Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten es für dringend erforderlich, daß die Bundesregierung diese Entschließung des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge zu den Punkten 1 bis 3 und zu den Punkten 9 und 10 als sehr bedeutungsvoll, sehr ernst und sehr dringlich ansieht. Niemand von uns und von unseren politischen Freunden denkt daran, etwa wieder einen Tag der deutschen Jugend im Sinne einer ehemaligen Staatsjugend einzuführen mit dem Hintergedanken, daß der Staat nicht für die Jugend, sondern die Jugend für den Staat da ist. Wohl aber halten wir es für notwendig, daß im gesamten öffentlichen Leben unseres Volkes, ob es sich um Leistungswettbewerbe der Berufe, ob es sich um Sportwettkämpfe, ob es sich um soziale Einrichtungen handelt, die Notwendigkeiten und der Zukunftsanspruch unserer Jugend vom Staate und vom gesamten deutschen Volk ernst genommen werden und nach außen in Erscheinung treten. Nur so ist, kurz gesagt, unsere Bitte und unsere Aufforderung zu verstehen, wobei wir den Anträgen des Ausschusses für Fragen der JugendfürSorge zu den Punkten 1, 2 und 3 in vollem Umfange zustimmen und die Bundesregierung bitten, diese bestimmt nicht leichten Verhandlungen zu führen. Sie werden ohne Zweifel mit der Vielfait der Organisationen nicht so einfach zu führen sein wie früher, als ein Reichsjugendführer bestimmen konnte.
Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit, nachdem die Punkte 4 bis 8 des Antrages von Dr. Mende auf Grund der Durchführung des Bundesjugendplans für erledigt erklärt worden sind, noch eine
Bemerkung anfügen. Im Bundesjugendplan ist unter anderem ein Kredit des Bundeswirtschaftsministeriums zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen vorgesehen. Dieser Kredit in Höhe von 20 Millionen DM ist bis heute infolge der Schwierigkeiten, die hauptsächlich von der Bank deutscher Länder gemacht worden sind, nicht bewilligt worden und nicht zur Ausschüttung gekommen. Wir werden in wenigen Wochen die Schulentlassenen aus der Volksschule haben; aus diesem Grunde möchten wir sowohl das Innenministerium dringend bitten, beim Wirtschaftsministerium auf eine Ausschüttung dieses Kredites hinzuwirken, wie auch den Herrn Bundeswirtschaftsminister sehr dringlich bitten, diesen 20-Millionen-Kredit—gleichgültig bei welchen der verschiedenen Programme oder wie auf die einzelnen Kreditprogramme verteilt — nun auszugeben, damit für die heuer zur Schulentlassung kommende Jugend eine wirksame Hilfe in der Vermittlung der Lehrstellen oder der Schaffung zusätzlicher Lehrstellen gewährt werden kann.
Wir möchten auch den Herrn Innenminister bitten, daß der Vorgriff bei der Durchführung der übrigen Punkte des Jugendplanes von einer Million DM durch besonderen und dringlichen Antrag beim Bundesfinanzministerium auf 5 Millionen DM erhöht wird, damit der Bundesjugendplan 1950/51, der normalerweise am 31. März ablauft, bei der Vielzahl der vorliegenden Gesuche rasch abgewickelt werden kann.
Ich möchte aber hier noch etwas zum Ausdruck bringen, worüber wir uns in allen Fraktionen weitgehend einig sind: daß dieser Bundesjugendplan 1950/51 nur ein Beginn gewesen sein kann, und wir darauf bestehen, daß es auch einen Bundesjugendplan 1951/52 usw. gibt, weil die mit dem ersten Bundesjugendplan begonnene Arbeit fortgesetzt werden muß, damit das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Ich glaube, es liegt im Interesse des gesamten Volkes, im Interesse aller Jugendverbände, aller Wohlfahrtsverbände, der wirtschaftlichen Organisationen wie auch im Interesse des Staates, gerade auf diesem Gebiet der Berufsausbildung der Jugend und der Vermittlung in Arbeitsstellen wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
Wir haben es schon damals, am 18. Dezember, als der Bundesjugendplan hier in diesem Saale verkündet wurde, nicht sehr gern gesehen, daß dieser Bundesjugendplan von den Jugendverbänden mit einer gewissen Skepsis betrachtet worden ist, so als ob der Staat die Millionen gewissermaßen nur aufbringen wolle, um ihnen die Freiheit und Selbständigkeit zu nehmen. Inzwischen haben sich diese Bedenken von selbst zerstreut. Das von den Jugendverbänden und ihren Vertrauensmännern in der Hauptsache besetzte Kuratorium hat ja viele dieser Mittel jetzt im Vorgriff verteilt, und niemand konnte dabei den Eindruck gewinnen, daß der Staat irgendwie in das freie Leben der Verbände oder Organisationen eingreifen oder übergreifen will. Umgekehrt sind jetzt gerade auch auf seiten des Bundesjugendringes die damals bestehenden Bedenken zurückgestellt worden.
Um so unverständlicher ist es, wenn heute von einer allerdings nicht sehr bedeutenden Organisation in der Zeitung „Der Fortschritt" in der Nummer vom 2. März 1951 ein Artikel veröffentlicht wird, den man nur als geradezu grotesk bezeichnen kann. Wenn der Herr Präsident es genehmigt, will ich gern einige Sätze daraus verlesen. — Der Artikel trägt die Überschrift „Generalangriff auf die Bünde?" und stammt von Henning Meincke, Bundesführer der Gefährtenschaft Hamburg: Hier heißt es:
Zehn Millionen DM
—an sich sind es mehr! —
sind viel Geld. Und die Idee, soviel für den „Ausbau der Jugendorganisationen" zu geben, ist neu. Das wilhelminische- Deutschland hatte dem Wandervogel keinen Pfennig gegeben,
— „o selige Zeiten" möchte man dazu rufen! —
er hatte auch nicht darum gebeten. Das Deutschland von Weimar hatte die Bündischen nicht finanziert, sie hatten ebenfalls nicht darum gebeten. Und wir? Auch wir erbitten nichts. Aber wir nehmen an! Schon seit 1945: Lizenzen, Heime, Fahrgelderlaß, Fahrtenausrüstungen, Beaufsichtigungen, Kontrollen, Rat und Tat, Bespitzeltwerden.
Wie schön und wahr: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft! Diesmal möchte man das Wort durch ein ganz sanftes System der Organisiererei verwirklichen, durch Kauf en und Gekauft wer den, dadurch, daß der letzte Rest aufbruchbereiten Jugendtums in dieses System unverantworteten Lebens eingespannt wird — und sich einspannen läßt. Aber dazu muß man uns erst gleichschalten, umschalten, umerziehen, und als Belohnung dafür, daß wir uns so bereitwillig abziehen lassen von unserem eigentlichen Auftrag, vom Selbstsein, dafür werden wir eben bezahlt, mit zehn Millionen DM.
Diese zehn Millionen DM
— so heißt es dann weiter —
sind der Generalangriff auf die letzten Reste wachen und selbstbereiten Jungentums.
— Und es heißt zum Schluß:
Die von jenem Geld gekauften Klampfen werden nie bundrein, Fahrtenbrot von diesem Geld wird immer bitter sein und die von ihm gekauften Halstücher werden zu Stricken werden, die uns erwürgen, wenn die lebendigen und gestaltungsfähigen Bünde nicht auf der Stelle kehrtmachen.
Ich kann es dem Hohen Hause ersparen, noch weitere Einzelheiten aus diesem Artikel zur Kenntnis zu nehmen. Für mich und den Kreis meiner Freunde aber darf ich feststellen: Alle Organisationen, die auf diesem Gebiet tätig sind, haben mit Recht vom Staat ein Eingreifen gefordert. Sie haben mit Recht vom Staat, also von der öffentlichen Hand, verlangt, daß die Mittel, die praktisch der Steuerzahler aufzubringen hat, gerade für die Sicherung der Zukunft unserer Jugend verwendet werden. Von keiner Partei, von keiner Stelle des Hauses ist jemals ein Ausspruch der Art gefallen, daß mit diesem Geld irgendwelche Auflagen verbunden würden. Das Geld, das der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge auf Grund der Anträge der verschiedenen Parteien vermittelt hat und das dann auch zur Verwirklichung des Bundesjugendplanes geführt hat, hat lediglich den einen Zweck, die Freiheit und Selbständigkeit der Jugendverbände wie die Sicherung der Zukunft und der Berufsausbildung der Jugend zu gewährleisten. Das ist der alleinige Zweck, der mit diesen Mitteln verfolgt wird. Man soll nicht auf der einen Seite dem Staat Vorwürfe machen, daß er zu wenig für
4730 Deutscher Bundestag — 1n. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951
die Jugend tut, und auf der anderen Seite, wenn er dann Mittel auswirft, behaupten, daß er damit in die freie Sphäre der Jugendverbände eingreift. Die Zeit der Betätigung des Wandervogels im Stile der wilhelminischen oder der Weimarer Zeit ist heute bei Gott wahrlich vorbei. Wir haben mit dem Bundesjugendplan einen ganz anderen Zweck verfolgt, und wir hoffen auch, mit diesen Mitteln zum Ziel zu kommen.
Sodann bitten wir den Herrn Bundesinnenminister auch noch darum, in den Verhandlungen mit der Hohen Kommission doch darauf hinzuweisen, daß es für die westdeutsche Jugend, für die Jugend der Bundesrepublik, ja nicht gerade ein Vergnügen wäre, wenn sie in die Ostzone gehen müßte, um dort den Segelflugsport zu erlernen, denn für die sogenannte Freie Deutsche Jugend ist er bekanntlich erlaubt. Das Segelfliegen gehört nicht zu den kriegs- oder militärähnlichen Betätigungen. Man sollte daher bei der Revision des Besatzungsstatuts auch eine Lockerung auf diesem Gebiet herbeiführen und unserer Jugend den Segelflugsport und den allgemein motorischen Flugsport wieder gestatten.