Rede von
Emil
Bettgenhäuser
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl dem zur Beratung stehenden Antrag eine überwältigende Mehrheit sicher ist, gestatten Sie mir doch namens der sozialdemokratischen Fraktion einige Bemerkungen. Wir sind enttäuscht, daß dieser Antrag überhaupt noch gestellt werden mußte. Wir hatten erwartet, daß zumindest bei der Revision des Besatzungsstatuts die Suspendierung des Art. 29 des Grundgesetzes aufgehoben worden wäre. Man muß sich schon ein wenig Gewalt antun, wenn man überhaupt die starke Einflußnahme der Besatzungsmächte auf diesem Gebiet noch begreifen will. Wir haben zwar manchen Unsinn aus der Situation und der Atmosphäre der Überwindung des Dritten Reiches und des Zusammenbruchs erlebt und zu erklären versucht. Aber was man hier den Deutschen in den Jahren 1946 und 1947 als Muster für eine neue staatliche Ordnung und einen neuen staatlichen Aufbau aufgepfropft hat, wird als der unerforschliche Ratschluß und Wille der Besatzungsmächte in die Geschichte eingehen. Die Vielzahl der Länder und vor allen Dingen die nicht lebensfähigen Gebilde mit der Unzahl der Minister und der damit verbundenen unnötigen Verwaltungsapparatur haben alles andere als den gewollten Zweck ausgelöst, nämlich den Deutschen die Demokratie schmackhaft zu machen. Es wird sehr oft, auch von diesem Platze aus, die Volksmeinung und der Wille des Volkes strapaziert. Wir haben uns in den vergangenen Jahren abgestrampelt und versucht, den Deutschen Demokratie, Bundesstaat, Parlamentarismus vorzudemonstrieren; und es war eines der Hauptziele der Besatzungsmächte, in
Deutschland die Demokratisierung zu fördern und durchzusetzen. Aber was man mit dem Unfug der Ländergestaltung angerichtet hat, kann kaum noch wiedergutgemacht werden. Die Kostspieligkeit, die Umständlichkeit, der unnötige Regierungs- und Verwaltungsaufwand haben niemand überzeugen können, daß dies notwendigerweise zu einer echten demokratischen Ordnung gehören muß. Im Gegenteil, weite Schichten des deutschen Volkes, insbesondere die jungen Menschen wurden abgestoßen. Hinzu kommt, daß auf der andern Seite dieselbe Konstruktion auch bei den Besatzungsmächten mit all ihren Überflüssigkeiten und Unzulänglichkeiten zu finden ist.
Es gibt deshalb auf diesem Gebiete ein echtes Anliegen des gesamten Volkes, nämlich Beseitigung dieses unmöglichen Zustandes. Es sind doch wahrhaftig keine machtpolitischen, strategischen oder gar militaristischen Überlegungen, wenn das Volk eine Flurbereinigung im Innern verlangt. Es sind einfache und nüchterne Erkenntnisse der Zweckmäßigkeit, der Billigkeit und der Sparsamkeit, die eine vernünftige Regelung verlangen. Wir können uns einfach den Luxus eines ausländischen Biedermeierkostüms nicht mehr erlauben. Wir sind vielmehr gezwungen, uns einen echten, strapazierfähigen deutschen Maßanzug zuzulegen. Das Haus, in dem wir leben und in dem wir wirken, das wir nicht so gebaut hätten, wenn wir es hätten tun können, muß möglichst in allen Stufen gleichmäßig wohnlich eingerichtet sein. Wir wollen endlich aus den Notunterkünften von damals heraus. Im Augenblick ist zwar noch nicht die Zeit, konkrete Vorschläge darüber zu machen, wie wir uns letzlich die Neugliederung denken. Aber was immer auch für Gründe und Argumente bei der Neuordnung benutzt werden sollten, ob historische Gegebenheiten oder soziale Vorstellungen, ob wirtschaftliche oder landsmannschaftliche Überlegungen, ob kulturelle Bande oder eigensüchtige Interessen — auch das soll es geben — berücksichtigt werden sollen, einen Grundsatz sollten wir als den Kardinalsatz im Hinblick auf unsere staatlichen Notwendigkeiten über alles stellen: Länder zu schaffen, die erstens groß genug sind und die zweitens auch wirtschaftlich in der Lage sind, einen ersten Ausgleich bei der Bedarfsdeckung im eigenen Gebiet durchzuführen. Wir sollten auch nichts tun, was den federzeitigen Beitritt der ostdeutschen Länder erschweren könnte.
Nun wissen wir auch — und die Gerechtigkeit gebietet, daß man es ausspricht —, daß im Jahre 1948 die Ministerpräsidenten die Gelegenheit hatten, eine den Deutschen genehme Neugliederung vorzunehmen. Auch ihr Entschluß, darauf zu verzichten, wird nicht als ein Ruhmesblatt in die Nachkriegsgeschichte eingehen. Aber noch weniger rühmlich sind die Methoden, mit denen man seit geraumer Zeit versucht, die Schaffung des Südweststaates gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in diesem Raum und gegen die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes zu verhindern. Doch auch über diese Kreise werden wir hinwegkommen; denn die Realitäten und Tatsachen sind stärker.
Ich hoffe, daß der Antrag möglichst einstimmig angenommen wird und daß die Besatzungsmächte nun bald ihre Einwände zurückstellen. Zu einem Zeitpunkt, in dem man Europa neu ordnen und den Verhältnissen anpassen will, in dem die Deutschen ebenfalls zur Mitarbeit aufgerufen sind, sollte man diese wirklich große Aufgabe nicht damit belasten, daß es den Deutschen nicht einmal gestattet wird,
im eigenen Haus Ordnung zu schaffen. Wir wünschen und hoffen deshalb, daß wir bald an diese Arbeit herangehen können.