Rede von
Dr.
Eduard
Wahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich über den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung zu berichten. Der Ausdruck „nachträgliche Eheschließung" hat sich für diejenigen Fälle eingebürgert, in denen auf Grund eines Geheimerlasses von Hitler der Standesbeamte nach dem Soldatentod eines Verlobten ausgesprochen hat, daß zwischen der überlebenden Verlobten und dem verstorbenen Manne nachträglich die Ehe geschlossen worden sei. Es erscheint notwendig, die Rechtswirkungen dieses Ausspruchs von Bundes wegen zu ordnen, da die Rechtswirksamkeit dieser Aussprüche wegen ihrer Herkunft aus nationalsozialistischer Wurzel nach 1945 sehr bestritten war und die Frage für die gesamte amerikanische Zone und die südlichen Teile der französischen Zone heute noch offen ist. Für die britische Zone und Rheinland-Pfalz ist dagegen genau im Sinne des vorliegenden Entwurfs bereits eine Regelung ge-
troffen worden, und ein gleichlautender Entwurf ist vom Länderrat der amerikanischen Besatzungszone beschlossen, aber nicht mehr Gesetz geworden. In der britischen Zone, in -der zu den alten Fällen der Kriegszeit noch nach der Kapitulation neue Fälle besonders auf Grund einer Hamburger Verordnung hinzugekommen waren, vorzugsweise soweit unter nationalsozialistischer Herrschaft die Eheschließung aus rassischen Gründen hat unterbleiben müssen, sind damit 2600 Fälle bereits gesetzlich geregelt, während nach den Erhebungen des Bundesjustizministeriums im übrigen Bundesgebiet einschließlich Rheinland-Pfalz etwa 900 Fälle vorliegen dürften.
Unter diesen Umständen glaubte der Rechtsausschuß in die grundsätzlichen Probleme der nachträglichen Eheschließung nicht mehr allzu tief eindringen zu sollen, da die Hauptmasse der Fälle in der britischen Zone nicht noch einmal auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt werden sollte.
Dazu kommt, daß der Entwurf eine annehmbare mittlere Linie hält. Er scheut sich, der überlebenden Verlobten die volle privatrechtliche Stellung einer Witwe einzuräumen. Sie hat kein Erbrecht, sie hat aber das Namensrecht und steht versorgungsrechtlich im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes, in der Sozialversicherung und im Beamtenrecht einer Ehefrau gleich, in letzterer Beziehung freilich nur einer solchen, die die Ehe mit dem verstorbenen Beamten erst nach dessen Eintritt in den Ruhestand geschlossen hat. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß man dem Staat kaum die Befugnis zusprechen kann, soweit Schicksal zu spielen, daß er die dem persönlichsten Entschluß der Verlobten vorzubehaltende Ehe dekretiert und fingiert, wo sie nicht geschlossen worden ist und nicht mehr geschlossen werden konnte. Gewiß hat eine französische Anordnung Ähnliches bestimmt, wie es Hitler in seinem Erlaß getan hat, aber es erscheint die Frage berechtigt, ob es sich bei der französischen Regelung nicht mehr um die Anerkennung der unions libres handelt, über die zwischen den beiden Weltkriegen eine Zeitlang die französische Rechtsprechung geurteilt hatte, daß bei tödlichen Autounfällen die Konkubine des totgefahrenen Mannes die gleichen Ansprüche gegen den Verantwortlichen geltend machen kann wie die Ehefrau.
Der vorliegende Entwurf läuft darauf hinaus, daß man bei nachträglicher Eheschließung die Verlobte von Staats wegen in gleichem Maße entschädigt wie die Kriegerwitwe. Dagegen läßt sich vernünftigerweise ein Einwand nicht erheben.
Ferner ist bestimmt, daß das gemeinsame Kind der beiden die Stellung eines ehelichen Kindes hat. In der Tat ist die legitimatio per rescriptum principis eine alte Rechtsfigur des Kindschaftsrechts, während es eine Eheschließung per rescriptum principis in der Rechtsgeschichte nie gegeben hat.
Im übrigen wird durch den Entwurf eine Reihe von Rechtsfragen, die mit der beschränkten Anerkennung der nachträglichen Eheschließung zusammenhängen, in angemessener Weise gelöst. Die Frau kann durch eine schwere Verfehlung gegen den Verstorbenen oder durch einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel ihr Namensrecht verwirken, so wie es auch bei der geschiedenen Ehefrau im Ehegesetz vorgesehen ist. Die nachträgliche Eheschließung ist überhaupt ohne Rechtswirkung, wenn sie erschlichen ist oder wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Mann die Ehe geschlossen hätte. Der Ausspruch dieser Rechtsunwirksamkeit
ist ähnlich wie im Ehenichtigkeitsprozeß dem Landgericht vorbehalten. Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, die weitergehende Rechte der Verlobten anerkannt haben, werden aufrechterhalten, während Urteile, die dem Ausspruch des Standesbeamten keine Rechtswirkungen zuerkennen, der Anwendung dieses Gesetzes nicht entgegenstehen. Vermögensrechtliche Erklärungen und Vergleiche, die im Zusammenhang mit dem Ausspruch des Standesbeamten abgegeben und geschlossen worden sind, werden grundsätzlich aufrechterhalten.
Es ist noch zu erwähnen, daß sich der Ausschuß den Änderungsvorschlägen des Bundesrats aus den vom Bundesrat angeführten Gründen angeschlossen hat und daß mit Rücksicht auf das inzwischen neu erlassene Verschollenheitsgesetz vom 15. Januar 1951 im dritten Absatz des § 1 das zitierte Gesetz vom 4. Juli 1939 zu streichen und statt dessen allgemeiner zu schreiben ist:
Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen, in denen der Mann für tot erklärt oder sein Tod nach den Vorschriften des Verschollenheitsrechts gerichtlich festgestellt worden ist.
So rechtfertigt sich der Antrag des Ausschusses, der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung mit der kleinen eben erwähnten textlichen Richtigstellung zuzustimmen.