Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint doch verhältnismäßig schwierig zu sein, hinter den Formulierungen und hinter dem großen Aufwand an Rhetorik Glas zu erkennen, um was es sich hier wirklich handelt. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich den Unterschied
zwischen den beiden Fassungen nicht für so entscheidend halte, als daß ich diese Aufregung begreifen könnte.
Wenn ich recht unterrichtet bin, dann hat sich der Wirtschaftsausschuß auf Grund eines Hinweises des Wirtschaftsministeriums zu seiner Umformulierung entschlossen. Als die veränderte Fassung an den Ernährungsausschuß zurückkam,. haben wir noch sehr ausführlich darüber gesprochen. Ich habe mich mit meinen Freunden schon damals einverstanden erklärt, diese Fassung in das Gesetz hineinzunehmen.
Es handelt sich gar nicht darum, daß hier die Grundsätze der Marktordnung aufs Spiel gesetzt werden sollen. Es handelt sich auch gar nicht darum, daß nach der auch auf unserem Umdruck Nr. 88, in dem interfraktionellen Antrag vorgeschlagenen Formulierung die Spekulanten einführen können, was sie wollen, und andere Spekulanten wieder ausführen können, was sie wollen. Ich will versuchen, es Ihnen im einzelnen deutlich zu machen.
Es heißt in der Neufassung, daß die Einfuhr-und Vorratsstelle die Aufgabe hat, nach Maßgabe der im Haushalt bereitgestellten Mittel eine Vorratshaltung durchzuführen.
- Wenn Sie sagen, Herr Kollege Horlacher, das reiche nicht aus, so möchte ich Ihnen sagen, daß es dann auch nicht ausreicht, wenn man, wie es in der Fassung des Ernährungsausschusses heißt, sagt: „je nach Marktlage unter Verwendung der im Haushalt bereitgestellten Mittel". Wenn etwa die im Haushalt bereitgestellten Mittel — und unser Haushalt macht mir ganz den Eindruck — nicht ausreichen sollten, die Marktlage zu berücksichtigen, dann wird die Einfuhr- und Vorratsstelle immer nur im Rahmen der im Haushalt bereitgestellten Mittel und ohne Rücksicht auf die Marktlage den Versuch machen können, Marktschwankungen und Preisschwankungen nach Möglichkeit auszugleichen. Dasselbe soll sie übrigens auch nach der Neufassung des § 16 Abs. 1, wie sie auf Umdruck Nr. 88 beantragt ist. Wenn ich wüßte, daß wir die Einfuhr- und Vorratsstelle mit so viel Haushaltsmitteln ausstatten können, daß sie der Aufgabe gerecht werden würde, die wir ihr zuschieben, dann, glaube ich, könnte man es bei dieser Fassung hier bewenden lassen. Das ist aber nicht der Fall. Nicht ohne Rücksicht darauf ist auch wohl in Abs. 7 der Ausschußfassung gesagt worden, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle sich bei der Durchführung ihrer kaufmännischen und technischen Aufgaben der Einrichtungen der Wirtschaft bedienen soll.
Tatsächlich glaube ich, daß wir uns bei dem Umfang, in dem aus dem Ausland Fleisch noch wird eingeführt werden müssen, sehr viel mehr auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Importeure werden verlassen müssen als auf die Mittel, die der Herr Bundesfinanzminister für diesen Zweck zur Verfügung stellen kann. Aber, ganz egal in welchem Umfang eine Fleischeinfuhr notwendig ist, auch nach der Fassung, die der interfraktionelle Antrag vorschlägt, hat die Einfuhr- und Vorratsstelle es in vollem Umfang in der Hand, unerwünschte Fleischeinfuhren vom deutschen Markt fernzuhalten. Ich begrüße das; denn es ist die Ansicht aller Leute, die sich zur Marktordnung bekennen, daß es gerade Sinn der Marktordnung ist,
unerwünschte Einfuhren zu bestimmten Zeiten
fernhalten zu können.
Es heißt hier, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle Auflagen bezüglich des Zeitpunktes der Einfuhr machen kann, wenn sie selber eine Ware nicht in ihren eigenen Vorrat nehmen will oder wenn sie nicht ohne solche Auflagen der Durchführung der Einfuhr zustimmt. Es ist hier mit keinem Wort gesagt, daß eine solche zeitliche Auflage sich etwa nur auf 8 Tage erstrecken dürfte. Wenn die Einfuhr- und Vorratsstelle — und hoffentlich recht gut beraten durch ihren Verwaltungsrat — einem Einführer etwa die Auflage macht, diese Einfuhr erst in einem Jahre durchzuführen, dann ist das praktisch in genau der gleichen Weise ein Embargo wie jede andere Formulierung.
Aber, meine Damen und Herren — lassen Sie mich das auch noch einmal ganz deutlich sagen —, es fällt einigen von uns schwer, sich mit der Tatsache abzufinden, daß wir die Handelsvertragspolitik nicht mit den Mitteln der Marktordnung hintenherum irgendwie korrigieren können. Wir haben uns mehr als einmal sagen lassen müssen, daß es ein absolutes Embargo in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. Es ist ja hoffentlich nicht so — und ich wünschte, das wäre hier gar nicht gesagt worden, nicht einmal so nebenbei gesagt worden —, daß wir mit den Handelsverträgen unseren Handelspartnern die Hoffnung erwecken, wir würden ihnen diese oder jene Ware — in diesem Falle Fleisch — abnehmen. Wenn wir uns in dem Handelsvertrag zu einer Fleischeinfuhr verpflichten, dann handelt es sich nicht um eine obenhin erweckte Hoffnung, sondern um eine echte Verpflichtung aus einem Vertrag. Diese Verpflichtungen müssen erfüllt werden und können auch durch ein Embargo der Einfuhr- und Vorratsstelle nicht aus der Welt geschafft werden. Das scheint mir selbstverständlich zu sein. Ich habe aber den Eindruck, daß es eine für manchen so unerfreuliche Selbstverständlichkeit ist, daß man nun im Wege der Formulierung einen gewissen Trost sucht, der dadurch aber nicht gegeben ist.
Alles, was möglich ist, ist auch nach diesem Vorschlag möglich. Deswegen werden meine Freunde entsprechend unserem Verhalten im Ausschuß diesem Vorschlag zustimmen in der festen Überzeugung, daß damit der Einfuhr- und Vorratsstelle alle die Handhaben gegeben sind, die sie zum Ausgleich des Marktes, insbesondere also zum Fernhalten unerwünschter und unnötiger Einfuhren braucht, ohne daß sich aus der Formulierung irgendwelche Mißdeutungen ergeben können.