Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Interpellation der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 1837 enthält sechs Fragen. Ich darf diese Fragen namens der Bundesregierung folgendermaßen beantworten.
Zu Frage 1: Die Beratende Versammlung des Europarats hat am 8. September 1949 bereits eine Empfehlung wegen Schaffung eines europäischen Passes angenommen und dem Ministerrat zugeleitet. Dieser hat die Empfehlung dann zur Prüfung an die Regierungen weitergegeben. Ein von dem Herrn Abgeordneten Mommer und Genossen in der ordentlichen Tagung der Beratenden Versammlung im Herbst 1950 eingebrachter Antrag ist vom ständigen Ausschuß, wie die Formulierung lautet, in Erwägung gezogen und zwecks Prüfung an den. Ausschuß für juristische und Verwaltungsfragen weitergeleitet worden. Der Antrag bewegt sich in der Richtung, die Regierungen durch den Ministerrat zu bitten, ihre Stellungnahme in kürzester Frist zum Abschluß zu bringen. Der Antrag empfiehlt ferner den Regierungen, bis zur Schaffung des europäischen Passes den noch bestehenden Sichtvermerkzwang für junge Leute unter 25 Jahren aus den Mitgliedsstaaten zu beseitigen. Die Stellungnahme der Regierungen liegt nunmehr erfreulicherweise vor. Der Generalsekretär des Europarats hat daher in Aussicht genommen, demnächst einen Ausschuß von Regierungssachverständigen zur Prüfung der Antworten einzuberufen. Die Bundesregierung ist zur Teilnahme an diesen Verhandlungen eingeladen worden. Sie wird daran teilnehmen.
Zu Frage 2: Die Bundesregierung ist bereit, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln an der Verwirklichung des Planes eines europäischen Passes mitzuwirken, weil sie darin einen wertvollen Beitrag zur Förderung des Europagedankens erblickt.
Zu Frage 3 darf ich folgendes ausführen: Die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges ist nach Ansicht der Bundesregierung ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Beseitigung der während der letzten dreieinhalb Jahrzehnte, insbesondere nach den beiden Weltkriegen aufgerichteten Schranken des freien Reiseverkehrs in einem demokratischen Europa. Die Bundesregierung ist um so eher bereit, den demokratischen Regierungen die Abschaffung des Sichtvermerks auf der Grundlage der Gegenseitigkeit vorzuschlagen, als zwischen den übrigen europäischen demokratischen Staaten im Wege zwischenstaatlicher Vereinbarung der Sichtvermerkzwang bereits in Wegfall gekommen ist.
Zu Frage 4 darf ich ausführen: Bei ihrer positiven Einstellung zu dem Problem ist die Bundesregierung, nachdem ab 1. Februar 1951 erfreulicherweise die Paßhoheit wieder auf sie übergegangen ist, bereit, im Rate der OEEC eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten wegen Beseitigung der Sichtvermerke für Deutschland zu erwirken.
Zu Frage 5: Aus ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Frage der Aufhebung des Sichtvermerkzwanges überhaupt ist die Bundesregierung bereit, als einen Schritt zur Erreichung dieses Zieles auf das allerdringlichste die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges für Jugendliche bis zu 25 Jahren vorzuschlagen, soweit sich die allgemeine Aufhebung leider vorerst noch nicht verwirklichen lassen sollte. Der Herr Bundeskanzler ist in diesem Sinne bereits mit einer Note vom 9. dieses Monats an die Alliierte Hohe Kommission herangetreten.
Zu Frage 6 darf ich berichten: Eine generelle einseitige Aufhebung des Sichtvermerkzwanges, selbst auch nur für Jugendliche, erscheint der Bundesregierung untunlich, meine Damen und Herren, da sich die Bundesregierung dadurch eines wichtigen Mittels berauben würde, auch für uns Deutsche allgemein die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges zu erreichen. Auch für ausländische Jugendliche kann daher nach Meinung der Bundesregierung grundsätzlich keine allgemeine einseitige Befreiung vom Sichtvermerkzwang zugestanden werden. Beim Vorliegen eines bedeutenden politischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Interesses an der Einreise ist jedoch die Bundesregierung im Einzelfall sowohl für Jugendliche wie für Erwachsene bereit, Befreiung vom Sichtvermerkzwang zu gewähren, und zwar auch dann, wenn die Gegenseitigkeit noch nicht verbürgt ist.
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen auf Drucksache Nr. 1839 sowie zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 1962 darf ich folgendes sagen. Diese beiden Anträge werden von der Bundesregierung allgemein, besonders aber auch wegen ihrer Bedeutung für unsere Jugend dankbar begrüßt. Wie ich eben erwähnt habe, hat der Herr Bundeskanzler am 9. Februar dieses Jahres den Herrn geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission gebeten, den Regierungen der drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Mächte nahezulegen, die Einführung eines Jugendpasses ihrerseits nach Kräften zu fördern. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Note angeregt, den Jugendpaß zunächst von den europäischen Regierungen schaffen zu lassen. Die Bundesregierung beabsichtigt, mit den westlich orientierten Nachbarstaaten der Bundesrepublik auf dieser Grundlage in Verbindung zu treten und bei deren Regierungen anzuregen, schon vor der Schaffung des europäischen Jugendpasses eine Lockerung des Visumzwanges für junge Menschen eintreten zu lassen, damit die internationale Begegnung der Jugend schon bald gefördert werden kann.
Die Bundesregierung beabsichtigt ferner, durch den Herrn Bundeskanzler die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit darum zu bitten, bei den zunächst beteiligten Regierungen auf die Einführung des Jugendpasses hinzuwirken. Es ist zu hoffen, daß die Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers, die durch die beiden Anträge Drucksache Nr. 1839 und Nr. 1962 so wirksam unterstrichen werden, bei der Alliierten Hohen Kommission von Erfolg sein werden, damit durch die Erleichterung des Paß- und Visumzwanges die demokratische Jugend in Zukunft mehr Möglichkeiten als bisher findet, zusammenzukommen und von sich aus die Verständigung der Völker zu fördern.