Herr Präsident, ich fühle mich dadurch nicht beleidigt. Aber ich habe den Wunsch an die Herren, die Zwischenrufe machen, wenn sie glauben, daß meine Ausführungen so leicht zu widerlegen sind, es dann doch zu tun und nicht durch Zwischenrufe zu stören.
Das Monopol der Gewerkschaften in dem Betrieb habe ich also geschildert. Es kommt hinzu, daß die gleiche Spitzenorganisation in sämtlichen Betrieben, auf die sich dieses Gesetz bezieht, nun überall das gleiche Monopol hat, so daß wir praktisch zu einer Kartellisierung der Aufsichtsratssitze in der Hand dieser monopolistischen Gewerkschaft kommen.
Wir haben damit in einer Zeit, die von Entflechtung und Kartellauflösung redet, praktisch das Kartell der Manager.
Man kann, wenn man dieses Gesetz betrachtet, nur zu dem Schluß kommen, daß es sich hier um ein planmäßiges Vorgehen, nämlich um eine Eroberung der Macht nicht für die Arbeitnehmer des einzelnen Betriebs, sondern für eine Organisation handelt.
Nun eine weitere Frage als dritter Punkt. Wenn ich recht unterrichtet bin — ich habe Sie im Sommer schon einmal gefragt und habe keine Antwort bekommen —, vertreten
Sie neben dieser Forderung auf das Mitbestimmungsrecht in der Form, wie es hier im Gesetz festgelegt ist oder wie es in dem Entwurf der SPD gefordert war; immer noch den Gedanken der Kommandoplanwirtschaft und den Gedanken der Sozialisierung der Betriebe.
Darf ich bitten, mir zu sagen — ich habe diese Frage im Sommer schon einmal gestellt —, ob mit der Mitbestimmung die beiden anderen Punkte erledigt sind oder nicht.
Und wenn sie nicht erledigt sind, was ich annehme,
— Gott sei Dank, daß Sie es sagen, Sie werden gleich die Antwort bekommen —, wenn sie nicht erledigt sind, gilt dann in den sozialisierten Betrieben auch noch das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer?
Ja oder nein?
— Meine Herren, ich habe von Ihnen keine Antwort bekommen.
Ich will Ihnen die Antwort aus dem Bundesrat geben. Im Bundesrat hat die hessische Regierung, die j a nunmehr bekanntlich völlig sozialistisch ist, einen Antrag gestellt, in dieses Gesetz die Bestimmung aufzunehmen: Das Gesetz findet keine Anwendung auf die nach Art. 41 der hessischen Verfassung in Gemeineigentum überführten Unternehmen.
Die Begründung dieses Antrags ist klassisch.
Die Begründung lautet: erstens die sozialisierten Betriebe in Hessen seien keine Aktiengesellschaft oder keine GmbH.; infolgedessen könne das Gesetz keine Anwendung finden.
Ich weiß nicht, ob die hessische Regierung etwa über diesen Weg andern den Weg weisen wollte, wie man dieses Gesetz umgehen kann.
Nun komme ich zu der Frage, die ich an Sie gestellt habe, zurück. Es heißt in der Antragsbegründung nämlich weiter:
Nach der ratio legis erstreckt sich der Anwendungsbereich des Gesetzes nur auf privatwirtschaftliche Unternehmen, bei denen ein Mitbestimmungsrecht eingeführt werden soll, so daß auf die bereits in Gemeineigentum überführten Unternehmen diese Bestimmungen keine Anwendung finden können.
Das heißt also: das Mitbestimmungsrecht, das ein solches Glück oder ein solcher Fortschritt — auch der Herr Bundeskanzler gebrauchte den Ausdruck „Fortschritt" —
sein sollte, dieses Mitbestimmungsrecht, um dessentwillen man einen Streik herbeizuführen gewillt ist, kommt für sozialisierte Betriebe nicht mehr in Frage. Das ist der Kern der Dinge, und das ist die Antwort darauf!
Und wenn Sie die kommandierte Planwirtschaft haben, was geschieht dann mit dem Mitbestimmungsrecht? Dann ist es ausgeschaltet; denn wenn der kommandierte Plan von oben über diese oder jene Investierung, über diese oder jene Betriebsumstellung kommt, dann kann, wenn überhaupt die Kommandoplanwirtschaft funktionieren soll, niemand mehr von unten her mitbestimmen. Sie schlagen sich also mit Ihren eigenen Programmpunkten, einem nach dem andern.
Und zum vierten: Mitbestimmung in dieser Form in wirtschaftlichen Dingen ist eine Teilenteignung. Eigentum besteht im wesentlichen aus dem praktischen Innehaben des Besitzes, aus der Fruchtziehung, d. h. dem Genuß des Einkommens daraus und aus der Verfügungsmacht. Wenn diese Verfügungsmacht, wie ich geschildert habe, im Vorstand zu mehr als 5%, im Aufsichtsrat zu mindestens 50% genommen ist, dann liegt darin eine Teilenteignung;
denn es ist nicht ein Gesetz, das sich auf jedes Eigentum im Lande, in der Bundesrepublik bezieht, sondern es ist ein Gesetz, das sich nur auf bestimmte Betriebe bezieht und daher in dieser Fassung den Charakter einer Teilenteignung hat. Nach Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes ist eine Teilenteignung wie jede Enteignung jedoch nur im Interesse des Allgemeinwohls möglich und zulässig. Daß hier von Allgemeinwohl keine Rede sein kann, wenn zugunsten einer bestimmten Organisation Positionen geschaffen werden, ist klar.
Im Art. 14 Abs. 3 heißt es weiter, daß eine Entschädigung gezahlt werden muß, die im Gesetz festzulegen ist. Ich stelle fest, daß von einer derartigen Entschädigung im Gesetz keine Rede ist.
Ich stelle demgemäß fest, daß dieses Gesetz insofern gegen das Grundrecht des Art. 14 verstößt. Es ist demgemäß, wenn es angenommen wird, verfassungswidrig.
Fünftens ein grundsätzliches Wort zu den Interessentenverbänden. Wir sind nicht nur durchaus dafür — ich glaube, ich brauche kein Wort darüber zu verlieren: ganz gleich, von welcher Seite die Interessentenverbände kommen! —, daß sie da sind und ihre Tätigkeit ausüben; wir begrüßen genau wie jeder andere ihr Wirken. Wir sind auch damit einverstanden und freuen uns darüber, wenn ihre Vorschläge, ihre Anregungen, ihre Kritik an uns herangetragen werden. Aber eine Einigung zwischen zwei Interessentenverbänden ist nun nicht etwas, was der Bundestag einfach wie ein Notar mit Brief und Siegel zu versehen hätte!
Ein derartiger Zustand ist völlig ausgeschlossen. Das ist die Aushöhlung der Demokratie
und ist die Wegnahme der Entschlußfreiheit des Parlaments;
denn das Parlament ist der Vertreter des gesamten Volkes, aller Schichten der Bevölkerung, auch der Verbraucher — und damit stimme ich meinem Herrn Vorredner zu —; der Verbraucher wird ja bei den Abkommen der Interessentenverbände meist zu kurz kommen. Es ist unmöglich, daß die Interessentenverbände, mögen sie so mächtig sein, wie sie wollen, durch ein Übereinkommen hier dem Parlament etwas diktieren wollen. Wir sind auf demokratische Weise gewählt, wir sind die Vertreter des gesamten Volkes. Wir sind nicht Vertreter, die an Instruktionen und Anweisungen gebunden sind,
und wir haben demgemäß darüber zu bestimmen im Interesse der Allgemeinheit und nach den Grundsätzen des Allgemeinwohls und nicht des Wohls einzelner Interessenten!
Und zum sechsten: Ich habe bereits einmal zitiert, daß die einzige Begründung dieser Gesetzesvorlage den Satz enthält: „Die Vorgeschichte darf ich als bekannt voraussetzen". Sie ist allerdings bekannt. Das Wesentliche dieser Vorgeschichte besteht in der Streikdrohung.
Einer der Herren Vorredner hat davon gesprochen, daß auch der Bauernverband einmal Drohungen ausgesprochen habe. Was ich für die Zukunft anschließend zu sagen habe, bezieht sich nicht nur auf die Streikdrohung, unter deren Druck dieses Parlament gesetzt worden ist und noch steht,
sondern es bezieht sich auf jeden Eingriff, den irgendein Interessentenverband einmal wagen wird, wobei ich aber hinzufüge,
daß die Äußerung des Vorsitzenden des Bauernverbandes auf etwas ganz anderes abzielte,
nämlich auf die Gründung einer besonderen Bauernpartei.
Ganz gleich also, was damit gemeint ist, die Streikdrohung liegt fest. Die Streikdrohung ist nicht nur wörtlich ausgesprochen, es haben Urabstimmungen und Kündigungen stattgefunden. Als die Einigung zwischen den sogenannten Interessentenvertretern — von seiten der Arbeitgeber waren ja überhaupt keine legitimierten Interessentenvertreter vorhanden —,
als diese sogenannte Einigung erfolgt war, wurde nach wie vor erklärt — ich glaube, es war der Herr Kollege Dr. Schumacher, der das tat —, daß man immer noch Gewehr bei Fuß stehe. Dieses Gewehrbei-Fuß-Stehen bedeutet, daß diese Streikdrohung aufrechterhalten wird und daß der Druck, der damit auf das Parlament ausgeübt wird, nach wie vor besteht. Ein Streik ist zur Durchsetzung politischer Maßnahmen unrechtmäßig. Als Staatsnotstandsakt kann ein Generalstreik rechtmäßig sein, wenn er
zum Schutz der Verfassung dient, aber dieser Streik, der hier proklamiert worden ist, dient nicht der Aufrechterhaltung der Verfassung, sondern er unterhöhlt die Verfassung, weil er dem Parlament die freie Willensentschließung nehmen will.
Der Herr Bundeskanzler hat in seinem an Herrn Dr. Böckler gerichteten Brief von Ende Dezember 1950, den er vorhin selbst zitierte, sehr mit Nachdruck auf diese Tatsache hingewiesen. Vielleicht darf ich darauf verweisen, daß in einem Gesetz auch eine derartige nachdrückliche Ahndung eines solchen Vorgehens enthalten ist. Ich verweise auf den § 105 des Strafgesetzbuches. Er besagt: Wer es unternimmt, eine gesetzgebende Versammlung des Reiches oder eines Bundesstaates zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen usw., wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Meine Damen und Herren! Ich kann zu meinem Bedauern
- ich kann zu meinem Bedauern nur konstatieren, daß Sie gegenüber einer Gesetzesbestimmung, die heute noch in Kraft ist, lachen. Die Rechtsprechung ist — —
— Je mehr Sie brüllen, um so weniger ist der einzelne zu verstehen — von Ihnen, meine ich!
Mich interessiert die strafrechtliche Auslegung und
die Anwendung dieser Bestimmung keineswegs.
Mich interessiert nur die Feststellung der Tatsache,
daß eine gesetzliche Bestimmung vorliegt, die es
verbietet, ein Parlament in dieser Weise, wie es
geschehen ist und immer noch weiter geschieht,
unter Druck zu setzen. Dagegen verwahren wir uns.
Ein Gesetz, daß in dieser Weise, nämlich unter Druck zustande gekommen ist, ist verfassungswidrig und nach unserer Auffassung null und nichtig!
Jedenfalls lehnen wir es ab, unter einem solchen Druck ein Gesetz zu beschließen.
Es genügt vollkommen, wenn die bisher eingeleiteten, seit dem Sommer des vergangenen Jahres laufenden Verhandlungen über das Mitbestimmungsrecht weitergeführt werden.
Eine Ausschußberatung dieses Gesetzes lehnen wir ab. Sollte das Haus trotzdem eine Ausschußberatung beschließen, dann kommt angesichts der vorgetragenen Tatsachen in erster Linie eine Beratung durch den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht oder durch den Ausschuß zum Schutze der Verfassung in Frage.
Meine Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen und habe es auch aus den Worten meines Vorredners entnommen, daß angesichts der Tatsache
des Drucks, den diese- Streikdrohung herbeigeführt hat, sehr viele ernstlich mit sich gerungen haben: Sollen wir dieser Drohung stattgeben und ihr folgen, oder sollen wir uns im Interesse der Aufrechterhaltung der Demokratie, im Interesse der Aufrechterhaltung der Entschlußfreiheit dieses Hauses dem widersetzen? — Es ist sicher bei ihnen allen die Frage aufgetaucht, auch bei der Regierung: Was kommt danach? — Ich möchte glauben, daß sich die SPD bei ihrer traditionellen Demokratie und bei ihrer Hochachtung der Werte des Parlaments diese Frage auch ernstlich überlegt hat;
denn ich habe noch die Worte in Erinnerung, die der Herr Kollege Carlo Schmid bei der Interpellation über das Verhalten des Herrn Ministers Erhard ausgesprochen hat und die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten durch Vorlesen Ihnen in Erinnerung rufen darf. Er sagte:
Es geht darum, daß dieses Haus bei der Aussprache über diesen Antrag und bei der Abstimmung über ihn einmal zeigen kann, wie es sich selber einschätzt, welchen Begriff es von seinen Funktionen hat und wo es seinen politischen Ort im Koordinaten-System der Verfassung der Bundesrepublik sieht.
—Warten Sie doch ab! Wie wir gestimmt haben und was wir zum Ausdruck gebracht haben, können Sie jedenfalls aus der Rede des Herrn Euler von damals entnehmen. Es war unmißverständlich. Aber wer so bei dieser Gelegenheit über die Würde und die Autorität des Parlaments gesprochen hat, der muß auch in einem Augenblick, wo das Parlament durch Streikdrohung unter Druck gesetzt werden soll, darauf achten und mitwirken, daß die Autorität des Parlaments und seine Freiheit aufrechterhalten werden.
Und dann, meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, sie seien nach dieser Streikdrohung schon um alles herum, meldet sich schon die Gruppe Chemie, meldet sich schon die Transportgewerkschaft, die Rheinschiffahrt und will das Gesetz auf sich ausgedehnt haben. Soll jedesmal eine Streikdrohung folgen? Wollen Sie jedesmal nachgeben? Wollen Sie provozieren, daß nun auch andere Interessentenverbände mit ähnlichen Druckmitteln vorgehen? — Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wir dürften aus der vergangenen Zeit — wenn wir etwas gelernt haben — eines gelernt haben, nämlich daß Recht vor Macht und Recht vor Gewalt geht. Deshalb haben wir, die wir uns diese Dinge ernstlich überlegt haben, auch nach dem alten Spruch gehandelt, der da lautet:
Der eine fragt: Was kommt danach? Der andre fragt nur: Was ist recht?
Und also unterscheidet sich
Der Freie von dem Knecht!