Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Begründung des nach Punkt 7 b der Tagesordnung zur Beratung stehenden Antrags hat Herr Abgeordneter Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in einer der letzten Sitzungen, als hier die Kohlendebatte stattgefunden hat. erklärt, daß es ein Leichtes für ihn gewesen sei, durch einen einfachen Telefonanruf den Ausfall der tschechischen Braunkohle in dem Gebiet des Bayerischen Waldes und in Oberfranken auszugleichen; er habe die Möglichkeit gehabt, an Stelle der ausgefallenen tschechischen Braunkohle nun Braunkohle aus dem westfälischen Gebiet hinzuschicken. Bei einer genauen Untersuchung der tatsächlichen
Verhältnisse - und diese liegen unserm Antrag Drucksache Nr. 1825 zugrunde — ergeben sich allerdings andere Perspektiven, weil man erstens einmal von dem Gedanken ausgehen muß, die Durchführung geschlossener Verträge zu sichern, und weil man zum andern darauf bestehen muß, daß das Eingreifen der Hohen Kommission bei der Durchführung dieser Verträge zu unterbleiben hat. Gerade die Tatsache, daß die Gegenwertlieferungen nach der Tschechoslowakei für die von dort nach dem bayerischen Grenzgebiet gelieferten Braunkohlenmengen von der Hohen Kommission verhindert worden sind, zeigt mit aller Deutlichkeit die Abhängigkeit, in der sich Westdeutschland bei der Durchführung abgeschlossener Handelsverträge befindet.
Ich empfinde es als etwas eigenartig, daß in. dem Antrag der Bayernpartei — obwohl ich die Argumentation des Herrn Kollegen Dr. Etzel hundertprozentig unterstütze - beispielsweise gerade diese Dinge zu vermissen sind, weil man der Hohen Kommission in keiner Form zu nahe treten will. Wir sind deshalb der Auffassung, daß der Antrag der Bayernpartei im wesentlichen von falschen Voraussetzungen ausgeht, wenn er sich nur auf die automatische Umlenkung der Braunkohle aus dem westfälischen Gebiet bei dem Ausfallen tschechoslowakischer Braunkohle stützt und kein Wort von der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aus einem abgeschlossenen Handelsvertrag sagt.
Bei einer genauen Untersuchung der tatsächlich vorhandenen Verhältnisse muß man feststellen, daß sich die westdeutsche Kohle für die Verarbeitung der vor allen Dingen in Glashütten vorhandenen Generatorenanlagen nicht eignet und, wie der Herr Kollege Etzel mit Recht feststellte, bereits eine Reihe von Unglücksfällen im Bayerischen Wald, nicht nur in Weiden. zu verzeichnen sind. Wir haben die Tatsache, daß allein in einem Betrieb in Weiden über 600 Menschen durch dieses große Unglück arbeitslos geworden sind, d. h. sie werden vorläufig noch mit Aufräumungsarbeiten in dem Betrieb beschäftigt. Der Betrieb wird nach Abschluß dieser Aufräumungsarbeiten nicht mehr in Gang gesetzt werden können. wenn nicht tschechoslowakische Braunkohle zur Verfügung steht.
Das Eingreifen der Hohen Kommission und die Verhinderung der Lieferung reiner Friedensprodukte an. die Tschechoslowakei hat einen Zustand geschaffen, der dort in diesem Gebiet nicht nur den schärfsten Widerstand der Arbeiterschaft, sondern auch der Vertreter der Wirtschaft und der Industrie ausgelöst hat. Nach den uns gewordenen Mitteilungen werden bei dem weiteren Fortfall — und diese Dinge soll man sehr ernst nehmen, wenn man das Gebiet kennt — der Braunkohlenlieferungen aus der Tschechoslowakei größere Betriebsstillegungen nicht zu vermeiden sein. von denen allein beispielsweise im Bayerischen Wald zirka 4- bis 5000 Arbeiter direkt und zirka 50 000 Menschen indirekt betroffen werden. Das Gebiet des Bayerischen Waldes verfügt bereits über eine außerordentlich hohe Arbeitslosenzahl. Die Menschen dort befinden sich in einem ungeheuer schweren Existenzkampfe, der durch die Maßnahme der Hohen Kommission noch um ein Bedeutendes verschärft wird. Wir sagen deshalb mit aller Deutlichkeit, daß die Abstoppung der Realisierung abgeschlossener Verträge den Gedanken nahelegt, daß im Zuge der Kriegsvorbereitungen die Schaffung einer toten Zone gerade in diesem Gebiet vor-
bereitet wird und die wirtschaftlichen Beziehungen der Tschechoslowakei mit Westdeutschland unterbunden werden sollen.
Es ist dabei nicht uninteressant, daß auch hohe amerikanische Beamte in diesem Gebiet in Besprechungen mit Vertretern der dortigen Industrie auf die Notwendigkeit des Opferbringens der Arbeiter und der Industrie hingewiesen haben, ohne allerdings dafür Verständnis zu finden. Wir glauben, daß der bayerische Wirtschaftsminister zweifelsohne recht hat, wenn er feststellt. daß die Lieferungen der Braunkohle aus der Tschechoslowakei in dem Moment wieder garantiert werden, in dem die unerhörten Eingriffe der Hohen Kommission unterbleiben und in dem man endlich auch hier die abgeschlossenen Handelsverträge einhält.
Wir wenden uns deshalb mit aller Schärfe gegen die auch hier wieder in Erscheinung tretende Diskriminierung des Ost-West-Handels und verlangen in unserem Antrag, daß die Bundesregierung mit eindeutiger Klarheit feststellt, daß so die Dinge nicht weitergehen können. Wir bitten Sie auch deshalb, diesen Antrag nicht in den Ausschuß zu verweisen, sondern als Willenskundgebung des Bundestags einmütig anzunehmen.