismus also eine politische Partei zertrümmert oder andere politische Parteien bestehen läßt, ist nur unter dem Gesichtspunkt des Nutzens eben für diesen Totalitarismus entschieden worden und wird in Zukunft so entschieden werden. Die Rolle, die der Kommunismus den deutschen Illusionären zugewiesen hat, ist doch eine sehr kurzfristige. Sie sollen die Aufgabe erfüllen, dem antidemokratischen, dem totalitären, dem diktatorischen Prinzip zur Macht zu verhelfen. Haben sie ihm dazu verholfen, dann werden sie überflüssig und als hinderlich zertreten und zerschlagen. Die Geschichte der Eroberung der Macht durch die Kommunisten in den Satellitenstaaten spricht eine eindeutige und unwiderlegbare Sprache.

    (Zustimmung.)

    Jetzt steht neben dem nationalen Moment im Vordergrund der angebliche Kampf für den Frieden, ausgerechnet durch die Partei der Kriegsrüstung in der ganzen Welt für die stärkte Militärmacht in der ganzen Welt!

    (Sehr gut!)

    Der Sinn dieser Propaganda ist nicht Krieg dem
    Kriege, sondern in der kommunistischen Formulierung: Krieg dem imperialistischen Kriege, d. h.
    für die Kriegspotenz der Sowjetunion und für die
    Ohnmacht der demokratischen Länder einzutreten.

    (Sehr richtig!)

    Was der Kommunismus wirklich denkt über den Frieden, seine Bedeutung, seine sittlichen Werte, seine Wohltaten für die Völker, das zeigt am besten eine Rede, die Stalin am 13. Juni 1928 vor der kommunistischen Parteiorganisation in Leningrad gehalten hat. Dort heißt es klar und eindeutig:
    Das am weitesten verbreitete Mittel, um die Arbeiterklasse einzulullen und sie vom Kampf gegen die Kriegsgefahr abzulenken, ist der heutige Pazifismus mit seinem Völkerbund, seinen Friedenspredigten, mit dem Verbot des Krieges, mit seinem Abrüstungsgeschwätz.
    Ich glaube, an dem Tage hat der spätere Generalissimus Stalin einen tiefen Blick in seinen Spiegel getan.

    (Heiterkeit und Beifall. — Abg. Fisch: Warum lesen Sie denn nicht weiter? Lesen Sie doch das Zitat weiter!)

    — Ich bin doch nicht dazu da, Ihre Makulatur zu verlesen!

    (Erneute Heiterkeit und Beifall. — Zurufe von der KPD. — Gegenruf rechts: Ruhe im Kreml!)

    Die Behandlung der Abrüstungsfrage seit 1945 bringt Aufklärung genug. Die Abrüstung ist von den Angelsachsen, besonders den Amerikanern, weitgehend durchgeführt worden. Aber bis heute hat ein großes Land praktisch die Abrüstung verweigert: Sowjetrußland. Wenn die Viererkonferenz eine Aufgabe hat, dann ist es die, vor der Welt über diese Tatsache Klarheit zu schaffen.

    (Sehr richtig!)

    Die Auslösung der großen Aufrüstungswelle in der ganzen Welt ist doch durch den sowjetischen Militarismus erfolgt.

    (Sehr richtig!)

    Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.

    (Lebhafter Beifall.)

    Offen muß aber auch gegenüber dem Westen gesagt werden: Die uns im vergangenen Jahre von dort reichlich unbesonnen aufgezwungene Diskussion über einen deutschen militärischen Beitrag hat entscheidend daran gekrankt, daß sie ohne die Fixierung absolut fester Voraussetzungen und ohne Rücksicht auf die möglichen Gefahren für das deutsche Volk eingeleitet worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    ist der alte Fehler des Westens, unser Volk gar zu sehr als Materie zu betrachten, die von fremdem Willen geformt werden könnte. Das hat praktisch und in der Propaganda nur der heuchlerischen Friedensattacke der östlichen Übermilitaristen gedient, ohne die Realitäten der Macht auf dem Kontinent zu verändern.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es waren und es sind die Sowjets, die die internationale Kontrolle der Atombombe verhindert haben. Es waren und es sind die Sowjets, die die internationale Inspektion des Rüstungsstandes vereiteln. Sie haben es heute in der Hand, in der Frage der Atomkontrolle und der internationalen Rüstungsinspektion in der ganzen Welt, auch in Sowjetrußland selbst, den Völkern den Eindruck ihres Friedenswillens zu vermitteln.

    (Lebhafter Beifall.)

    Der Westen hat lange genug dem Osten die deutsche Einheit gütigst überlassen zur Ausnutzung als Schwindelparole. Er darf nicht denselben Fehler beim Ideenkampf um den Frieden begehen. Von der kommenden Viererkonferenz erwarten die Völker


    (Dr. Schumacher)

    die Erhaltung des Friedens und die Verbesserung der Aussichten seiner Bewahrung. Diese große Menschheitsfrage bewegt alle. Hier haben die Mächte Zeugnis abzulegen für ihre menschlichen und moralischen Werte.

    (Sehr gut!)

    Die Erkenntnis von der Gleichheit als der Grundlage eines von allen Teilen leidenschaftlich gewollten Europas ist zum großen Teil doch noch recht theoretisch. Die Behandlung des Besatzungsstatuts in diesen Tagen ist die Manier eines vorsichtigen Kaufmanns, allerdings, meine Damen und Herren, eines pfennigfuchsenden Kaufmanns,

    (Heiterkeit und Beifall)

    der damit nie in das große politische Geschäft kommen kann.

    (Sehr gut!)

    Sie ist nicht geeignet, die moralischen Kräfte des
    gutwilligen deutschen Volkes aufzurütteln und
    wachzurufen. Dazu gehören beim Westen die Einmaligkeit und die Eindeutigkeit befreiender Taten.

    (Erneuter lebhafter Beifall.)

    Völlig ungeeignet aber erscheint uns ein System, eine Vereinigung Europas durch Maßnahmen auf Spezialgebieten, wie jetzt durch Pläne militärischer oder wirtschaftlicher Struktur, herbeizuführen, solange die grundlegende Ungleichheit im Politischen besteht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Schaden, den das Bemühen um die Durchsetzung dieser Pläne unter den gegebenen Voraussetzungen anrichtet, ist in jedem Falle größer als ihr eventueller Nutzen. Außerdem tragen die jetzigen Projekte vielzusehr die Züge eines rein machtpolitischen, nationalistischen Egoismus.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Diese Politik bedeutet den Versuch, die sich zwangsläufig anbahnende politische Gleichheit durch eine Politik der vollendeten Tatsachen der Ungleichheit zu dämpfen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.) Gemeinsamkeit aber mit der Konsequenz der Gleichheit auf den einzelnen besonderen Gebieten gibt es nur unter Gleichen.


    (Beifall bei der SPD.)

    Der politische und propagandistische Angriff der Totalitären soll den Angreifern das Gesetz des Handelns in der Frage der deutschen Einheit in die Hand spielen. Sie wollen die Themen bestimmen, die Reihenfolge und die Art ihrer Behandlung und die Umstände der Diskussion. Sie sind die alles bestimmenden Fragesteller. Derjenige verspielt die Sache der Freiheit, der sich als Antwortender in das System dieser Fragen hineindrängen läßt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie wollen überall hineinreden und alles bestimmen. Sie selbst aber wollen sich in nichts hineinreden lassen und keinen anderen Wunsch respektieren. Zur gleichen Zeit, in der sie sich jetzt als kameradschaftliche Gesprächspartner aufführen, versuchen sie mit der Einheitsfront von unten dem Gesprächspartner der anderen Seite den festen politischen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Je härter man aus unseren Reihen das Nein gegen das diktatorische Manöver ausspricht, desto mehr geht die heuchlerische Kameradschaftlichkeit in die Binsen. Wenn Sie in den letzten Wochen die SED-Presse in Berlin und in der Ostzone gelesen hätten, dann würde Ihnen grauen vor der letzten Unflätigkeit dieser Sprache und dieser Methoden gegenüber
    denselben Leuten, mit denen man sich angeblich,
    wie es so schön heißt, „an einen Tisch setzen" will.

    (Lachen bei der SPD.)

    Diesmal aber ist der Angriffsplan genauer durchdacht und enthält mehr Alternativen. Scheitert der eine Schritt, soll der andere Schritt getan werden. Ist der Brief Grotewohls an den Bundeskanzler ohne Erfolg geblieben, dann schreibt eben die Volkskammer an den Bundestag. Aber das sind ja alles nur noch Ersatzmaßnahmen ohne politische Bedeutsamkeit. Es gehört schon die schauerliche Talentlosigkeit in der Politik dazu, die leider bei vielen Menschen in unserem Lande vorhanden ist, wenn man gestern und heute im Rundfunk hören konnte: Der Bundestag versammelt sich heute, um den Brief der Volkskammer zu beantworten.

    (Lachen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Es gab eine Stunde der politischen Entscheidung. Das war die Antwort, die der Bundeskanzler im Auftrag und im Einverständnis mit allen Parteien gegeben hat. Die Diskussion aber über die Ersatztaktiken ist völlig uninteressant und überflüssig.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es ist die Entschlossenheit, Bewußtheit und Zielklarheit des demokratischen Widerstands, die in diesen letzten Wochen die Kommunisten gezwungen hat, viel von dem zu sagen, was sie erst nach Erreichung ihres ersten Ziels, nämlich des Konstituierenden Rates, hatten sagen wollen.

    (Sehr gut!)

    Jetzt haben sie erkennen lassen, daß sie die freien Wahlen mit den gleichen Chancen für alle Beteiligten mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser.

    (Heiterkeit.)

    Davon zeugen die Anweisungen, die zentral und in den einzelnen Ländern der sowjetischen Besatzungszone von der Führung der „Nationalen Front" an ihre sogenannten „Aufklärer" gegeben werden. Dort bekennt man sich zur Blockpolitik; dort erklärt man gegenüber den aufgeregten Anhängern, man wolle Konzessionen nur formal und vorübergehend machen und man habe alles für die Machtergreifung im Stile der Prager Vorgänge vorbereitet. Die Leute, die die Aufgabe haben, propagandistisch auch gegenüber den eigenen Anhängern die Taktik der Kommunisten abzudecken, haben sich gar dazu verleiten lassen, den Terrorakt des 15. Oktober und die Einheitslisten als demokratische Vorbilder für die zukünftige Gestaltung Deutschlands zu preisen.
    Das oberste Ziel; auf das vom Osten her alle Kräfte konzentriert werden, ist also, um in der kommunistischen Sprache zu sprechen, die Errichtung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates. Dieser Konstituierende Rat ist das Stück im taktischen System, durch das alles bedingt ist. Von seiner Schaffung oder von seiner Verweigerung hängt das Gelingen oder Mißlingen der kommunistischen Politik ab. Der Konstituierende Rat soll, wie die Kommunisten sagen, die „Repräsentanz des deutschen Volkes" sein. Aber diese Repräsentanz des deutschen Volkes soll nicht gewählt werden, sie soll den Willen des deutschen Volkes nicht ausdrücken, weil eine solche Einrichtung dann für die sowjetische Besatzungsmacht gar zu schwer zu handhaben wäre. Es ist kein Zufall, daß in dem Brief Grotewohls an den Herrn Bundeskanzler der Passus bezüglich des Gesamtdeutschen Konstituierenden Rats wörtlich abgeschrieben ist aus dem Be-


    (Dr. Schumacher)

    schluß der Prager Außenministerkonferenz der Oststaaten vom 21. Oktober 1950.

    (Hört! Hört! bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    — Wenn man das ganze Drum und Dran betrachtet, dann ist es nicht nur der Geist der Prager Außenministerkonferenz, sondern auch sogar der Geist des Warschauer Abkommens, der die kommunistischen Kräfte in ihrer Propaganda vorwärts-treibt.
    Der Konstituierende Rat soll paritätisch zusammengesetzt sein. Die Parität zwischen zahlenmäßig ungleich Starken ist immer der Versuch, die Herrschaft der Minderheit über die große Mehrheit zu etablieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dabei rechnen die Leute des Totalitarismus auf das Bündnis mit den Illusionären und den Rückversicherern der Bundesrepublik.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dieser Konstituierende Rat ist die nationale Methode zur Erkämpfung der kommunistischen Diktatur in Deutschland. Viel zu wenig wird in unserem Lande die zur gleichen Zeit angewandte internationale Methode beachtet. Wenn die nationale Methode, der Kampf um die Etablierung des Konstituierenden Rates, eine propagandistische Aktion ist, bei der die Wahrheit unterdrückt werden muß, so ist die internationale Methode, die es auch mit anderen Kräften als den Deutschen zu tun hat, von dem Wunsche nach Klarheit und nach Ausdruck der wirklichen Absichten bestimmt. — Im Februar dieses Jahres fand in Berlin — ausgerechnet in Berlin! — eine internationale „Friedenskonferenz" statt, die aus 81 Ländern beschickt war. Dort wurde kein einziges versöhnliches Wort gegenüber dem deutschen Volke gesprochen.

    (Sehr wahr!)

    Dort haben sich die Kommunisten, die überall in der Welt die rücksichtslosesten Feinde Deutschlands sind, und ihre deutschen Satelliten und Mitläufer mit den fremden Kommunisten geeinigt in dem Willen zur Unterdrückung und Entrechtung Deutschlands.

    (Zurufe von der CDU und SPD: Sehr wahr! — Hört! Hört! — Pfui!)

    Dort verlangte man die Rückkehr zu den Abkommen, die die Alliierten während der härtesten Perioden des Krieges miteinander geschlossen haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dort erklärte ausgerechnet der französische Kommunist Farge unter einmütigem Beifall der Versammlung etwas, das sich jeder Deutsche einprägen sollte: man müsse „eine Friedenssolidarität schaffen, die im Interesse der Völker die Solidarität des Krieges weiterzuführen" habe.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Man will also eine neue Welt mit den Mitteln der Kriegspsychose aufbauen. Daß Deutsche dazu ihre Zustimmung geben können, ist eine Warnung für die Ahnungslosen in unserem Lande. Daß ausgerechnet die Kommunisten in der Welt sich auf die Heiligkeit der Verträge besinnen, nämlich der Verträge mit sehr unheiligem Inhalt,

    (Heiterkeit)

    das ist um so überraschender, als doch die Kommunisten die Verträge mit einem heiligen Inhalt, nämlich die Friedensverträge, die den Balkanländern
    Rumänien, Bulgarien und Ungarn die Freiheit und die Demokratie sichern sollten, rücksichtslos gebrochen haben.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Auf dem Berliner Friedenskongreß bekannten sich die Kommunisten der ganzen Welt zu dem Vernichtungswillen von Jalta und Quebec und all den anderen Konferenzen. Dort bekannte man sich ausdrücklich immer wieder zu Potsdam. Dort wurde nicht nur politische und militärische Abwehr gegen den Westen gepredigt und das deutsche Volk unter diesem Gesichtspunkt negativ behandelt; dort erklärte man dem Sinne nach jede deutsche Industrie zu einer Kriegsindustrie und deklarierte wörtlich den Passus der Forderung der Quebecer Konferenz vom September 1944: „Schließung oder Zerstörung aller metallurgischen, chemischen und elektrischen Industrien der Ruhr und der Saar."

    (Hört! Hört! bei der CDU und bei der SPD. — Abg. Rische: „Rüstungsindustrie" hieß es!)

    — Lesen Sie nach, Sie Kenner der diplomatischen Akten!

    (Abg. Rische: Das ist doch Blödsinn! — Zurufe aus der Mitte: Ruhig! — Glocke des Präsidenten.)

    Die beiden Hauptziele der kommunistischen Kampagne sind: erstens propagandistisch die Kompagne gegen die sogenannte Remilitarisierung.

    (Erneute Zurufe von der KPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, diese sogenannte Remilitarisierung ist in diesem Munde ja wohl eine Lähmungsaktion ohne sachlichen Ernst. Die Diskussion, die jetzt auf einer kommenden, von der Weltfriedenskonferenz eingesetzten „Europäischen Arbeiterkonferenz gegen die Remilitarisierung Deutschlands" begonnen wird, hat ja tatsächlich ein anderes Ziel. Tatsächlich erstrebt man die Verlangsamung, wenn nicht gar das Abstoppen bei der Aufstellung der ungeheuren Produktionskaders der amerikanischen Rüstungsindustrie.
    Neben dieser propangandistischen Attacke gibt es aber eine sehr realpolitische. Man will dem undemokratisch zustande gekommenen totalitären Konstituierenden Rat als Hauptaufgabe den Abschluß eines Friedensvertrages noch im Jahre 1951 zuweisen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Lachen.)

    Was in einem solchen Friedensvertrag stehen soll, haben die Sowjets ja unvorsichtigerweise vor der Pariser Außenministerkonferenz 1949 erzählt. Sie forderten die Entnahme von Reparationen für die Sowjets aus der laufenden Produktion Westdeutschlands. Sie wollen die sowjetische Mitkontrolle und die Heranziehung ihrer Satellitenstaaten bei der Mitkontrolle des Ruhrgebiets. Sie erstreben die verstärkte politische Einwirkungsmöglichkeit auf die Gestaltung des deutschen Staatswesens. — Diese undemokratische Zweckeinrichtung des Konstituierenden Rates soll eine ebenso undemokratische Zweckregierung schaffen. Die Aufgabe dieser sogenannten Regierung wäre, die Politik der vollendeten Tatsachen im kommunistischen Sinne durchzuführen.

    (Sehr gut! bei der CDU und SPD.)

    Alle Parteien sollen mit diesem Friedensvertrag, der eine Kapitulation vor den Sowjets unter Verleugnung der deutschen Lebensnotwendigkeiten zu sein hat, belastet werden. So will man den Weg zur Eroberung der Macht nach dem Vorbild der Satel-


    (Dr. Schumacher)

    litenstaaten gehen. Es ist eine Illustrierung der Leninschen Theorie von der provisorischen Regierung, die so viel Tatsachen zu schaffen hat, daß sie nachher durch demokratische Wahlen nicht mehr korrigiert oder gar aus der Welt geschafft werden können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Hauptbestandteil eines Friedensvertrags noch 1951 wäre aber ein anderer. Er soll die Befreiung der Sowjets von ihrer größten europäischen und deutschen Sorge sein, die imstande ist, das ganze Satellitensystem zu schwächen und zu lähmen. Das Hauptziel dieses Friedensvertrages wäre, die deutsche Zustimmung zur Oder-NeißeLinie als der endgültigen Grenze zu erlangen.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Zur gleichen Zeit, in der man hier wilhelminisch, hitlerisch und in allen anderen Sprachen des Nationalismus unserem Volk propagandistisch kommt, verhandelt der sogenannte Ministerpräsident von Pankow mit Polen! Dieser Monat März ist der Monat der deutsch-polnischen Freundschaft.

    (Zuruf von der KPD: Gott sei Dank! — Zuruf rechts: Pfui Teufel!)

    Wir wollen die Freundschaft mit dem polnischen Volk, — aber nicht um den Preis des deutschen Selbstmords.

    (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

    Die Kommunisten haben nicht das Recht, auf Menschen und Gebiete Deutschlands zu verzichten, die ihnen doch nicht gehören, diese kommunistische Partei, eine Funktion einer Besatzungsmacht!

    (Erneuter lebhafter Beifall.)

    Dabei ist wichtig, daß bei den Erklärungen und gemeinsamen Aufrufen im Osten die Oder-Neiße-Linie nicht mehr die bloße Grenze ist. Im Stil der Agitation des vorigen Jahres ist sie nicht einmal nur die berühmte „Friedensgrenze" und die „Friedensgrundlage". Jetzt ist sie noch mehr! Es heißt in dem gemeinsamen großen Aufruf der „Blockparteien" wörtlich: „Die Oder-Neiße-Grenze ist ein Bindeglied beider Völker geworden."

    (Abg. Renner: Richtig! — Allgemeine Heiterkeit.)

    Man schwärmt in diesen Erklärungen davon — ich zitiere wieder wörtlich —, „daß sowjetisches Erz und polnische Kohle zu deutschem Friedensstahl verarbeitet werden".

    (Große Heiterkeit.)

    Bloß wie die Kommunisten zu anständigen Deutschen gemacht werden, dafür ist kein Programm vorgesehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts. — Zurufe bei der KPD.)

    Die „Nationalzeitung", das Blatt des organisierten Rechtsradikalismus im Dienste Sowjetrußlands,

    (anhaltende Zurufe von der KPD; — Glocke des Präsidenten; — Zuruf rechts: Ruhe bei den Sowjets!)

    das Organ des früheren Generals Vinzenz Müller, schreibt sogar: „Die Friedensgrenze an der OderNeiße ist heute für beide Völker zur begünstigenden Brücke geworden."

    (Hört! Hört!)

    So weit — und das mögen sich viele Leute in Westdeutschland zur Lehre dienen lassen — sinken die
    Vertreter des alten Nationalismus, wenn sie mit
    dem sowjetischen Totalitarismus zusammenarbeiten.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Von dieser Stelle aus ist es unsere Aufgabe, die Offiziere und Mannschaften der Volkspolizei in der sowjetischen Besatzungszone zu fragen, wie lange sie noch den Weg unter den Fahnen des Kommunismus gegen ihr eigenes Vaterland weitermarschieren wollen.

    (Stürmischer Beifall von der SPD bis rechts. — Zurufe von der KPD. — Gegenrufe: Raus!)

    Alle Bemühungen der östlichen Politik haben nur das eine Ziel, den Konstituierenden Rat zu schaffen und ihm die Funktion der Gesetzgebung und der Regierungsbildung zu überlassen. Demgegenüber haben wir Sozialdemokraten schon seit 1946 immer wieder gleiche und freie Wahlen unter den gleichen Chancen für alle Beteiligten als den Schritt Nr. 1 angesehen. Wenn die kommunistische Taktik siegen oder auch nur auf dem Wege des Kompromisses gewisse Erfolge haben würde, dann, meine Damen und Herren, wäre nicht nur eine Schlacht, dann wäre der Feldzug um die Freiheit in Deutschland, vielleicht in Europa verloren.

    (Sehr richtig! bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Alles steht und fällt damit, daß die freien Wahlen unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen für alle politischen Richtungen der Demokratie der Schritt Nr. 1 sind.

    (Bravo!)

    Die deutsche Frage auf der Außenministerkonferenz ist die Frage nach den freien Wahlen und damit die Frage nach einer freien und starken Regierung.

    (Abg. Rische: Ohne amerikanische Aktien!)

    — Nein; wir werden unsere Bundesgenossen aber auch nicht aus der Kirgisensteppe holen.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Das ist politischer Sinn und Inhalt des Briefes der Sozialdemokratischen Partei vom 31. Januar an den Herrn Bundeskanzler. Ich hoffe, die Befriedigung von vielen außerhalb der Regierungskoalition auszudrücken, wenn ich sage, daß das auch der entscheidende Punkt der Note und der Erklärung der Bundesregierung gewesen ist.

    (Bravo! bei der SPD.)

    Ein frei gewähltes und freies Parlament hat nicht nur eine Verfassung zu schaffen, es hat die ganze Gesetzgebung zu bewältigen und es hat die oberste Aufgabe der Bildung einer demokratischen Regierung, einer starken Zentralgewalt. Diese Zentralgewalt und das sie tragende Parlament haben nicht nur Recht zu setzen, sondern sie haben Tatsachen zu schaffen. Diese Tatsachen haben übereinzustimmen mit den Tatsachen, die vor, während und nach den Wahlen durch die demokratischen Kräfte der ganzen Welt gestaltet und organisiert werden sollen.
    Die propagandistische Welle der Kommunisten wird weitergehen. Aber die politische Aktion ist für diese Situation gescheitert. Die politische Eroberung der Deutschen Bundesrepublik durch den Kommunismus findet nicht statt.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Sie findet wenigstens legal nicht statt.

    (Zurufe von der KPD.)



    (Dr. Schumacher)

    Sie dürfen aber nicht übersehen, daß die Kommunisten das, was sie legal nicht erreichen, in der Illegalität einer durch nichts gehemmten Propaganda zu erreichen versuchen werden.

    (Sehr wahr!)

    Das heißt: die Gefahr bleibt vorn Propagandistischen her, und die Gefahr steigert sich. Die Gegenseite erreicht ihren Konstituierenden Rat nicht, weil sich die Bundesrepublik im Interesse der Notwendigkeiten des deutschen Volkes und der Notwendigkeiten der Freiheit in der Welt verweigert. Darum werden die Kommunisten den Versuch machen, ein Schattenparlament, ein Scheinparlament, auch Konstituierender Rat genannt, zu schaffen und dabei die Vertreter aus dem Westen nach ihrer kommunistisch-sowjetischen Einsicht benennen.

    (Zuruf von der KPD: Frei nach Hedler!)

    Bei dieser Gelegenheit werden wir einmal die ganze trojanische Kavallerie hier vorbeigaloppieren sehen,

    (Große Heiterkeit)

    und wir werden dann die Möglichkeit haben, uns politisch, moralisch und juristisch mit den Leuten auseinanderzusetzen, die Deutschland im Stich lassen, um Sowjetrußland zu dienen.

    (Stürmischer Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Dieses Schattenparlament hätte dann die Aufgabe, eine Schattenregierung zu bilden.

    (Zuruf von der KPD: Die Pferde wiehern schon!)

    - Ja, das höre ich gerade.

    (Heiterkeit; — Erneute Zurufe von der KPD.)

    Genau wie dieses Schattenparlament wäre diese Schattenregierung auch ein Propagandainstrument der Sowjets. Diese Tatsache legt dem deutschen Volk, soweit es das Glück hat, seinen politischen Willen frei bilden und frei vertreten zu können, eine große Aufgabe für die deutsche und für die Demokratie der Welt auf.
    Die Viererkonferenz mag ausgehen, wie sie will: Wir können nicht in einem Zustand der Passivität, des Sichabfindens mit den Dingen verharren.

    (Zustimmung.)

    Die Teilung Deutschlands kann man nicht in dem Stil behandeln, als sei sie eine hoffentlich vorübergehende Angelegenheit. Das Resignieren ist eine Chance für die Diktatur.

    (Sehr gut!)

    Die westdeutsche Bundesrepublik muß bei jedem Ausgang der Viererkonferenz und bei jedem Verhalten der Propagandamaschinerie der Kommunisten immer wieder von dem einen Gebot ausgehen: Wir freien, wir demokratischen Deutschen haben die Aufgabe, politisch und propagandistisch für die deutsche Einheit aktiv und kämpferisch zu bleiben und diese Aktivität um dieses Zieles willen weiterzuentwickeln.

    (Beifall.)

    Wir haben dabei drei große Komplexe zu behandeln. Wir haben eine starke soziale Ordnung zu schaffen, die den weltweiten Unterschied im Sozialen zwischen den Ländern der Demokratie und den Ländern der Diktatur auch den Menschen im Osten, auch den Bewohnern der Satellitenstaaten klarmacht.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir haben zum anderen eine demokratische Praxis
    im eigenen Lande und eine demokratische Praxis
    der Außenpolitik zu entwickeln, die die Gleichberechtigung zum idealen Vorbild für die Völker des Ostens macht, die Gleichberechtigung, die aus der Vernunft und der natürlichen Solidarität der Demokratie allen Völkern gegeben ist.

    (Beifall.)

    Wir haben schließlich ein System praktischer Maßnahmen zu schaffen, wie sie von den Kräften der Demokratie bei der Rückgewinnung der sowjetischen Besatzungszone nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich für die Eroberung und Sicherung der Freiheit durchgeführt werden sollen.
    Meine Damen und Herren! Mit dem Kampf für die deutsche Einheit dienen wir unserem eigenen Volk. Mit dem Kampf für die deutsche Einheit dienen wir aber auch der Sache der Freiheit und der Menschlichkeit in der ganzen Welt!

    (Anhaltender stürmischer Beifall.)