Rede von
Franz
Pfender
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Auf Grund einer Verordnung der Bundesregierung sollten im Jahre 1950 aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein insgesamt 300 000 Heimatvertriebene im wesentlichen in die Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden, Rheinland-Pfalz und WürttembergHohenzollern umgesiedelt werden. Bis Jahresende waren rund 250 000 umgesiedelt. Das Bundesministerium für Vertriebene hofft, den Rest von 50 000 bis zum 1. Mai dieses Jahres zur Umsiedlung zu bringen. Die hierzu notwendigen Wohnungsbauten sind in den Aufnahmeländern in Angriff genommen und dürften bis zu diesem Zeitpunkt bezugsfertig sein.
Der Bundestag hat sich im letzten Jahre wiederholt mit der Frage der Umsiedlung der Heimatvertriebenen beschäftigt. Er hat im Sommer letzten Jahres den Beschluß gefaßt, daß außer den 300 000 für das Jahr 1950 vorgesehenen Umzusiedelnden weitere 600 000 Heimatvertriebene aus
den bereits genannten Abgabeländern umgesiedelt werden sollen. Dem Ausschuß für Vertriebene lag der vom Plenum des Bundestags überwiesene Initiativgesetzentwurf Drucksache Nr. 1618 als federführendem Ausschuß zur Beratung vor. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung haben sich ebenfalls mit diesem Initiativgesetzentwurf beschäftigt. Bei den Beratungen konnte ein vom Bundesministerium für Vertriebene ausgearbeiteter Entwurf einer Verordnung zur Umsiedlung mit als Arbeitsunterlage benützt werden.
Der SPD-Entwurf sah vor, daß im Jahre 1951 insgesamt 300 000 Heimatvertriebene umzusiedeln sind, und zwar aus Schleswig-Holstein 150 000, aus Niedersachsen 100 000 und aus Bayern 50 000. Der Ausschuß hielt es für zweckmäßig, vorzuschlagen, daß aus Niedersachsen anstatt 100 000 nur 85 000 und aus Bayern anstatt 50 000 65 000 umzusiedeln sind. Gleichzeitig wurde es für zweckmäßig erachtet, daß vorerst, und zwar bis zum 30. September 1951, nur 200 000 umzusiedeln sind: aus Schleswig-Holstein 100 000, aus Niedersachsen 60 000 und aus Bayern 40 000. Die Umsiedlung der restlichen 100 000 soll in der Zeit nach dem 1. September erfolgen; die Bundesregierung soll ermächtigt werden, diese Umsiedlung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats nach den Grundsätzen dieses Gesetzes zu regeln.
Die vorerst umzusiedelnden 200 000 werden wie folgt auf die Länder aufgeteilt: Baden 16 000, Bremen 2000, Hamburg 5000, Hessen 5000, Nordrhein-Westfalen 115 000, Rheinland-Pfalz 18 000, Württemberg-Baden 25 000 und WürttembergHohenzollern 14 000. Die Länder Bremen und Hamburg können die Aufnahme der ihnen zugeteilten Umzusiedelnden bevorzugt im Wege der Familienumsiedlung durchführen. Die Aufteilung dieser 200 000 auf die übrigen Länder erfolgte im wesentlichen nach einem Gutachten des Instituts für Raumforschung.
Die Umsiedlung der Heimatvertriebenen hat unter Berücksichtigung ihrer soziologischen und berufsmäßigen Struktur zu erfolgen. Hierbei ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Aufnahmeländer nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen. Die Umsiedlung ist nach wie vor auf dem Wege der Freiwilligkeit vorzunehmen. Allerdings ist gleichzeitig bestimmt, daß unter den Umzusiedelnden 10 % Renten-, Pensions- und Fürsorgeempfänger mit ihren im Haushalt oder in Lebensgemeinschaft befindlichen Angehörigen sein müssen. wobei die Gruppe der Fürsorgeempfänger dem Anteil der heimatvertriebenen Fürsorgeempfänger an der Gesamtzahl der Fürsorgeempfänger entsprechen muß. Durch diese Bestimmung soll erreicht werden, daß an die Aufnahmeländer nicht nur arbeitsfähige Menschen abgegeben werden und die Arbeitsunfähigen und Alten den Abgabeländern verbleiben.
Die Umsiedlung ist in zweifacher Weise vorzunehmen: Entweder in einem behördlich gelenkten Umsiedlungsverfahren oder als Umsiedlung ohne behördliche Lenkung. Es ist aber gleichzeitig bestimmt, daß die Aufnahmeländer einen bestimmten Prozentsatz im behördlich gelenkten Umsiedlungsverfahren aufzunehmen haben, und zwar Baden von 16 000 12 000, Hessen von 5000 1000, Nordrhein-Westfalen von 115 000 75 000, Rheinland-Pfalz von 18 000 13 000, Württemberg-Baden von 25 000 16 000 und Württemberg-Hohenzollern
von 14 000 11 000. Sollte im ungelenkten Verfahren eine größere Zahl umgesiedelt werden, als sich aus den eben genannten Zahlen ergibt, so kann diese Mehrzahl auf die Gesamtzahl der Aufzunehmenden nicht angerechnet werden. Genaue Bestimmungen darüber, wer als Umsiedler gilt, der ohne gelenktes Verfahren übernommen wird, sind festgelegt.
Die Kosten der Umsiedlung einschließlich der notwendigen Verwaltungsaufwendungen hat der Bund zu tragen. Der Bundesregierung wird die Berechtigung gegeben, hinsichtlich der gebietsmäßigen Verteilung der Heimatvertriebenen auf die Aufnahmeländer und hinsichtlich der zeitlichen Übernahme durch diese Länder Einzelweisungen zu erteilen. Das gleiche Recht ist ihr gegeben bezüglich der gleichmäßigen Erfassung des vorhandenen Wohnraums und zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues zum Zwecke der wohnlichen Unterbringung der umgesiedelten Heimatvertriebenen in den Aufnahmeländern.
Im Ausschuß für Vertriebenenfragen, insbesondere aber im Wohnungsbauausschuß, war man sich darüber klar, daß es in erster Linie darum geht, die Umzusiedelnden da anzusetzen, wo ihnen Arbeit gegeben werden kann. Aber gerade in diesen Orten ist Wohnraum nicht vorhanden, während an Orten, in denen noch Wohnraum vorhanden ist, die Arbeitsplätze fehlen oder so weit entfernt sind, daß sie nicht oder nur schwer erreicht werden können. Es werden somit Wohnungen bei den Arbeitsplätzen geschaffen werden müssen. Für diesen Zweck stehen bis jetzt rund 175 Millionen DM zur Verfügung, und zwar 50 Millionen DM aus Bundeshaushaltsmitteln, 50 Millionen DM aus Mitteln der Soforthilfe und 45 Millionen DM aus Umstellungsgrundschulden. Weitere 30 bis 35 Millionen DM werden aus den Soforthilfemitteln der Länder der französischen Zone erwartet. Für 300 000 Umsiedler werden aber 75 000 Wohnungen benötigt. Diese erfordern, unter Zugrundelegung von 5700 bis 6000 DM nachrangiger Gelder für jede Wohnung, rund 400 Millionen DM. Es wäre also notwendig, daß seitens des Bundesfinanzministers aus Haushaltsmitteln für Umsiedlungszwecke rund 225 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, wobei allerdings noch offenbleibt, ob und inwieweit es den Aufnahmeländern möglich sein wird, die fehlenden erstrangigen Gelder in Höhe von 300 bis 400 Millionen DM zu beschaffen. Der Wohnungsbauausschuß hat dementsprechend vorgeschlagen, in § 7 des Gesetzes einen Abs. 2 folgenden Wortlauts aufzunehmen:
Um den Ländern ihre Aufnahmeverpflichtung zu erleichtern, werden für die Schaffung des für die Unterbringung der Umsiedler erforderlichen neuen Wohnraums Bundeshaushaltsmittel zusätzlich zur Verfügung gestellt, soweit die nachstellige Finanzierung nicht aus anderen öffentlichen Mitteln gedeckt werden kann.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat vorgeschlagen, in dem Gesetzentwurf die Rückführung der Evakuierten zu berücksichtigen; und zwar soll deren Anteil mindestens 10 % betragen. Der Ausschuß für Vertriebene war einstimmig der Auffassung, daß diesem Wunsch aus folgenden Gründen nicht stattgegeben werden kann. Erstens handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf ausschließlich um eine Umsiedlung von Heimatvertriebenen. Zweitens hat die Umsiedlung
neben Nordrhein-Westfalen überwiegend in die Länder der französischen Zone, nach Hessen und Württemberg-Baden zu erfolgen. Aber aus diesen Ländern dürften sich in den Abgabeländern kaum Evakuierte aufhalten. Die Evakuierten wollen in ihr Heimatland zurück und — mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburg — nicht etwa in die aufnehmenden Länder umgesiedelt werden. Der Ausschuß hält es für erforderlich, daß die Umsiedlung der Evakuierten außerhalb dieses Gesetzes, entweder durch Vereinbarung der beteiligten Länder untereinander oder durch ein besonderes Gesetz, geregelt wird.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause den in der Drucksache Nr. 1987 niedergelegten Gesetzentwurf zur Annahme zu empfehlen, und bittet das Hohe Haus, den Gesetzentwurf in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung einstimmig anzunehmen.