Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind selbstverständlich damit einverstanden, den weitergehenden Vorschlägen der Fraktion der SPD in ihrer Interpellation und in ihren Antrag zuzustimmen. Unser Antrag Drucksache Nr. 1839 stellt auch etwa keine Einschränkung dar, sondern war darauf abgestellt, die wesentlichste Forderung der europäischen Jugendkundgebung vom September letzten Jahres in München hier, nachdem die Dinge anderweitig nicht vorwärtsgekommen sind, in Form eines Antrags etwas zu unterstützen und in der Durchsetzung zu beschleunigen. Wir haben deshalb auch den Zusatz in Klammern „Europapaß" nicht verstanden als einen Paß allein für die Bürger europäischer Staaten im Alter bis zu 30 Jahren, sondern als einen Teil des Europapasses, der zumindest jetzt sofort der Jugend der demokratischen Völker Europas gegeben werden sollte.
Wenn man die Paßbestimmungen der letzten Jahre als Leidtragender selbst miterlebt hat, wenn man gleichzeitig auf zahlreichen Konferenzen der europäischen Parlamentarier, der Union und aller dieser Verbände und Organisationen die stundenlangen Gespräche über die Notwendigkeit miterlebt und gleichzeitig die unglaubliche Starrheit, möchte man fast sagen, der europäischen Regierungen in der Verzögerung auf allen Seiten erlebt hat, dann ist dem Kollegen Mommer rechtzugeben, daß diese natürlichen und vernünftigen Forderungen bisher an der Starrheit der Regierungen gescheitert sind. Auf dem Wege über staatsrechtliche Gespräche oder Wirtschaftspläne werden wir Europa nicht von obenher verwirklichen können, wenn nicht gleichzeitig von untenher den Völkern die Möglichkeit gegeben wird, auf leichteste Art und Weise miteinander in Berührung zu kommen und sich gegenseitig kennenzulernen. In besonderem Maße ist das notwendig bei der Jugend, der man wirklich alle Schranken wegräumen sollte, um ihr die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens zu geben. Man kann, wenn man die Auslandszeitungen liest, mit etwas Pessimismus feststellen, daß im Laufe der letzten Jahre alle diejenigen ins Ausland gekommen sind, deren Ausreise die Alliierten haben verhindern wollen, und daß diejenigen, an deren Ausreise sie hätten interessiert sein sollen, tausend bürokratische Schwierigkeiten und Formalitäten zu erledigen hatten, um hinauszukommen. Ich denke an die Namen einer Reihe von Militärs und Größen des Dritten Reiches, die heute in irgendwelchen Staaten, ohne jemals einen Paß erhalten zu haben, dem Ausland ihre Dienste zur Verfügung stellen, und an die Reihe der Gutwilligen, die zu Hause bleiben mußten, weil man sie nicht hinausgelassen hat.
Wir stimmen deshalb auch dem Antrag der SPD zu, bitten aber die Regierung, mit besonderer Beschleunigung diese Erleichterungen für die Jugend Deutschlands und die Jugend der europäischen Staaten als das erste Zeichen des good will zum wirklichen Zusammenkommen zu erwirken.