Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses habe ich Ihnen einen ausführlichen schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich glaube deshalb, darauf verzichten zu können, die Einzelheiten hier vorzutragen. Ich möchte mich auf einige allgemeine Themen beschränken, die die politische Bedeutung des Gesetzentwurfs in der Auffassung darstellen, die im Ausschuß vertreten worden ist.
Erstens dient dieses Gesetz dazu, eine der schrecklichsten Erscheinungen des zweiten Weltkrieges zu liquidieren. Diese Erscheinung bestand in der Deportation von rund 9 Millionen ausländischer Arbeiter nach Deutschland und in ihrer völkerrechtswidrigen Verwendung in der deutschen Kriegsindustrie. Man greift im Ausdruck gewiß nicht zu hoch, wenn man sagt, daß diese Maßnahme der Nationalsozialisten ein Versuch zur Wiedereinführung der Sklaverei gewesen ist;
denn die Bedingungen, unter denen diese ausländischen Arbeiter in Deutschland tätig gewesen sind, liegen so sehr unter dem niedrigsten sozialen Niveau, das man sich überhaupt vorstellen kann, daß man diese Maßnahme nicht scharf genug verurteilen kann.
Der Name des Mannes, der diese Maßnahme durchgeführt hat, der Name des nationalsozialistischen Gauleiters Sauckel, der in seiner lumpen-proletarischen Existenz viel zu bedeutungslos ist, als daß man ihn einer Würdigung unterziehen könnte, wird deshalb auch für immer mit Schande bedeckt sein.
Das deutsche Volk hat unter diesen Deportationen selbst sehr schwer gelitten. Als die großen Heimführungsmaßnahmen der Alliierten beendet waren, blieb in Deutschland, wie Ihnen bekannt sein dürfte, mehr als eine halbe Million sogenannter verschleppter oder verdrängter Personen übrig. Was das für das soziale Leben, die innere Sicherheit und das Rechtsempfinden des deutschen Volkes bedeutet hat, brauche ich, glaube ich, im einzelnen nicht darzulegen. UNRRA und IRO haben fast 90 % dieser verschleppten Personen nunmehr in andere Länder gebracht. In Deutschland sitzengeblieben sind 50- bis 60 000 heimatlose Ausländer aus den Ländern, die zwischen der Sowjetunion und Deutschland liegen. Diesen eine Rechtsstellung zu geben, die den Grundsätzen der Menschlichkeit und des Rechtes entspricht, ist der Zweck dieses Gesetzentwurfs. Formal, meine Damen und Herren, ist das Gesetz eine der Voraussetzungen der sogenannten kleinen Revision des Besatzungsstatuts; materiell aber ist dieses Gesetz im Gesetzgebungsakte und in der Durchführung eine der Handlungen, auf die die Welt sehen wird, um die Sinneswandlung des deutschen Volkes seit 1945 zu beurteilen.
Zweitens gestatte ich mir, darauf aufmerksam zu machen, daß der Gegenstand des Gesetzes Aufgaben bringt, die in absehbarer Zeit in Deutschland zum Abschluß geführt werden können. Bei der Durchführung des Gesetzes wird man. zu beachten haben, daß das Leben der heimatlosen Ausländer in Deutschland eine Einzelerscheinung
des großen Flüchtlingsproblems ist. Was wir Deutschen unter den deutschen Flüchtlingen in dieser Hinsicht zu tragen und zu leisten haben, brauche ich nicht auszuführen. Wenn ich mir aber erlaube, darauf hinzuweisen, daß im zweiten Weltkrieg 40 Millionen Russen zu Fuß von der Ukraine bis hinter den Ural gegangen und bis heute nur zu etwa 75 % zurückgekehrt sind, wenn ich daran erinnere, was 1945 an. Franzosen unterwegs war, und darauf aufmerksam mache, daß Flüchtlinge heute in China, Korea, Indien, Palästina, und ich weiß nicht, wo sonst noch, vorhanden sind, dann erhellt daraus, daß die Ausführung dieses Gesetzes an uns administrative und sittliche Forderungen stellt, die nicht ernst genug genommen werden können.
Drittens mache ich darauf aufmerksam, daß dieses Gesetz auf einer Konvention beruht, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 5. Dezember 1950 angenommen worden ist. Es wird also bald, wenn diese Konvention von der Bundesregierung ratifiziert worden ist, durch die Ausführung der Konvention ersetzt werden. Deutschland hat dann die Möglichkeit, sich bei der Durchführung aller Einzelmaßnahmen an einen Vertreter des Hohen Kommissars für das Flüchtlingswesen der Vereinten Nationen, der seinen Sitz in Deutschland nehmen wird, zu wenden. Der Ausschuß wünscht in einer seiner Entschließungen, daß diese Behörde so bald wie möglich nach Deutschland kommen möge, damit auch Fragen der deutschen Flüchtlinge und Fragen der im Ausland lebenden Deutschen vor sie gebracht werden können. Das Gesetz geht jetzt schon in einzelnen Punkten weiter als die Konvention, und es schafft in mancherlei Hinsicht für die in Deutschland lebenden heimatlosen Ausländer Rechtsverhältnisse, die besser sind als die Verhältnisse, unter denen Deutsche, insbesondere solche, die sich aus persönlichen oder anderen Gründen noch in der Emigration befinden, bis heute leben müssen. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Schwierigkeiten, die Deutsche immer noch in bezug auf Arbeitserlaubnis, auf die Anerkennung von Prüfungen, auf die Ausübung von freien Berufen, auf den Betrieb eines Gewerbes usw. im Auslande haben.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat die Angelegenheit in diesem Sinne betrachtet und im einzelnen durchgearbeitet. Die Ergebnisse der Einzelberatung finden Sie in der Anlage zu dem schriftlichen Bericht.
Namens des Ausschusses darf ich die Bitte aussprechen, den Gesetzentwurf und die beiden Entschließungen unverändert und, wenn es den einzelnen Fraktionen möglich erscheint, ohne Aussprache anzunehmen, um dadurch bei den heimatlosen Ausländern, im deutschen Volke und im Ausland den Eindruck hervorzurufen, den wir angesichts der Bedeutung dieser Materie für notwendig halten.