Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Es könnte draußen in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, als handle es sich bei diesem Gesetz um eine rein rechtliche und sozialpolitische Maßnahme. Dabei steht aber einwandfrei a fest, daß es sich hier um eine politische Entscheidung von sehr großer Tragweite handelt. Der Herr Berichterstatter hat auf die Zahlen der hier in Betracht kommenden Personen hingewiesen, die sich in den Jahren 1945 und 1946 in Westdeutschland befunden haben: annähernd eine halbe Million. Es sind heute noch, wie er selbst berichtet, 50- bis 60 000.
Aber, meine Damen und Herren, um was für Menschen handelt es sich denn hierbei? In einer eingereichten Denkschrift wird davon gesprochen, daß es sich auch um Opfer des Nationalsozialismus handele. Ich glaube, eine Überprüfung — und es sind in den Länderregierungen sehr eingehende Überprüfungen vorgenommen worden — zeigt aber, daß es sich im wesentlichen um solche handelt, die im Dienst des Nationalsozialismus gegen ihre eigenen früheren Länder gekämpft hatten. Es ist Tatsache, daß sich insbesondere in Süddeutschland, in den Ländern Bayern, Württemberg-Baden und Hessen, die Regierungen in all den Jahren mit aller Leidenschaft gegen die sogenannten DPs gewandt haben, nicht nur wegen ihres zu einem großen Teil asozialen Verhaltens, sondern auch — das wissen wir aus München, aus Frankfurt am Main, aus Hanau usw. — wegen ihres politischen Auftretens, das im Rahmen ihrer Haltung Deutschland gegenüber alles andere als wünschenswert und tragbar war. Es sind also solche, die an und für sich absolut die Möglichkeit hätten, in ihre alten Heimatländer zurückzukehren, die aber — das zeigt eben ihre ganze Haltung — nicht zurückkehren wollen.
Ganz deutlich sichtbar werden die Verhältnisse, wenn man einmal bedenkt, daß die Herren Hohen Kommissare vom Petersberg das allergrößte Inter-
esse daran haben, ein solches Gesetz durch den Bundestag verabschiedet zu sehen, nicht etwa ein soziales, sondern ein ausgesprochen politisches Interesse, und zweitens aus der Denkschrift, die Ihnen allen zugegangen sein dürfte, der Denkschrift vom 29. August vergangenen Jahres der Vertreter der sogenannten nationalen Komitees der DPs und Refugees in Deutschland mit den verschiedenen Komitees, Estnisches Zentralkomitee, Litauisches Zentralkomitee, Ungarisches Büro usw. usw. Da verweise ich auf eine Schlußbemerkung in dieser Eingabe der sogenannten Komitees der DPs. Es heißt dort an einer Stelle — und ich glaube, das bringt sehr eindeutig zum Ausdruck, was der wirkliche Hintergrund ist —:
Die Nationalkomitees sind sich bewußt, daß im Vergleich zu den großen Fragen des Weltgeschehens die Probleme der DPs und ihre Interessen gering zu sein scheinen. Wir glauben aber, daß sie in ihrer Bedeutung wachsen, wenn man sie aus der Perspektive dieses Geschehens mit Berücksichtigung ihrer weiteren Auswirkungen betrachtet.
Das ist ganz eindeutig eine Offerte der sogenannten DPs zur Verwendung, zum Einsatz in den möglicherweise kommenden Auseinandersetzungen weltpolitischer Art.
Es ist Ihnen ja auch nicht unbekannt, daß vor kurzer Zeit eine solche Gruppe an General Eisenhower bereits eine Offerte gemacht und erklärt hat, sie sei bereit, für eine kommende Armee im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Osten eine ) Truppe aufzustellen.
Meine Damen und Herren, um diese Leute handelt es sich also hier. Ich glaube, wir müßten, statt einen solchen Gesetzentwurf anzunehmen, dahin streben, daß diese Gruppe von Menschen, diese sogenannten DPs so schnell wie möglich den deutschen Boden verlassen, weil wir sonst damit rechnen müssen — ihre Taten in den letzten Jahren beweisen es ja —, daß sie bei der geplanten Aufstellung einer sogenannten westdeutschen Armee ihr Kontingent stellen und damit Deutschland nicht dienen, sondern nur helfen werden, Deutschland zu ruinieren.