Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und meine Herren! Von dieser Stelle aus ist heute mehrfach behauptet worden, daß die Wirtschaft nur gedeihen könne, wenn sie das Primat der Unternehmer sei. Es ist behauptet worden, daß der Einbau von Gewerkschaftsvertretern, von Arbeitern, von Angestellten in die Führungsorgane der Wirtschaft unbedingt zum Chaos führen muß. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die heute hier anstehende Frage, die Frage der Mitbestimmungsforderung der Arbeiter, Angestellten und Beamten, seit 1945 alle unsere Arbeiter und Angestellten erfaßt hat. Die Arbeiter und Angestellten mußten 1945 erkennen, daß das ganze unerhörte Leid, das da über unser Volk gebracht worden war, im wesentlichen die Schuld derer war, die die Wirtschaft geführt hatten.
Man kann nicht daran vorbeireden, daß die Herren der Monopole und Konzerne Hitler groß gemacht hatten und somit unser Volk in die Katastrophe führten. Man kann auch nicht daran vorbeireden, daß unser Volk in seiner überwältigenden Mehrheit nach 1945 die Bestrafung dieser Kriegsverbrecher gefordert hat.
Es hat auch eine neue demokratische Ordnung gefordert, in der die Mitbestimmung der Werktätigen ein wesentlicher Bestandteil sein sollte. Das ist auch in den Potsdamer Beschlüssen angesprochen, in denen von der Liquidierung übermäßiger Wirtschaftskraft, dargestellt durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen, die Rede ist. Die demokratische Neuordnung der Wirtschaft war damit auf die Tagesordnung gestellt.
Ich mache darauf aufmerksam, wie stark die Forderung nach der Sozialisierung nach 1945 gewesen ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß selbst im Ahlener Programm, in der ersten Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen diese Frage der Überwindung des Monopolkapitalismus ganz eindeutig gestellt und beantwortet wurde. Dort hieß es z. B. in der Rede des Herrn Ministerpräsidenten — ich besinne mich darauf —: Der Kapitalismus hat sich an seinen eigenen Gesetzen totgelaufen.
Nach 1945 traten unsere Arbeiter und Angestellten ohne die Konzern- und Monopolherren auf den Plan. Sie bewiesen durch ihren Einsatz beim Wiederaufbau der zerstörten Betriebe, daß es auch ohne Konzernherren in der Wirtschaft geht, ja daß es sogar sehr gut ohne Konzernherren geht.
Die Arbeiter und Angestellten vollbrachten große Leistungen, und die Betriebsräte führten damals diese Aktion des Wiederaufbaus ohne Konzernherren. Sie leiteten an, und sie sorgten dafür, daß die Betriebe in Ordnung gebracht und die Produktion wieder in Gang gesetzt wurde. Sie hatten damals tatsächliche und weitgehende Mitbestimmung. Von diesen damals erworbenen Positionen gibt es heute leider nur noch sehr wenige; denn es trat sehr bald die Reaktion auf den Plan. Sie wollte kein demokratisches Deutschland, sie wollte keine demokratisierte Wirtschaft. Dann schalteten sich die Besatzungsmächte ein. Sie sabotierten die mit demokratischen Mehrheiten in deutschen Parlamenten beschlossenen Gesetze nach Überführung der Grundstoffindustrien in den Besitz des Volkes.
So wurde auch das Gesetz sabotiert, das in Nordrhein-Westfalen beschlossen wurde, das Betriebsrätegesetz, das in Hessen beschlossen wurde, das die Rechte der Betriebsräte ganz eindeutig klarstellte, und auch das Gesetz von Württemberg und Baden. Das war die Rettung der Konzernherren. Die Besatzungsmächte, die amerikanischen Monopolisten sprangen den deutschen Konzernherren bei und stellten sie wieder auf die Füße.
Sie beschlagnahmten zwar die großen Vermögen. Was es damit auf sich hat, können wir jetzt an dem Vorgang Krupp sehr deutlich ermessen. Sie führten das Entflechtungsmanöver durch. Wir wissen, daß heute mit dem Schuman-Plan die Bildung eines allumfassenden Mammutkonzerns unter Oberherrschaft des amerikanischen Monopolkapitalismus angestrebt wird.
Wir erhielten den Marshall-Plan. Wir wissen, wie seine Folgen waren. Wir wurden auf den westlichen Kurs festgelegt: separate Währungsreform, die Spaltung Deutschlands, Besatzungsstatut, Ruhrstatut waren die Folgen, und Westdeutschland wurde eine amerikanische Kolonie.
Ich kann mich hier einer Kritik an der Politik der Gewerkschaftsführer nicht enthalten. Sie haben diese Entwicklung damals unterstützt. Ich besinne mich noch darauf, wie sie die Arbeitgeberverbände gefordert haben,
wie sie sich darum bemüht haben, daß wieder ein Verhandlungspartner auf der anderen Seite sein möge. Was aus dieser Forderung nach den Arbeitgeberverbänden inzwischen geworden ist, das haben wir heute hier an einigen Reden gewisser Herren erfahren können.
Ich muß auch kritisieren, daß die Gewerkschaftsführer den Boden der Interzonenkonferenzen und die Beschlüsse dieser Konferenzen verlassen haben, unter anderem auch die Beschlüsse der Badenweiler Konferenz, die sie selbst mit gefaßt haben und in denen das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in echtester und stärkster Form nieder-
gelegt war. Daraus haben sich sehr böse Folgen für die Werktätigen ergeben. Es kann heute nicht mehr bestritten werden, daß die ganzen Lasten des Wiederaufbaues auf die Schultern der Werktätigen abgewälzt worden sind, hingegen das Unternehmertum riesige Gewinne zu machen vermochte. Es kann nicht bestritten werden, daß das niedrige Realeinkommen durch die Preispolitik der AdenauerRegierung noch ständig weiter gedrückt wird, die dann als Folge der ganzen westlichen Orientierung hier etabliert wurde. Es kann nicht bestritten werden, daß die Ausbeutung in den Betrieben sich ständig steigerte und die Ausbeutungsschraube ständig angezogen wurde. Es kann auch nicht bestritten werden, daß die demokratischen Mitbestimmungsrechte, die die Arbeiter und Angestellten sich nach 1945 erworben hatten, systematisch eingeschränkt und abgebaut wurden. Daß diese betrieblichen Mitbestimmungspositionen ein Dorn im Auge der Unternehmer sind, ist selbstverständlich. Aber daß sie abgebaut werden konnten, ist nicht zuletzt auch eine Folge der Stillhaltepolitik der Gewerkschaften.
Dann gab es eine neue Lage. Es kamen die Washingtoner Konferenz, die Brüsseler Konferenz, die Westdeutschland in die Kriegsvorbereitungen mit einbezog. Jetzt entsteht eine ernste Frage. Hier hat Herr Dr. Adenauer, unser Bundeskanzler,
heute erklärt, daß er in dieser Regelung einen wesentlichen Fortschritt auf dem Wege zur Herstellung des Arbeitsfriedens erblicke. Ich stelle die Frage: Wird auch Herr McCloy mit der hier vorgesehenen Regelung einverstanden sein?
Ich bin der Meinung, er wird einverstanden sein mit der getroffenen Regelung. Warum? Herr McCloy hat die Aufgabe, die Kriegsvorbereitungspolitik der amerikanischen Monopolkapitalisten in Westdeutschland durchzuführen, und Herr McCloy wird versuchen, mit Hilfe dieser Regelung Maßnahmen zu treffen, die die westdeutsche Arbeiterschaft an den Kriegskarren der Amerikaner binden sollen.
Denn die „Rheinische Post" ließ die Katze aus dem Sack, indem dort geschrieben stand, daß mit dieser Regelung ihrer Rechte den Arbeitern und Angestellten nunmehr der Westen verteidigungswert gemacht worden sei.
Ich möchte hier sagen, daß die getroffene Regelung in keiner Weise den Vorstellungen entspricht, die die Arbeiter und Angestellten von der Mitbestimmung haben. Sie erleben alle Tage im Betrieb, wo sie der Schuh drückt. Sie wissen, daß es darauf ankommt, eine starke Vertretung im Betrieb zu haben, die in der Lage ist, der Politik des Unternehmertums, die auf Steigerung der Ausbeutung gerichtet ist, standzuhalten, Widerstand zu leisten, daß es darum geht, die Fragen des Lohnes, der Arbeitszeit, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und all jene sozialen Fragen im Sinne der Arbeiter zu entscheiden, weil sie wissen, daß diese ihre Forderungen gerecht sind. Sie wollten die Verwirklichung der Badenweiler Beschlüsse, sie strebten eine echte demokratische Neuordnung an. Sie sind es eben satt, sich immer wieder vertrösten zu lassen, Entschließungen zu fassen. Sie wollen kämpfen, sie wollen ihre Forderungen durchsetzen; sie sind empört über die soziale Ungerechtigkeit, über das viel zu geringe Einkommen, über den Abbau ihrer demokratischen Rechte. Sie sind besorgt und empört darüber, daß ihnen jetzt schon wieder die Lasten eines neuen Krieges aufgebürdet werden.
Dagegen wehren sie sich. Sie wollen den Frieden, sie wollen soziale Sicherheit und ausreichenden Lohn. Sie wollen Menschen sein, die menschenwürdig leben und auch eine menschenwürdige Stellung im Betrieb haben.
Sie wollen das Recht haben, mitzubestimmen über die Stellung, die sie als Menschen in den Betrieben fordern. Darum haben sich die befragten Bergleute und Metallarbeiter zu 93 und 96% für den Kampf, für den Streik um die Mitbestimmung entschieden.
Die Arbeiter und Angestellten können nicht davon überzeugt werden, daß diese Regelung ein Erfolg ist. Sie haben zuviel Erfahrung; sie haben ein Recht, mißtrauisch zu sein, und sie werden, nachdem nun Herr Dr. Adenauer gesprochen hat, erst recht mißtrauisch werden. Was heißt schon Befriedung, sozialer Friede? Sozialer Friede — für was? Für die Politik der Kriegsvorbereitung,
für die Politik der freien Wirtschaft, die die Unternehmergewinne steigert und das Einkommen der Arbeiter systematisch und ständig drückt. Dafür stillehalten, dafür friedlich sein?, so werden sie fragen, und ich bin sicher, daß sie das nicht tun werden. Sie werden nicht stillehalten, sie werden weiterkämpfen, weil sie erkennen, daß mit dieser Regelung ihr Mitbestimmungsanspruch nicht erfüllt ist, und sie werden sich diesen Mitbestimmungsanspruch durch Weiterführung ihres Kampfes sichern. Sie haben auch die Erfahrung von vor 1933.
Wir können diese Regelung durchaus als eine Neuauflage der Arbeitsgemeinschaftspolitik betrachten, allerdings jetzt unter der Herrschaft amerikanischer Monopolkapitalisten, die sich hier auf die deutschen Konzernherren stützen. Aber die Arbeiterschaft Westdeutschlands und ganz Deutschlands weiß noch zu gut, daß die damalige Arbeitsgemeinschaftspolitik von Stufe zu Stufe abwärts geführt hat, bis zu Hitler, bis in die Katastrophe. Das ist es, was sie heute mißtrauisch macht.
Hinzu kommen die Erfahrungen, die sie heute in den entflochtenen Werken machen. Wodurch unterscheidet sich die Lage der Arbeiter und Angestellten dieser Werke? Ist sie besser als die in den anderen Betrieben? Keineswegs besser! Auch dort ist dieselbe betriebliche Situation gegeben, weil eben die ganze westdeutsche Wirtschaft unter dem Kommando amerikanischer Monopolkapitalisten nach den Plänen dieser Monopolkapitalisten arbeitet, geführt und dirigiert wird. Daran ist nicht vorbeizukommen.
Auch wird die Arbeiterschaft in dieser Regelung eine wesentliche Verschlechterung des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 erblicken, das die bisherigen Mitbestimmungsansprüche der Betriebsräte regelte. Nach diesem Kontrollratsgesetz hatten sie das Recht zu betrieblichen Vereinbarungen, wie sie auch in den Badenweiler Beschlüssen festgelegt wurden. Diese betriebliche Vereinbarung setzte sie in den Stand, wirkliche betriebliche Mitbestimmungspositionen einzunehmen. Das wird mit dieser Regelung sicherlich flachfallen.
Unter den gegebenen Verhältnissen kann die Mitbestimmung nur durch die Rechte der Betriebs-
räte fundamentiert werden. Wenn man nicht auf diesen Fundamenten aufbaut, dann wird — das möchte ich alien Gewerkschaftskollegen sagen — die Mitbestimmung keine Mitbestimmung sein, sondern sie wird lediglich eine Farce oder — was noch schlimmer wäre — ein Betrug sein.
Die Konzernherren sind nicht mit dem einverstanden, was nun hier geregelt werden soll.
— Sie dürfen hinfahren und sich davon überzeugen! Sie werden bald erkennen, daß die Mitbestimmung weitgehend verwirklicht ist
und daß in der DDR all die Forderungen, die wir als Gewerkschaftler nach 1945 gestellt haben, erfüllt worden sind.