Meine Damen und Herren! Der Anlaß dieses Antrages war die Beratung des Gesetzes über den Finanzausgleich. Bei der Beratung des Gesetzes über den Finanzausgleich innerhalb der deutschen Bundesländer hat sich herausgestellt, daß die finanzielle Schwäche einzelner deutscher Bundesländer noch viel weiter fortgeschritten war, als wir es angenommen hatten. Der Art. 29 des Grundgesetzes hat zum Ziele, leistungsfähige Länder zu schaffen:
Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.
So hat es seinerzeit der Parlamentarische Rat im
Grundgesetz verankert.
Die Neuordnung des Bundesgebietes sollte zunächst durch die Vereinbarung der Länder erfolgen. Daß das damals nicht zustande gekommen ist, ist verständlich; denn es fehlte über den Ländern noch eine übergeordnete Bundesinstanz. Wenn daher später die Hohen Kommissare zwar die Billigung des Grundgesetzes ausgesprochen, aber in ihrem Billigungsschreiben erklärt haben, sie seien nicht damit einverstanden. daß Art. 29 des Grundgesetzes zur Anwendung komme, so ist das eine
Stellungnahme, die damals vielleicht verständlich gewesen ist, die uns aber jetzt als dauernde und endgültige Stellungnahme der Hohen Kommissare wahrscheinlich nicht mehr entgegentreten kann. Art. 29 des Grundgesetzes ist an sich in Kraft. Seine Anwendung ist nur durch dieses Billigungsschreiben der Hohen Kommissare einstweilen nicht möglich. Nachdem durch die Revision des Besatzungsstatutes der Deutschen Bundesrepublik weitgehende neue Rechte zugewiesen worden sind, sollte man annehmen, daß die Nichtaufhebung dieser Einschränkung tatsächlich nur ein Vergessen bedeutet, aber nicht eine grundsätzliche Konzeption der Hohen Kommissare. Dies um so weniger, als sie seinerzeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes mit einer Neugliederung des gesamten deutschen Raumes einverstanden gewesen waren. Wenn wir deshalb mit unserem Antrage die Bundesregierung bitten, eine entsprechende Entscheidung der Hohen Kommissare herbeizuführen, so glauben wir nicht, daß wir in dieser Beziehung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen werden.
Es kommt hinzu, daß gerade die Neugliederung des Staatsgebietes doch eines der Grundrechte eines souveränen Staates ist, das sich nur nach innen auswirkt und deshalb irgenwelche außenpolitischen Bedenken nicht auszulösen braucht. Wenn Art. 25 des Grundgesetzes sogar deutsche Rechtsnormen dem Völkerrecht unterordnet, dann besteht für die innere Neuordnung die Konsequenz, daß' wir die Notwendigkeiten des Ganzen über irgendwelche Zufälligkeiten bei der Einzelgliederung zu stellen haben.
Die Bedenken, die von mancher Seite gegen die deutschen Fähigkeiten, den deutschen Raum neu zu gliedern, geäußert worden sind und die vor allem im Zusammenhang mit der Erörterung über das Südwest-Problem aufgetaucht sind, teile ich nicht. Art. 29 des Grundgesetzes hat nämlich ein sehr vereinfachtes Verfahren geschaffen: die Möglichkeit, durch einfaches Bundesgesetz eine Neugliederung vorzunehmen. Es ist doch anzunehmen, daß eine derartige Neugliederung in Form eines einfachen Bundesgesetzes hier eine Mehrheit finden wird. Wir müssen die Frist von drei Jahren beachten, die im Art. 29 des Grundgesetzes ausgesprochen ist. Die Vorbereitungen für die Neugliederung werden gewiß noch einige Zeit dauern, so daß wir gar nicht früh genug mit den Vorarbeiten anfangen können.
Nun hat man eingewandt, daß die Neugliederung des gesamten deutschen Raumes kein so entscheidendes und vordringliches Problem darstelle, daß wir ausgerechnet jetzt, in einer Zeit der außenpolitischen Hochspannung und der äußersten wirtschaftspolitischen Erschwernisse damit anzufangen hätten. Gerade der letzte Gesichtspunkt sollte uns veranlassen, mit aller Energie und mit aller Beschleunigung an die Neugliederung heranzugehen. Die Verwaltungsreform der Länder ist doch ein Problem, das uns unerhört stark auf den Nägeln brennt. Die Ausgaben, die für eine unzweckmäßige Verwaltung und für einen unzweckmäßigen Verwaltungsaufbau gemacht werden müssen — man denke allein an die Vielzahl von Ministerien, die bei einem Zusammenlegen der Länder verschwinden könnten —, sollten berücksichtigt werden. Die Sparsamkeitsgesichtspunkte sollten gerade in dem gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem große Anforderungen an unseren Bundesstaat gestellt werden, als dringende Notwendigkeit anerkannt werden.
Es kommt hinzu, daß ein wahrer Föderalismus auch nur in Ländern möglich ist, die ein kräftiges
Eigenleben leben können. Wie kann aber ein Land zu einem kräftigen Eigenleben überhaupt emporwachsen, wenn es tatsächlich, wie wir es eben bei Schleswig-Holstein erlebt haben, in jedem Gesetz wieder um Hilfe des Bundes oder um Hilfe der anderen Länder oder bei allen Verwaltungsmaßnahmen um Berücksichtigung bitten muß. In diesen Fällen kann sich ein gesundes staatliches Eigenleben überhaupt nicht entwickeln. Wir laufen Gefahr, daß durch die Existenz solcher sogenannter Länder der Föderalismus als solcher und daß der wahre und gute Gedanke des Föderalismus durch die Übertreibungen, die in diesen Länderfiguren entstehen, in dem deutschen Volksbewußtsein tatsächlich weitgehend in Mißkredit gerät.
Für die Lösung zentraler Aufgaben, wie sie uns jetzt in Wirtschaft, in Verkehr, in Wohnungsbau, in Lastenausgleich, bei der Regelung der Frage der Arbeitslosen usw. entgegentreten, sind ebenfalls gesunde, starke Selbstverwaltungskörper, gesunde, starke Länder die unumgängliche Voraussetzung. Ich glaube deshalb, daß wir im Augenblick überhaupt gar kein wichtigeres und produktiveres Problem haben, um unnütze Kosten zu sparen, unnütze Reibungen zu verhindern und eine Stärkung des Staatsbewußtseins zu erreichen, als gerade das Problem der Neugliederung des gesamten deutschen Raumes.
Um zu diesem Ziel zu gelangen, bezweckt unser Antrag, das formelle Hindernis, das in dem Billigungsschreiben der Hohen 'Kommissare noch enthalten ist, zu beseitigen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrage zuzustimmen.