Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat hat vorgesehen, daß im Hinblick auf die Ergebnisse im Ausschuß von einer weiteren Beratung im Plenum abgesehen wird. Ich nehme an, daß das Haus zustimmt. — Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Drucksache Nr. 1846 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen! — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der
Bayernpartei betreffend Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft bei Ausfall tschechoslowakischer Kohle ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Kohlelieferungen für Bayern aus der Tschechoslowakei .
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Etzel.
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die oberfränkische und oberpfälzische, teilweise auch die niederbayerische Wirtschaft verwenden seit vielen Jahrzehnten Kohle aus den böhmischen Revieren. Am 1. Dezember 1950 hat die tschechoslowakische Republik die Lieferung von Steinkohle nach Bayern eingestellt und jene von Braunkohle gekürzt. Schließlich hörte sie mit den Lieferungen ganz auf. Die Maßnahme der tschechischen Regierung ist dadurch ausgelöst worden, daß man deutscherseits mit den handelsvertraglich zugesicherten Gegenlieferungen infolge alliierter Behinderungen in Rückstand kam.
Er betrug allein in Eisen und Stahl einschließlich Schrott am 30. September 1950 nicht weniger als 5,272 Millionen Dollar, und am 31. Oktober vorigen Jahres hatte die Tschechoslowakei in der gesamten Außenhandelsbilanz mit Westdeutschland einen Haben-Saldo von 6,011 Millionen Dollar.
Von den Behinderungen durch die US-Besatzungsmacht wurden vielfach sogar ordnungsgemäß lizenzierte Ausfuhren betroffen. Es ist leider Tatsache, daß die gleichen Waren, deren Export den deutschen Firmen unmöglich gemacht wird, ungehindert die Grenze passieren können, wenn sie aus Ländern des Atlantikpakts kommen,
mag es sich um Eisenbahnschienen, Kugellager, Walzwerkmaterial oder feinmechanische und optische Instrumente, wie im Falle jenes Elektronenmikroskops, handeln. Ich glaube, die Besatzungsmacht hätte ein dringendes Interesse daran, dem Verdacht zu entgehen, daß sie durch ihre Maßnahmen das osteuropäische und südosteuropäische Geschäft deutscher Firmen lahmlegen möchte, ohne das aber die westdeutsche Wirtschaft — wenn einmal der Aufrüstungsboom zu Ende ist, wird sich das mit aller Schärfe herausstellen — auf die Dauer nicht bestehen kann.
Die für die Wirtschaft in Oberfranken. in der Oberpfalz und in Niederbayern entstandene Lage war um so ernster, als auch die Lieferungen von Braunkohlenbriketts aus dem Kölner Revier unzureichend wurden, die Braunkohlenbriketts aus der Ostzone ausfielen und früher zugesagte Nachlieferungen von Ruhrkohle ausblieben. Nun ist zwar, was anerkannt werden muß, der Herr Bundeswirtschaftsminister alsbald mit Ersatzlieferungen aus den westdeutschen Revieren eingesprungen. Aber diese Hilfsaktion leidet an zwei Mängeln. Sie reicht mengenmäßig nicht aus, und es sind schwere Schäden aus der Lieferung ganz ungeeigneter Sorten entstanden, Erst gestern ist von amtlicher bayerischer Seite mitgeteilt worden. daß in den Ersatzlieferungen fortschreitend Ausfälle zu verzeichnen seien. Für Januar seien 6000, im Februar bisher bereits 8000 Tonnen weniger als zugesagt, geliefert worden.
Vor allem darf nicht übersehen werden, daß viele oberfränkische und oberpfälzische Unternehmen der Fein- und Grobkeramik, der Glas- und Textilindustrie und der Industrie anderer Zweige, besonders auch die kontinuierlich arbeitenden Betriebe wie Stromversorgungen und Vergasungsanlagen, die Schamotte- und Tonwerke und die Hersteller feuerfester Erzeugnisse ihre Feuerungsanlagen, die Generatoren und Tunnelöfen auf. den Verbrauch von Tschechenkohle umgestellt haben. Für sie bedeutet die Einstellung dieser Lieferungen den Verlust einer von altersher bestehenden Kohlenbasis. Wenn nun aus dem Westen nicht verwendbare Sorten geschickt werden, dann müssen
ernste Ausfälle eintreten. So sind durch die plötzliche Lieferung völlig ungeeigneter Briketts in den großen Vergasungsanlagen des Detag-Werks, Weiden in der Oberpfalz, schwere Störungen hervorgerufen worden, die zu einem Bruch in der Ofenanlage führten und einen Schaden von rund einer Million DM verursachten. Auch bei Betrieben der Porzellanindustrie sind auf diese Weise sehr gefährliche technische Störungen und Arbeitsausfälle eingetreten.
Zu den bekannten großen Verkehrsschwierigkeiten und Vorausbelastungen der nordostbayerischen Wirtschaft treten nun auch Einschränkungen und Gefährdungen ihrer Kohlenbasis. Die Bedrohung dieses Grenz- und Flüchtlingsgebiets durch Arbeitslosigkeit und Betriebsabwanderungen verschärft sich. Die daraus entstehenden politischen-Gefahren dürfen nicht unterschätzt werden. Kein Betrieb kann dort bei der gegenwärtigen Unsicherheit der Kohlenversorgung irgendwelche Investitionen verantworten.
Die Wirkungen eines auch nur teilweise ersatzlosen Ausfalls der Tschechenkohle würden sich, da unter den in Mitleidenschaft gezogenen oberfränkischen und oberpfälzischen Betrieben viele Spezial- und Zulieferungsindustrien sind. nicht auf die dortige Produktion und Arbeitsmarktlage beschränken, sondern sich auch auf andere Wirtschaftszweige und Unternehmen des Bundesgebiets erstrecken. So wäre, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen, durch den Ausfall des Farbwerks Marktleuthen, das der einzige Hersteller von Goldocker ist, die Produktion des größten deutschen Linoleumwerks, der Deutschen Linoleum AG, Bietigheim, gefährdet.
Es ist ein dringendes Gebot, den betroffenen Gebieten die seit alters bestehende Versorgung mit tschechischer Kohle zu sichern. Es sollte kein Handelsvertrag mit der Tschechoslowakei abgeschlossen werden, in dem nicht die Wiederaufnahme der Kohlenlieferungen in dem früheren Umfange festgelegt wird. Andererseits müssen alle Vorkehrungen getroffen werden, damit durch deutscherseits erfolgende Erfüllung des Handelsvertrags die Ausführung der tschechischen Kohlenlieferungen gesichert wird.
Ich darf die Aufmerksamkeit der Bundesregierung mit allem Nachdruck auf die im nordostbayerischen Industriegebiet sich herausbildende Lage und die Notwendigkeit lenken, rasch zu handeln. An den Bundestag richte ich die dringende Bitte, dem Antrag meiner Fraktion ohne Ausschußverweisung seine Zustimmung geben zu wollen.