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ID0111906500

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    Deutscher Bundestag, — 119. Sitzung. norm, Mittwoch, den 21. Februar 1951 4537 119. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4538D Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Ersten Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Hans Böckler 4539A Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abg. Rüdiger 4539B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Ermittlungen über noch nicht heimgekehrte deutsche Kriegsgefangene (Nrn. 1823, 1931 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten, zweiten und dritten Beratung des von den Abg. Dr. Gerstenmaier, Wehner, Dr. Pfleiderer, Dr. von Merkatz u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sammlung von Nachrichten über Kriegsgefangene, festgehaltene oder verschleppte Zivilpersonen und Vermißte (Nr. 1932 der Drucksachen) 4539B Dr. Gerstenmaier (CDU): als Berichterstatter 4539C als Abgeordneter . . . . 4548D, 4549C Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 4540D, 4545C Wehner (SPD) 4542B, 4546C Müller (Frankfurt) (KPD) 4543D Höfler (CDU) 4544D Frau Arnold (Z) 4545D Dr. Mende (FDP) 4546B von Thadden (DRP) 4547A Renner (KPD) 4547B Wartner (BP) 4548C Dr. von Merkatz (DP) 4548D Abstimmungen 4548B, D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Europa-Paß und Sichtvermerkzwang (Nr. 1837 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Strauß, Kemmer u. Gen. betr. Aufhebung des Visumzwanges für Jugendliche und Schaffung eines Europa-Passes (Nr. 1839 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Europa-Paß und Sichtvermerkzwang (Nr. 1962 der Drucksachen) . . . 4550B Dr. Mommer (SPD), Interpellant und Antragsteller 4550C Strauß (CSU), Antragsteller . . . 4551C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . 4552A Beschlußfassung 4553A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes (Nr. 1890 der Drucksachen) 4553A Schulze-Pellengahr (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4553B Beschlußfassung 4553C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) 4553C Einzelplan I — Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts (Nr. 1901 der Drucksachen) 4553D Bausch (CDU), Berichterstatter 4553D, 4554D Renner (KPD) 4554C, 4555A Abstimmung vertagt 4553D Einzelplan II — Haushalt des Deutschen Bundestags (Nr. 1902 der Drucksachen) 4555B Bahlburg (DP), Berichterstatter . 4555C Ritzel (SPD) 4556B Renner (KPD) 4559A, 4563B Bausch (CDU) 4559D Dr. Ehlers (CDU) 4560B Dr. Mommer (SPD) 4560C Dr. Oellers (FDP) 4561D Brese (CDU) 4562D Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 4564C Dr. Reismann (Z) 4565A Matthes (DP) 4565D von Thadden (DRP) 4566C Abstimmung vertagt 4553D, 4566D Einzelplan III — Haushalt des Deutschen Bundesrats (Nr. 1903 der Drucksachen) . 4566D Bausch (CDU), Berichterstatter . . 4566D Abstimmung vertagt 4567C Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen (Nrn. 801, 1518 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1895 der Drucksachen) 4567C Beratung vertagt 4567C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung (Nr. 1625 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1899 der Drucksachen) 4567D Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 4567D Beschlußfassung 4568D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Überprüfung des § 404 der Reichsabgabenordnung (Nrn. 1572, 1897 der Drucksachen) 4568D Majonica (CDU), Berichterstatter . 4568D Beschlußfassung 4569B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Strauß, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Entschädigung der durch Angehörige der Besatzungsmächte durch Körperverletzung mit und ohne Todesfolge geschädigten Personen (Nrn. 1119, 1898 der Drucksachen) 4569B Wackerzapp (CDU), Berichterstatter 4569B Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 4570B Strauß (CSU) 4570D Frau Nadig (SPD) 4571A Renner (KPD) 4571C Beschlußfassung 4571D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Dienst in einer Fremdenlegion (Nr. 879, 1884 der Drucksachen) 4572B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter - 4572B von Thadden (DRP) 4572D Dr. Reismann (Z) 4573C Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 4574A Dr. Fink (BP) 4574B'. Fisch (KPD) 4574D Beschlußfassung 4575C' Antrag der Fraktion der SPD betr. Fahrpreisermäßigung zum Besuch von Kriegsgräbern (Nr. 1941 der Drucksachen) . . 4575C Antrag zurückgezogen 4575C Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Margarinepreis (Nr. 1888 der Drucksachen) 4575C Beratung vertagt 4575D Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Fahrpreisermäßigung für Frei- willige des Internationalen Zivildienstes (Nr. 1891 der Drucksachen) 4575D Ausschußüberweisung 4575D Beratung der Übersicht Nr. 19 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 74) 4575D Beschlußfassung 4575D1 Nächste Sitzung 4575D Die Sitzung wird um 17 Uhr 32 durch der Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag unterlag in dem abgelaufenen Jahr nicht selten der Kritik der Öffentlichkeit, und ,das Verhältnis zwischen Bundestag und Presse war nicht immer so, wie es sich der Bundestag wünscht und auch wünschen muß. Ich glaube, daß in der Zwischenzeit dank einer Änderung der Atmosphäre eine wesentliche Annäherung eingetreten ist und ein besseres gegenseitiges Verstehen Platz gegriffen hat.
    Wir dürfen die Dinge nicht immer allzu tragisch nehmen. Der Bundestag unterliegt zu Recht der öffentlichen Kritik. Er sollte selber einen Schuß Humor in sein nicht ganz leichtes Leben bringen. Ich habe mich gefreut, wie mir vorhin ein Kollege eine illustrierte Zeitung brachte. Darauf steht „Der Bundestag tanzt Samba".

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Sambatanz ist etwas ganz Nettes, nur hat nicht der Bundestag Samba getanzt — das ist so ein kleiner Irrtum, hoffentlich nicht absichtlich —, sondern der Bundestag war bei diesem Sambatanzen Gast der Presse, die so nett über ihn berichtet.

    (Heiterkeit.)

    Man kann das j a schließlich nicht dem eingeladenen Gast zum Vorwurf machen und kann nicht etwa daraus schlußfolgern: der Kongreß tanzt.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Nun, über das Thema Presse ist soviel gesprochen worden, daß ich es mir erlauben kann, im Laufe meiner kurzen Darlegungen nur noch auf einen besonderen Fall am Schluß zu sprechen zu kommen, der aber eigentlich nicht die Presse, sondern etwas anderes angeht.
    Ich sehe mit Interesse, daß sowohl die, Photographen als auch die Presse den Bundestag in seiner Arbeit und besonders bei den vielen leeren Bänken beobachten, die im Laufe eines langen Sitzungstages immer wieder in Erscheinung treten. Ich hatte neulich eine Unterhaltung mit einem Pressephotographen wegen einer besonderen Angelegenheit, und ich habe dann auch selbst einmal Anlaß genommen, festzustellen, aus welchem Grunde ein Abgeordneter, der ja im Lichte der Öffentlichkeit steht, hier so oft nicht anwesend ist. Ich nehme das an meinen eigenen Erfahrungen ab. An zwei Tagen der vorigen Woche zählte ich siebzehn Besucher aus dem Bundesgebiet, die zum Teil aus meines Wahlkreis kamen, weil sie ihren Abgeordneten eben nur hier und sonst nirgends erreichen konnten, und diese Besucher nahmen ihn eben .gerade in der Zeit in Anspruch, in der der Abgeordnete eigentlich hier im Plenum hätte sitzen sollen.
    Die Zahlen über die Kosten des Bundestags, die draußen herumschwirren, sind manchmal auch ein bißchen, na, sagen wir, nicht ganz genau berechnet. Vielleicht wird man gelegentlich einmal Anlaß nehmen, die echten Kosten des Bundestags mit der Bevölkerungszahl in Vergleich zû setzen. Wir dürfen ruhig mit Fug und Recht Berlin einrechnen und kommen so an Hand dieses Etats zu der Feststellung, daß die Kosten des Bundestags pro Kopf der Bevölkerung rund und roh 33 Pfennig pro Jahr betragen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Das ist im Endeffekt immerhin zwar eine erhebliche, aber angesichts der Arbeitsleistung, über die etwas zu sagen sein dürfte, erträgliche Summe.
    Ich habe mir einmal die Mühe gemacht — ich habe das im Haushaltsausschuß bereits dargelegt —, den Etat des Deutschen Reichstages vom Jahre 1929 mit dem Etat des Deutschen Bundestages von 1950 zu vergleichen und auch einige Ermittlungen über die Arbeitsleistung anzustellen. Ich war selbst Mitglied des Reichstags ùnd glaube, ein Urteil darüber zu haben. Meine Damen und Herren, es


    (Ritzel)

    ist nicht uninteressant zu wissen, daß der Deutsche Bundestag im Kalenderjahr 1950 93 Gesetze verabschiedet und verkündet hat, daß er weiter 29 Gesetze beschlossen aber noch nicht verkündet hat; das sind zusammen 122. Wenn Sie den Inhalt der einzelnen Gesetze betrachten, dann finden Sie, daß eine gewaltige gesetzgeberische Arbeit geleistet worden ist. Wir sind ein Staat im Umbau der Gesetzgebung wie vorher im Umbau des Verfassungsrechts. Wir konstatieren, daß der Reichstag im Jahre 1929 100 Gesetze verabschiedet hat. Der Bundestag, dessen Arbeit draußen nicht genügend gekannt und genannt wird, hat in der Zeit vom 1. April 1950 bis gestern, dem 20. Februar, unter' Ausschluß des Urlaubsmonats August an 290 Tagen — die Sonntage eingerechnet — 74 Plenarsitzungen, 1350 Ausschußsitzungen, 516 Fraktionssitzungen, 51 Ältestenratssitzungen, zusammen 1991 Sitzungen gehabt, ohne die Sitzungen der Unterausschüsse und ohne die Sitzungen der Fraktionsvorstände.
    Meine Damen und Herren, es wird in der Öffentlichkeit — das darf in Wahrung der Rechte des Bundestags auch einmal gesagt werden — oftmals verkannt, daß dieser Bundestag in bezug auf seine besonderen Aufgaben vor ganz neue Situationen gestellt wurde. Ich darf Sie darauf hinweisen, wie ich es gestern abend in einer Unterhaltung im Bundesratssaal bereits andeutete, daß eine Situation entstanden ist, die die Bundestagsabgeordneten viel mehr, als es früher in einem deutschen Parlament der Fall war, zu einem Spezialistentum zwingt

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und zur Meisterung neuer Aufgaben nötigt, von denen früher einfach nicht die Rede war. Ich brauche Ihnen ja nur einige Worte hinzuwerfen, die sich automatisch zu Begriffen bilden. Ich erinnere an alles das, was mit der Besatzung, mit dem Marshall-Plan, mit den ERP-Kontrakten, mit der Wohnungsfrage, mit der gesamtdeutschen Frage, mit dem auf der heutigen Tagesordnung stehenden Kriegsgefangenenproblem und dergleichen zusammenhängt.

    (Abg. Dr. Schäfer: Und mit dem sogenannten Föderalismus!)

    — Und mit dem sogenannten Föderalismus, Herr Kollege Dr. Schäfer, vollkommen richtig! —; und da wird für uns — das wird besonders Sie interessieren müssen — noch eine harte Nuß zu knacken sein.
    Nun, meine Damen und Herren, wenn wir diese Vergleiche, Reichstag 1929 — Bundestag 1950, etwas auf das Personalgebiet ausdehnen, dann ergeben sich auch ganz interessante Tatsachen, die natürlich durch die ungeheuere Mehrbelastung dieses Hohen Hauses in den Personalfragen irgendwie einen konkreten Ausdruck finden müssen. Aber es ist gleichwohl interessant, die Zahlen einander gegenüberzustellen. Im Jahre 1932 hat der Reichstag 31 Beamte vom Regierungsrat aufwärts gekannt; der heutige Bundestag hat 32. Beamte insgesamt im Bundestag heute 136 — ohne die Streichungen, die der Haushaltsausschuß vorgesehen und über die der Herr Berichterstatter vorhin berichtet hat —, im Reichstag 128, also heute im ganzen 8 Beamte mehr. Angestellte — hier vollzieht sich nun der große Umbruch — hatte der Reichstag 45, der Bundestag hat deren 179. Arbeiter hatte der Reichstag 168, der Bundestag hat 195 Arbeiter. Die Erklärung liegt in den dem Hause bekannten Tatsachen.
    Wir müssen feststellen — und ich glaube, das namens meiner Fraktion wie auch namens anderer Fraktionen ohne Auftrag sagen zu dürfen, da es aus allen Ausschußberatungen herausklingt —, daß hier mit Ausnahme gewisser Überschneidungen, die nachgeprüft und geändert werden müssen, von einer personellen Übersetzung keine Rede sein kann. Es darf auch anerkannt werden, daß besonders durch die Ausschußarbeit, durch die ungeheure Zahl der Ausschüsse und ihre intensive Arbeit eine ganz starke, das Maß des Vergleichbaren im Reichstag im wesentlichen, und im Durchschnitt weit übersteigende Mehrbelastung eingetreten ist.
    Wir wenden uns — und wir haben das bereits im Haushaltsausschuß zum Ausdruck gebracht — gegen das System der Überstundenbezahlung. Wir sind der Auffassung, daß da, wo irgendeine Möglichkeit besteht, statt der Bezahlung von Überstunden aus dem Arbeitsmarkt verfügbare Arbeitskräfte eingestellt werden sollten.
    Ich freue mich, unterstreichen zu können, daß der Haushaltsausschuß sich sehr viel Mühe gemacht hat, um im Bundestag Sparmaßnahmen einzuleiten. Ich erinnere daran, daß der Haushaltsausschuß den Herrn Präsidenten bzw. das Präsidium des Bundestages gebeten hat, unter Zuziehung fachlich geeigneter Mitglieder des Hauses eine Überprüfung der Organisation des Bundestages vorzunehmen, und daß der Haushaltsausschuß außerdem gefordert hat, daß der Gesamtetat und die Gesamteinrichtung des Bundestages einem Gutachten des Bundesrechnungshofes unterstellt werden.
    Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß wir mitten in der Beratung einer neuen Geschäftsordnung stehen. Wir kennen alle die Wünsche nach einer Verlebendigung in der Arbeit des Hohen Hauses. Ich möchte davor warnen, daß irgendeine Entwicklung, gleichviel welcher Art, begünstigt wird, die den Bundestag zu einer bloßen Abstimmungsmaschine degradiert.

    (Abg. Dr. Ehlers: Sehr richtig!)

    Das würde das Gegenteil dessen sein, was wir brauchen. Die neue Geschäftsordnung sieht vor — und ich glaube, daß alle Parteien darin einig sind —, daß Fragestunden im Hohen Hause eingeführt werden. Sie sieht verschärfte Bestimmungen in bezug auf den schönen Traum und Wunsch vor, der uns immer wieder beseelt, daß die freie Rede sich hier an diesem Pult ihren Platz erobern möge.

    (Beifall in der Mitte.)

    Sie sieht vor, daß in der Ausschußarbeit — und das wird besonders die Presse interessieren — eine erhebliche Änderung durch die teilweise Übernahme, nein, es ist eigentlich die komplette Übernahme des amerikanischen Systems der public hearings erfolgt, eine vorangehende Informationssitzung, bei der Interessenten und Sachverständige sich vor dem Bundestagsausschuß äußern können.
    Aber es kommen noch andere Vorschläge. Mein Kollege Mommer wird Ihnen nachher unter anderem noch jenen Vorschlag zu begründen haben, der einen Dokumentationsdienst vorsieht, auch nach einem Muster der Vereinigten Staaten, der den Abgeordneten mehr Material, rascher Material und zuverlässiges Material beschaffen soll.
    Aber all diese Dinge, die uns beschäftigen und die die Öffentlichkeit interessieren, können uns nicht der Pflicht entheben, vom Standpunkte des Bundestages und der Wahrung seiner Rechte aus zu gewissen Auswüchsen Stellung zu nehmen,


    (Ritzel)

    deren schlimmster hier in einer illustrierten Zeitschrift enthalten ist, die dieser Tage erschienen ist „Totengräber am eigenen Haus".

    (Sehr gut in der Mitte und rechts.)

    „Totengräber" — das sind wir alle in dieser Betrachtung; „am eigenen Haus" — das ist dieses Haus. Meine Damen und Herren, wegen des Verfassers, nicht wegen des Inhalts lohnt es sich, einige Worte zu diesem Machwerk, das man eigentlich sehr tief hängen sollte,

    (Abg. Schröter: Sehr richtig!)

    zu sagen. Der Verfasser rühmt sich in diesem Artikel, er habe die Akten genau studiert, die ihn zu diesem Artikel — na, sagen wir: beschwingt haben. Ich möchte fragen: Wer gab dem Verfasser das Recht der Akteneinsicht? Und wenn er sich das Recht erwarb oder nahm, wer gab ihm das Recht, in absolut entstellter, verfälschter, verhetzender und unwahrer Weise derartige Dinge in eine illustrierte Zeitung zu setzen?
    Meine Damen und Herren, damit Sie einen Begriff von dem bekommen, was da drin steht: es heißt hier unter einem Bild von dem Plattengang da draußen:
    Ein Plattengang sollte vom Bundeshaus zum Rhein führen, damit die Abgeordneten in den Pausen ihrer schweren Tätigkeit Sonne schöpfen und meditieren können. Der Plattenweg führt in die Wüste — ist die Arbeit nicht so schwer?
    Dieser Plattenweg gehört nicht dem Bund und nicht dem Bundestag; er gehört der Stadt Bonn.
    Dann heißt es einmal — den Anlaß gab eine Wasserlache in den Platten vor dem Restaurant —:
    Die roten Sandsteinplatten um das Bundeshaus
    wurden auf die losen Erdaufschüttungen verlegt. Nun sind sie eingesunken, und das
    Wasser steht darauf — aber man will ja keinen
    Pfennig mehr in das teuere Parlamentsgebäude
    stecken.
    Meine Damen und Herren! Der Verfasser dieses Artikels hat zweifellos dem ihm persönlich sehr nahestehenden Urheber dieses Plattenbelags, Herrn Professor Schwippert, einen Dienst erweisen wollen, der aber vermutlich nach der falschen Seite ausschlägt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Der Verfasser sagt zu einem Bild, das an der Einfassung Wasser zeigt:
    Wenn man Mauern ohne Abflußröhren baut, bleibt das Wasser stehen. Tagelang, wochenlang unmittelbar hinter dem Bundeshaus. Vielleicht siedeln sich eines Tages noch Enten und Gänse an. Für die Küche des Bundestagsrestaurants.

    (Zurufe links.)

    Meine Damen und Herren, wer hat denn die Abflußröhren vergessen? Der Freund und Gewährsmann des Verfassers, Herr Professor Schwippert!
    Es heißt zu einem anderen Bild:
    „Wir brauchen keinen Garten, um Ostereier zu suchen!" rief der Abgeordnete Graf von Spreti vor versammeltem Parlament aus. Sind Sie einmal in diesem Garten spazieren gegangen — 10 Meter südlich des Hauptgebäudes — Herr Graf?
    Dazu darf gesagt werden, daß das 'hier photographierte Gelände überhaupt nicht zum Gelände des Deutschen Bundestags gehört.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!)

    Oder:
    So sieht es unter Westdeutschlands Bundeshaus aus:
    — ein Misthaufen ist da photographiert! —

    (Zuruf von der Mitte: Unglaublich!)

    Die Abfallgrube ist im Hause untergebracht; das scheint als sehr praktisch und fortschrittlich empfunden zu werden. Wir fragen: Muß das sein? Gibt es wirklich keine andere Lösung?
    Meine Damen und Herren, die Lösung ist sehr einfach. Der Erbauer des Hauses, Herr Professor Schwippert, hat vergessen, für die nötigen Abstellplätze für den Dreck und den Mist, der im Bundeshaus anfällt — ich meine damit nicht manche Reden hier im Hause —,

    (Heiterkeit)

    zu sorgen.
    Zu einer Photographie heißt es:
    Kein Bild von einer „akuten" Reparaturstelle, sondern eine Aufnahme aus dem westdeutschen Bundeshaus.
    Die Aufnahme zeigt herunterhängende Drähte und vermittelt einen üblen Eindruck. Wir sind alle, glaube ich, davon überzeugt, daß dieses Bundeshaus alles andere, nur nicht ideal ist.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Es ist aber festgestellt worden, daß das ein Bild aus einer Zeit ist, in der dort Reparaturen ausgeführt worden sind.
    Dann regt sich der Verfasser über den Eindruck auf, den die Fernsprechzellen vor dem Sitzungssaal des Haushaltsausschusses, vor Zimmer 02 auf ihn gemacht haben.
    Ich weiß nicht, mit welcher moralischen Begründung derartige Dinge in die Welt gesetzt werden.
    Wenn der Herr Verfasser dem Bundestag sogar
    noch überflüssige Ratschläge gibt, indem er schreibt: Die Volksvertreter aber sollten sich endlich darüber klar werden, daß der Kampf um Deutschland jetzt und hier in Bonn ausgetragen wird und nirgendwo anders und nirgendwo später,
    oder wenn er in beleidigender Weise nicht nur in
    bezug auf den erwähnten Dreckhaufen sagt:
    Nicht nur den Soldaten schändet alter Dreck, und von dem vor der Haustür pflegt man auf die Bewohner zu schließen,
    dann stellt sich doch die Frage: Wer ist dieser Verfasser? Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur raten: setzen Sie sich fest! Der Verfasser ist Professor und Leiter des Presse- und Bildarchivs bei der Bundesregierung, also dem Herrn Bundeskanzler unterstellt

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    und Angestellter des Bundes.

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Ich möchte mir, erlauben, den Herrn Bundeskanzler zu fragen, — —

    (Abg. Renner: War er in der NSDAP?) — Das weiß ich nicht.


    (Abg. Renner: Aber das ist ja herauszukriegen!) Ich möchte den Herrn Bundeskanzler fragen, was er zu tun gedenkt, um derartigen Mißbräuchen der Akten und derart niederträchtigen Beleidigungen des Parlaments einen Riegel vorzuschieben.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)




Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich für mein Teil kann mir eine Kritik an der Presse ersparen. Generaliter schweigt sie uns tot, vermutlich aus Gründen ihrer Objektivität.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Ich glaube aber auch, daß das hier nicht die Stelle ist, eine Grundsatzdiskussion um die Haltung der Presse dem Bundestag gegenüber zu führen, wiewohl es wirklich dankenswert war, daß der Herr Kollege Ritzel auch den Namen des Verfassers und mit dem Namen die Tatsache bekanntgegeben hat, daß das ein hoher Beamter unter den Fittichen des Herrn Bundeskanzlers Adenauer ist. Wenn ich jetzt ein Werturteil abgeben würde, bekäme ich einen Ordnungsruf.

    (Heiterkeit.)

    Ich erspare mir also dieses Werturteil.

    (Zuruf: Nicht so voreilig, Herr Renner!)

    — Ich kenne doch meinen Hintermann!

    (Große Heiterkeit.)

    Ob man diese „Mängel" der Presse nun aber dadurch reparieren wird, Herr Kollege Ritzel, daß die Mittel für die Schaffung einer eigenen Pressestelle beim Bundestagspräsidenten eingesetzt worden sind, wage ich auch noch zu bezweifeln.

    (Abg. Ritzel: Das kommt doch auf den Mann an!)

    — Ja, es kommt auf den Mann an; aber leider suchen Sie den nicht aus. Sie suchen ihn nicht aus, Herr Ritzel! Er wird sicherlich von denselben Kräften ausgesucht werden, die den Herrn Adenauer hierhergesetzt haben, und dann könnten wir auch auf einige Überraschungen stoßen.

    (Abg. Dr. Hasemann: Ja, dann fährt er gut!)

    — Ja, ob das Ihr Eindruck von dem Pamphlet ist, das Herr Ritzel ausgewertet hat,

    (Abg. Dr. Hasemann: Es ist nicht von uns ausgesucht!)

    das wage ich zu bezweifeln.
    Aber nun zu dem Etat selber. Da stoßen wir gleich auf der ersten Seite bei Kap. 1 Tit. 1 auf eine Tatsache, die von dem Herrn Berichterstatter sehr summarisch abgetan worden ist. Ich meine die Tatsache, daß die Einnahmen aus Dienstgrundstücken von 52 800 auf 15 300 DM heruntergesetzt werden mußten. Der Herr Berichterstatter hat gesagt, daß die Eigenheit des Bundestagsrestaurants, die Tatsache, daß das ein Stoßgeschäft -ist, verantwortlich dafür sei, daß dieses Restaurant keine Rente abwirft. Ich wage zu behaupten: bei einer neuen Ausschreibung würden wir einen Pächter finden, der aus diesem Restaurant bei d e n Bedingungen und bei d e n Preisen eine Rente herauswirtschaften wird.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich frage mich aber noch eins. Dieses Restaurant ist doch ausgeschrieben worden, und in der Offerte, die uns der derzeitige Pächter gemacht hat, stand doch, daß er bereit ist, eine Miete von 30 000 DM zu zahlen. Das war doch kein Neuling; der hat doch dieses Restaurant schon vorher betrieben!

    (Abg. Dr. Hasemann: Sprechen Sie einmal mit der Gewerkschaft!)

    Sollte der nicht in der Lage gewesen sein, sich ein
    Bild über die tatsächliche Rentabilität zu machen?

    (Abg. Dr. Hasemann: Sprechen Sie mal mit den Gewerkschaften, Herr Renner!)

    Im Gegensatz dazu weise ich auf die immerhin erstaunliche Tatsache hin, daß die Miete für den Friseurbetrieb von 1440 auf 1800 DM erhöht worden ist. Sollte das seine Ursache darin haben, daß — wie gestern in der Düsseldorfer Abendzeitung stand — gewisse Bundestagsabgeordnete darüber verärgert sind, daß sie bei dem Friseur wie gewöhnliche Sterbliche etwas warten müssen? Aber diese Fakten stelle ich jedenfalls gegenüber: die Restaurationsmiete ist gestrichen und die des Friseurbetriebes von 1440 auf 1800 DM erhöht.
    Und nun zu der Frage der Beamtenpositionen. Herr Ritzel hat ausgesprochen, daß hier im Bundestag mehr Personal beschäftigt wird als im Reichstag. Er sprach von einer gewissen Übersetzung. Aber mir fällt bei der Diskussion dieser Etatposition auch noch etwas anderes auf: Die Zahl der führenden Beamten ist in dem Vorschlag des Haushaltsausschusses nicht reduziert worden. Bei den mittleren Beamten, z. B. bei den 25 Regierungsinspektoren, hat man die Zahl auf 20 reduziert und hat angeordnet, daß an Stelle der vier in Angestelltenstellen umzuwandelnden Positionen sieben in Angestelltenstellen umgewandelt werden sollen. Bei den unteren Beamten verschlechtert sich das Verhältnis noch weiter, d. h. der Prozentsatz der aus dem Beamtenverhältnis ins Angestelltenverhältnis zu überführenden Personen wird noch größer.
    Dann eine sehr eigenartige Tatsache. Im Voranschlag war vorgesehen, die 15 Amtsgehilfen ins Beamtenverhältnis zu bringen. Das ist nicht geschehen; sie bleiben im Arbeiterverhältnis, sie bleiben mindestens auch im kommenden Etatjahr noch im Arbeiterverhältnis, weil ja offen ausgesprochen worden ist, daß die Stellenzahlen, die in den gesamten Einzeletats der verschiedenen Ministerien enthalten sind, auch für den kommenden Haushalt bindend sein sollen, wohinter ich allerdings ein recht großes Fragezeichen mache.
    Die Tatsache, daß die Gesamtausgaben für den Verwaltungsapparat von 778 400 auf 690 600 DM herabgesetzt worden sind, daß also im Ausschuß ein Minus von rund 80 000 DM herbeigeführt worden ist, wird doch wesentlich dadurch aufgehoben, daß die Ausgabenposition für Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte von 1,652 Millionen auf 1,817 Millionen erhöht worden ist, auch dadurch, daß die Trennungsentschädigung an versetzte Beamte von 42 000 auf 61 100 DM erhöht werden mußte.
    Ich habe hier zu erklären, daß ich mir den Rest meiner Redezeit vorbehalte, um zu dem angekündigten Vorschlag des Herrn Kollegen Mommer betreffend Dokumentationsdienst Stellung zu nehmen. Ich möchte aber nicht verfehlen, schon bei dieser Gelegenheit zu erklären, daß wir den Haushalt in der uns vorgelegten Form, so wie ihn der Ausschuß dem Bundestag heute empfiehlt, ablehnen.