Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Daß die überlasteten Länder entlastet werden müssen, darüber besteht wohl in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheit. Darüber brauchen wir also nicht zu sprechen.
Entscheidend scheint mir vielmehr die Frage zu sein — und das hat nach meiner Auffassung sowohl im Ausschuß als auch in der bisherigen Debatte im Plenum nicht die genügende Berücksichtigung gefunden —, daß die Umsiedlung so erfolgt, daß die Umgesiedelten auch in wirklich bessere Verhältnisse kommen.
Ich glaube, drüben in der Deutschen Demokratischen Republik ist die Frage bereits gelöst.
— Vielleicht überzeugen Sie sich einmal selbst, wie es eine große Anzahl von Leuten bereits getan haben! — Mir scheint also der Sinn der Debatte und der weiteren Aufgabenstellung, die in der Erfüllung dieses Gesetzes liegen, darin zu bestehen, dafür Sorge zu tragen, daß die in die Aufnahmeländer Umzusiedelnden auch wirklich Arbeit und Wohnraum bekommen.
Ich glaube, die Diskussion, die wir z. B. in der Sitzung des Ausschusses vom 19. Januar gehabt haben, war nicht nur von mir, sondern auch von Kollegen anderer Fraktionen dadurch bestimmt, dafür Sorge zu tragen, daß den Aufnahmeländern erstens die Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden und daß zum zweiten die
Umzusiedelnden auch wirklich Arbeitsplätze und damit Lohn und Brot erhalten.
— Jawohl, das wollen Sie, aber Sie haben dafür noch nicht die genügende Vorsorge getroffen.
Ich glaube, der Herr Kollege Tichi hat vollkommen recht gehabt, als er schilderte, daß damit, daß Umsiedler verladen, aber wieder ausgeladen werden mußten, ein Zustand geschaffen worden sei, der für die Umsiedler untragbar sei.
Ich weise in diesem Zusammenhang gerade auf die Notwendigkeiten der Aufnahmeländer hin und beziehe mich auf eine Denkschrift, die das Flüchtlingsamt der hessischen Regierung in seinem „Hessen-Plan" herausgebracht hat, wo sich die hessische Regierung im Rahmen einer innergebietlichen Umsiedlung mit der Frage der Umsiedlung von etwa 100 000 Menschen in Hessen selbst beschäftigt. Sie kommt in diesem Zusammenhang zu folgenden Feststellungen:
Gerade die Städte mit der größten Wohnraumzerstörung haben die stärkste Anziehungskraft für arbeitsuchende Flüchtlinge. Die Wohnraumzerstörungen des Luftkrieges, Belegungen durch die Besatzungsmacht, Brennpunktcharakter usw. haben jedoch bewirkt, daß der Flüchtlingsanteil der- meisten hessischen Städte wesentlich unter dem Landesdurchschnitt geblieben ist. Dieser Umstand bedeutet eine fühlbare Benachteiligung der Vertriebenen, besonders jener, die aus Städten oder aus Gebieten mit vorwiegend gewerblicher Wirtschaft stammen.
Die Statistik kommt dann zu dem Ergebnis, daß
der Anteil der arbeitslosen Flüchtlinge in Hessen im
Durchschnitt 27,3 % beträgt. Selbst um diese innergebietliche Umsiedlung vornehmen zu können, wird
die Forderung erhoben, rund 25 000 Wohnungseinheiten zu bauen.
Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß allein noch 400 Millionen DM fehlen, um die notwendige Wohnungszahl im Rahmen des vorliegenden Plans zur Durchführung zu bringen. Wir haben in der vergangenen Woche gehört, daß in diesem Jahre etwa 350 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen werden. Wir sind der Meinung, daß dies nunmehr die entscheidende Aufgabe ist. In § 4 des Gesetzes wird gesagt, daß die Aufnahmeländer verpflichtet sind, die Umsiedler wohnraummäßig entsprechend den allgemeinen Wohnverhältnissen der einheimischen Bevölkerung unterzubringen und um ihre beschleunigte arbeitsmäßige Eingliederung bemüht zu sein.
Wir haben in dem Umdruck Nr. 96 einen Zusatzantrag gestellt, der verhindern soll, daß unter den Umsiedlern, die aus Bayern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen nach anderen Ländern kommen, dadurch Enttäuschung hervorgerufen wird, daß sie einfach in den Zug verladen werden — vielleicht aus einer Wohnbaracke in Schleswig-Holstein, wo sie zusammengepfercht waren — und nun etwa in die neuerbaute Kegelbahn in Garmisch-Partenkirchen, die mit 400 000 DM für die Amerikaner gebaut worden ist, oder aber in den Tanzsaal eines Gasthauses im Schwarzwald verlegt werden sollen.
Wir wollen erreichen, daß sich die Umsiedler vorher über die Wohnraum- und Arbeitsverhältnisse
in den Aufnahmeländern informieren, damit sie
dann entscheiden können, ob nach dem Prinzip der Freiwilligkeit — und das ist der entscheidende Gesichtspunkt, der in diesem Gesetz zum Ausdruck gekommen ist und unter allen Umständen gewahrt werden muß — eine solche Umsiedlung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird das Umsiedlerproblem nicht grundlegend gelöst.
Es ist nur ein Mittel, um eine Entlastung
der überbelegten Länder herbeizuführen. Die grundlegende Lösung des Umsiedlerproblems
— damit beantworte ich Ihren Zwischenruf — kann nur so erreicht werden, wie ich einem Zwischenrufer bereits anfangs geantwortet habe.
Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz, dem wir unsere Zustimmung geben werden, so durchgeführt werden muß, daß den Umsiedlern in Wirklichkeit unter den gegebenen Verhältnissen geholfen wird, daß diese Umsiedlung nicht den bisherigen Zustand aufrechterhält, sondern zu einer Besserung der Verhältnisse führt.