Rede von
Dr.
Max
Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Im Sommer des vergangenen Jahres haben wir uns hier ausführlich über das Mitbestimmungsrecht unterhalten. Es lag vor der Antrag der CDU/CSU, es lag vor der Antrag der SPD, es kam nachher der Regierungsentwurf. Seit jener Zeit finden Verhandlungen über die Gestaltung des Mitbestimmungsrechtes statt, Verhandlungen, die recht weit fortgeschritten sind, und mitten in diese Verhandlungen hinein platzt nun plötzlich für ein Teilgebiet der Industrie dieser neue Gesetzentwurf.
Die Begründung für diese neue Gesetzesvorlage ist ausgezeichnet; sie lautet: Die Vorgeschichte dieses Entwurfes ist bekannt. — Das ist alles!
Damals, im Sommer des vergangenen Jahres, haben wir von der FDP unseren Standpunkt zum Mitbestimmungsrecht klar zum Ausdruck gebracht. Wir bejahen die volle Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Wir bejahen die Mitwirkung bei Entlassungen, bei Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz, das ausgearbeitet werden müßte. Wir stimmen einer Mitberatung — nicht Mitbestimmung — bei Einstellungen und Beförderungen zu, und wir stimmen einer Mitberatung in wirtschaftlichen Fragen zu. Diese Mitberatung in wirtschaftlichen Fragen findet ihren Ausdruck z. B. in der vorgeschlagenen Entsendung von 30% der Mitglieder des Aufsichtsrates, d. h. 30 % der Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes. Grundlage einer solchen Regelung ist aber, daß es sich um die wirklich echte Teilnahme der Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes handelt und daß diese nicht sozusagen aus dem Betrieb, aus dieser Vertretung in ihrem Betrieb nahezu ausgeschlossen werden. Mitbestimmung in wirtschaftlichen Dingen, wie es von der SPD und teilweise von der CDU gewünscht wird, ist nur dann möglich, wenn gleichzeitig als Korrelat eine entsprechende Mitverantwortung vorhanden ist.
Deshalb glauben wir, daß das Endziel der Entwicklung der Beteiligung des Arbeitnehmers an
dem Betrieb, in dem er arbeitet, in dem er groß
geworden ist, darin zu sehen ist, daß er in einer Form finanziell mitbeteiligt wird und dadurch als Mitgesellschafter zu seinem kleinen Anteil Mitbestimmung, zusammen mit seinen anderen Arbeitskollegen, Mitbeteiligung am Gewinn hat, daß er natürlich auch Mitträger der Verantwortung ist. Eins ohne das andere ist nicht möglich.
Diese Verhandlungen sind also im Gange, und mitten hinein kommt dieses Gesetz. Dieses Gesetz enthält so viele Mängel, und sein Zustandekommen ist derart belastet, daß es, um es gleich von vornherein zu sagen, für uns in dieser Form unannehmbar ist.
Erstens. Nach dem Entwurf dieses Gesetzes kommen die Arbeitnehmer also solche praktisch ja überhaupt nicht zur Geltung. Von den elf Aufsichtsratsposten werden ganze zwei, nämlich einer mit einem Arbeiter und einer mit einem Angestellten, aus dem Betrieb besetzt. Die fünf insgesamt, die vorgesehen sind, abzüglich der genannten zwei, werden nach Vorschlagslisten der „zuständigen Spitzenorganisationen", wie es im Gesetz heißt, besetzt. Überhaupt kommt dieses Wort „Spitzenorganisation" in diesem Gesetz sechsmal vor, soweit ich gezählt habe. Wir haben hier die Besonderheit, daß plötzlich ein privater Verband als eine gesetzliche Institution in die Gesetzgebung eingeführt wird.
— Warten Sie erst mal ab! Es kommt noch mehr.
Auf diese Weise wird erreicht, daß die Arbeitnehmer des Betriebes selbst praktisch noch keine 20% Beteiligung im Aufsichtsrat haben, während sie nach unseren Vorschlägen 30% hätten haben können.
Auf der anderen Seite aber tritt die Spitzenorganisation in Funktion, die, wie es im Gesetz so schön heißt, für diesen Betrieb zuständig ist. Wer bestimmt die Zuständigkeit? Darüber findet sich nichts im Gesetz. Es steht also im Gesetz drin: die zuständige Spitzenorganisation besetzt ungefähr die Hälfte der zustehenden Aufsichtsratsposten, besetzt praktisch den Posten eines Vorstandsmitgliedes allein, nämlich den des Arbeitsdirektors, weil er ja ohne sie nicht gewählt, ohne ihre Zustimmung nicht abberufen werden kann, und sie wirkt bei der Besetzung der übrigen Vorstandsposten gleichberechtigt mit. Das bedeutet im Aufsichtsrat eine 50%ige, im Vorstand eine mehr als 50%ige Beteiligung der Gewerkschaft.
Das ist eine Mitbeteiligung der Gewerkschaften,
aber es ist keine Mitbeteiligung der Arbeitnehmer.
Zum zweiten folgt daraus, daß für diese Spitzenorganisation, die so oft im Gesetz erwähnt wird, praktisch ein Monopol geschaffen wird.
In einer Zeit, die monopolfeindlich ist, in der gerade von Ihrer Seite gegen die Monopole angegangen wird, werden hier für eine bestimmte Gewerkschaft Monopole geschaffen.
Es ist doch eine Farce, meine Damen und Herren, wenn die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft die Hälfte der Aufsichtsratsposten auf Grund einer Liste wählen muß, die ihr vorgelegt ist, d. h. sie wählt nicht, sondern sie gibt nur Brief und Siegel zu einer Ernennung, die schon in der Vorschlagsliste stattgefunden hat.
Das ist eine Farce; das ist keine freie Wahl mehr. Das ist etwas, was uns an vergangene Zeiten und Möglichkeiten und an Vorgänge in der Ostzone erinnert.
Und nun weiter zur Frage des Monopols der Gewerkschaften! Wo bleiben denn die christlichen Gewerkschaften? Wo sind die Angestelltenvertretungen?
— Bitte sehr, die Angestelltengewerkschaft hat sich schon darüber beschwert, daß sie dabei zu kurz gekommen ist.