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ID0111702200

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    Deutscher Bundestag — 117. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1951 4429 117. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4430C Beitritt des Abg. Rahn zur Fraktion der CDU/CSU 4430D Zurückziehung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, WAV und des Zentrums betr. Entwurf eines Gesetzes über die Freistellung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages von Haftpflichtansprüchen (Nrn. 1417 und 1780 der Drucksachen) 4430D Vertagung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ermittlungen über noch nicht heimgekehrte deutsche Kriegsgefangene (Nr. 1823 der Drucksachen) . . 4430D Antrag des Abg. von Thadden auf Vertagung der Sitzung zum Protest gegen die geplante Hinrichtung von Landsberger Häftlingen: von Thadden (DRP) 4430D Abstimmung 4431A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Nr. 1858, zu Nr. 1858 der Drucksachen) 4431A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 4431A Storch, Bundesminister für Arbeit . 4432D Imig (SPD) 4435D Sabel (CDU) 4439B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 4441C Dr. Semler (CSU) 4445B Dr. Henle (CDU) 4446A Dr. von Merkatz (DP) 4447D Dr. Seelos (BP) . 4449B Frau Wessel (Z) 4452A Dr. Ott (BHE-DG) 4453B Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 4454C Agatz (KPD) 4457A von Thadden (DRP) 4459B Ausschußüberweisung 4460B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Nr. 1853 der Drucksachen) 4460B Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 4460C Ausschußüberweisung 4460D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Industriekreditbank Aktiengesellschaft (Nr. 1854 der Drucksachen) . 4460D Ausschußüberweisung 4460D Erste Beratung des von der Fraktion der BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung der §§ 2 und 4 des Handelsgesetzbuches (Nr. 1868 der Drucksachen) 4460D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 4461A Ausschußüberweisung 4461C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1848 der Drucksachen) 4461C Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Berichterstatter 4461D Frau Schanzenbach (SPD) 4463B Frau Niggemeyer (CDU) 4464A Frau Wessel (Z) 4464C Beschlußfassung 4464D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Hoogen, Dr. Schatz, Kahn u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über Diensterfindungen (Nrn. 805, 1846 der Drucksachen) 4465A Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 4465A Beschlußfassung 4465B Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft bei Ausfall tschechoslowakischer Kohle (Nr. 1793 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Kohlenlieferungen für Bayern aus der Tschechoslowakei (Nr. 1825 der Drucksachen) 4465B Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 4465B Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 4466B Dr. Zawadil (FDP) 4467B Wönner (SPD) 4467D Dr. Solleder (CSU) 4468C Dr. Schalfejew, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft 4469A Beschlußfassung 4469C Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. Rückgabe der Insel Helgoland an ihre Bewohner (Nr. 1758 der Drucksachen) 4469C Dr. Hamacher (Z), Antragsteller . . 4469C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4470D Kraft, Minister für Finanzen des Landes Schleswig-Holstein . . . 4471D Schröter (CDU) 4472B Frau Krahnstöver (SPD) 4473C Walter (DP) 4475A Rademacher (FDP) 4476B Gundelach (KPD) 4476D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 4477C Ausschußüberweisung 4478B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Wettbewerbsverhältnisse Schiene—Straße (Nr. 1798 der Drucksachen) . . . 4478B Ausschußüberweisung 4478B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Behandlung politischer Gefangener (Nr. 1824 der Drucksachen) 4478C Renner (KPD), Antragsteller 4478C, 4482A Dr. Tillmanns (CDU) 4479C Dr. Mommer (SPD) 4480B Übergang zur Tagesordnung 4482C Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Wahrung der Interessen der aus dem westlichen Ausland ausgewiesenen Deutschen (Nr. 1826 der Drucksachen) . . 4482C Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 4482C Ausschußüberweisung , 4483C Beratung der Übersichten Nrn. 17 und 18 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nrn. 67 und 72) 4483C Beschlußfassung 4483C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 73) 4483C Beschlußfassung 4483C Nächste Sitzung 4483C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Günther Henle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war an sich nicht meine Absicht, in diese Debatte einzugreifen, weil ich persönlich an den Verhandlungen mit den Vertretern der Gewerkschaften als Sachverständiger beteiligt gewesen bin. Es würde mir schlecht anstehen, nun nachträglich, sei es als Verteidiger, sei es als Kritiker des dabei erzielten Ergebnisses aufzutreten. Da mich meine Fraktionskollegen aber trotz Würdigung dieses Umstandes dringlich gebeten haben, zu dieser Frage als ein Mann zu sprechen, der um das Drum und Dran schließlich doch vielleicht etwas mehr Bescheid weiß als so mancher andere, will ich mich diesem Wunsche nicht verschließen, zumal ich finde, daß wir nicht nur unsere Aufmerksamkeit den uns vorliegenden Texten zuwenden sollten, sondern den Blick auch etwas in die Vergangenheit richten und an die Zukunft denken müssen. Unter diesen Gesichtspunkten kann ich vielleicht in der Tat einiges sagen, was für die Würdigung des uns beschäftigenden Entwurfs nützlich sein mag.
    Zunächst also kein kurzer Blick in die ziemlich häufig, aber keineswegs immer zutreffend zitierte Vergangenheit. Schon zu Beginn des Jahres 1946 fanden unter dem Vorsitze des damaligen Oberpräsidenten, Herrn Dr. Lehr, mehrere vertrauliche Besprechungen zwischen bekannten Männern der Montanindustrie und namhaften Vertretern der Gewerkschaften statt, um eine gemeinschaftliche Linie zur Überwindung des damaligen Wirtschaftschaos zu finden. In diesen Verhandlungen spielte die Frage des Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmerseite im Bergbau und in der eisenschaffenden Industrie eine wichtige Rolle. Wenn auch die damaligen Verhandlungen zu einer Verständigung nicht geführt haben, so sind sie doch nicht nutzlos gewesen. Sie haben vielmehr führende Männer auf beiden Seiten persönlich einander nähergebracht und haben die gegenseitigen Auffassungen zu wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Problemen klargelegt.
    Auf diese Verhandlungen konnte zurückgegriffen werden, als im Herbst 1946 die britische North German Iron and Steel Control unter Mitwirkung der in ihrem Auftrage handelnden Treuhandverwaltung die große „Entflechtungsaktion" in der Eisenwirtschaft in die Wege leitete. Die betroffenen Unternehmungen der Eisenwirtschaft haben gegen diese Entflechtungsmaßnahmen, die sie für wirtschaftlich unzweckmäßig und ungeeignet hielten, nachdrücklich Stellung genommen. Sie hofften, in dieser Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften einig gehen zu können, um so zu einem besseren als dem eingeschlagenen Wege zu gelangen. Die zunächst betroffenen Unternehmungen: die Gutehoffnungshütte, die Firma Otto Wolff und die Klöcknerwerke, haben damals in einer gemeinsamen ausführlichen Eingabe vom 21. 1. 1947 an das Verwaltungsamt für Wirtschaft ihren Standpunkt dargelegt und dabei auch ihre Bereitwilligkeit zum Ausdruck gebracht, der Arbeitnehmerseite sehr weitgehende Mitwirkungsrechte bei der Neuordnung der eisenschaffenden Industrie einzuräumen. Vorher hatte u. a. bereits der Aufsichtsratsvorsitzer der Klöcknerwerke, Herr Dr. Jarres, am 18. Januar 1947 diese Bereitwilligkeit gegenüber der Einheitsgewerkschaft in Köln, zu Händen von Herrn Dr. Böckler, zum Ausdruck gebracht und dabei eine entsprechende Umbildung des Aufsichtsrats vorgeschlagen.
    Wir hatten gehofft, auf diese Weise gemeinsam mit den Gewerkschaften die ganze Neuordnung auf zweckmäßiger Grundlage durchführen zu können. Wir bleiben der Auffassung, daß, wenn damals ein solches Zusammengehen zustande gekommen wäre, der deutschen Montanwirtschaft der kostspielige und nach unserer Meinung vermeidbare Leidensweg der Entflechtungen erspart worden wäre. Aus diesen Erwägungen ist damals von Unternehmerseite das weitgehende Angebot gemacht worden. Leider hat die Gewerkschaftsseite dieses Angebot abgelehnt, womit es hinfällig wurde, wie das übrigens von Gewerkschaftsseite auch anerkannt worden ist.

    (Zuruf rechts: Aber nicht von den Unternehmern!)

    Trotz dieses Scheiterns des damaligen Verständigungsversuchs haben sich die alten Gesellschaften, obwohl in den Aufsichtsräten nunmehr in die Minderheit gedrängt, fast durchweg in den Organen der neugebildeten entflochtenen Werke in sachlicher Mitarbeit betätigt. Die Unternehmerseite stand auch weiterhin dem Gedanken der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Grundindustrien durchaus positiv gegenüber. Dieser unserer grundsätzlichen Haltung habe z. B. auch ich in der Aufsichtsratssitzung des entflochtenen Hüttenwerks Haspe am 12. Februar 1947 Ausdruck gegeben und die Bereitschaft ausgesprochen, auf dem Gebiete der Beteiligung der Arbeitnehmer an der Leitung der Betriebe neue Wege zu beschreiten. Wie dieses Mitbestimmungsrecht im einzelnen aussehen sollte, mußte naturgemäß näheren Überlegungen und Verhandlungen vorbehalten bleiben, wobei dann auch die Erfahrungen zu berücksichtigen blieben. die zwischenzeitlich bei den entflochtenen Gesellschaften und Betrieben gemacht wurden.
    Von seiten der eisenschaffenden Industrie ist auch weiterhin nach dem Fortgange der Entflechtungsaktionen der Versuch gemacht worden, zu einer Verständigung mit den Gewerkschaften zu gelangen. Insbesondere hat Herr Dr. Jarres in einem Schreiben vom 18. Juni 1947 an Herrn Dr. Böckler neue Anregungen gegeben und einen weiteren Meinungsaustausch vorgeschlagen. Auf diesen Brief ist trotz mehrfacher mündlicher Erinnerung


    (Dr. Henle)

    von meiner Seite keine Antwort erfolgt. In der allerneuesten Zeit haben weitere Besprechungen führender Herren der Kohle- und Eisenindustrie mit Beauftragten des Herrn Dr. Böckler stattgefunden, um entsprechende Verhandlungen vorzubereiten. Es wurde dabei ein Termin für eine gemeinsame Besprechung mit Herrn Dr. Böckler festgelegt; dieser Termin ist dann unter den Tisch gefallen, weil tags darauf die Streikankündigung der Gewerkschaften erfolgte,

    (Zurufe rechts: Hört! Hört!)

    und damit die ganze Angelegenheit auf eine andere Ebene geriet. Als dann kürzlich auf die Initiative des Herrn Bundeskanzlers hin Sachverständige von Kohle und Eisen aufgefordert wurden, mit der Gewerkschaftsseite unter der Führung der Bundesregierung in Besprechungen einzutreten, haben wir uns von der Unternehmerseite im Hinblick auf die ungemein kritische Lage solchen Verhandlungen nicht entzogen. Unserer Auffassung nach hätte es zur Erzielung einer Verständigung einer solchen Streikdrohung dabei bestimmt nicht bedurft. Das Ergebnis, das bei diesen Verhandlungen erzielt worden ist, hat dann zur Grundlage des Gesetzentwurfes gedient, der jetzt diesem Hause vorliegt.
    So viel, meine Damen und Herren, möchte ich zur Vorgeschichte der ganzen Frage sagen. Daraus ergibt sich, glaube ich, daß die eisenschaffende Industrie in der Frage des Mitbestimmungsrechts die verflossenen Jahre hindurch eine folgerichtige Haltung bewahrt und immer wieder Verständigungsbereitschaft bekundet hat. Ihre Wortführer deshalb zu verunglimpfen, wie dies vielfach geschah und erst kürzlich noch z. B. im „Rhein-Echo" eine Spitzenleistung erreichte, dazu liegt deshalb wahrlich kein berechtigter Anlaß vor, und derartiges unterbliebe wohl besser, ebenso wie verunglückte Interviews gleicher Tendenz, noch dazu mit ausländischen Zeitungen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Doch nun zu dem erzielten Ergebnis selbst. Es läßt sich natürlich kritisieren, und auch ich persönlich bin nicht über jede der Formulierungen glücklich, auf die man sich schließlich geeinigt hat. Aber das ist schließlich bei jedwedem erzielten Kompromiß so. Wenn ein Hinausgehen über bestimmte Grenzen zu einem Abbruch der Verhandlungen vor der einen oder anderen Seite mit allen schwerwiegenden Folgen führen muß, verständigt man sich besser; denn diese Folgen auf sich zu nehmen. hätte niemand verantworten können. Nachher Kritik zu üben, ist dann Sache der anderen. und kein Unterhändler wird diesen anderen das Recht dazu schmälern wollen; denn die Zeiten, in denen jede Kritik verboten war, sind hier hei uns jedenfalls Gott sei Dank vorüber. Ich will auch keineswegs sagen, daß ich die Kritik an den Begleitumständen. unter denen das Verhandlungsergebnis erzielt wurde, nicht auch meinerseits teilte. und die Gedanken, die hierzu unter anderem mein Fraktionskollege Herr Sabel vortrug. scheinen mir durchaus am Platze zu sein. Ich möchte jedoch zum Ausdruck bringen, daß das in den Besprechungen erzielte Ergebnis in seinen wesentlichen Zügen ein äußerstes Entgegenkommen der Unternehmerseite dargestellt hat, von dieser aber auch meines Erachtens verantwortet werden kann,

    (Zuruf von der FDP: Wenn Sie immer von Unternehmern sprechen!)

    zumal dazu von allen Seiten eindeutig klargestellt
    worden ist, daß die in Aussicht genommene Regelung des Mitbestimmungsrechts in dieser Weise sich
    lediglich auf die eisenschaffende Industrie und den Kohlenbergbau bezieht und kein Präjudiz für die sonstige Wirtschaft bedeutet.
    Nun noch einen Blick in die Zukunft! Es ist wohl klar, daß das vorgesehene neue Regime in den Gesellschaften der Grundindustrien nur dann ersprießlich arbeiten kann, wenn von der Unternehmer- wie von der Arbeitnehmerseite her auch der aufrichtige Wille zu einvernehmlicher Zusammenarbeit aufgebracht und betätigt wird.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das ist die Voraussetzung, mit der dieses Regime steht oder fällt. Denn keine Gesetzesparagraphen vermögen die Lücken zu füllen, die fühlbar werden müssen, sobald das Erfordernis des guten Willens auf der einen oder anderen Seite fehlt. Meinungsverschiedenheiten können und werden sich immer wieder ergeben. Fortan aber sollen — und das ist ja vielleicht das Wichtigste auf dem neuen Wege, der nun beschritten werden soll — die Gesellschaftsorgane bei den Grundindustrien selbst so zusammengesetzt sein, daß schon in ihrem Schoße der Ausgleich erzielt werden kann, wo immer dies nötig ist, so daß es dann erst recht keiner Mobilisierung sogenannter Kampfmittel bedarf, die in den ernsten Zeiten, die wir durchleben, die Gesamtwirtschaft in Deutschland an den Rand des Verderbens bringen müssen, wenn sie wirklich je angewandt werden sollten. Gewiß ist das ganze ein neuartiger und kühner Versuch, und so faßt auch die Welt draußen die Sache auf. Sie steht dem Wagnis teils skeptisch, teils hoffnungsvoll gegenüber.

    (Zuruf von der FDP: Kühl!)

    Aber die Erwartung kann doch wohl als berechtigt gelten, daß dieser Versuch glücken wird, womit sich dann die so beschlossene Neuregelung, sofern ihr der Bundestag die gesetzliche Untermauerung zuteil werden läßt, als ein Markstein erweisen würde, auf dem Wege zur Erreichung des Arbeitsfriedens, dessen wir in Deutschland so dringend bedürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen in dem Sinne verstanden wissen, daß jede weitere Verschärfung dieser Frage vermieden wird.

    (Sehr richtig! bei der DP.)

    Meine politischen Freunde können sich bei ihrer sozialpolitischen Konzeption auf eine alte Parteitradition berufen.

    (Lachen links.)

    — Ja, eine alte Parteitradition. Die Deutsche Partei beruht auf einer Tradition, die alle sozialen Schichten umfaßte. Neben dem Grafen Bernstorff saß der einfache Landarbeiter.

    (Erneutes Lachen links.)

    — Jawohl, wir sind der Auffassung, daß Deutschland in einem gemäßigten Sinne zu regieren ist. Wir werden alles, was einer gesunden Evolution dienen kann, unterstützen. Gerade in unserer notvollen Gegenwart brauchen wir die Faktoren, die zur Integration beitragen. Unser soziales Konzept und unser Ziel ist der soziale Frieden. So-gemäßigt und ohne Aufregung wir diese Dinge betrachten möchten, so sind wir uns doch über die grundsätzliche Tragweite dessen, was hier geschehen ist und geschehen soll, vollkommen im klaren. Es hat in der Politik bei allem Willen zur Verständigung kei-


    (Dr. von Merkatz)

    nen Sinn, mit seiner klaren Meinung hinter dem Berg zu halten. Ich habe den Auftrag, dieser Meinung im Namen meiner politischen Freunde hier Ausdruck zu geben.
    Wir sind davon überzeugt, daß als Folge des letzten Krieges, dieser unerhörten Niederlage, ein Zusammenbruch unserer gesellschaftlichen Ordnung eingetreten ist. Unsere Demokratie und unser Staat sind in eine Vermassung hineingeraten. In dieser Vermassung liegt eine der wichtigsten Ursachen unserer nationalen Erkrankung. Es muß alles getan werden, um aus diesem Zustand herauszukommen. Der Weg, der von der Organisation der Gewerkschaft eingeschlagen worden ist, führt aber nach unserer Auffassung auf eine Bahn, die konsequent durchdacht, in einem totalitären Staatssystem enden muß.

    (Zustimmung bei der DP.)

    Die Konzentration solcher Macht würde nicht nur auf wirtschaftlichem, nicht nur auf dem gesamten sozialen Gebiet, sondern auch auf dem politischen Gebiet ein Monopol ergeben, wie es die Geschichte bisher noch nicht gekannt hat; selbst die Massenorganisationen der Einheitsparteien totalitärer Staaten würden Waisenknaben gegenüber den Konsequenzen und Möglichkeiten sein, die in diesen Plänen stecken.

    (Lebhafter Beifall rechts.)

    Das muß einmal klar und deutlich gesagt werden. Der Herr Vorredner, Herr Kollege Becker, hat mit klassischer Präzision die Punkte aufgezeigt, die hier kritisch zu erwähnen wären. Wir stimmen ihm in diesen Punkten zu.
    Ich möchte nicht alle Einzelheiten wiederholen; aber das eine steht fest — und diese Frage haben wir uns vorgelegt —: Was hat denn nun eigentlich der Arbeiter in dem einzelnen Betrieb von dem, was hier organisiert werden soll? Eine vernünftige Betriebsleitung wird immer in allen technischen und auch in wirtschaftlichen Fragen sehr eng mit der Belegschaft zusammenarbeiten. Ein Betrieb kann überhaupt nicht gedeihen. wenn nicht eng zusammengearbeitet wird. Das Hineinregieren von großen Massenorganisationen in die Betriebe hat Konsequenzen, die unabsehbar sind. Der Einfluß der Arbeiter wird ja auf diese Weise beiseite geschoben, er hat keinerlei Kontakt mehr; es wird ein Ringen mit betriebsfremden Elementen einsetzen, das die gesamte Wirtschaft in ihrem Grundgefüge erschüttern kann. Dinge, bei denen Entschlüsse notwendig sind, die das Vertrauen des einen zum andern erfordern, die die Gesundheit der Beziehungen zwischen der Leitung des Betriebes und der Belegschaft voraussetzen, werden zerredet werden. Der Streitapfel wird in das Ganze hineingeworfen. Das sind Gefahren, die man klar erkennen muß. Hier findet eine Fernlenkung statt, die die Wirtschaftsverfassung in ihren Grundlagen verändert. Es ist mir fraglich, ob bei konsequenter Anwendung dieses Gesetzes dann noch eine freie Marktwirtschaft möglich ist.
    Nun, ich will die Dinge nicht überspitzen; ich will nicht alles, was darin stecken kann, bis ins Letzte ausmalen. Gewiß, das alles hängt vom guten Willen, von der Vernunft ab; und letzthin muß Vernunft uns alle leiten. Aber wir haben uns von Anfang an — ich möchte das auch in dieser Stunde noch einmal sagen — mit aller Klarheit gegen das Funktionärtum ausgesprochen, ohne dabei kleinlich von einem Job zu sprechen, der dem einen oder anderen verschafft werden soll. Dazu sind diese Dinge viel zu ernst. Wenn es dabei bleibt, wird sich das Bild ergeben, daß manch ein Arbeitsdirektor mit den übrigen Vorstandsmitgliedern vollständig einverstanden ist, jedoch sagen wird: ja, meine Herren, es tut mir leid, aber ich habe die und die Anweisung und kann nicht nach meinem Verstande handeln! Diese Gefahren sind nicht zu leugnen.
    Zur Monopolisierung zugunsten der Spitzenorganisation hat Herr Kollege Becker schon das Erforderliche gesagt. Ich kann mich darauf beziehen.
    Ein weiterer Punkt ist die Frage der Größenordnung. Bei diesem Gesetz wird es sehr wesentlich darauf ankommen, in welcher Größenordnung man es Anwendung finden lassen will, ob der Maßstab von 1000 oder 300 oder einer sonstigen Zahl von Belegschaftsmitgliedern hier maßgebend sein kann oder ob ein anderes Verfahren der Bestimmung der Größenordnung gefunden werden muß. Das soll den Beratungen im Ausschuß vorbehalten bleiben.
    Abschließend noch ein Wort über die Gründe dafür, daß wir mit großer Sorge diesem Gesetz gegenüberstehen! Das ist die Geschichte seines Zustandekommens. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß die Streikandrohung, um durch dieses Gesetz eine völlige Änderung der Wirtschaftsverfassung zu erringen, eine politische Streikandrohung allergrößten Ausmaßes gewesen ist, daß es die Androhung eines Streiks mit dem Ziel war, geradezu den Staatsumsturz zu erreichen.

    (Lebhafte Rufe bei der SPD: Hu!)

    — Jawohl! Für die Regierung war hier ein Moment größter Verantwortung gekommen, und das Verfahren, das die Regierung angewandt hat, um die Reste der Autorität des Staates noch zu retten, die hier noch zu retten waren, kann nur gebilligt werden. Wir stehen auch heute noch in einer schweren Staatskrise. In Anbetracht der sonst von den Gewerkschaften in manchen kritischen Situationen unseres Landes gezeigten . Einsicht haben meine politischen Freunde es nicht verstanden, daß man ausgerechnet im gegenwärtig außen- und innenpolitisch so schwierigen Zeitpunkt zu diesem gefährlichen Mittel hat greifen wollen. Damit ist etwas in die Welt gesetzt worden, an dem diese Verfassung und diese erst werdende Demokratie scheitern kann. Herr Professor Schmid, der gegenwärtig amtierende Präsident, hat einmal gesagt, daß man den Zustand der Vermassung nur durch die großen Massenorganisationen wieder in eine Neuordnung hineinzubringen vermöge. Ich war erstaunt, von Herrn Kollegen Schmid diese sehr pessimistische Feststellung zu hören. Denn das, was er da gesagt hat, ist eigentlich genau dasselbe, was die Vertreter der sogenannten fortschrittlichen, der sogenannten Volksdemokratien auch immer behaupten. Der gesamte Vorgang, der sich hier abgespielt hat, hat für den Kenner der Verhältnisse ein ostzonales Odeur.

    (Lebhafte Rufe links: Hu!)

    Wir haben nur die Hoffnung, daß man sich auch
    innerhalb der Gewerkschaft über gewisse Kräfte
    klar wird und ernsthaft versucht, diese Kräfte, soweit sie sich geltend machen sollten, los zu werden.

    (Abg. Rische: Das überlassen Sie den Arbeitern!)

    — Ich habe das Recht, hier die Meinung meiner
    politischen Freunde — es ist nicht nur meine persönliche Meinung — darzulegen. Wir hören uns
    auch geduldig das an, was Sie uns zu sagen haben.

    (Abg. Niebergall: Dazu reicht der Doktor nicht!)



    (Dr. von Merkatz)

    Bei den Absprachen ist ausdrücklich gesagt worden, daß es sich um eine Ausnahmeregelung, um eine Begrenzung auf Kohle und Stahl handelt. Heute meldet sich die Chemie, morgen melden sich die anderen. Die Gewerkschaften selber — ich glaube, es war Dr. Grosse in seiner Rede Ende Dezember — haben gesagt: Dies alles ist nur ein Anfang, das Grundziel bleibt für uns die Sozialisierung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Land gesund bleibt und zu einem wirklichen sozialen Frieden kommt, wenn man diese Fragen weiterhin in einer derartigen Kampfstimmung und Kampfsituation ablaufen läßt. Meine politischen Freunde werden darauf bestehen: das Rückgrat einer gesunden Demokratie ist die Unabhängigkeit des Parlaments, und die Interessentenhaufen — denn darauf läuft es doch hinaus

    (Unruhe bei der SPD)

    haben alle, wer es auch sei, vor den Toren es Parlaments die Bannmeile zu respektieren. Damit diese Fragen, die hier zu einem sehr ernsten Komplex geworden sind, gründlich untersucht werden, beantragen wir die Überweisung dieser Vorlage an den Ausschuß zum Schutze der Verfassung.

    (Bravo-Rufe bei der DP, der BP und der FDP.)

    Wir sind nicht gewillt, diese Entwicklung weiterhin im Unklaren zu lassen. Hier muß eine Klärung der Auffassung über die Grenzen des politischen Streiks gefunden werden. So geht es jedenfalls nicht weiter. Wir haben keine Lust, uns mit der Verantwortung für eine Entwicklung zu pelasten, die dann mit Demokratie nichts mehr zu tun hat.

    (Lebhafter Beifall bei der DP, der BP und der FDP.)