Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Insel Helgoland ist schon während des Krieges das Ziel furchtbarer Bombenangriffe gewesen. Sie ist am 12. Mai 1945 von den Resten der Bevölkerung, die schon vorher, während des Krieges, überwiegend evakuiert war, geräumt worden. Die für Helgoland zuständige Kreisverwaltung Pinneberg hat sich damals vergeblich bemüht, wenigstens auch die Bergung des zurückgelassenen Privateigentums zu erreichen. Dies war nicht möglich. Im September 1946 erklärten britische Stellen, daß die Insel durch Sprengung der militärischen Anlagen und Vernichtung der dort untergebrachten erheblichen Munitionsmengen so zerstört werden würde, daß sie voraussichtlich nicht wieder benutzbar sein würde. Im Frühjahr und im Herbst 1947 sind die auf Helgoland in den unterirdischen Stollen lagernden Munitionsmengen gesprengt worden. Die Sprengungen haben an dem Felsenmassiv der Insel auch furchtbare und schwere Schäden angerichtet, ohne jedoch die Möglichkeit der Wiederbesiedlung der Insel erheblich zu beeinträchtigen.
Nun dient die Insel seit 1948 der britischen und amerikanischen Luftwaffe als Übungsfeld für Bombardierungen, und die öffentliche Meinung hat sich namentlich dagegen gewandt, daß auch der Friedhof der Insel von diesen Bombardierungen nicht verschont worden ist. So haben sich neuerdings Bemühungen mit Erfolg geltend gemacht, den Friedhof von den Sprengungen und Bombenabwürfen auszunehmen, und es ist ein Umkreis von etwa 900 Metern um den Friedhof für Zielwürfe gesperrt worden.
Die Bundesregierung selber hat auf Grund einer Entschließung des Bundestags vom 1. Dezember 1949 die Alliierte Hohe Kommission gebeten, der Bevölkerung Helgolands die Rückkehr in ihre Heimat zu gestatten und ihr auch den Wiederaufbau ihrer Wohnstätten zu ermöglichen. Dabei ist darauf hingewiesen worden, daß die Benutzung der Insel als Bombenziel eine schwere Beeinträchtigung der Heimatrechte der 2500 Helgoländer sei und gegen anerkannte Grundsätze des Völkerrechts verstoße. Am 9. Mai 1950 hat die Bundesregierung die Alliierte Hohe Kommission nochmals darauf hingewiesen, daß die Bevölkerung nun schon seit Jahren in Notquartiere evakuiert sei. Sie hat erneut auf alle die Fragen, die mit Helgoland verbunden sind, und insbesondere auf die Wichtigkeit Helgolands als Nothafen für die Schiffahrt, insbesondere die Fischerei, auf das Fehlen der Leuchtfeuer und auf die Beeinträchtigung der Sicherheit des Seeverkehrs aufmerksam gemacht.
Am 31. Mai 1950 hat uns die Hohe Kommission mitgeteilt, daß die Operationsbedürfnisse der alliierten Luftstreitkräfte die Freigabe der Insel unmöglich machten. Die Operationskraft der alliierten Luftstreitkräfte sei für ganz Westeuropa von höchstem Interesse, und die militärischen Erfordernisse müßten gegenüber menschlichen Erwägungen, denen sich die Alliierte Hohe Kommission nicht verschließe, den Vorrang haben.
Die Möglichkeit der Rückgabe der Insel wurde — allerdings ohne Angabe eines Termins — in Aussicht gestellt.
Trotz dieser wenig befriedigenden Auskunft hat die Bundesregierung die Helgolandfrage nicht aus den Augen gelassen. Sie hat noch in jüngster Zeit der Hohen Kommission ihren Standpunkt umfassend schriftlich dargelegt. Die Haltung der maßgeblichen militärischen Autoritäten hat sich aber nicht geändert. Am 7. Februar 1951 hat der britische Luftfahrtminister im Unterhaus eine Erklärung abgegeben, die uns tief enttäuscht hat. Er sagte, die britische Luftwaffe sei zwar bereit, andere Übungsziele zu suchen, er könne aber nicht viel Hoffnung machen, daß ein so geeignetes Ziel wie Helgoland gefunden werden könne.
Meine Damen und Herren, die Gründe, die von britischer Seite gegen unsere Wünsche und gegen die Freigabe der Insel ins Feld geführt werden, sind ausschließlich militärischer Natur und haben in dieser Eigenschaft natürlich das ganze Gewicht hinter sich, das solche militärischen Verteidigungsvorbereitungen nun einmal haben und das ihnen insbesondere heute zukommt. Aber die Bundesregierung wird trotzdem ihre Bemühungen fortsetzen, zu einer besseren, zu einer befriedigenden Lösung des Helgoland-Problems zu gelangen. Ich mache darauf aufmerksam, daß auf der Oberfläche der Insel doch nur noch ein kleiner Teil als Bombenziel übrigbleibt, da man nun in 900 Metern
Umkreis um den Friedhof sowieso keine Bomben mehr wirft, so daß sich doch vielleicht für die militärischen Stellen ein anderes, geeigneteres Ziel für Bombenabwürfe finden lassen dürfte.
Wir erkennen dabei durchaus an, daß sich an manchen Stellen auch ernsthafte Bemühungen um einen Ausgleich gezeigt haben, insbesondere hier beim britischen Hohen Kommissar. Wenn man aber in England vielleicht der Meinung ist, daß eine so schauderhaft verwüstete Insel nun doch in absehbarer Zeit nicht wiederhergestellt werden könne und daß es deshalb nicht darauf ankomme, die Wiederherstellung etwas früher oder später vorzunehmen, dann möchten wir noch einmal mit allem Nachdruck auf den Zustand hinweisen, der dort in der Helgoländer Bucht, in der stürmischen Nordsee andauert, in der kein Leuchtfeuer brennt, kein Nothafen für die bedrängte Schiffahrt vorhanden ist, kein Rettungsboot mehr auslaufen kann. Für die Sicherheit der Schiffahrt in der Helgoländer Bucht und für unsere ganze deutsche Hochseefischerei spielt nun einmal Helgoland eine unersetzliche Rolle.
Ich habe hier über wirtschaftliche, über soziale, über schiffahrtstechnische Gründe gesprochen, die für die Rückgabe maßgebend sein dürften. Ich möchte mich Herrn Dr. Hamacher anschließen, der auch auf die psychologische Seite für unser ganzes Volk und namentlich für unsere Jugend hingewiesen hat. Diese fortgesetzten Bombenabwürfe werden in weiten Kreisen unseres Volkes als eine Demütigung empfunden, die man um so weniger versteht, als doch Bemühungen im Gange sind, unseren staatspolitischen und unseren völkerrechtlichen Status auf eine neue Basis zu stellen, und als man vom deutschen Volke selbst erwartet, daß es seine völkerrechtlichen Beziehungen in Westeuropa aktiv neu gestaltet. Ich bin überzeugt, daß die einhellige Stellungnahme dieses Hohen Hauses mit dazu beitragen wird, endlich eine befriedigende Lösung zu erreichen.
Ich kann im Namen der Bundesregierung versichern, daß sie in ihren Bemühungen nicht nachlassen und nichts unversucht lassen wird, um den berechtigten Wünschen der örtlichen Bevölkerung und unseres Volkes Gehör zu verschaffen.