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ID0112301700

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    Deutscher Bundestag — 123. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951 4685 123. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4686C, 4687A, 4718A, 4732C Änderung der Tagesordnung 4686D Anfrage Nr. 159 der Fraktion der SPD betr. Überschwemmungsschäden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nrn 1861 und 1979 der Drucksachen) 4687A Zwischenbericht des Bundesministers der Finanzen über die Frage der Freigabe historischer Gold- und Silbermünzen (Nr 1981 der Drucksachen) 4687A Bericht des Bundeskanzlers über Kredite und steuerliche Begünstigungen für Flüchtlingsbetriebe (Nrn. 1286 und 1986 der Drucksachen) 4687B Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Uraltkonten in West-Berlin, deren Berechtigte im Gebiete der Bundesrepublik wohnen (Nr. 1786 der Drucksachen) 4687B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP), Interpellant 4687B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4688A Frau Schroeder (Berlin) 4689A Dr. Reif (FDP) 4689D Frau Kalinke (DP) 4690A Dr. Krone (CDU) 4690B Ausschußüberweisung 4690C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) (Nr. 1982 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen) . . . 4690C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4690D, 4710D Dr. Koch (SPD) 4695D Dr. Bertram (Z) 4701B Neuburger (CDU) 4703D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 4707A Ewers (DP) 4713A Loritz (WAV) 4714C Müller (Frankfurt) (KPD) 4716A Ausschußüberweisung 4718A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr 1977 der Drucksachen) 4718A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit , . . 4718A Ausschußüberweisung 4719A Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes (Nr. 1993 der Drucksachen; Anträge Umdruck Nrn. 93 und 94) 4687A, 4719A Dr. Schröder (Düsseldorf), Antragsteller 4719A, 4724D Frau Strobel (SPD) 4719D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 4721D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 4723A Kriedemann (SPD) 4723C Dr. Preusker (FDP) 4724C Abstimmungen 4725A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes (Nr. 1654 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1984 der Drucksachen) 4725C Neuburger (CDU), Berichterstatter 4725C Abstimmungen 4726A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und 4 Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Nr. 1845 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 1972 der Drucksachen) 4726C Degener (CDU), Berichterstatter . 4726C Beschlußfassung 4726D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verlängerung der Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 1731 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (16. Ausschuß) (Nr 1980 der Drucksachen) 4727A Dr. Schatz (CSU), Berichterstatter . . 4727B Beschlußfassung 4728A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Mende u. Gen. betr. Programm für die Betreuung der deutschen Jugend (Nrn. 1030, 1968 der Drucksachen) . . . 4728A Kemmer (CSU), Berichterstatter . . 4728B Strauß (CSU) 4728D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4730A Beschlußfassung 4731C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Gebührenbefreiung beim Kleinwohnungsbau (Nrn. 1467, 1978 der Drucksachen) . . 4731C Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 4731C Beschlußfassung 4732A Beratung der Übersicht Nr. 21 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 87) 4732A Beschlußfassung 4732C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 91) 4732C Beschlußfassung 4732C Nächste Sitzung 4732C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Juli 1950 hat sich das Klima in der Welt geändert. Seit dieser Zeit sind die gesamten wirtschafts- und finanzpolitischen Voraussetzungen, unter denen wir stehen, andere geworden. In den Jahren 1949 und 1950 war es dem Bundesminister der Finanzen möglich, danach zu trachten, eine Finanzpolitik durchzuführen, deren Ziel die Erleichterung der Steuerlasten und deren Fernziel damit eine Belebung der Wirtschaft und eine Steigerung des Steuereinkommens durch die belebte Wirtschaft war. Seit Korea treten an die Welt und auch an die deutsche Bundesrepublik Anforderungen heran, die es notwendig machen, erhöhte öffentliche Lasten durch vermehrte Leistungen der Bevölkerung zu tragen.
    Ich habe Ihnen in dem Memorandum, das die Begründung für die beiden Steuergesetzentwürfe enthält, die Ziffern im einzelnen gegeben und darf sie hier als bekannt voraussetzen. Ich greife nur die drei großen Gruppen heraus, um die es sich handelt. Die erste Gruppe betrifft die Sorge für die äußere und innere Sicherheit der deutschen Bundesrepublik. Ich brauche dazu keinen politischen Kommentar zu geben. Die Ziffern und Auswirkungen haben Sie vor sich. Sie bedeuten einen neuen Mehraufwand von über 1700 Millionen DM. Die zweite Ziffer heißt: Sicherung des sozialen Friedens, in der heutigen Zeit genau so wichtig und genau so ein Beitrag für den Frieden der Welt überhaupt wie der Schutz der inneren und äußeren Sicherheit. Hier handelt es sich darum, nicht nur


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    die alten sozialen Leistungen trotz allem voll aufrechtzuerhalten, sondern auch die Mehraufwendungen, die die Entwicklung und Gesetzgebung bringen, zu übernehmen. Der hierfür erforderliche Betrag beläuft sich auf rund 1750 Millionen DM. Dazu kommen als drittes die wirtschaftlichen Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um das Wirtschaftsleben den veränderten Verhältnissen anzupassen. Ich nenne nur die Wohnungsbaufinanzierung, die Exportförderung und die Anpassung der Gehälter der Bediensteten des Staates an die inzwischen veränderten Umstände. Auch hierbei handelt es sich um einen großen Betrag, so daß sich insgesamt ein Mehraufwand von 4505 Millionen DM für Bund und Länder ergeben hat.
    Wenn wir entschlossen sind, das Ziel, dem diese Aufwendungen dienen, unter allen Umständen zu erreichen, dann müssen wir auch die Aufwendungen tragen. Selbstverständlich müssen wir uns bemühen, diese Aufwendungen im Rahmen der deutschen Leistungsfähigkeit zu tragen, sie so zu tragen, daß nicht dem deutschen Volk durch eine Überspannung der Steuerlasten eine Gefährdung des sozialen Friedens von der anderen Seite her droht.
    Die erste Frage, die für das deutsche Volk aufgeworfen wird, ist die Frage des sogenannten Verteidigungsbeitrags. Ich wähle hier absichtlich das Wort Verteidigungsbeitrag und vermeide das Wort Besatzungskosten. Das, was früher Besatzungskosten waren was die 41/2 Milliarden bezweckt und wozu sie gedient haben, hat heute ein ganz anderes Gesicht. Man muß, wie ich damals schon bei der Beantwortung der Interpellation Strauß über die Besatzungskosten gesagt habe, heute davon ausgehen, daß wir als gleichberechtigtes Glied der demokratischen Welt, die um die Freiheit ihrer Ge-danken, ihrer Ideen und ihrer Existenz kämpft, gleichberechtigt neben den anderen und gleich verpflichtet mit den anderen einen Beitrag leisten. Dieser findet seine Grenze in der deutschen Leistungsfähigkeit. Die Ziffern, die ich Ihnen damals als die voraussichtliche Höhe des gesamten Verteidigungsbeitrags genannt habe, scheinen mir die Grenz- und Höchstziffern zu sein, die der deutschen Leistungsfähigkeit entsprechen. Wenn aber das erreicht werden soll, was ich damals als Ziel des Verteidigungsbeitrags genannt habe, daß alle diese Mittel, die das deutsche Volk in seiner Not um der Freiheit der demokratischen Welt willen mit aufbringt, auch ihren Zwecken wirklich dienen, wenn also alle diese Mittel dem echten Verteidigungszweck dienen sollen und nicht etwa dem Wohlleben einzelner und dem unnötigen Aufwand einzelner, dann müssen alle diese Mittel nur unter dem Gesichtspunkt der gemeinsamen Verteidigung der demokratischen Welt betrachtet werden, und man muß wissen: jede Mark, die unnötig ausgegeben wird, jede Mark, die dem Wohlleben eines einzelnen dient, geht dem echten Verteidigungszweck verloren.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es ist aber eine gemeinsame Aufgabe der deutschen Bevölkerung und der Mächte, zu verhindern, daß dem Verteidigungszweck auch nur ein Pfennig verloren geht.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir infolgedessen im „Verteidigungsbeitrag" einen Schritt sehen, auch auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet zu einer Einheit zu kommen, um die Vergangenheit mit ihren Fehlern und Unvollkommenheiten, die mit ihr zusammenhängen, zu überwinden und auch hier einer neuen Zeit und einem neuen Denken entgegenzugehen.
    Im Zusammenhang mit diesen Gedanken des Verteidigungsbeitrages, der ja auch gleichzeitig dem Schutz der inneren Ordnung dient, steht die Frage der Aufwendungen für den sozialen Frieden. Wir haben die Mehraufwendungen mit ungefähr 1750 Millionen angegeben und sind — wohl alle im ganzen Haus — bereit, diese Mehraufwendungen zu übernehmen. Es ist eine gewisse Tragik in unserer Verfassungsgesetzgebung, daß das Grundgesetz vorsieht: soziale Leistungen sind Sache des Bundes, und daß derselbe Bund als Einnahmequellen lediglich die indirekten Steuern zur Verfügung hat, so daß also die sozialen Aufwendungen nach den Gedanken des Grundgesetzes immer durch eine Belastung geleistet werden müßten, die grundsätzlich als unsozial empfunden wird, weil sie in erster Linie eine Belastung der breiten Massen, des kleinen Mannes ist.
    In dieser Situation mußte der Versuch gemacht werden, Ihnen eine Gesetzgebung vorzulegen, die die Schwierigkeiten, die auch verfassungsrechtlich und nicht bloß finanz- und wirtschaftspolitisch gegeben sind, einigermaßen überwindet. Ich darf dabei vorausschicken: ich habe damals darauf hingewiesen, wir hofften, daß von dem Mehraufwand von 4 505 Millionen DM, der Bund und Länder betrifft, durch Mineralölsteuer und durch die natürliche Steigerung des Steuereinkommens im kommenden Jahre fast die Hälfte — 2250 Millionen DM — gedeckt werden. Wir haben mit einer Steigerung des sogenannten Sozialprodukts um ungefähr 5 Milliarden gerechnet. Wir können diese Schätzung meiner Überzeugung nach heute aufrechterhalten, obwohl wir uns doch inzwischen — was ich nicht zu. vergessen bitte — in der Notlage sehen, unsere Einfuhr den Möglichkeiten der Devisenbilanz anzupassen, und in der Zukunft daher wahrscheinlich mit einer nicht unbeträchtlichen Einschränkung der deutschen Einfuhr rechnen müssen, was einen Ausfall nicht nur bei den Bundeseinnahmen — Zölle und Umsatzsteuer —, sondern ebenso einen Ausfall bei den Landessteuern — Einkommensteuer und Körperschaftsteuer — zur Folge haben wird. Ich glaube, daß wir die Schätzung aufrechterhalten können, obwohl wir inzwischen aus denselben Gründen durch die Beschlüsse der Bank deutscher Länder genötigt sind, auf dem Gebiete von Geld und Kredit Kreditrestriktionen hinzunehmen, die ja auch nicht produktionsfördernd und -ausweitend wirken, und obwohl wir letzten Endes auch damit rechnen müssen, daß eine Produktionsvermehrung nur insoweit möglich ist, als die Urstoffe der Produktion, die Grundstoffe, zur Verfügung stehen, und obwohl die letzte Ausweitung der Produktion schon gewisse Engpässe gerade bei den Grundstoffen zur Folge gehabt hat. Trotz alledem bin ich der Überzeugung, daß wir diese Hoffnung auf eine natürliche Ausweitung der Produktion und damit auf eine natürliche Steigerung des Aufkommens an Steuern im nächsten Jahre haben können.
    Wir mußten dann daran denken, daß wir eine Verteilung in den Steueraufkommen zwischen direkten und indirekten Steuern bringen. Denn wenn der Bund die Mehraufwendungen, die auf ihn entfallen, nur aus seinen eigenen Einnahmen hätte decken wollen, dann hätte er sie ja nur auf das Gebiet der indirekten Steuern legen können, und damit wäre eine Verschiebung in dem Verhält-


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    nis direkte und indirekte Steuern eingetreten, die zum mindesten und ganz leise gesagt den Grundlinien, denen die deutsche Finanzpolitik folgen will, widersprochen hätte. Das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern in Deutschland ist heute noch nicht so ungünstig, wie es manchmal hingestellt wird. Es ist ja ganz natürlich, meine Damen und Herren, daß das Verhältnis direkte und indirekte Steuern in den Ländern am günstigsten sein kann, in denen hohe Einkommen, große Vermögen und damit auch große Kapitalerträge vorhanden sind. Diese Voraussetzungen sind bei uns nicht gegeben.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Jede vergleichende Statistik über Einkommensteuer und Einkommensschichtung beweist, daß gerade in Deutschland der Prozentsatz der kleinen Einkommen, gemessen am gesamten Steueraufkommen und an der gesamten Steuerkraft, unverhältnismäßig groß ist, daß also die Voraussetzungen für die Verteilung direkte und indirekte Steuern ungewöhnlich ungünstig sind. Die Verhältnisse liegen, wenn ich einmal die vier größten Länder miteinander vergleiche, folgendermaßen. Wir haben in den reichen Vereinigten Staaten von Amerika einen Prozentsatz von 73,2 direkter Besteuerung und von 26,8 indirekter Besteuerung. In dem Vereinigten Königreich England haben wir eine direkte Besteuerung von 60,2 % und eine indirekte Besteuerung von 39,8 %. In Frankreich beträgt der Prozentsatz der direkten Besteuerung 38,3, der der indirekten Besteuerung 61,7. Die Zahlen sind aus dem Jahre 1949. In Deutschland betrug im Jahre 1949 das Verhälnis 53 % direkte Besteuerung und 47 % indirekte Besteuerung. Wenn ich das Steueraufkommen des Jahres 1950 nehme, so ist das Verhältnis der direkten Besteuerung zur indirekten Besteuerung 48,3 zu 51,7 %.
    Meine Damen und Herren, man darf aber nicht vergessen, daß Deutschland in all diesen Steuerproblemen ein Sonderproblem hat, und dieses Sonderproblem heißt heute Soforthilfeabgabe und künftig Lastenausgleich. Wenn Sie Soforthilfeabgabe und Lastenausgleich in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen in eine der beiden Arten einrechnen wollten, müßten Sie sie zur direkten Steuer rechnen, und dann wäre das Verhälnis der direkten Besteuerung zur indirekten Besteuerung prozentual weit günstiger als in Frankreich und würde ziemlich nahe an das in England herankommen.
    Die Bundesregierung wollte einen Weg gehen, der das Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung nicht allzusehr zuungunsten der letzteren verschiebt, und hat deswegen die Aufbringung des notwendigen Bedarfs in erster Linie auf dem Wege der direkten Besteuerung, also eine Änderung der Einkommensteuer gewünscht. Dabei darf ich einen Grundgedanken vorausschicken. Dieser Gesetzentwurf zur Änderung des Einkommensteuergesetzes hat nicht nur den Zweck, das Steueraufkommen zu mehren, sondern der Gesetzentwurf will auch die Steuergesetzgebung vereinfachen. Ich habe an anderer Stelle einmal gesagt: ich glaube, wenn sämtliche Steuerlasten in Deutschland nach dem Buchstaben des Gesetzes ehrlich getragen würden, müßte ich keines oder nur einen Teil der Steuergesetze vorlegen, die ich in dieser Stunde vorzulegen gezwungen bin. Das hängt aber auch sehr viel damit zusammen, daß unsere Steuergesetze überkompliziert, weil überverfeinert sind. Jede Spezialfrage und jeder spezielle Gesichtspunkt, die in die Steuergesetzgebung hineingetragen werden, bedeuten nicht nur für die Steuerverwaltung, sondern auch für den Steuerpflichtigen eine Mehrarbeit, weil jeder einzelne dieser Gesichtspunkte in einem Formblatt, in einer Anmerkung, in einer Fußnote seinen Niederschlag finden muß, was von den vielen Millionen Steuerzahlern nur einen ganz kleinen Teil wirklich betrifft, wobei aber das gesamte Formblatt, das gelesen und überdacht werden muß, dann unübersichtlich wird. Die Hälfte der Arbeitszeit unserer Finanzverwaltungen geht ja damit verloren, daß sie jeden Tag von 8 bis 12 Uhr nur mehr Auskunfteien sind, um den Steuerzahlern mündlich Aufklärung über die Art der Erfüllung ihrer Steuerpflichten zu geben. Wenn das Ziel einer inneren Gesundung und eines besseren Ertrags der bestehenden Steuern erreicht werden soll, so muß
    — das ist heute das dringendste Moment — die Steuergesetzgebung möglichst vereinfacht werden. Ich hoffe, daß ich auf Grund von Berichten, die ich anfordere, in absehbarer Zeit einmal eine Übersicht darüber geben kann, was nach den Erfahrungen der: Verwaltung an weiteren Vereinfachungen in der Steuergesetzgebung dringend und unabweisbar notwendig wäre.
    Meine Damen und Herren, das Prinzip wird von allen Seiten anerkannt; aber — verzeihen Sie mir
    — gegen dieses Prinzip wird auch von allen Seiten gesündigt. Wir haben bei der Beratung des Ein- kommensteuergesetzentwurfs im Bundesrat wieder ein Beispiel gehabt. Die Finanzminister der Länder waren mit mir der Überzeugung, daß das Wertvollste an der Reform der Steuergesetze in erster Linie der Gedanke der Vereinfachung ist. Trotzdem sind von andern Kreisen und von Ausschüssen alle möglichen Spezial- und Sonderwünsche vorgebracht worden, deren Verwirklichung die erstrebte Vereinfachung verdorben hätte. Jeder einzelne hat nur an sein eigenes Sonderziel gedacht und gemeint, dieses kleine Ding schade nicht; aber es wurde vielleicht nicht bedacht, daß die Summe der kleinen Dinge einen enormen Schaden anrichtet. Ich bin dem Bundesrat dafür dankbar, daß er alle diese Verkünstelungen und Sonderwünsche aus der Erkenntnis heraus abgewiesen hat, daß wir unsere Steuergesetze gerecht und sauber handhaben müssen, um nicht jeden Tag wieder zu neuen Steuerbelastungen gezwungen zu sein, die doch immer auf Kosten des Steuerehrlichen und Steueranständigen gehen, da es in erster Linie der Unehrliche ist, der durch die Löcher, die es in der Steuergesetzgebung gibt, hindurchschlüpft. Diese Erkenntnis hat den Deutschen Bundesrat dazu gebracht, die Sonderwünsche abzulehnen. Ich möchte das Hohe Haus dringend bitten, diesem Grundgedanken der Vereinfachung bei allen Beratungen Rechnung zu tragen und demgegenüber manche Lieblingswünsche zurückzustellen, die man sonst in andern Zeiten äußern könnte.
    Das ist das eine, worum es gegangen ist. Das andere war der Grundsatz, daß auch den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden muß. Meine Damen und Herren, ich habe selbst in früherer Zeit die Steuervergünstigungen, die dem Gedanken der Eigenfinanzierung gedient haben, verteidigt. Aber schließlich: das Klima in der Welt ändert sich, und wer im Sommer einen Wintermantel trägt, beweist nur, daß er sich den geänderten klimatischen Verhältnissen nicht anzupassen weiß.

    (Zurufe von der SPD. — Unruhe.)

    Wenn ich nach Korea, sagen wir einmal, meinen


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Wintermantel abgelegt habe, so deshalb, weil das Klima anders geworden ist.

    (Zuruf von der SPD: Es ist zu heiß geworden!)

    In den vergangenen Jahren war es die erste Aufgabe des deutschen Volkes, einen Wiederaufbau zu beginnen, und es war im Endeffekt vollkommen gleichgültig, wer Fabriken und Werkstätten und Wohnungen baute, wenn nur überhaupt aus dem Ruinenfeld heraus Wohnungen, Fabriken und Werkstätten entstanden.

    (Zuruf von der SPD: Das sehen wir jetzt!) Das hat sich heute geändert, weil heute die letzte Produktionskraft der deutschen Volkswirtschaft ebenso wie die anderer Volkswirtschaften einem gemeinsamen übergeordneten Zweck dienen muß. Der Staat kann es nicht mehr mit ansehen, daß die Kapitalmittel, die vorhanden sind, völlig unbeeinflußt und völlig nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Investition verwendet werden.


    (Aha-Rufe bei der SPD. — Zuruf: Jetzt liegt das Kind im Brunnen!)

    — Ich kann Sie leider nicht verstehen.

    (Weitere Zurufe von der SPD.) Infolgedessen muß heute, genau wie es bei allen Reformen der Steuergesetze in allen anderen Ländern geschieht, von dem Gedanken, die Eigenfinanzierung besonders zu begünstigen, abgegangen werden. Wir gehen dabei nicht so weit wie andere Länder, in denen z. B. nicht ausgeschüttete Gewinne mit einer besonders hohen Steuer belegt werden. Wir tun das aus einem sehr einfachen Grund: Wenn ich die Steuerlasten bei uns in Deutschland zusammenrechne und davon ausgehe, daß eine Kapitalgesellschaft 60 % Körperschaftsteuer, vielleicht 30 % Lastenausgleich und 3 % Berliner Notopfer zu tragen hat, daß also diese Steuerbelastung 93 % beträgt, dann bieten die verbleibenden 7 % keinen Spielraum mehr für besondere Steuer- und Sparexperimente. Aus dieser einfachen Erkenntnis heraus — in den anderen Ländern gibt es derartige Belastungen nicht —müssen wir einen anderen Weg gehen.


    (Zuruf von der SPD.)

    Wir gehen den Weg, daß wir die Steuervergünstigung zwar nicht aufrechterhalten — wir schlagen vor, die §§ 10 a und 32 a aufzuheben —, auf der andern Seite aber durch einen Ausbau des § 10 eine Steuervergünstigung für die Fremdfinanzierung beibehalten und verstärken. Wir wollen jedem Deutschen die Möglichkeit und einen Anreiz geben, daß er das, was er ersparen kann, langfristig und in einer Form anlegt, daß es dem deutschen Wohnungsbau und allenfalls dem Investitionsbedarf der deutschen Grundstoffindustrien zufließen kann. Das ist auch der Grundgedanke des Gesetzes.
    Im Zusammenhang damit stehen auch die Bestimmungen der §§ 7 a und 10 a. Mir ist der Gedanke der Vereinfachung der Steuerverwaltung so wichtig, daß ich hier vorgeschlagen habe, die Bestimmung des § 10 a restlos aufzuheben, also auch die Vergünstigung für Heimatvertriebene und sonstige Personen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Oellers und weitere Zurufe von der FDP.)

    — Moment, ausreden lassen! Der Bundesrat hat
    beschlossen, diese Vergünstigung auch für § 7 a
    aufzuheben. Unter derselben Voraussetzung wie
    bei § 10 a habe ich mich dazu bereit erklärt. Diese Voraussetzung ist folgende. Es will niemand damit etwas ersparen. Das Gesamterträgnis, der Gesamtgewinn, der diesen Kreisen durch diese Steuervergünstigung vorbehalten gewesen wäre, soll ihnen vorbehalten bleiben. Das, was die Länder durch den Wegfall an Mehraufkommen erhalten, wird diesen Kreisen zu Lasten des Bundes im Bundeshaushalt ersetzt, und zwar in der Form, daß den Betrieben an Stelle einer Steuervergünstigung eine ganz offene Unterstützung aus der Staatskasse gegeben wird, eine offene Unterstützung, die lediglich zur Voraussetzung hat, daß der einzelne — deshalb sind die §§ 7 a und 10 a für diese Kreise geschaffen worden — auch nachweist, daß er infolge der überhohen Investitionskredite, die die Rentabilität dieser Betriebe so stark drücken, nicht in der Lage ist, konkurrenzfähig zu bleiben. Er erhält dann eine Bescheinigung des Finanzamtes; und diese Bescheinigung des Finanzamtes stellt lediglich fest, welchen Vorteil er bei Anwendung des § 7 a und des § 10 a gehabt hätte.

    (Zuruf von der FDP: Das ist ja sehr einfach!)

    Mit dieser Grenze kann ihm die offene Unterstützung gegeben werden. Das hat den Vorteil, daß ich hier nur mit den einzelnen als Antragstellern zu tun habe und daß ich nicht jedem deutschen Steuerzahler, der hierfür gar nicht in Frage kommt, all die Fragen, die die Voraussetzungen sind, in seinem Formblatt vorzulegen habe. Das ist die Bedeutung, die die §§ 7 a und 10 a haben.
    Wir haben bei Wegfall des § 32 a selbstverständlich daran denken müssen, daß vielleicht durch steuerliche Gründe eine Umwandlung von Personalgesellschaften in Kapitalgesellschaften begünstigt wird. Wir wollten das vermeiden und haben deshalb einen neuen Vorschlag gemacht, der dem französischen Steuersystem entnommen ist. Der Vorschlag geht dahin, daß jede Personalgesellschaft das Recht hat, zu verlangen, nach den Grundsätzen, die für Kapitalgesellschaften gelten, versteuert zu werden. Damit ist zumindest der steuerliche Anlaß zur Umwandlung der Personalgesellschaften in Kapitalgesellschaften genommen. Ich glaube auch, daß die Zahl derer, die davon Gebrauch machen, naturgemäß beschränkt ist, weil ja rechnerisch zum mindesten 60 % reine Steuern vorhanden sein müssen, bis an eine Umwandlung überhaupt zu denken ist. Infolgedessen wird die Zahl der Antragsteller so gering sein, daß — das ist auch die Meinung aller Leute aus der Verwaltung — eine Mehrbelastung für die Verwaltung nicht entsteht. Das sind die wesentlichen Gedanken.

    (Zuruf von der FDP: Aber der Bundesrat!)

    — Der Bundesrat hat hauptsächlich deshalb seine Zustimmung mit geringer Mehrheit verweigert, weil der Gedanke neu war.

    (Lachen bei der FDP.)

    Der Bundesrat hat erklärt, daß er die Schwierigkeiten, die sich in der Durchführung ergeben können, nicht voraussehen könne. Wir glauben jedoch, daß sich die Schwierigkeiten, die im französischen System überwunden worden sind, auch bei uns werden überwinden lassen. Um des Gedankens selbst und seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung willen hat die Bundesregierung daran festgehalten.
    Das wäre das Wesentliche. Ich darf dazu bemerken. daß in dem bekannten § 7 c nicht etwa


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    eine volle Aufhebung der Vergünstigungen erfolgt ist, obwohl — ich betone das noch einmal — der Mißbrauch mit den Bestimmungen des § 7 c leider Gottes sehr groß gewesen ist. Hier werden aber Beschränkungen eingefügt, von denen wir hoffen, daß sie dem Mißbrauch doch ein Ende bereiten. Allerdings kann die beste volkswirtschaftliche und finanzpolitische Absicht nicht erreicht werden, wenn nicht die sittlichen Voraussetzungen, mit denen man auch auf diesem Gebiet rechnen muß, in den Kreisen der deutschen Bevölkerung vorhanden sind. Wir haben das Bestreben, trotz finanzieller Not die Fremdfinanzierung, wie ich gesagt habe, möglichst zu begünstigen. Das ist nur möglich, wenn gerade die Kreditinstitute, die aus volkswirtschaftlichen Gründen diese Vergünstigung wünschen, nicht dazu beitragen, daß das volkswirtschaftliche Ziel dieser Bestimmungen völlig widerlegt und völlig vernichtet wird. Das wäre dann der Fall, wenn die Kreditinstitute ihre Hand dazu bieten würden, daß derjenige, der Spargeld langfristig anlegt und damit binden soll, aus der Bindung dadurch herausgenommen wird, daß die Kreditinstitute in etwa in demselben Betrag kurzfristige Kredite zur Verfügung stellen. Das hätte nur zur Folge, daß der eine seine Steuervergünstigung hat und das Kreditinstitut vielleicht Wertpapiere angebracht hat, die es gern auf den Markt wirft, und Zinsen und Provision an kurzfristigen Krediten verdient. Der volkswirtschaftliche Erfolg wäre aber damit verwirkt. Deshalb war es ein guter Vorschlag des Bundesrates, in diese Bestimmung die Klausel einzusetzen, daß die Vergünstigung nur gewährt wird, wenn die Spareinlage rein aus eigenen Mitteln des Sparers gewonnen ist. Das hat für alle Kreditinstitute zur Folge, daß sie, wenn sie in Kenntnis des Umstandes, daß es nicht eigene Mittel des Sparers, sondern von ihnen oder anderen Kreditinstituten zur Verfügung gestellte Mittel sind, die nur den Eindruck erwecken sollen, daß es eigene Mittel sind, Kredite gewähren, Beihilfe zu einem Vergehen leisten, das strafbar ist, nämlich zu einem Steuerbetrug. Ich glaube, daß dieser Appell an sich genügen wird, um zu sichern, daß die moralische Unterstützung auf diesem Gebiet künftig restlos gegeben sein wird. Der volkswirtschaftliche Zweck muß auch hier in dieser Form gesichert bleiben.
    Meine Damen und Herren, der Wegfall dieser Vergünstigungen soll an sich einen Mehrertrag von 950 Millionen DM jährlich erbringen, wobei ich mir noch den mittelbaren Vorteil — wenn auch nicht in diesem Jahr, aber in den kommenden Jahren — durch die Vereinfachung und durch die Verschärfung der Überwachung auf dem Gebiet dieser Steuer erhoffe. Es ist bekannt, daß der Bund darangeht, den Betriebsprüfungsdienst in sich auszubauen. Ich werde gleich darauf kommen, daß sich damit auch eine mittelbare Auswirkung für den gesamten Betriebsprüfungsdienst im Bundesgebiet, also in Bund und Ländern, notwendigerweise ergeben wird.
    Es war für die Bundesregierung kein leichter Entschluß — er wurde nur deshalb geboren, weil die Mehraufwendungen, die gedeckt werden müssen, als lebensnotwendig zu betrachten sind —, daneben dem Hohen Hause einen zweiten Vorschlag zu machen, nämlich die notwendigen Mittel durch Erhöhung der Umsatzsteuer zu gewinnen. Über die Einzelheiten brauche ich hier wohl auch nicht viel zu sagen. Es dürfte in der Öffentlichkeit bekannt sein: Erhöhung des Normalsatzes der Umsatzsteuer von 3 % auf 4 %. Die Besonderheit, über die wahrscheinlich debattiert werden wird, ist dabei, daß über 4 % nicht hinausgegangen wird, daß also der Satz auch bei Handelsbetrieben, die mehr als eine Million DM Umsatz im Jahre haben und bisher 33/4°/o bezahlt haben, nur um das eine Viertelprozent auf 40/o gesteigert werden, so daß die bisherige höhere Belastung dieser Handelsbetriebe gegenüber den übrigen Betrieben praktisch in Wegfall kommt.
    Meine Damen und Herren, Sie dürfen mich ruhig daran erinnern, daß ich vor einem Jahr, als aus der Mitte des Hauses ein ähnlicher Antrag kam, nämlich der Antrag, die steuerliche Mehrbelastung der Warenhäuser, Konsumvereine etc. aufzuheben, widersprochen habe. Ich muß aus anderer Überlegung heute selber diesen Vorschlag machen. Ich habe damals nicht daran denken können, daß ich durch die Umstände je gezwungen sein- könnte, eine Erhöhung der Umsatzsteuer vorzuschlagen. Wenn ich das heute trotz der Bedenken, die ich selber kenne, und trotz des Umstandes, daß dadurch gerade die indirekte Belastung steigt und die Gefahr einer Preiserhöhung gegeben ist, tue, so deshalb, weil ich in Erkenntnis der neuen Umstände die Konsequenzen ziehen muß. Ich will verhindern, daß die Preiserhöhung von 1 %, die in der Umsatzsteuererhöhung liegt, in Ausnützung der Umstände zum Vorwand einer zehnfachen Preiserhöhung gegenüber dem Verbraucher genommen wird. Ich muß infolgedessen jeden möglichen Weg gehen, um auf natürliche Weise eine Preisbremse einzuschalten. Die praktische Beibehaltung des Umsatzsteuersatzes bei den Großhandelsbetrieben gibt die Möglichkeit, durch Büchernachschau und Betriebsprüfungen festzustellen, ob diese Großhandelsbetriebe an der Tatsache nicht vorübergegangen sind, daß die Umsatzsteuererhöhung sie praktisch nicht trifft und sie in ihren Preisen auf dem alten Niveau geblieben sind. Bleiben Sie das aber — und Sie wissen, daß nur unter dieser Voraussetzung der Wegfall dieser Sonderbelastung auf die Dauer gerechtfertigt sein kann —, dann ist bei den allgemeinen Wettbewerbsverhältnissen und der allgemeinen Konkurrenz hier eine natürliche Preisbremse und eine natürliche Preiskontrolle geschaffen. Das ist für die Bundesregierung der ausschlaggebende Grund, diesen Vorschlag zu machen.
    Der ermäßigte Satz von 1,5 % für Getreide, Getreideerzeugnisse, Brot, Backwaren etc. bleibt ebenfalls unverändert. Es ist schon im Bundesrat der Antrag gestellt worden, den Kreis der steuerbegünstigten Lebensmittel zu erweitern. Es war dort eine ganze Reihe von Artikeln aufgezählt, von den Heringen über den Käse bis zu den Teigwaren, Butter, Butterschmalz etc. Eine Auslese von diesen ist dem Bundesrat neuerdings vorgeschlagen, nicht für den Satz von 1,5 %, sondern von 3 %. Ich muß das Hohe Haus bitten, es zu würdigen, daß die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vorschlägt, diesem Abänderungsantrag nicht zuzustimmen, nicht nur deswegen, weil dieser Abänderungsantrag einen Steuerausfall von mindestens 160 Millionen DM zur Folge haben würde und diese 160 Millionen DM, wenn sie ausfallen würden — nachdem unsere Kalkulation ohnehin auf des Messers Schneide steht —, durch irgendwelche anderen Steuergesetze und Steuereinnahmen neu gedeckt werden müßten — womit der Wirtschaft in Deutschland bestimmt nicht geholfen wäre —, sondern vor allem auch deshalb, weil dieser Antrag seinen sozialen Zweck bestimmt nicht erreicht. Wenn z. B. für das Ei die 1 Umsatzsteuer um 1 % verringert wird, bedeutet das


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    für das einzelne Ei eine Verbilligung von 0,3 Pf. Diese 0,3 Pf. bekommt der Verbraucher bestimmt nicht; diese 0,3 Pf. würden bestimmt nur in die Handelsspanne fließen. Das deutsche Volk ist nach meiner Überzeugung zu arm, um 160 Millionen DM herzuschenken, damit die Handelsspanne des Einzelhändlers sich bessert und der Ausfall durch Steuergesetze auf andere Art beigebracht wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist meine Überzeugung.
    Ich darf hinzusetzen: wir müssen uns bei allen Steuergesetzen bemühen, den Gesichtspunkt der Vereinfachung zu wahren. Das gilt auch beim Umsatzsteuergesetz. Wir können nicht alle möglichen Tarife, 1,5, 3, 4 % usw. haben; wir müssen um der Verwaltung willen möglichst einfache Tarife haben. Ich muß es überwachen können. Wenn ich an einen kleinen Kramladen denke, wo vom Schuhband und der Schuhwichse über die Heringe, die Butter und den Hemdenstoff alles verkauft wird, und wenn ein Teil dieser Waren, der nicht leicht kontrollierbar ist wie Brot und Backware, einen Satz von 3 °/o haben würde, so garantiere ich Ihnen, daß der kleine Kramhändler mir in einem halben Jahr nachweist, daß er überhaupt nur Waren zum Umsatzsteuersatz von 3 % zu verkaufen gehabt hat und daß alles andere überhaupt nicht gegangen sei. Die Überwachung in diesen tausenden und hunderttausenden kleiner Läden ist unmöglich. Diese Bestimmung würde nicht dem Verbraucher zugute kommen; sie würde die Überwachung sehr stark erschweren, und sie würde ganz bestimmt auch zur Folge haben, daß der Finanzminister wieder in die unangenehme Lage käme, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Vorschläge er zur Deckung des Ausfalls machen müßte. Ich muß deshalb an dem Vorschlag der Bundesregierung festhalten.
    Dagegen glaube ich, daß sich auf einem anderen Gebiet, wo ich früher meinte, nein sagen zu müssen, doch ein Weg zur Verständigung finden läßt. Das ist die Frage der Umsatzsteuerbefreiung für die gemeinnützigen Anstalten und Einrichtungen. Das Umsatzsteuergesetz — ich habe das betont — kennt an sich nur die Begriffe „Leistung" und „Gegenleistung", es kennt den Begriff einer Begünstigung aus persönlichen Umständen heraus nicht. Das war das Bedenken, von dem ich früher ausgegangen bin. Das Hohe Haus hat einmütig eine Begünstigung in diesem Falle gewünscht. Ich hoffe, Ihnen noch im Laufe der Ausschußberatungen einen Vorschlag darüber machen zu können, wie das durchführbar ist.
    Dabei gehe ich allerdings von zwei Voraussetzungen aus. Die eine Voraussetzung ist, daß dadurch nicht ein stiller Koalitionszwang ausgeübt wird, daß also nicht ein Druck auf die gemeinnützigen Anstalten und Einrichtungen versucht wird, und zwar aus steuerlichen Überlegungen, Verbänden beizutreten, denen sie bisher nicht beigetreten waren, weil sie, vielleicht als Stiftungen besonderer Art, ihre Unabhängigkeit und Freiheit bewahren wollten.

    (Zurufe rechts.)

    — Ich glaube, daß die Wege zu finden sind. — Die zweite Voraussetzung ist die, daß der Charakter der Gemeinnützigkeit ganz klar abgegrenzt wird, so daß jede Gefahr, daß durch diese Befreiung in die Wettbewerbsverhältnisse eingegriffen wird, von vornherein ausgeschlossen ist. Das sind die Voraussetzungen, unter denen ich glaube, daß eine Verständigung möglich sein könnte. Ich wäre bereit, im Ausschuß solche Vorschläge zu machen,

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr gut!)

    die aber — ich unterstreiche das noch einmal — eine klare Abgrenzung der Gemeinnützigkeit zur Voraussetzung haben.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren! Ich habe damit über die Einzelheiten und den Grundgedanken dieser Gesetze gesprochen. Sie wissen, es ist für einen Finanzminister nicht leicht, der deutschen Volksvertretung Steuergesetze, wie sie hier nun zur Debatte stehen, vorzulegen und der deutschen Bevölkerung, die die überlastetste aller Kulturländer ist, neue Steuerlasten vorzuschlagen. Aber, meine Damen und Herren, der Redner gehört einer Generation an, die im ersten Weltkrieg den Bruder und im zweiten Weltkrieg den Sohn verloren hat. Wenn wir an das Ziel denken, dem diese Gesetzentwürfe dienen, dann ist es das Ziel, den sozialen Frieden im Lande zu erhalten und das Eindringen eines fremden, uns feindlichen Geistes zu verhindern.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es ist das Ziel, die äußere und innere Sicherheit aufrechtzuerhalten und durch die Aufrechterhaltung der äußeren und inneren Sicherheit und des sozialen Friedens im Lande den Frieden der Welt zu garantieren.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Was wir dem deutschen Volke zumuten, mag schwer sein. Aber wenn wir das Ziel der Sicherung des Weltfriedens erreichen, werden wir den deutschen Müttern die Sicherheit geben, daß sie ihre Söhne nicht mehr in einen Krieg schicken müssen. Die Steuerlasten sind das Leben eines Sohnes wert.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Besprechung der ersten Beratung im Rahmen einer Gesamtredezeit von 180 Minuten. Als erster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Koch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Harald Koch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat im Finanzpolitischen Ausschuß des Bundestages und auch heute an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Steuervorlagen, die jetzt zur Diskussion stehen, nicht nur finanzpolitischen Charakter haben, sondern auch von wesentlicher wirtschaftspolitischer Bedeutung sind. In diesem Punkte können wir alle dem Herrn Finanzminister folgen. Auch in diesem Jahre dürfen wir daher ebenso, wie wir es bei der Beratung der Einkommensteuerreform im vergangenen Frühjahr getan haben, vor allen Dingen auf die wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte hinweisen, die auch bei dieser neuen Steuerreform zu berücksichtigen sind.
    Wenn wir heute auf die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik blicken, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr oder überhaupt bisher betrieben hat, so müssen wir feststellen, daß die Finanzpolitik diese Wirtschaftspolitik begünstigt hat. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Finanzpolitik an eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik angeknüpft hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß er durch Begünstigung der Fehlinvestitionen,
    durch Verschärfung der Engpässe wie auch der
    sozialen Gegensätze dem Bundeswirtschaftsminister
    bei dessen Wirtschaftspolitik geholfen hat. Wir


    (Dr. Koch)

    dürfen als sozialdemokratische Fraktion mit gutem Gewissen an die Argumente erinnern, die wir im vergangenen Jahre gegen diese Wirtschaftspolitik vorgebracht haben. Wir haben damals eine genaue Analyse über den Umfang der Investitionen und über den ungesunden Anteil der Selbstfinanzierung schon bis zum Jahre 1949 gegeben und wir haben seinerzeit, im März des vergangenen Jahres, vor einem Weitergehen auf diesem Wege gewarnt. Wir möchten nicht mißverstanden werden. Auch wir freuen uns über eine hohe Investitionsrate, weil Investieren volkswirtschaftlich gesehen auch Sparen ist. Aber es kommt vor allen Dingen auch auf die Beantwortung der Frage an: wo wird investiert?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben vor der überhöhten Selbstfinanzierung gewarnt, die im vergangenen Jahr wieder der Anlaß zu ganz besonders unerhörten Fehlinvestitionen gewesen ist und damit zu der Tatsache geführt hat, daß für die Engpaßindustrien nicht das notwendige Geld zur Verfügung gestanden hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Im Jahre 1950 sind nach den neuesten Ziffern im Wege der Selbstfinanzierung 5 Milliarden DM investiert worden, während es im Jahre 1949 nur 4 Milliarden DM waren. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Selbstfinanzierungen, die den Betrieben zugute kamen, die wir nicht so sehr zu fördern haben wie die Engpaßindustrien, letzten Endes von der breiten Schicht der unteren Einkommensbezieher getragen worden sind, die als Verbraucher die überhöhten Preise bezahlt haben und die sich als Arbeitnehmer mit von Tag zu Tag sinkenden Reallöhnen haben zufrieden geben müssen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Wir haben als Folge der Wirtschaftspolitik insbesondere auf sechs Gebieten Engpässe festzustellen: auf dem Gebiete der Kohle, auf dem Gebiete des Eisens und Stahls, auf dem Gebiete der Energie, des Verkehrs, der Exportindustrien und dann auf dem Gebiete der gerade für diese Industrien so wichtigen Arbeiterwohnungsbauten. Diese Engpässe haben wir trotz der unerhörten Leistungen des ganzen Volkes — ich erinnere nur an den Anteil der Investitionsrate am gesamten Sozialprodukt —, trotz des Konsumverzichts der breiten Masse, erzwungen durch die hohen Preise, wie ich schon sagte, und trotz des ständigen Sinkens des Reallohnes zu verzeichnen, weil man sich nicht zu einer planvollen Wirtschaftspolitik Bereitfinden konnte, wie wir sie seit Jahr und Tag vorschlagen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir müssen berücksichtigen, daß der eine Engpaß Kohle zu der Kohlenkrise dieses Winters geführt hat.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Warum ist das in England auch so?)

    — Wir sind uns alle darüber einig, meine Herren Zwischenrufer, daß wir diese Kohlenkrise sicher hätten vermeiden können, wenn wir im Sommer des vergangenen Jahres nicht 500 000 Tonnen Kohle freiwillig ausgeführt hätten, die wir nicht auszuführen brauchten.

    (Beifall und Zustimmung bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Wuermeling: Olle Kamellen!)

    Wenn wir von den Leiden der Unterversorgten
    absehen, wenn wir davon absehen, daß auch in
    diesem Winter zu Diebstählen gegriffen werden
    mußte, damit man Kohle hatte, wenn wir von dem Schlangestehen absehen, von den Kundenlisten, von den Schulschließungen, so ist uns durch diesen Engpaß ein unübersehbarer volkswirtschaftlicher Schaden entstanden. Diesen Engpaß müssen wir berücksichtigen, wenn wir Steuerpolitik machen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich im wesentlichen, wie wir wissen, nur von dem Gedanken leiten lassen, daß Frühling und Sommer sich schon langsam wieder heranpendeln werden.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das werden Sie bestimmt erleben!)

    Meine Damen und Herren, wir müssen berücksichtigen, daß einer der schlimmsten Engpässe der Kapitalmarkt ist. Auf ihm haben sich keineswegs die Hoffnungen erfüllt, die der Herr Bundesfinanzminister und die Regierungsparteien an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Denn die hohen Steuersenkungen — wir wagten damals zu sagen, die hohen Steuergeschenke an eine bestimmte Gruppe von Einkommensbeziehern — haben sich nicht im Kapitalmarkt niedergeschlagen, wie man seinerzeit gehofft hatte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im letzten Jahre schon durfte ich Herrn Abs, den Präsidenten der Wiederaufbaubank, zitieren. Er hatte damals schon mit Bedauern festgestellt, daß wesentliche Beträge in der deutschen Volkswirtschaft fehlgeleitet, fehlinvestiert seien.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Heute sagt er uns, daß viele Betriebe, die wir im letzten Jahre unnötigerweise durch die Steuerreform des vergangenen Jahres begünstigten, heute Investitionen der Jahre 1953 bis 1955 durchführen, während andere Unternehmen, nämlich die Engpaßunternehmungen, noch nicht einmal die Investitionen der Jahre 1947 und 1948 durchführen können.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich sprach davon, daß sich die Hoffnungen nicht erfüllt haben, die an die Steuerreform geknüpft wurden. Während die Spareinlagen im Jahre 1949 1 400 Millionen DM betragen haben, haben sie nach den neuesten Ziffern im Jahre 1950 nur 970 Millionen DM, d. h. also noch nicht einmal zwei Drittel der Sparrate des Jahres vorher, betragen.

    (Zuruf: Koreakrise!)

    Wir haben also aus der Tarifreform des vergangenen Jahres für unsere Kapitalmarktpolitik nichts gewonnen,

    (Zuruf von der SPD: Koreaner!)

    während auf der anderen Seite — das sei den Zwischenrufern gesagt — das Investitionssparen, das Sparen in den Betrieben an unnötigen Orten nicht mehr 4 Milliarden, sondern 5 Milliarden betragen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, damit sind Ihre Zwischenrufe beantwortet.

    (Zuruf von der Mitte: So einfach ist es ja nun nicht! — Abg. Hilbert: So leicht geht es nicht!)

    Meine Damen und Herren! Wir müssen, wenn wir über die Wirtschaftspolitik als Grundlage der Finanzpolitik sprechen, an die Millionen von Arbeitslosen denken. Wir müssen, wenn wir von Wirtschaftspolitik sprechen, den völligen Zusammenbruch der Liberalisierung und die hoff-


    (Dr. Koch)

    nungslose Verschuldung im Außenhandel berücksichtigen. Auch damit werden wir uns zu beschäftigen haben, wenn wir über diese Steuergesetze sprechen.
    Ich bitte Sie, mir nicht entgegenzuhalten, wie es seinerzeit der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Diskussion über die Kohlenkrise getan hat, wir hätten den Krieg verloren, wir machten ihn dafür verantwortlich, daß der Krieg verloren wäre — vielleicht paßt hier das Wort Korea hinein —. Nein, meine Damen und Herren, dafür machen wir den Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung nicht verantwortlich. Aber wir machen die Bundesregierung dafür verantwortlich, daß sie seit Jahr und Tag eine Politik verfolgt, als ob wir den Krieg gewonnen hätten.

    (Sehr gut! und Beifall bei der SPD.)

    Diese Wirtschafts- und Finanzpolitik, meine Damen und Herren,

    (Zurufe von der Mitte)

    — im vergangenen Jahr haben wir darauf hingewiesen, als Sie erhebliche Steuersenkungen vornahmen — wird unsere Wirtschaft auf die Dauer, wie die von mir genannten Ziffern beweisen, nicht vertragen können. Vor diesem düsteren Hintergrund der Wirtschaftspolitik, über die wir sicherlich noch vor Ostern zu sprechen haben werden, vor diesem düsteren Hintergrund einer planlosen Wirtschaftspolitik müssen wir, muß der Bundesfinanzminister Finanzpolitik machen, vielleicht sogar mit dem Ziele, dieser Wirtschaftspolitik noch zu helfen. Das Programm dieser hilflosen Wirtschaftspolitik ist ja das Niederbreisiger Programm, und auch darin sind verschiedene Ansätze für eine Änderung in der Steuerpolitik.
    Meine Damen und Herren, auch wir gehen davon aus und betonen es immer wieder, daß wir verpflichtet sind, dem Herrn Finanzminister die Einnahmen zu bewilligen, die er zur Deckung derjenigen Ausgaben gebraucht, die auch von diesem Hause bewilligt werden. In diesem Sinne, Herr Bundesfinanzminister, ist dieses Haus nicht nur im schlechten, sondern auch im guten Sinne eine „Bewilligungsmaschine". Doch ich glaube, wir sollten dieses Wort „Bewilligungsmaschine" mißbilligen selbst dann, wenn es im bayerischen Wald, hinten in Cham gesprochen worden ist.

    (Heiterkeit.)

    Wir kennen den Bundeshaushalt, Herr Bundesfinanzminister, und wir wissen — Sie haben es uns oft genug vorgetragen —, daß etwa 80 % oder noch mehr

    (Abg. Dr. Wuermeling: 90 %!)

    des Bundeshaushalts einfach gebunden sind. Wir können in diesem Haushalt kaum sparen. Sie haben sich auch auf das Memorandum der Bundesregierung bezogen; wir beziehen uns ebenfalls darauf. Aber man könnte, wenn man vom Sparen und von der Notwendigkeit des Sparens spricht, auf die Kosten hinweisen, die uns das föderalistische .System, die uns der Länderpartikularismus bereitet. Ich glaube, daß sehr viele Steuerpflichtige, denen man heute erneut Steuerlasten zumutet, gern sähen, wenn gerade auf diesem Gebiete das Wort „Sparen" großgeschrieben würde!

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der FDP: Fangen Sie doch in Hessen an!)

    Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Einzelheiten der Steuervorlage. Die sozialdemokratische Fraktion wird „Ja" sagen zu den Änderungen in der sogenannten Siebenergruppe, d. h. also zu den weitgehenden Änderungen im § 7 a, zu der Abschaffung des § 7 e, zu den Änderungen in den §§ 7 c und 7 d. Wir folgen diesen Vorschlägen des Bundesfinanzministers vor allem auch aus dem von ihm genannten Grunde, daß es sich hierbei auch um eine Vereinfachung in der Steuerverwaltung handelt, und wir bedauern in diesem Zusamenhang nur noch einmal, daß man nicht schon im vergangenen Jahr unseren Vorschlägen gefolgt ist.

    (Zurufe rechts.)

    Das Kind liegt nun einmal im Brunnen, und bedauerlicherweise macht man nunmehr ein Jahr zu spät den Brunnen zu. Um das Beispiel des Herrn Bundesfinanzministers zu gebrauchen, diejenigen, die von den Vorschriften der Siebenergruppe haben Gebrauch machen können, werden jetzt wahrscheinlich genug Wintermäntel haben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir sind dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er unsere Anträge aus der Drucksache Nr. 641 vom 28. Februar 1950 aufgreift, sie jetzt selbst stellt, und daß er das Hohe Haus bittet, die §§ 10 a und 32 a abzuschaffen. Wir brauchen also jetzt zur Begründung nichts mehr zu sagen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

    Wir sind auch einverstanden mit der Regelung im § 9 a, d. h. mit einer scharfen Heranziehung der. Spesenausgaben. Ich glaube, dazu braucht in diesem Hause nichts mehr gesagt zu werden. Wir werden im Finanzausschuß zu überlegen haben, ob wir diese Bestimmungen nicht noch verschärfen können.
    Wir stimmen weiter der Änderung des § 33 a zu, d. h. der Erhöhung der Freibeträge für besondere Fälle. Wir stimmen auch unter dem Preise zu, daß damit die Geltendmachung der höheren Beträge wegfallen soll. Wir sind für diese Änderung, weil damit wahrscheinlich eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung wird eintreten können.
    Lebhaft widersprechen aber werden wir in allen Beratungen der folgenden Änderung: der vorgesehenen Zusammenveranlagung der mitverdienenden Ehefrau mit ihrem Ehemann. Das ist eine unsoziale Änderung, die wir nicht mitmachen können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Im Gegenteil, meine Damen und Herren, wir werden wie schon im vergangenen Jahr wiederum die Besserstellung der berufstätigen unverheirateten oder verwitweten Frau verlangen. Man darf hier nicht von einer Gleichstellung mit den Männern sprechen.Das wäre eine Ungerechtigkeit, da völlig verschiedene Voraussetzungen vorliegen.
    Meine Damen und Herren! Wir werden den wesentlichen Ermächtigungen widersprechen, die in den §§ 51 des Einkommensteuergesetzes, 23 a des Körperschaftsteuergesetzes und 18 a des Umsatzsteuergesetzes vorgesehen sind. Diese generellen Ermächtigungen werden wir grundsätzlich ablehnen, weil es ein unmögliches Verfahren ist, die Regierung zu ermächtigen, materiell neues Recht auf dem Wege der Verordnung zu schaffen. Ich brauche keine einzelnen Beispiele zu nennen. Wir haben aber mit Vergnügen davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat diese Ermächtigungen abgelehnt hat, weil ihm der Gedanke zu neu gewesen ist, d. h. also mit anderen Worten, weil er nicht so schnell den Sinn dieser Ermächtigungen verstanden hat.

    (Heiterkeit.)



    (Dr. Koch)

    Wir werden gegen diese Ermächtigungen stimmen, weil wir unter keinen Umständen wieder Zustände schaffen wollen, wie sie etwa in der Weimarer Republik zur Zeit des Herrschens mit dem Art. 48 bestanden haben. Wir wünschen auch keine Ermächtigungsgesetze und werden selbst dann dagegen stimmen, wenn wir wie im März 1933 allein bleiben sollten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Pfui!)

    — Das Wort „Ermächtigungen" weckt in uns Erinnerungen an frühere Tage, wie dies etwa auch das Wort des Herrn Bundesfinanzministers tut: „Erst Brot und dann Pralinen!" Glücklicherweise brauchen wir ja von Kanonen noch nicht wieder zu sprechen. Wir denken nicht daran, etwa die Bundesregierung mit Vergangenem vergleichen zu wollen, aber wenn man uns so ungeschickterweise dazu herausfordert, dann drängt sich doch der Gedanke auf, daß solche griffigen Formulierungen notwendig werden, weil einige Jahre Regierungspolitik vorangegangen sind.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Gar nicht gefallen uns die Terminsetzungen im Einkommensteuergesetz, aber wir müssen der Regierung überlassen, die Wirtschaft ständig zu beunruhigen, im einen Jahre Bestimmungen zu schaffen, um sie dann im nächsten Jahr zu widerrufen.
    Was die Körperschaftsteuer anbetrifft, so kann ich mit einem Satz darüber hinweggehen. Wir halten die Erhöhung für annehmbar; wir hätten es aber viel lieber gesehen, wenn man schon jetzt eine anständige Betriebssteuer geschaffen hätte.
    Und nun, meine Damen und Herren, komme ich
    eigentlich zum wichtigsten dieser Vorlage, nämlich zur Erhöhung der Umsatzsteuer. Der Herr Kollege Wellhausen ist gerade nicht im Hause; er hat uns seinerzeit geraten, wir sollten nicht immer wieder die alte Platte auflegen. Aber es ist außerordentlich bedauerlich, daß wir es immer wieder tun müssen, weil uns immer wieder neue indirekte Steuern vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen werden. Die indirekte Besteuerung ist schematisch und unsozial. Sie knüpft nicht an die steuerliche Leistungsfähigkeit an,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    weil alle indirekten Steuern diesen Begriff der wirtschaftlichen und steuerlichen Leistungsfähigkeit eben nicht kennen. Die neue indirekte Besteuerung, d. h. also die Erhöhung der Umsatzsteuer wird zu einer erneuten Erhöhung der Preise führen, und damit zu einem Sinken der Reallöhne. Wir müßten aber alles tun, um dafür zu sorgen, daß die Preis-Lohn-Schere nicht noch weiter auseinanderklafft.
    Ich möchte dem Herrn Bundesfinanzminister, der mit so beredten Worten Vergleiche mit der indirekten Besteuerung in anderen Ländern gezogen hat, nur einen Absatz aus der Drucksache Nr. 1000 vorhalten, die diesem Hause vor 'etwa dreiviertel Jahren zuging, und worin es hieß:
    Der Anteil der Steuern vom Umsatz und Verbrauch am Gesamtsteueraufkommen, der 1913 noch 36,1% betrug, stellte sich 1949 auf 46,2 % und wird 1950 nach den Vorschätzungen 50 % übersteigen. Eine Erhöhung der Steuern vom Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist also aus der Drucksache Nr. 1000! Wir schließen uns diesen Worten des Herrn Bundesfinanzministers vollauf an.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn er uns eine Berechnung über das Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung vorlegt, so möchte ich nach den Zahlen, die mir vorliegen, darauf hinweisen, daß im Jahre 1949 die indirekten Steuern 52 % der Gesamtsteuersumme ausgemacht haben, daß aber im Jahre 1950 nach den Steuersenkungen der Einkommensteuerreform und nach dem Ausfall von etwa 800 bis 900 Millionen DM dieser Satz auf 58,9 % gestiegen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Während in England — der Herr Bundesfinanzminister liebt ja die Vergleiche mit England — im Jahre 1938 die direkten Steuern 45% und die indirekten Steuern 55 % betrugen, betragen jetzt —1948 — die direkten Steuern 55% und die indirekten Steuern 45 %. Also, genau die entgegengesetzte Entwicklung! Und dieser Entwicklung sollten wir nachstreben.
    Meine Damen und Herren! Wir haben zu befürchten, daß dieselbe Mehrheit, die in der Hausbranddebatte dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar Beifall zollte, als wir gerade auf die Kohlenkatastrophe zugingen, jetzt auch die Umsatzsteuererhöhung annehmen wird. In diesem Falle werden wir beantragen, daß lediglich für drei höchstpreisgebundene Volksnahrungsmittel, nämlich fur Speisefett, Frischmilch und Zucker der Steuersatz von 11/2 % angewandt wird wie bisher schon beim Brot und bei den Waren aus Getreide. Wir haben dann nicht einen neuen Steuersatz von 3°/o, also einen dritten oder vierten Steuersatz; der fiele weg. Wir würden also der Bundesratsvorlage nicht zustimmen. Wir haben aber vor allen Dingen die Möglichkeit, bei diesen drei Warengruppen über das Bundeswirtschaftsministerium eine Senkung der Höchstpreise und der Handelsspannen zu erwirken. In diesem Falle würden also alle die Überlegungen nicht stimmen, die der Herr Bundesfinanzminister hier mit Recht — z. B. wegen der Eier oder wegen anderer Produkte — angestellt hat. Diesen Antrag werden wir dann stellen, wenn die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4°/o in diesem Hause eine Mehrheit finden sollte.
    Wir sprachen von den indirekten Steuern. Ich möchte nur noch eine Zahl nennen. Die Steuersenkung des vergangenen Jahres hat nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung und des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften der Index-Arbeiterfamilie insgesamt nur eine steuerliche Entlastung von 0,5°/o, auf das Einkommen berechnet, gebracht. Während nämlich 1949 die steuerliche Belastung einschließlich der indirekten Steuern bei diesen — in der Regel — Lohnempfängern mit einem Einkommen von 200 bis 300 DM 15 % ausgemacht hatte, machte sie 1950 nach den Steuersenkungen etwa 14,5 % aus.

    (Abg. Ewers: Und die Index-Familie 1948?)

    — Ich habe hier die Zahlen von 1949 und 1950 verglichen. Die Zahlen von 1948 können Sie uns ja nachher nennen.

    (Erneute Zurufe rechts.)

    Was meine politischen Freunde und mich besonders erschütterte, das ist, daß seine wirtschaftspolitischen Sachverständigen dem Herrn Bundesfinanzminister erklärt haben, es sei völlig einerlei,


    (Dr. Koch)

    ob die Umsatzsteuer um 1/20/0 oder um 1 % erhöht werde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Preiserhöhungen werden doch dieselben sein!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir denken an die glücklichen Tage der Weimarer Republik zurück, wo über eine Umsatzsteuererhöhung von 1/4 % ganze Regierungen stürzten. Außerdem entnehmen wir aus diesen Äußerungen das abgrundtiefe Mißtrauen der wirtschaftspolitischen Sachverständigen gegenüber den Kalkulationen in Industrie und Handel.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ob dieses Mißtrauen berechtigt ist, müßten diese wirtschaftspolitischen Sachverständigen besser wissen als wir.
    Nun kommen wir zu unseren Vorschlägen und Forderungen. Wir wiederholen immer wieder unsere Forderungen nach einer umfassenden - Steuerreform. Wir möchten nicht jedes Jahr wieder im Frühjahr wie das Grobreinemachen bei den Hausfrauen ein Herumwursteln und Herumdoktern an .den alten Steuern. Das Bundesfinanzministerium hat jetzt mehr als eineinhalb Jahre Zeit gehabt, sich Gedanken über eine organische Steuerreform zu machen. Solange wir diese Steuerreform nicht haben, werden Sie, Herr Finanzminister — das möchten wir Ihnen garantieren — wie das Christkind alle Jahre wieder mit derartigen Steuerreformen vor dieses Haus treten müssen.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Menzel: Er holt bloß was, er bringt nichts!)

    Die Autorität der Bundesregierung, die auch die Autorität der Bundesrepublik sein sollte, gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß wir ständig Monat f ur Monat vor neue Steuerprogramme gestellt werden, sie gewinnt sicher auch nicht dadurch, daß an einem Sonntag der eine Minister von Steuersenkungen und am anderen Sonntag der andere Minister von Steuererhöhungen spricht,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und gewinnt sicherlich auch nicht dadurch, daß uns Herr Professor Erhard vor etwa einem Monat erklärte, die Austerity der Engländer wäre nichts für das deutsche Volk, und uns heute der Bundesfinanzminister sagt, das deutsche Volk könne sich an dem englischen auf diesem Gebiet ein Beispiel nehmen.

    (Hört! Hört! und lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Die Autorität der Bundesregierung gewinnt sicherlich nicht dadurch, daß man uns ständig neue Steuervorschläge macht — Luxussteuer, Süßwarensteuer —, die offenbar nicht genügend überlegt worden sind und die man dann zurückzieht, wenn die Interessentengruppen genügend Sturm gelaufen haben. Was wir brauchen, ist die grundlegende Steuerreform, d. h. also eine organische Steuerreform, deren Grundzüge wir schon im vergangenen Jahr hier klargelegt haben.
    Wir möchten uns einen Satz des Sonntagsblatts vom 19. November 1950 zu eigen machen, in dem es heißt:
    Alle bisherigen Versuche zur Einnahmensteigerung muten kümmerlich und kläglich an: Benzinpreiserhöhung, Wäppchenkleben für die Autobahn, Coca-Cola-Steuer und andere Pflästerchen. Immer wieder wird an unserer
    nachgerade unmöglichen Steuersituation herumgeschnibbelt, und die hockbezahlte Bürokratie hat geradezu einen Horror davor, eine
    große und gründliche Steuerreform zu machen.
    Eine unserer wichtigsten Forderungen, meine Damen und Herren, ist die auf völlige Ausschöpfung der vorhandenen Steuern, ist die Forderung nach dem rücksichtslosen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf bei der CDU: Darin sind wir uns völlig einig!)


    (Hört! Hört bei der SPD.)

    Das entspricht dem Gesamtaufkommen an Lohn-und Einkommensteuer. Die Hoffnungen, die in diesem Punkt an die Steuerreform des vergangenen Jahres geknüpft worden sind, haben sich auch nicht erfüllt. Es sind fromme Wünsche geblieben, und es ist in dieser Frühlingsnacht sehr viel Reif auf die Hoffnungen gefallen.
    Wir werden aus diesem Grunde auch niemals den Anträgen des Zentrums zustimmen können, die generell Strafbestimmungen mildern möchten. Das genaue Gegenteil wäre richtiger, zwar nicht barbarische Strafen gegen Steuerhinterziehungen, aber drakonische Strafen.
    Wir werden, meine Damen und Herren, die Rückgängigmachung der Tarifänderungen beantragen und fordern. Wir haben festgestellt, daß sie falsch waren. Sie haben zu einer unnützen Selbstfinanzierung geführt, sie haben den Kapitalmarkt und auch die Steuermoral nicht gehoben; sie haben unnötigerweise den Luxuskonsum gefördert. Die Ausfälle aus diesen Steuersenkungen sind zu hoch, als daß wir sie uns auf die Dauer leisten könnten.
    Ich hatte hier einmal an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit dem Kollegen Neuburger im Dezember über die Steuerausfälle aus der sogenannten Steuerreform 1950 gehabt. Herr Kollege Neuburger behauptete, wir hätten keine Ausfälle. Tatsächlich hat sich die Einkommensteuer folgendermaßen entwickelt: 1949 7 135 000 000 DM, 1950 6 313 000 000 DM,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    d. h. also, daß wir ein Weniger von 822 Millionen Mark zu verzeichnen haben. Wenn wir uns noch überlegen, daß die Nominallöhne und Nominaleinkommen gestiegen sind — nicht die Realeinkommen, dafür sorgt schon die Wirtschaftspolitik —,

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD)

    und wenn wir uns weiter überlegen, daß auch der Bundesfinanzminister mit einem natürlichen Anwachsen der Steuern rechnet, dann können wir die Ausfälle aus der Steuerreform mit mindestens 1,2 bis 1,5 Milliarden Mark schätzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In diesem Moment interessiert uns als Opposition viel weniger die Höhe als die Verteilung dieser Ausfälle. Von den 822 Millionen Mark entfielen auf die Lohnsteuer 279 Millionen und auf die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen 528 Millionen, also beinahe das Doppelte,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    d. h. in die 279 Millionen müssen sich etwa
    10 Millionen und mehr Steuerpflichtige teilen,


    (Dr. Koch)

    während die 528 Millionen Mark auf etwa 1 bis
    2 Millionen veranlagte Steuerpflichtige entfallen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht sozial!)

    Wir beantragen wie im vergangenen Jahr weiter eine grundlegende Tarifreform als Teil einer organischen Steuerreform. Wir beantragen ausreichende Freibeträge, wie wir das im vergangenen Jahr getan haben. Wir beantragen sie um so mehr, als der Herr Bundesfinanzminister selbst Wert auf eine wesentliche Vereinfachung in der Finanzverwaltung legt. Wenn wir bedenken, daß bei Freibeträgen in Höhe von etwa 1 500 Mark für den Steuerpflichtigen und 1 000 Mark für seine Ehefrau und dann für jedes Kind meinetwegen 600 Mark — Freibeträge, wie wir sie in England längst haben —

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    5 bis 6 Millionen Steuerpflichtige aus der Veranlagung überhaupt herausfielen, dann kann man sich denken, wie groß die Vereinfachung auf Grund einer solchen Bestimmung wäre. Dann wären die Finanzämter nicht mehr nur Auskunfteien, wie uns der Herr Bundesfinanzminister sagte, sondern sie könnten ihre wertvolle Arbeitskraft auf wertvollere Objekte lenken, und das Aufkommen an Einkommensteuer könnte um Milliarden gehoben werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Einen Tarifvergleich mit England, Herr Bundesfinanzminister, haben wir in diesem Jahr ebensowenig zu fürchten wie im vergangenen Jahr. Wir beantragen die Abschaffung der ungerechten Tabelle B. Wir wünschen die Einführung einer Betriebssteuer. Wir machen die folgenden beiden neuen Vorschläge, wobei wir uns von nachstehender Überlegung leiten lassen.
    Wir vermissen in dieser Steuerreform — wenn ich einmal so sagen darf --- das Positive. So geht es nicht: die Begünstigungen der Selbstfinanzierungen werden schematisch abgebaut; auf der andern Seite haben wir kaum eine neue, konstruktive Begünstigung des Sparens, sei es des Konsumsparens, sei es des Investitionssparens. Der Ausbau des § 10 genügt nicht, wenn wir daran denken, wie wenig Erfolg bisher das steuerbegünstigte Sparen gehabt hat: 250 Millionen in drei Jahren seit der Währungsreform. Es muß also unbedingt mehr geschehen, um den Sparwillen zu fördern, aber nur dann, wenn der größere Teil dieses Geldes dem Kapitalmarkt zugute kommt und nicht etwa in konsumtiven Ausgaben des Bundes oder der Länder verbraucht wird. Wir wünschen also eine planvolle Lenkung der Investitionen. Das, meine Damen und Herren, ist die Grundlage für die Stabilhaltung der Währung, für die Beseitigung von Engpässen und damit auch für die Steigerung des Realeinkommens für viele Hunderttausende von Arbeitslosen. Das Fiasko mit den Baby-Bonds wollen wir gar nicht erst abwarten, ganz abgesehen davon, daß auch das bundeskanzlereigene Wirtschaftsministerium im Bundeskanzleramt diese Baby-Bonds schon abgelehnt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir empfehlen Ihnen, meine Damen und Herren, als erstes eine Investitionsabgabe und als zweites eine Mehrverbrauchssteuer. Ich muß mich kurz fassen, da meine Redezeit abzulaufen droht, aber ich bitte Sie, diese beiden Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion noch zur Kenntnis zu nehmen.
    Der eine Vorschlag hat das Gewinnsparen zur Steuergrundlage und zum Gegenstand, der andere, die Mehrverbrauchssteuer, den unerwünschten Überverbrauch, den Mehrverbrauch, den Überkonsum, wenn ich einmal so sagen darf. Der eine Vorschlag wendet sich gegen volkswirtschaftlich unerwünschte Investitionen durch Selbstfinanzierung, der andere gegen den volkswirtschaftlich unerwünschten Konsum, der eine also gegen die Investitionsverzerrungen, der andere gegen die Konsumverzerrungen, die unser Ansehen im Ausland, wie wir wissen, tagtäglich schädigen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Investitionsabgabe — ich sage nicht -steuer — hat das Ziel, Mittel für die Engpaßindustrien freizusetzen; die Mehrverbrauchssteuer soll Mittel für den Haushalt freisetzen.
    Ich hatte die Absicht, auf die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium vom Dezember 1950 einzugehen, der auch auf die völlig verfehlte Investitionspolitik der 'vergangenen Jahre hinweist. Die Investitionsabgabe hat ähnliche Vorschläge in Schweden als Anregung. Wir wissen, daß dort die Verhältnisse auf manchen Gebieten anders liegen, aber man wollte auch dort die Selbstfinanzierungen treffen. Man könnte also die Investitionsabgabe — eine Zwangsanleihe, keine Steuer — auf folgender Besteuerungsgrundlage gestalten: 10 oder 20 O/o von den Neuinvestitionen als Zwangsanleihe; dann auch einen bestimmten Betrag von den Ersatzbeschaffungen und Abschreibungen, damit man nicht dahin ausweicht, und ausschließlich — was besonders wichtig wäre — ein bestimmter Prozentsatz auf die Lagerzugänge, auf die Überbestände am Lager. Es muß aber unbedingt sichergestellt werden, daß diese Investitionsabgaben tatsächlich nur für Investitionen in den Engpaßindustrien in Frage kommen.
    Der Vorschlag der Erhebung einer Mehrverbrauchssteuer geht auf eine Anregung aus den USA zurück, wo man während des Krieges eine Konsumsteuer einführen wollte. Sie soll sich nicht gegen den Massenkonsum, nicht gegen den lebensnotwendigen Bedarf wenden, sondern gegen einen volkswirtschaftlich unerwünschten Überkonsum, also gegen Konsumverzerrungen. Besteuerungsgrundlage wäre der Mehrverbrauch, der das gegebene, d. h. bekannte einkommensteuerpflichtige Einkommen zum Ausgangspunkt hat. Von diesem Einkommen wären abzusetzen die Einkommensteuer und sonstige Abgaben, dann alle zusätzlichen Sparbeträge, alles, was man in Wertpapieren oder auf Banken und Sparkassen langfristig anlegt, und alle Versicherungsbeiträge. Dann wären Freibeträge als Mindestgrenzen zu gewähren, durch die 8 bis 10 Millionen Steuerpflichtige aus der Mehrverbrauchssteuer herausfielen; was dazwischenliegt, ist eben nicht Verbrauch, sondern Mehrverbrauch. Die Steuer würde sich also nur gegen den Überkonsum, nicht gegen den Massenkonsum richten Sie würde den Spargedanken fördern, und sie wäre etwas ganz Neues: eine direkte Verbrauchssteuer.
    Wir kennen die Einwände, die man gegen solche Steuern erhebt. Sie träfe mittelbar viele Industrien, die für den Überbedarf arbeiten. Aber das ist immer noch besser als Zwangssparen, das das ordentliche Sparen zerstört; es ist immer noch besser als die schematischen Umsatzsteuererhöhungen, besser als Luxussteuern und besser als die sogenannten Baby-Bonds. Wir brauchten keine


    (Dr. Koch)

    neue Verwaltung, da keine übermäßige Belastung der Finanzverwaltung gegeben ist. Wir brauchten keinen Katalog sparmarkenpflichtiger Waren wie bei den Baby-Bonds; es wäre nicht notwendig, den gesamten Einzelhandel mit hunderttausenden von Geschäften zu belästigen.
    Ich glaube, mit diesen Ausführungen dem Herrn Bundesfinanzminister bewiesen zu haben, daß in diesem Hause nicht nur negative Bewilligungsmaschinisten sitzen, sondern auch positive.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat Herr Kollege Arndgen uns, der Opposition, an dieser Stelle zugerufen, wir könnten in dieser Woche beweisen, ob wir bereit wären, durch Steuerbewilligungen den Ärmsten der Armen zu helfen. Daß wir dazu bereit sind, haben wir oft genug bewiesen; aber es darf nicht so sein, daß man diesen Ärmsten der Armen durch indirekte Steuern zunächst die Beträge, die sie nachher als Unterstützung erhalten, aus den Taschen holt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Das, meine Damen und Herren, geschähe, wenn wir die Umsatzsteuer erhöhten.

    (Zuruf von der CDU: Die Ärmsten der Armen zahlen doch gar nicht!)

    Darum haben wir unsere andersgearteten Vorschläge hier vorgetragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer wäre das Unsozialste, was es gibt. Für den Herrn Zwischenrufer: die Umsatzsteuer wird von jedem erhoben.
    Wir können auch in diesem Jahre wieder an der Steuerreform ermessen — und mit uns das ganze Volk —, ob und wie ernst es der Regierung mit ihren Worten in der Regierungserklärung ist, sie wolle „so sozial wie möglich" handeln. Auf allen anderen Gebieten kann man möglicherweise diskutieren nach den Worten:
    Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
    Mit Worten ein System bereiten.
    Aber hier, bei der Steuerdebatte, haben wir Steuersätze, Steuertabellen und Steuertarife. Bisher, meine Damen und Herren, hat das deutsche Volk an diesen Maßstäben nicht gerade sehr viel Gutes über die soziale Einstellung dieser Bundesregierung ablesen können.
    Die sozialdemokratische Fraktion wird auch in diesem Jahre wieder alles daransetzen, daß unser Steuersystem diese vier Forderungen erfüllt: die Vereinfachung der Verwaltung und damit die sparsamste Erhebung der Steuern, die Belastung des einzelnen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dann vor allem auch die unerbittliche Erfassung aller Steuerpflichtigen um der steuerlichen Gerechtigkeit willen und schließlich und nicht zuletzt auch ein Steuersystem der unbedingten sozialen Gerechtigkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)