Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Oellers und die dagegen erfolgte Stellungnahme des Herrn Abgeordneten Reismann gehört.
Ich lasse über den Antrag Oellers abstimmen, die Punkte 10 a und 10 b heute von der Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag des Herrn Abgeordneten Oellers sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die
Möglichkeit, in die Tagesordnung einzutreten.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Einspruch des Abgeordneten Renner gemäß
92 der vorläufigen Geschäftsordnung gegen den ihm in der 113. Sitzung erteilten Ordnungsruf .
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung ist der Einspruch frühestens auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zu setzen. Der Bundestag entscheidet ohne Besprechung. Die Drucksache ist verteilt.
Ich lasse über den Einspruch des Herrn Abgeordneten Renner mit dem Ziel, den erteilten Ordnungsruf aufzuheben, abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einspruch des Herrn Abgeordneten Renner stattgeben wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen und gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion ist der Einspruch abgelehnt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Remontage .
Zur Begründung der Interpellation hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Dr. Wellhausen , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wortlaut der Interpellation der FDP gibt bereits verhältnismäßig ausführlich den Tatbestand wieder. Ich habe nur wenig hinzuzufügen. Die Mitglieder dieses Hauses sind über das Demontageproblem völlig unterrichtet. Es ist hier mehrfach besprochen worden, und große Einigkeit in seiner Beurteilung und großer Kummer über seine Folgen beherrschen die Stimmung dieses Hauses.
Wenn ich heute eine Interpellation über Remontagekredite begründe, so kann ich nicht unterlassen vorauszuschicken, daß es uns schmerzt und daß es uns auch überrascht, daß der Zustand des völligen Endes der Demontage immer noch nicht eingetreten ist. Wir wissen, daß die Regierung sich die größte Mühe darum gibt. Es ist wirklich, wenn man sich die Gesamtlage anschaut, in keiner Weise verständlich, daß immer noch hier und da ein kleines oder auch größeres Demontagefeuer aufflackert. Wenn ich mich frage, wer eigentlich seine Suppe an diesem Feuer kochen will, dann weiß ich, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe, mich in die Rolle der Alliierten oder in deren Gedankengänge hineinzuversetzen, keine auch nur halbwegs verständige, praktikable Antwort.
Zur Interpellation selbst: Wir haben in ihr betont, daß wir natürlich nur von den Industrien sprechen, in denen uns die noch immer geltenden Produktionsbeschränkungen nicht hindern oder in denen es sich nicht ausgesprochen um eine Fertigung von Kriegsgerät handelt. Was ist aber unter dieser Einschränkung für eine verständige, den volkswirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende Remontage bisher geschehen? Ich glaube, Sie werden mit mir einig sein: sehr wenig. Wir werden Gelegenheit haben, uns bei Gesetzentwürfen, die uns vorliegen oder die in aller Kürze zu erwarten sind. der Sonderlage der demontierten Betriebe zu erinnern. Das gilt sowohl für den Lastenausgleich, über den wir gestern gesprochen haben, als auch für die neuen Steuern oder besser gesagt: für die Veränderung des Einkommensteuergesetzes, wobei ich insbesondere an den § 9 a denke.
Der Wirtschaftsausschuß dieses Hohen Hauses und auch mehrere Ausschüsse des Bundesrats haben — ich glaube, Ende 1950 -- die Bereitstellung von Mitteln für Remontagekredite für erforderlich erklärt. Alle die Gesichtspunkte, die wir in unserer Interpellation aufgeführt haben und die — wenn ich mich geschäftlich ausdrücken darf — den Kredit des Bundes oder anderer Stellen geradezu als ein gutes Geschäft für den Kreditgeber erscheinen lassen, sind aufgeführt.
Die Notgemeinschaft für reparationsgeschädigte Wirtschaft in Düsseldorf — sie arbeitet übrigens nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern bezieht die Interessen der Reparationsgeschädigten des ganzen Bundesgebiets in ihre Aufgaben ein - hat sich schon seit Mitte 1950 wiederholt mit Eingaben an den Bundesfinanzminister und an den Bundeswirtschaftsminister gewandt, und zwar mit dem vielleicht etwas eingeschränkten Ziel, Mittel des Bundeshaushalts für diesen Zweck freizumachen. Bisher ist aber von der Bundesregierung noch nicht eine Mark zur Verfügung gestellt worden.
Ich möchte gerade auf Grund der Stimmung, die dieses Haus — meistens mit Recht — in zunehmendem Maße durchzieht, nicht verschweigen, daß die Länder in dieser Beziehung entgegenkommender sind und daß sie sich mehrfach nicht nur von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit solcher Remontagekredite überzeugt haben, sondern daß sie auch Mittel zur Verfügung gestellt haben. Hier ragt besonders Nordrhein-Westfalen hervor, das bisher in Form von Krediten — zum Teil auch in Form von Zuschüssen, Zinszuschüssen in diesem Fall, zum Teil in Form von Bürgschaften — einen Betrag von 92 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat. Auch Bayern und die Hansestädte haben einiges getan. Der Wirtschaftsausschuß des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Dezember 1950 den
Beschluß gefaßt, in seinen neuen Haushalt — zum Teil in den ordentlichen, zum Teil in den außerordentlichen — mindestens dieselben Beträge wieder einzustellen, wie sie im Vorjahre darin enthalten waren. Ich glaube, das war die immerhin beträchtliche Summe von 60 Millionen DM. Meine Damen und Herren, das reicht aber nicht aus.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat auch für mein Gefühl sehr verständige Richtlinien für die Bereitstellung von Remontagekrediten aufgestellt; die könnten übernommen werden. Ich beschäftige mich mit diesem Lande eingehend einmal, weil es schon etwas getan hat, und zum zweiten, weil nach einer Statistik des Bundeswirtschaftsministers nicht weniger als 45 % der Demontageschäden in der Privatindustrie auf das Land Nordrhein-Westfalen entfallen. An zweiter Stelle, aber mit erheblichem Abstand, steht Bayern mit ungefähr 10 %. Wenn man, was wohl richtiger ist und sich auch für die Betrachtung in diesem Hause empfehlen dürfte, diese Zusammenstellung nicht nur auf die Privatbetriebe, sondern auch auf die öffentlichen Betriebe erstreckt, dann verändert sich das prozentuale Verhältnis, dann macht es für Nordrhein-Westfalen nämlich nur noch 33 % aus. An zweiter Stelle kommt Niedersachsen mit nicht weniger als 22 %, und erst dann folgt Bayern. Verglichen mit den Größen, die in Frage kommen, spielen natürlich prozentual die Hansestädte eine große Rolle — denken Sie an die Werften! — und die französische Zone. Denken Sie nur an die Uhrenindustrie oder etwas weiter gefaßt: an Feinmechanik und Optik!
Es liegen auch seitens des Bundeswirtschaftsministers Erhebungen vor. Ich muß Ihnen diese Zahlen nennen, damit Sie die Größe des Problems zahlenmäßig erkennen. Nach diesen Erhebungen machen die Gesamtschäden durch Reparationen - der Begriff geht ja über die Demontage erheblich hinaus — nicht weniger als 3,6 Milliarden aus, aber auf der Preisbasis von 1938 gerechnet. Diese müssen Sie ja heute fast verdoppeln. Wenn wir uns auf das Thema der Interpellation konzentrieren. die eigentliche Remontage, dann ist die entsprechende Zahl 1,9 Milliarden, die also auch etwa zu verdoppeln ist, sagen wir: 3,6 Milliarden.
Es wird Sie bei diesen Größenordnungen nicht überraschen, daß nach den Plänen, die einmal für den Wiederaufbau der demontagegeschädigten Betriebe aufgestellt worden sind, für die nächsten zwei Jahre ein Betrag von 650 Millionen DM erforderlich wäre, in diesem Falle natürlich auf heutiger Preisbasis gerechnet. Wenn Sie die 3,6 Milliarden verdoppeln, dann sind es also noch nicht einmal l0 % der eingetretenen Schäden. Auch dabei sind wieder ohne weiteres die Betriebe außer acht gelassen, die nach meinen einleitenden Worten für einen Wiederaufbau als reine Kriegsindustrien in dieser Form überhaupt nicht in Frage kommen. Wir sind uns natürlich darüber klar, meine Damen und Herren, daß ein Betrag von 650 Millionen DM von der Bundesregierung im Augenblick auch nur kreditweise nicht bereitgestellt werden kann. Aber wir meinen, es müsse ein Anfang gemacht werden.
Meine Damen und Herren! Ich darf zum Schluß darauf hinweisen: Es handelt sich um Remedur oder Verbesserung in einer Angelegenheit, in der dieses Haus bisher immer einig war. Bund und Länder sind auch einig. Wenn Sie die Presse im Dezember - wie ich das in Kenntnis dieser Interpellation getan habe - ein wenig verfolgt haben, werden Sie auch eine völlig einheitliche Stimmung in der Presse festgestellt haben.
Wichtige volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, die wir hervorgehoben haben, sprechen für die Erleichterung der Remontage durch möglichst hohe und möglichst billige Kredite, Gesichtspunkte, die bei unserer heutigen Devisen-, Rohstoff- usw. -knappheit eine große Rolle spielen und eine noch größere Rolle spielen werden. Ich meine, ganz kurz aufgezählt, die Beseitigung von industriellen Engpässen, die uns mehr oder weniger fahrlässig — vorsichtig ausgedrückt - zugefügt worden sind und die sich natürlich bei der außerordentlichen Vermehrung unserer Produktion jetzt besonders auswirken. Ich meine zweitens die Verbesserung der Zahlungsbilanz durch Mehrexport; denn es handelt sich weitgehend um exportgeeignete und exportintensive Betriebe, die außerdem bei der Auswahl der Kreditnehmer besonders bevorzugt werden könnten. Es handelt sich drittens um die Möglichkeit der Einfuhrersparnis. Hebung des Exports, Verminderung des Imports ist das Leitmotiv mancher Beratungen in diesen Wochen und wird es — davon werden auch Sie alle überzeugt sein — immer mehr werden. Ich meine viertens und letztens die Möglichkeit, mit verhältnismäßig ungewöhnlich niedrigen Beträgen Dauerarbeitsplätze neu zu schaffen. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit gibt uns alle Veranlassung, diesen Gesichtspunkt nicht als den letzten zu betrachten.
Ich darf hierzu noch eine kurze Anmerkung machen. Es handelt sich nicht immer nur um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern auch um die Erhaltung von Dauerarbeitsplätzen, die man bis jetzt mit allen möglichen Hilfsmitteln zu halten versucht hat. Das kann aber nicht weiterhin geschehen, wenn keine Kredite zur Verfügung gestellt werden.
Meine Damen und Herren, unsere Interpellation behandelt eine sehr nüchterne, klare, meines Erachtens Ihnen allen einleuchtende Angelegenheit, und wir hoffen sehr, daß die Regierung uns eine befriedigende Antwort gibt, daß sie nicht nur die letzten Möglichkeiten des Haushalts, die, wie Sie alle wissen, sehr beschränkt sind, ausnützt, sondern neue Quellen für die Befriedigung dieses Bedarfs erschließt.