Rede von
Dr.
Karl
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, feststellen zu dürfen, daß ich mit meiner verehrten Vorrednerin darin, was sie zum Schluß sagte, über-
einstimme, nämlich daß die Landwirtschaft für ihre Produktion Preise haben müsse, die die Kosten decken und die ihr einen Verdienst sichern. Damit sind wir schon über ein großes Stück des Weges, den wir gehen müssen, einig. Ich glaube, daß wir uns auch über den Rest werden verständigen können.
Wenn man den Dingen auf den Grund geht, dann stimmt es, glaube ich, nicht so ganz, wenn man der Bundesregierung oder in erster Linie dem Herrn Ernährungsminister den Vorwurf macht, daß er an der Entwicklung, die sich nun in der Vorratshaltung und Marktgestaltung gezeigt hat, die Schuld trage. Wir sind in das Getreidejahr mit einem Vorrat von über 1,3 Millionen t hineingegangen. Bis zum 1. Februar 1951 hatten wir bei einer Einfuhr von über 1,1 Millionen t eine Ablieferung von über 1,6 Millionen t. Das sind zusammen rund 4,1 Millionen t, denen ein Bedarf von rund 5,3 Millionen t gegenübersteht. Wenn man damit rechnet, daß im März/April die Ablieferungen die Höhe der letzten Monate erreichen werden und die in Frankreich gekauften Weizenmengen von 225 000 t hereinkommen, dann verbleibt für das Erntejahr noch ein Defizit von rund 660 000 t. Die Regierung steht in Verhandlungen mit dem ECA-Ausschuß in Washington. Vor einigen Tagen ist der Vertreter der Regierung, Herr Häffner, der, wie ich glaube, dieser Seite des Hauses sehr angenehm und willkommen ist, nach Washington geflogen, um die Verhandlungen, die gute Aussicht auf Erfolg haben, dahin zu führen, daß wir weitere 575 000 t Brotgetreide bekommen, so daß wir mit kleinen Käufen von 80- bis 90 000 t, die auch noch am Weltmarkt zu bewerkstelligen sein werden, den Brotbedarf decken. Wir gehen allerdings ohne jeden Vorrat in das neue Jahr.
Wie ist es denn dazu gekommen?
— Nein, das hat mit dem freien Markt gar nichts zu tun; ich werde Ihnen nachher dazu noch einiges sagen. Man kann doch nicht daran vorbeigehen, daß der Weltmarkt absolut in Unordnung gebracht und daß im Weltmarkt nicht nur eine Preissteigerung zu verzeichnen ist, sondern daß eine ganze Reihe von Ländern dazu übergegangen ist, eine staatliche Vorratswirtschaft zu betreiben. Von einem unserer Nachbarländer wird sogar behauptet, daß es die Absicht habe, Vorräte für zwölf Jahre anzusammeln.
Beim Futtermittelmarkt, der ja auch bei uns frei ist, haben sich die Preise durch die Ereignisse auf dem Weltmarkt so entwickelt, daß Hafer 400 DM die Tonne kostet, Weizen 320 DM, Mais 470 DM; selbst das Milo-Korn kostet 370 DM und liegt damit im freien Markt weit über dem Weizenpreis. Das mußte ja zu Komplikationen auf dem Markt führen. Wir haben noch hinzuzurechnen, daß uns in der Futtermittelversorgung eine andere Katastrophe auf das schwerste betroffen hat: die Hungersnot in Indien. 500 000 t Milo-Korn, von denen wir einen erheblichen Teil als Futtergetreide bekommen sollten, sind von den USA zum Zwecke der menschlichen Ernährung nach Indien gegangen. Dagegen ist nichts einzuwenden; denn die Menschen in Indien sind hunderttausendmal wichtiger als 11 Millionen Schweine in Deutschland.
Nun wird geredet: die Regierung trägt die Schuld an dieser Entwicklung. Man muß anerkennen, daß die Regierung alles Mögliche unternommen hat, Vorräte zu sammeln. Sie kann es aber nicht verhindern, wenn Getreide, das für uns bestimmt ist, nach Indien geht oder wenn Schiffe während der Fahrt umgelenkt werden und nach Griechenland fahren, so daß diese Weizenmengen für uns verloren sind. Wenn dann noch die Vorratsbildung in Rechnung gestellt wird, dann haben wir auf dem Weltmarkt ein Chaos, das sich bei uns auswirken muß. Nachher läßt sich gut reden.
Als wir an die Festsetzung der Preise gingen, hat Herr Professor Baade, den ich als Wissenschaftler sehr hoch schätze, gemeint, daß der Milo-KomPreis bei etwa 200 DM die Tonne liegen werde und die Getreidepreise, die wir festgesetzt haben, zu hoch seien.
Die Entwicklung ging einen ganz anderen Weg. Dafür kann man Herrn Professor Baade nicht verantwortlich machen, auch nicht dafür, daß er damals die Dinge nicht richtig gesehen hat; denn was sich ereignete, das konnte weder Herr Professor Baade noch sonst jemand ahnen.
Wir haben uns auch über diese Dinge im Ausschuß unterhalten. Selbst Herr Kriedemann hat im Ausschuß anerkannt, daß den Minister für diese Entwicklung keine Schuld treffe.
— Der Regierung ist aber von meiner Vorrednerin der Vorwurf gemacht worden, daß sie die Schuld treffe, und der Exponent der Regierung auf diesem Posten ist nun mal der Herr Ernährungsminister.
— Ach, „überfahren worden"! Meine Damen und Herren, wenn die Situation auf dem Weltmarkt so ist, dann kann man nicht mehr von „überfahren" reden.
Herr Kriedemann hat zugegeben, daß man die Preise nur mit marktgemäßen Mitteln regulieren kann, d. h. wenn man Vorräte genug hat, um sie auf den Markt zu werfen und um die Preise zu drücken. Dazu waren wir nicht in der Lage. Ich glaube, auch nicht zuviel zu behaupten, Herr Kriedemann, wenn ich sage: wir beide sind darin einig, daß man jetzt nicht an jeden Bauernhof und an jede Mühle einen Gendarmen stellen kann, der überwacht, was sich dort abspielt.
Die Dinge liegen so: der Markt ist weggelaufen, weil wir ihn nicht marktmäßig beeinflussen konnten. Die Zahlen, die vom Ministerium auf Grund von 6000 Nachrichten, die es regelmäßig über die Vorräte bekommt, errechnet worden sind, kann man nicht einfach auf die Gesamtheit der Landwirt schaft umrechnen. Das ergibt ein falsches Bild. Bei den geringen Vorräten, die noch in der Landwirtschaft stecken, wird man nicht mehr allzuviel dort finden; man wird aus diesem Markt nicht viel mehr herausholen, als die Zahlen ausmachen, die ich genannt habe.
Wenn man aber sagt, daß man an die Regierung mit dem § 346 des Strafgesetzbuches 'herangehen will, wonach derjenige, der Beihilfe leistet und mitwirkt, mit 5 Jahren Zuchthaus bestraft wird,' so
kann ich verstehen, daß es Ihnen Freude machen würde, die Regierung 5 Jahre ins Zuchthaus zu sperren.
Ich nehme sogar an, daß Sie einigen Auserwählten dieser Regierung gern noch einige Jahre dazugeben würden. Sie vergessen aber eines: eine Strafverhängung ist gar nicht möglich, weil die Entscheidung darüber bei den Staatsanwälten liegt, die den Ministerpräsidenten und der Regierung der einzelnen Länder unterstellt sind. Vielleicht tut Herr Kopf uns den Gefallen, jetzt vor den Wahlen in Niedersachsen den Staatsanwalt einzusetzen. Uns würden Sie damit eine ganz besondere Freude machen.