Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der großen Eile, mit der das vorliegende Gesetz von der Bundesregierung erstellt wurde,
konnte ihm entgegen der seitherigen Übung eine Begründung nicht beigegeben werden.
Es erscheint deshalb zweckmäßig, bei der Einbringung der Vorlage auf die einzelnen Vorschriften näher einzugehen.
Der Bundesrat hat am 2. Februar beschlossen, gegen die Grundgedanken des Entwurfs keine Ein-
Wendungen zu erheben, sich jedoch vorbehalten, nach Beratung der Vorlage in seinen Ausschüssen dem Bundestag weitere Vorschläge bzw. Abänderungsvorschläge zu unterbreiten. Auf Grund der Beschlüsse des Bundesrats hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf unverzüglich dem Bundestag zugeleitet.
Inzwischen hat am 7. Februar eine Sitzung eines gemeinschaftlichen Ausschusses für Arbeit, Recht und Wirtschaft des Bundesrats stattgefunden. In dieser Sitzung, zu der Sachverständige des Deutschen Gewerkschaftsbundes und, soweit erreichbar, der Eigentümerseite herangezogen wurden, hat der gemischte Ausschuß Empfehlungen erarbeitet und dem Bundesrat zugeleitet, der diese Ergebnisse am 9. Februar dem Bundestag als Material übermittelt hat. Ferner haben die Sachverständigen des Deutschen Gewerkschafsbundes und der Eigentümerseite am 7. Februar Empfehlungen und Anregungen zu einigen Punkten des Gesetzes festgelegt und dem Herrn Bundeskanzler sowie dem Präsidenten des Bundesrats zugeleitet. Dieses Material werde ich, soweit es für den Inhalt des Gesetzes von Bedeutung ist, in meinen Ausführungen zu den einzelnen Vorschriften berücksichtigen.
Der vorliegende Gesetzentwurf umschreibt im § 1 zunächst den Geltungsbereich der Regelung. Dieser Geltungsbereich erstreckt sich nach dem Regierungsentwurf auf alle Unternehmungen des Steinkohlen-, Braunkohlen- und Eisenerzbergbaues, deren überwiegender Betriebszweck in der Förderung von Steinkohle, Braunkohle und Eisenerz liegt. Die Sachverständigen haben sich anläßlich der bereits erwähnten Sitzung der Koordinierungsausschüsse vom 7. Februar darauf geeinigt, daß sich der Geltungsbereich des Gesetzes auch auf solche Unternehmungen erstrecken solle, deren überwiegender Betriebszweck in der Verkokung und Brikettierung dieser Grundstoffe liegt. Auf dem Gebiete der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie erstreckt sich die Regelung nur auf solche Unternehmungen, deren Neuordnung durch Bildung einer Einheitsgesellschaft gemäß Gesetz Nr. 27 der' Alliierten Hohen Kommission oder durch eine an deren Stelle tretende andere Lösung erfolgte. Die Sachverständigen haben am 7. Februar übereinstimmend den Wunsch geäußert, daß klargestellt werden solle, daß Tochtergesellschaften dieser Unternehmungen, soweit sie nicht denselben Zweck verfolgen, nicht von dem Gesetz erfaßt werden sollen.
Eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes enthält der § 13. Danach sind alle Unternehmungen ausgenommen, die nicht mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen oder ein Nennkapital von nicht mehr als einer Million Deutsche Mark haben. Diese Vorschrift wurde in die Regierungsvorlage aufgenommen, weil es wirtschaftlich nicht tragbar erscheint, Mittelbetrieben und kleineren Betrieben mit weniger als 1000 Leuten Belegschaft einen Aufsichtsrat von elf Personen und einen Arbeitsdirektor zu geben. Dieser Arbeitsdirektor würde in einem Betriebe von etwa 500 Arbeitnehmern kein Arbeitsgebiet vorfinden, das ihn voll auslasten könnte.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich gegen die Mindestzahl von 1000 Arbeitnehmern gewandt. Beide Partner waren sich darüber einig, daß in den Richtlinien bestimmte Mindestgrößen nicht genannt waren. Der Bundesrat hat zwar im Grundsatz anerkannt, daß eine untere Grenze für den Geltungsbereich dieses Gesetzes mit Rücksicht auf kleinere Unternehmungen erforderlich ist, schlägt aber als unterste Grenze eine Beschäftigtenziffer von 300
Arbeitnehmern vor. Abgesehen von dieser festen unteren Grenze besteht noch die Möglichkeit, bestimmte Unternehmungen ganz oder teilweise aus der Regelung des Gesetzes durch eine Bestimmung in der Satzung, deren Aufnahme der Einwilligung der zuständigen Spitzenorganisationen bedarf, herauszunehmen.
Das Gesetz stellt in § 1 Abs. 2 sicher, daß die geltenden Vorschriften über die Betriebsverfassung, d. h. über die Bildung der Betriebsräte und deren Befugnisse insoweit nicht berührt werden, als sie dem Gesetz nicht widersprechen, d. h. als sie sich nicht mit der Zusammensetzung der Aufsichtsräte und der Bestellung der Vorstandsmitglieder befassen.
Die erste der Grundfragen, welche die neue Regelung behandelt, ist die der Bestellung der Aufsichtsräte. Durch § 2 ist sichergestellt, daß entgegen den allgemeinen Vorschriften über Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bergrechtliche Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit diese Unternehmungen einen obligatorischen Aufsichtsrat besitzen müssen, auf den die aktienrechtlichen Vorschriften über den Aufsichtsrat sinngemäß Anwendung finden, soweit das Gesetz nicht Sonderregelungen enthält. Die Rechte der Aufsichtsräte können durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung nicht beschränkt werden.
Die nach dem Gesetz zu bildenden Aufsichtsräte bestehen in der Regel aus elf Personen, und zwar zunächst aus vier Mitgliedern und einem unabhängigen Mitglied, welche durch das nach dem Gesetz oder nach der Satzung zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern berufene Organ, also in der Regel die Hauptversammlung, die Gesellschafterversammlung oder die Gewerkenversammlung, nach dessen freiem Ermessen nach Maßgabe der Satzung oder des Gesellschaftsvertrages gewählt werden. Von diesen Mitgliedern des Aufsichtsrats, welche grob gesagt die Vertreter der Eigentumsseite sind, muß eines eine unabhängige Person sein, d. h. es darf nicht Funktionär oder Angestellter einer gewerkschaftlichen oder einer ArbeitgeberOrganisation oder einer Spitzenorganisation sein, und es darf ferner nicht im Unternehmen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber bzw. als eine einem Arbeitgeber ähnliche Person tätig sein oder persönlich wesentliche Interessen an dem Unternehmen haben.
Ferner besteht der Aufsichtsrat aus vier Mitgliedern und einem unabhängigen Mitglied, die das zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern berufene Organ auf Vorschlag derjenigen Spitzenorganisation wählt, welcher die Gewerkschaft angehört, die überwiegend in den Betrieben des Unternehmens vertreten ist, d. h. nach der derzeitigen Lage der Arbeiterbewegung: des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Das Wahlorgan ist dabei an die Vorschläge dieser Spitzenorganisation gebunden. Es kann nur Personen wählen, die von dieser vorgeschlagen sind. Von den auf Vorschlag der Spitzenorganisation zu wählenden Mitgliedern muß eines jene Unabhängigkeit besitzen, welche auch das bereits erwähnte Mitglied der Eigentümerseite aufweisen soll. Ferner müssen sich unter diesen Mitgliedern der Arbeitnehmerseite ein Arbeiter und ein Angestellter befinden, die in einem zum Unternehmen gehörenden Betriebe beschäftigt sind, und zwar werden diese letzteren Mitglieder durch die Spitzenorganisation auf Antrag der Betriebsräte der zum Unternehmen gehörenden Betriebe vorgeschlagen. Die zuständige Spitzenorganisation kann allerdings Anträge der Betriebsräte
dann ablehnen, wenn der begründete Verdacht besteht, daß der Vorgeschlagene nicht die Gewähr bietet, zum Wohle des Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich im Aufsichtsrat mitzuwirken. Lehnt die Spitzenorganisation einen Vorschlag der Betriebsräte aus den oben erwähnten Gründen ab, so haben die Betriebsräte neue Vorschläge zu machen. Die zuständigen Spitzenorganisationen sollen bei ihren Vorschlägen die innerhalb der Belegschaft bestehenden Minderheiten billigerweise berücksichtigen. Die restlichen zwei Arbeitnehmer-Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Spitzenorganisation nach deren freiem Ermessen vorgeschlagen.
Außer diesen zehn Mitgliedern des Aufsichtsrates, welche je zur Hälfte in strenger Anwendung des Grundsatzes der Parität von Eigentümerseite und Arbeitnehmerseite vorgeschlagen werden, ist ein elftes Mitglied zu wählen, welches jene Unabhängigkeit besitzen muß, die eines der Mitglieder jeder Seite, wie bereits ausgeführt wurde, auszeichnen muß, die darüber hinaus aber allgemeines Vertrauen besitzen und sich im wirtschaftlichen Leben bewährt haben soll. Es soll möglichst besondere Erfahrungen in dem Wirtschaftszweig aufweisen und eine Persönlichkeit sein, die befähigt ist, bei Meinungsverschiedenheiten ausgleichend zu wirken. Die Wahl dieses Mitgliedes erfolgt auf Vorschlag der übrigen zehn Aufsichtsratsmitglieder, wobei sichergestellt wird, daß der Vorschlag mindestens von je drei Mitgliedern der Eigentümerseite und der Arbeitnehmerseite getragen wird.
Kommt ein solcher Vorschlag nicht zustande, so kann der zuständige Senat angerufen werden. Der Vorstand ist zur Anrufung verpflichtet. Der Senat 1 schlägt dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen dieses das elfte Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Kommt auch auf diese Weise eine Wahl nicht zustande, so kann das Organ weitere Vorschläge des Senats erbitten.
Die Sachverständigen haben am 7. Februar beschlossen, vorzuschlagen, daß die Bezeichnung „unabhängiges Mitglied" für das fünfte Mitglied jeder Seite wegfallen soll und daß statt dessen dieses Mitglied als weiteres Mitglied jeder Seite im Gesetzestext genannt werden soll. Es handelt sich hier offenbar um einen Kompromiß, der dadurch erforderlich wurde, daß die Gewerkschaften, um die Paritätsrechte anschaulich zu machen, eine besondere Erwähnung dieses Mitglieds in dem Grundsatzparagraphen 3 überhaupt nicht wünschen, während die Sachverständigen der Eigentümerseite gerade auf die Herausstellung des unabhängigen Mitgliedes jeder Seite besonderen Wert gelegt haben.
Ferner haben die Sachverständigen angeregt, eine im Regierungsentwurf in § 3 Abs. 3 enthaltene Vorschrift zu streichen, nach der alle Ausschüsse des Aufsichtsrates paritätisch zusammengesetzt sein müssen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Sachverständigen eine klarstellende Vorschrift angeregt haben, durch die ausgesprochen werden soll — was nach dem ganzen Sinn des Gesetzes bereits nicht zweifelhaft sein konnte —, daß ein Entsendungsrecht bestimmter Aktionäre, wie es § 88 des Aktiengesetzes vorsieht, nur hinsichtlich derjenigen fünf Aufsichtsratsmitglieder gegeben sein könne, die nach freiem Ermessen des Wahlorgans bestellt werden.
Auch bei der Klarstellung des Begriffes der Unabhängigkeit, die ein Mitglied jeder Seite aufweisen soll, haben die Sachverständigen angeregt, keine erschöpfende Aufzählung der Merkmale der Unabhängigkeit in das Gesetz aufzunehmen, sondern nur eine beispielhafte und an Stelle des im Regierungsentwurf gebrauchten Begriffs „Funktionär einer Gewerkschaft oder Arbeitgeberorganisation" den Begriff „Repräsentant" eines solchen Verbandes zu wählen.
In § 6 des Regierungsentwurfs wird, um sicherzustellen, daß der Aufsichtsrat sich stets paritätisch zusammensetzt, bestimmt, daß, falls dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger als fünf Mitglieder einer Seite angehören, eine Ersatzbestellung durch das Gericht zu erfolgen habe. Diese Vorschrift weicht insbesondere insofern vom § 89 des Aktiengesetzes ab, als die Ersatzbestellung durch das Gericht unabhängig von der Unterschreitung der zur Beschlußfähigkeit erforderlichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern erfolgt. Darüber hinaus sieht der Regierungsentwurf vor, daß die Ersatzbestellung. der Arbeitnehmermitglieder des Aufsichtsrats durch das Arbeitsgericht unter Anwendung der Verfahrensvorschriften für die freiwillige Gerichtsbarkeit vorzunehmen ist. Die bereits erwähnten Sachverständigen haben in ihrer Sitzung am 7. Februar angeregt, die Bestellung auch dieser Mitglieder des Aufsichtsrats dem Registergericht zu übertragen, um jede unterschiedliche Behandlung der Aufsichtsratsmitglieder auszuschließen.
Soll in Großunternehmungen der Aufsichtsrat aus mehr als elf Mitgliedern bestehen, so muß er sich stets aus einer ungeraden Zahl von Personen zusammensetzen, bei deren Zusammensetzung in diesem Fall die Grundsätze der Parität unter Berücksichtigung der unabhängigen Personen jeder Seite zu wahren sind. Bei Meinungsverschiedenheiten, insbesondere zwischen dem satzungsgebenden Organ und dem Deutschen Gewerkschaftsbund, kann der Senat zur Vermittlung angerufen werden.
Eine weitere wichtige Neuerung bringt das Gesetz hinsichtlich der Vorstände der Unternehmungen. Die Vorstandsmitglieder werden grundsätzlich durch den Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Von diesem Grundsatz, der eine wesentliche Änderung des seitherigen Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung und der bergrechtlichen Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit darstellt, wird nur in den Fällen abgewichen, in denen nach dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung der Aufsichtsrat nicht durch die Gesellschafter oder Gewerken bestellt wird, d. h. wenn die öffentliche Hand oder ein bestimmter Kreditgeber zu seiner Sicherung durch die Satzung das Recht erhalten hat, den Aufsichtsrat oder Teile desselben zu bestellen. Die Gesellschafter und Gewerken hätten in solchen Fällen keinerlei oder nur beschränkten Einfluß auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates und damit auf die Bestellung des Vorstandes. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, sieht der Regierungsentwurf im § 9 Abs. 2 vor, daß in solchen Fällen die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder der Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder der Gewerkenversammlung bedarf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat eine Streichung dieser Sondervorschrift gewünscht. Die Sachverständigen der Unternehmerseite haben in der gemeinsamen Erklärung vom 7. Februar keine Bedenken gegen diese Streichung erhoben unter der Bedingung, daß festgelegt wird, daß die Eigentümer ausschließlich über die Frage bestimmen, ob der Aufsichtsrat durch ein anderes Organ als durch die Gesellschafterversammlung gewählt wird.
Um Schwierigkeiten bei der Neubildung der Vorstände zu vermeiden, ist in § 9 Abs. 3 vorgesehen, daß Bewerber, die noch keine praktische Bewährung in dem für sie vorgesehenen Aufgabenbereich nachweisen können, zunächst auf ein Jahr bestellt werden können. Hat sich ein solches auf Zeit bestelltes Vorstandsmitglied während des ersten Jahres bewährt, so ist es nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften des Aktiengesetzes endgültig zu bestellen, d. h. höchstens für eine Zeit von fünf Jahren.
Die bedeutsamste Neuerung in dem Gesetzentwurf ist wohl neben der neuartigen Zusammensetzung der Aufsichtsräte die Einführung des Arbeitsdirektors. Der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmermitglieder des Aufsichtsrats bestellt oder abberufen werden. Er übt in gleicher Weise wie alle übrigen Vorstandsmitglieder seine Aufgaben im engsten Einvernehmen mit dem Gesamtvorstand nach Maßgabe der Geschäftsordnung aus.
Das Tätigkeitsgebiet des Arbeitsdirektors wird im Regierungsentwurf § 10 Abs. 3 dahin allgemein umschrieben, daß er sich für die Wahrung der Menschenwürde aller im Betrieb beschäftigten Personen einsetzen und im Einvernehmen mit allen Beteiligten die Zusammenarbeit fördern und das Interesse am Betrieb wecken soll.