Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits in den vorjährigen Haushaltsberatungen unsere Meinung über dieses Ministerium sehr klar und sehr eindeutig zum Ausdruck gebracht und haben festgestellt, daß wir das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrates für überflüssig halten. Damals sah sich der Herr Kollege Dr. Seelos von der Bayernpartei veranlaßt, den Zwischenruf zu machen: „Unterschätzen Sie die Bedeutung dieses Ministeriums nicht!" — Nun, wir haben heute die Möglichkeit, auf ein vergangenes Jahr Tätigkeit oder auch Untätigkeit des Ministeriums zurückzublicken.
Ich glaube kaum, daß ich auf ernsthaften Widerspruch in diesem Hause stoße, wenn ich feststelle, daß sich die Befürchtung des Herrn Kollegen Dr. Seelos in der Tat nicht bestätigt hat. Ich habe mir die Mühe gemacht — und es war meine schwere Aufgabe —, die Tätigkeit des Ministeriums aufzuspüren.
Ich habe zu diesem Zweck die Bundestagsprotokolle des gesamten letzten Jahres durchgeblättert und festgestellt, daß dieses Ministerium oder der Herr Bundesminister nicht ein einziges Mal hier in Erscheinung getreten ist.
Ich glaube, selbst wir Sozialdemokraten hätten, als wir im vorigen Jahre die Prophezeiung machten, daß dieses Ministerium wohl nur ein einziges Mal im Jahre, nämlich zu den Haushaltsberatungen, in Erscheinung treten würde, nicht geglaubt, daß der Herr Bundesminister mit dieser Prophezeiung so blutig Ernst machen würde.
Man muß sich in der Tat einmal die Frage vorlegen: worin besteht überhaupt und eigentlich die Tätigkeit dieses Ministeriums?
Es hat offensichtlich keine administrativen Aufgaben, tritt aber auch nicht legislativ in Erscheinung. Ich habe dann, um dem Ministerium die
größtmögliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, zusätzlich die Protokolle des Bundesrats durchgesehen und dabei festgestellt, daß dort im Bundesrat im letzten Jahre einschließlich der zwei Monate dieses Jahres der Herr Minister ganze drei Mal das Wort ergriffen hat. Dabei hat er einmal festgestellt, daß er dem Herrn Bundeskanzler die Wünsche der Ländervertreter überbringen will, und das andere Mal , überbrachte er umgekehrt den Ländern eine Botschaft des Herrn Bundeskanzlers.
Wir haben auch im Haushaltsausschuß den Herrn Minister etwas näher befragt, worin denn die Tätigkeit seines Ministeriums bestehe und womit er insbesondere die beantragte Vermehrung der Stellen begründen wolle. Daraufhin hat der Herr Minister auf die außerordentlich starke Beschäftigung seiner Referenten hingewiesen,
die fast alle Ausschußsitzungen besuchen müßten, um ihm darüber zu berichten.
Er hat weiter gesagt, daß seine Tätigkeit auch sehr wesentlich darin bestehe, die Stellungnahme der Länder zu den gesetzgeberischen Absichten der Bundesregierung zu erforschen.
Dazu möchte ich meinen, daß man die Meinungsforschung, wie sie hier von seiten des Herrn Bundesministers getrieben wird, doch mit etwas zuviel Aufwand betreibt, wenn man zu diesem Zwecke ein eigenes Bundesministerium einrichtet.
Ich habe mir dann verzweifelt überlegt, wie nun eigentlich die Funktion des Herrn Bundesministers einigermaßen klar und eindeutig gekennzeichnet werden könnte, und bin schließlich zu der Überzeugung gelangt, daß man ihn am ehesten als eine Art Botschafter der Bundesregierung für die Länder ansprechen kann. Wir wollen es dem Herrn Bundeskanzler gewiß nicht verübeln, wenn er glaubt, eines solchen Botschafters zu bedürfen. Aber der Herr Bundeskanzler sollte dann vielleicht von einer alten traditionellen Institution Gebrauch machen und diesen Minister als einen Minister ohne Portefeuille in sein Kabinett nehmen. Er sollte aber unter keinen Umständen zu diesem Zweck ein 'eigenes Ministerium weiterbestehen lassen. Denn wenn man auch einerseits die Untätigkeit des Ministeriums beklagt, so hat sie vielleicht auf der andern Seite .insofern einen Vorteil, als das Ministerium jetzt noch beseitigt werden kann, ohne daß es nennenswerte Spuren seiner Tätigkeit in der Geschichte hinterläßt.
Das besonders Bedauerliche, worauf wir bereits im vorigen Jahre hingewiesen haben, ist nun darin zu erblicken, daß gerade dieses Ministerium eine Stellenvermehrung um 1000/0 der Planstellen fordert.
Ich glaube, der Herr Bundeskanzler sollte bereit
sein; seinen Irrtum 'einzusehen und zu korrigieren,
und zwar ganz besonders deshalb, weil er ja ge-
rade in den letzten Monaten sehr hohe Preise für politische Irrtümer hat zahlen müssen.
Der Bundeskanzler hat damals in seiner Regierungserklärung dem Ministerium die Aufgabe zugewiesen, daß es für die Wahrung der engen Verbindung mit dem Bundesrat Sorge tragen solle. In der Errichtung dieses Ministeriums solle der ernste Wille der Bundesregierung erblickt werden, den föderativen Charakter des Grundgesetzes sicherzustellen.
Wenn wir unter dem Gesichtspunkt der damaligen Proklamation die jetzige tatsächliche Wirksamkeit und Tätigkeit des Ministeriums überprüfen, dann scheint uns doch damals der Mund etwas .zu voll genommen worden zu sein. Es ist kaum anzunehmen, daß die wirklichen großen Probleme und die daraus resultierenden Aufgaben, die die föderalistische Staatsidee der Bundesregierung stellt, durch solche organisatorisch-technische Maßnahmen gelöst werden können. Man kann solche politische Probleme nicht mit organisatorisch-technischen Kunstgriffen lösen wollen, wie es mit diesem Ministerium als einem künstlichen Gelenk zwischen den verfassungsrechtlichen Institutionen geschehen sollte. Ich glaube, daß die außerordentlichen Belastungen der föderalistischen Staatsidee unseres Grundgesetzes doch wesentlich tieferer Natur sind. Diese Krisis des Föderalismus liegt einmal begründet in dem mangelnden Vertrauen der Länder zur Politik der Bundesregierung. Wir haben dieses mangelnde Vertrauen in den Auseinandersetzungen der Bundesregierung mit den Ländern in der Frage 'der inneren Sicherheit kennengelernt, wo es der Bundesregierung nicht gelang, die Länder auf einen tragbaren Nenner zu bringen. Wir haben schließlich gerade in den allerletzten Tagen einen sehr eklatanten Beweis für dieses mangelnde Vertrauen der Länder in die Politik der Bundesregierung durch den württembergisch-badischen Ministerpräsidenten Maier erhalten, der kein Sozialdemokrat, sondern ein Angehöriger der Freien Demokraten ist.
Zum andern, glaube ich, liegen diese Spannungen auch darin . begründet, daß die Bundesregierung nur zu häufig und zu gern ihre Politik auf dem Rücken der Länder macht. Man ist sich offenbar hier in Bonn nicht immer bewußt, daß das, was hier geschieht oder auch verabsäumt wird, letzten Endes von. den Ländern ausgetragen werden muß. Das hat sich damals in der Zuckerkrise, das hat sich Ende vorigen Jahres — und zum Teil heute noch bestehend — in der Kohlenkrise gezeigt, wo die Fehler einer allzu dogmatischen Wirtschaftspolitik letzten Endes den Ländern die großen Schwierigkeiten gemacht haben.
Wir glauben also, daß das Bekenntnis des Herrn Bundeskanzlers zum Föderalismus zu anderen, einschneidenderen und grundlegenderen politischen Maßnahmen zwingt als zur Organisation dieses Ministeriums, und würden der Meinung sein, daß der Herr Bundeskanzler gut beraten wäre, wenn er jetzt noch — es scheint noch Zeit zu sein — diesen überflüssigen ministeriellen Apparat auflöste. Ich habe Ihnen deshalb namens meiner Fraktion den Antrag vorzulegen, den Haushalt des Ministeriums insgesamt abzulehnen.