Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich wiederholt in langatmigen Debatten mit der Frage der Umsiedlung beschäftigt, und es ist beschämend, daß man die Aufnahmeländer durch ein Gesetz zwingen muß, ihre Pflicht im Rahmen einer uns allen auferlegten Schicksalsgemeinschaft zu erfüllen. Es wäre Pflicht des Bundesrates, der legitimen Körperschaft der Länderinteressen, die Aufnahmeländer zu belehren, daß es so nicht weitergeht. Hier scheint der Bundesrat den Mut zu verlieren, während er sich in anderen die Heimatvertriebenen betreffenden Fragen, der des Lastenausgleichs und auch der des Unterbringungsgesetzes, gegen die Interessen der Heimatvertriebenen gestellt hat.
Das, was man Umsiedlung nennen will, und das, was nicht nur die Aufnahmeländer, sondern auch die anscheinend unfähige und kopflose Bürokratie in den Abgabeländern sich geleistet haben, ist ein Skandal erster Sorte und ein frevelhaftes Spiel mit dem Schicksal dieser armen Menschen, die ihre letzte Hoffnung in die Umsiedlung gesetzt haben, um in Gebiete zu kommen, wo sie bessere Wohnungen, Arbeit und Brot finden. Die Heimatvertriebenen melden sich zur Umsiedlung, lösen ihre Arbeitsverhältnisse und kündigen ihre Wohnungen. Man nennt ihnen bereits den Tag der Abreise, sie stehen mit ihrem eingepackten Hausrat reisebereit, und plötzlich wird der Abtransport abgeblasen. In einem Falle stand bereits der Eisenbahnzug auf dem Bahnhof bereit.
In den Aufnahmeländern ist es nicht besser. Die avisierten Transporte kommen an; die Leute müssen oft tagelang in den Waggons zubringen, um dann auswaggoniert in ein Massenlager eingewiesen zu werden, in dem sie monatelang verbleiben. Ich habe selbst in einigen Fällen vergebens gebeten, weitere Transporte nicht zu expedieren, solange sich noch die Heimatvertriebenen der früheren Transporte im Lager befänden. Es wäre in solchen Fällen — das ist unsere Überzeugung — fast besser, die Leute in ihren jetzigen Heimatländern zu belassen, als daß man sie in eine so unangenehme Situation bringt.
In der letzten Zeit versuchen die Aufnahmeländer, sich dadurch, daß sie alle möglichen Schwierigkeiten machen, ihren Verpflichtungen zu entziehen.
Sie erklären, die Umsiedlung nur dann fortsetzen zu wollen, wenn ihnen für die Bereitstellung von Wohnungen die zugesagte Vollfinanzierung gesichert werde. Nach dem Umsiedlungsprogramm stehen, wie sie von dem Berichterstatter gehört haben, für das Jahr 1951 für diese Zwecke 400 Millionen DM auf dem Papier zur Verfügung, die von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden müssen. Bis jetzt sind 145 Millionen DM greifbar.
Das von den Regierungen vorgesehene Umsiedlungsprogramm sollte am 1. April anlaufen. Bis zur Stunde — also drei Wochen vor diesem Termin — existiert noch kein Plan über den mit der Umsiedlung verbundenen Wohnungsbau; es ist auch nicht mehr im Ernst damit zu rechnen, so daß das ganze Umsiedlungsprojekt in dem vorgesehenen Rahmen scheitern wird.
So stehen die Dinge. Nach den Erfahrungen der früheren Umsiedlungsaktionen verlangen wir weiter, daß die Kommissionen der Aufnahmeländer angewiesen werden, nicht nur arbeitsfähige Umsiedler, sondern auch mindestens 50 % Umsiedler, die nicht handwerklichen oder landwirtschaftlichen Berufen angehören, sondern auch Angehörige geistiger Berufe und solche, die arbeitsunfähig sind, aufzunehmen. Es handelt sich doch um eine Umsiedlung im weitesten Sinne, nicht um eine Bereitstellung von irgendwelchen Arbeitskulis. Denn letzten Endes ist das Umsiedlungsproblem nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein soziales Problem, eine deutsche Frage erster Ordnung. Es ist seit langem allgemein bekannt, daß sich der weitaus größte Teil der Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet seit der Währungsreform auf die ausgesprochenen Flüchtlingsaufnahmeländer konzentriert und damit ein strukturelles Gepräge angenommen hat. Dieser strukturelle Charakter zeigt sich in noch größerer Deutlichkeit bei der Dauerarbeitslosigkeit. Im allgemeinen kann man feststellen, daß diese Dauerarbeitslosigkeit in erster Linie ein Sonderproblem der Flüchtlingsabgabeländer ist, auf die fast 80 % aller Arbeitslosen entfallen.
Aber noch eines muß gesagt werden. Wir wehren uns dagegen, daß aus der Umsiedlungsaktion wiederum politisches Kapital geschlagen wird. Schon bei der letzten Debatte in diesem Hohen Hause kam es — meinerseits ungewollt — zwischen mir und dem damaligen Vorsitzenden der Bayernpartei, Dr. Baumgartner, zu einer sehr scharfen Auseinandersetzung, die durch eine unangebrachte Äußerung Dr. Baumgartners die kleine Koalition in Bayern zerschlagen hat. Nun hat dieser Tage der Vizepräsident des Bayerischen Landtages, der bekannte Herr Fischbacher, die Umsiedlung von mindestens 750 000 Heimatvertriebenen aus Bayern verlangt, also das Zehnfache von dem, was die Gesetzesvorlage vorsieht. Wir haben schon damals erklärt und müssen es auch heute erklären, daß es den Antragstellern nicht darum geht, die Menschen besser unterzubringen, ihnen ein besseres Schicksal zuteil werden zu lassen, als sie es bis jetzt gehabt haben, sondern ganz einfach darum, sie loszuwerden. Wenn der Herr Fischbacher erklärt, die Bayernpartei sei bereit, 1,2 Millionen Sudetendeutschen, die gleichen Stammes sind, das Heimatrecht zu geben — Schlesier und alle anderen Heimatvertriebenen müßten heraus —, dann verstehen wir ganz genau, was damit gemeint ist: Man will die Heimatvertriebenen landsmannschaftlich gegeneinander ausspielen. Als Sudetendeutscher erkläre ich, daß wir ein solches Angebot der Bayernpartei aus Gründen der Schicksalsgemeinschaft mit allen Ver-
triebenen auf das entschiedenste ablehnen und als unwürdig betrachten.
Wir werden dem Entwurf des Gesetzes zur Umsiedlung zustimmen. Wir appellieren vor allem an den Bundesrat, die Aufnahmeländer anzuweisen, für eine humane Durchführung der Umsiedlung zu sorgen.