Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Sozialdemokratischen Partei wird von mir begrüßt, weil er die Möglichkeit gibt, über den augenblicklichen Stand der Arbeiten über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen, Zivilverschleppten und vermißten Wehrmachtsangehörigen einen Überblick zu geben.
Am Beginn dieser Arbeit stand die staatliche Registrierung der Kriegsgefangenen und Vermißten im März 1950. In den Jahren vor dem Bestehen der Bundesregierung hatten die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und andere Organisationen bereits ein erhebliches Material über die Kriegsge-
fangenschaft in den einzelnen Gewahrsamsstaaten zusammengetragen. Ferner hatte das Deutsche Friedensbüro im Auftrage des Länderrats des amerikanischen Besatzungsgebietes wertvollste Vorarbeit geleistet. Den beteiligten Organisationen gebührt besonderer Dank für diese eingehenden und wertvollen Arbeiten.
Es gilt nun, die Ergebnisse der staatlichen Registrierung vom März 1950 mit den bereits von anderer Seite geleisteten Arbeiten in Zusammenhang zu bringen, um ein möglichst vollständiges Gesamtbild über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Vermißten des letzten Krieges zu erhalten. Unter der Federführung des Bundesministers für Vertriebene wurden diese Arbeiten nach dem Abschluß der Registrierung alsbald in Angriff genommen. Sie waren zunächst für die allgemeine Dokumentation des Schicksals der Kriegsgefangenen und Vermißten gedacht. Sie mußten jedoch unter besonderen Gesichtspunkten weitergeführt werden, als die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Australiens beantragten, die Frage der Kriegsgefangenen auf die Tagesordnung der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu setzen. Tatsächlich hat dann auch die Vollversammlung der UN am 14. Dezember 1950 Maßnahmen für die friedliche Lösung des Kriegsgefangenenproblems beschlossen. Alle Regierungen, unter deren Kontrolle sich noch zurückgehaltene Kriegsgefangene befinden, haben diese namentlich bis zum 30. April 1951 dem Generalsekretär der UN mitzuteilen. Ferner sind mitzuteilen die Namen der unter der Kontrolle der Regierungen verstorbenen Kriegsgefangenen. Alle Gewahrsamsländer sind also aufgefordert, Rechenschaft über das Problem der Kriegsgefangenen abzulegen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, den Regierungen der USA, Großbritanniens und Australiens den herzlichsten Dank für ihre umfassenden Bemühungen um die Klärung des furchtbaren Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen und dabei zugleich die Hoffnung auszusprechen, daß der
beschrittene Weg erfolgreich enden möge.
Die Arbeiten wurden nunmehr darauf ausgerichtet, für die Verhandlungen vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen die notwendigen Unterlagen bereitzustellen und darüber hinaus für die zu erwartende Untersuchungskommission der Vereinten Nationen beweiskräftiges Material bis zum 30. April dieses Jahres zu schaffen, das über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen und die Zahl der vermißten Wehrmachtangehörigen Aufschluß gibt. Es war von Anfang an klar, daß das Ergebnis aller Bemühungen nicht vollkommen befriedigend sein kann, weil in der sowjetischen Besatzungszone keine Nachforschungsmöglichkeiten bestanden und eine ähnliche Arbeit dort nicht durchgeführt wird. Daher wird ein Teil der Kriegsgefangenen und Vermißten, die in der sowjetischen Besatzungszone beheimatet sind, trotz aller Bemühungen nicht erfaßt werden können. In dem besonderen Arbeitsprogramm der beteiligten Ressorts der Bundesregierung und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die auf dem Gebiete des Suchdienstes und der Kriegsgefangenenbetreuung tätig sind, wurde die Durchführung der Arbeiten technisch und zeitlich festgelegt. Über den derzeitigen Stand der Arbeiten ist den Mitgliedern des Ausschusses für das Besatzungsstatut und für auswärtige Angelegenheiten ein detaillierter Bericht zugeleitet worden. Ich kann mich daher hier auf kurze Ausführungen beschränken.
Erstens. Die Namen derjenigen Kriegsgefangenen, die selbst aus der Kriegsgefangenschaft Nachricht gegeben haben oder über die ein Dritter bekundet hat, daß er sie lebend in Kriegsgefangenschaft gesehen hat, oder über die auf irgendeine andere Weise eine zuverlässige Nachricht vorliegt, daß sie sich noch lebend in Kriegsgefangenschaft befinden, sind in einer Kartei zusammengefaßt worden. Diese Kartei erstreckt sich auf die Kriegsgefangenen aller Gewahrsamsstaaten. Die Kartei ist noch nicht vollendet, da noch Unterlagen bearbeitet werden müssen, die erst vor kurzem zur Verfügung gestellt werden konnten. Über diejenigen Kriegsgefangenen, von denen bekannt ist, daß sie zu einer Strafe verurteilt worden sind, ist eine besondere Kartei im Entstehen begriffen, die sich auf die über diese Kriegsgefangenen vorhandenen Akten und Berichte gründet. Die Kriegsgefangenenkartei ist nach Gewahrsamsbereichen geordnet und wird durch Hollerith-Maschinen verarbeitet. Hierdurch wird erreicht, daß in kürzester Frist Listen über diesen Personenkreis erstellt werden, die sich auf beweiskräftige Unterlagen stützen. HeimkehrerDoppelmeldungen und inzwischen bekanntgewordene Sterbefälle sind selbstverständlich aus der Kartei ausgeschieden.
Zweitens. Die in dem Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten unter Punkt 2 Buchstaben c und d genannten festgehaltenen und verurteilten Zivilpersonen sowie verschleppten Zivilpersonen sind bisher gemeinsam behandelt worden. Das Ausmaß der Verschleppung von Zivilpersonen aus den von sowjetischen Truppen besetzten Gebieten ist zur Zeit noch nicht in vollem Umfange bekannt. Es wird durch Befragung der aus diesen Gebieten ausgesiedelten Deutschen und der inzwischen zurückgekehrten verschleppten Zivilpersonen festzustellen sein, ob über das Ausmaß der Verschleppung ein vollständiges Bild zu gewinnen ist. Die Arbeiten auf diesem Gebiete sind im Gange; sie sind noch nicht so weit fortgeschritten wie die Arbeiten auf dem Gebiete der Kriegsgefangenen, weil sie erst später in Angriff genommen werden konnten. Es war ursprünglich nicht vorauszusehen, daß auch dieser Personenkreis in den Bereich der Verhandlungen der Vereinten Nationen aufgenommen werden würde. Neben den Feststellungen darüber, welche Zivilpersonen verschleppt worden sind, sind Unterlagen darüber zu beschaffen, welche Zivilpersonen heute noch nachweisbar außerhalb der vier Besatzungszonen in Internierungslagern, Arbeitslagern und Gefängnissen festgehalten werden. Bei dieser Gelegenheit ist zugleich die Feststellung darüber zu treffen, ob die Festhaltung auf Grund eines Gerichtsurteils erfolgt ist oder nicht. Dies gilt insbesondere für Polen und die Tschechoslowakei. Darüber darf jedoch nicht vergessen werden, daß auch in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien Deutsche in Zwangsarbeit oder auf Grund von Urteilen in Gewahrsam gehalten werden, die früher in diesen Gebieten ansässig gewesen sind. Es wird mit allen Mitteln versucht werden, in kürzester Zeit über die Zahl und die Lager der betroffenen Personengruppen eine Übersicht zu erhalten und eine Aufstellung der Namen zu machen, die unter diesen Personenkreis fallen. Zu diesem Zwecke muß das zur Zeit an etwa 17 verschiedenen Stellen angefallene Material zusammengeführt und ausgewertet werden. Die Vorbereitungen für diese Arbeiten können jetzt als abgeschlossen gelten.
Drittens. Die Namen der vermißten Wehrmachtangehörigen sind durch die staatliche Registrierung
im März 1950 bekanntgeworden. Sie sind in einer Kartei zusammengefaßt, die noch aus anderen Unterlagen ergänzt und bereinigt wird. Aus dieser Kartei sind Listen der früheren Wehrmachteinheiten erstellt, die den Heimkehrern der betreffenden Einheiten vorgelegt werden, um Aufklärung über das Schicksal eines Teils der Vermißten zu erhalten. Insgesamt wurden 90 000 verschiedene Listen gefertigt, die bereits zum größten Teil über die Landesnachforschungsdienste an die Heimkehrer herangebracht worden sind.
Viertens. Die Kartei der vermißten Zivilpersonen, die ebenfalls durch die Registrierung im März 1950 entstanden ist, wird zur Zeit durch die Organe des Suchdienstes geprüft und bereinigt, weil der Suchdienst für einen Teil dieser Personen bereits Unterlagen über ihren Verbleib besitzt. Diese Frage steht in Zusammenhang mit der Frage der verschleppten Zivilpersonen und kann daher auch nur in Zusammenhang damit weiterbearbeitet werden.
Zur Ergänzung der bereits dargelegten Arbeiten sind Übersichten über die Lager, Gefängnisse und Strafgebiete erstellt worden, in denen sich Kriegsgefangene und Zivilisten nach . den letzten Nachrichten befinden. Eine Übersicht über derartige Lager ist den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses zugeleitet worden.
Ich kann erklären, daß auf dem Gebiete der Kriegsgefangenen und Wehrmachtvermißten die Unterlagen bis zum 30. April 1951 in beweiskräftiger Form zur Verfügung stehen werden. Auf dem Gebiete der festgehaltenen und verurteilten Zivilpersonen sowie der verschleppten und vermißten Zivilpersonen wird es möglich sein, bis zu diesem Termin ein umfangreiches Material vorzulegen. Es bedarf jedoch noch weiterer, intensiver Arbeit, um ein einigermaßen vollständiges Bild über diese Personengruppen zu gewinnen. Für den völligen Abschluß dieser Arbeiten kann heute ein Termin aber noch nicht genannt werden.
Die für die Gesamtheit der Arbeiten notwendigen Geldmittel werden von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten werden in ständiger engster Verbindung mit den auf diesem Gebiete tätigen Organisationen durchgeführt, weil nur durch eine völlige Koordinierung der Arbeiten befriedigende Ergebnisse erzielt werden können.
Die Bundesregierung begrüßt auch den Initiativ-antrag. Er gibt uns die Möglichkeit, nunmehr die Nachrichten unter Umständen unter gesetzlicher Aufforderung heranzubringen. Nun hat der Herr Bundesminister der Justiz zu dem Gesetz einige kleine Änderungen der Fassung vorgeschlagen. Ich bitte daher, den Initiativantrag zum Gesetz noch einmal dem Rechtsausschuß vorzulegen. Dieses Gesetz ist nicht derart eilig, daß die Überweisung an den Ausschuß nicht erfolgen könnte.