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ID0111501900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951 4335 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951. Glückwünsche zum Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten Heuss 4335D Begrüßung des Abg. Morgenthaler nach seiner Genesung 4336A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4336A, 4365C Zugehörigkeit des Abg. Paschek zur Fraktion der WAV 4336B Aufnahme des Abg. Dr. Freiherrn von Fürstenberg in die Fraktion der CDU . . . 4336B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800 der Drucksachen) 4336B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4336C Kunze (CDU) 4343D Kriedemann (SPD) 4347D, 4381C Dr. Kather (CDU) 4353A Dr. Horlacher (CSU) 4357B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4359A Tichi (BHE-DG) 4361A Wartner (BP) 4362D Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4363D Kuhlemann (DP) 4365C Farke (DP) 4366C Dr. Atzenroth (FDP) 4367D Frommhold (DRP) 4369C Kohl (Stuttgart) (KPD) 4370C Wittmann (WAV) 4374A Loritz (WAV) 4375D Dr. von Golitschek -(FDP) 4377A Dr. Reismann (Z) 4377D Ausschußüberweisung 4383B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) (Nr. 1799 der Drucksachen) 4383C Ausschußüberweisung 4383C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Nr. 252 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) (Nr. 1802 der Drucksachen) . . . 4383C Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 4383D Lücke (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4390D Ewers (DP) 4391B Abstimmungen 4391A, D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. Laforet, Dr. Solleder u. Gen. betr. Koordinierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau (Nrn. 1803, 1096 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zusammenfassung der öffentlichen Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau (Nrn. 1804, 1352 der Drucksachen) mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nrn. 1805, 1540 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Wohnungsbauprogramme 1950 und 1951 (Nr. 1795 der Drucksachen) . . . . 4392B Wirths (FDP), Berichterstatter . . . 4392C Huth (CDU), Berichterstatter . . . . 4392D Kalbfell (SPD), Berichterstatter . 4392D Beschlußfassung 4393C Ausschußüberweisung 4393C Nächste Sitzung 4393C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat -nach meinem Empfinden mit vollem Recht — am Anfang seiner Rede einen Blick in die Vergangenheit geworfen. Man kann tatsächlich in diesem Augenblick nicht über das schwerwiegende Gesetz des allgemeinen Lastenausgleichs sprechen, ohne der verhängnisvollen Entwicklung vor sechs Jahren zu gedenken. Im eisigen Winter wurden Millionen unserer Mitbürger aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Das mit Flüchtlingen überfüllte Dresden wurde von einer mächtigen Luftflotte angegriffen. An all dieses unsagbare Elend, damals vor sechs Jahren, sollte man sich heute hier in dieser Stunde erinnern. Ich gedenke dieser Zeit vor allem deswegen, weil es mir eine Pflicht zu sein scheint, einmal all den Mitbürgern zu danken, die trotzdem den Mut nicht verloren haben, die, als sie wieder eine neue Heimat hier bei uns fanden, sofort mit großer Energie den Aufbau begonnen haben, nicht immer so unterstützt, wie man es gern gesehen hätte! Diese Tatsache erfüllt uns mit Vertrauen in die Kraft unseres Volkes. Wir werden zu einer um so besseren Entwicklung kommen, wenn wir nun diesen Menschen, die sich zunächst einmal selbst geholfen haben, durch einen Lastenausgleich im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen weitere Hilfe zur Verfügung stellen.
    Es ist aber auch aus einem anderen Grunde notwendig, an diese Zeit vor sechs Jahren, die Zeit der Bombennächte, zu erinnern. Ein Kollege, ein Landwirt, sagte mir einmal folgendes: Wenn man ihm unerfüllbare Wünsche hinsichtlich einer Ermäßigung der Abgaben vortrage, so frage er diese Interpellanten oft, wie denn die Sache vor sechs Jahren gewesen wäre, als sie in den Bombenkellern gesessen hätten. Wenn damals unter dem Bombenhagel die Wände wankten und wenn dann plötzlich ein Engel gekommen wäre und gefragt hätte: Bist Du bereit, 50 % Deines Besitzes abzugeben, wenn Du gerettet wirst? —, dann wäre damals wohl keiner dagewesen, der nicht dieses Opfer gern gebracht hätte um den Preis seiner und seiner Familie Rettung.
    Meine Damen und Herren! In der Begründung zu dem Lastenausgleichsgesetz ist sehr eingehend die Frage nach der Rechtfertigung dieses Entschädigungsanspruches erörtert worden. Man hat dazu sogar unser altes Preußisches Allgemeine Landrecht zitiert, aber ich glaube, man braucht die Begründung gar nicht so weit herzuholen. Auch hier scheint mir zwischen uns und dem Herr n Bundesfinanzminister Übereinstimmung zu bestehen. Die Entschädigungspflicht ergibt sich aus der Existenz der Volksgemeinschaft. Man kann nicht einfach Millionen Mitglieder eines Volkes ihren ganzen Vermögensbesitz verlieren lassen, ohne eine Hilfe zu leisten. Für uns, die wir grundsätzlich das Privateigentum verteidigten, ist es ebenso selbstverständlich; daß das gerettete Privateigentum einen entsprechenden Ausgleichsbeitrag leisten muß.
    Wir sind uns in diesem Hause wohl weitgehend über die Notwendigkeit eines Lastenausgleichs klar, aber die Auffassungen über die Wege und die Art und Weise, wie dieser Lastenausgleich durchgeführt werden soll, gehen zwangsläufig auseinander. Ich halte es nicht für richtig und sinnvoll, die sich aus der ganz verschiedenen politischen Einstellung ergebenden Gegensätze zu verkleinern. Herr Kollege Kriedemann hat hier ganz offen den Standpunkt dargelegt, wie er und seine Freunde ihn auf Grund ihrer sozialistischen Einstellung haben. Ich habe für Ihren Standpunkt volles Verständnis. Ich darf Sie dann aber auch ebenso um Verständnis für unseren natürlich gegenteiligen Standpunkt bitten. Wir müssen auf dem Prinzip für die endgültige Gestaltung des Lastenausgleichs bestehen, das man mit einem wenig zutreffenden Ausdruck als „quotal" bezeichnet hat; richtiger wäre: ein auf den Vermögensverlusten aufbauender Lastenausgleich, bei dem die Vermögensverluste als solche wieder ausgeglichen werden sollen. Ich bedauere es, daß man immer noch ais Gegensatz zu dieser Form des Lastenausgleichs den irreführenden Ausdruck „sozialer Lastenausgleich" gebraucht. Wir, die wir den quotalen Lastenausgleich immer gefordert haben, sind uns völlig darüber klar, daß die soziale Dringlichkeit, die volkswirtschaftliche Notwendigkeit bei der Reihenfolge der Zahlungen, die geleistet werden können, berücksichtigt werden müssen. Wir akzeptieren ohne weiteres eine Staffelung der Entschädigungen. Darüber sollte kein Zweifel bestehen.
    Herr Abgeordneter Kather hat hier eben schon auch als Vertreter des Zentralverbandes der heimatvertriebenen Deutschen — nach meiner Meinung sehr wirkungsvoll — darauf hingewiesen, daß auch die Vertriebenenverbände und ebenso auch der Zentralverband der Fliegergeschädigten immer wieder die Forderung nach einem „quotalen" Lastenausgleich erhob en haben. Unbeschadet besonderer Beträge für Härtefonds und für Fürsorgemaßnahmen können und wollen also meine politischen Freunde nicht von dem Grundgedanken des „quotalen" Lastenausgleichs abgehen. Das war schon die Linie meiner Partei im Frankfurter Wirtschaftsrat, und wir sehen auch nach der bisherigen Entwicklung keine Veranlassung zu einer Änderung unseres Standpunktes.
    Daraus folgt, daß wir den Gesetzentwurf der Regierung unter dem Grundgesichtspunkt prüfen müssen, inwieweit er dieser Grundkonzeption entspricht. Herr Kriedemann hat den Entwurf ange-. griffen, weil er starke Züge des „quotalen" Lastenausgleichs trägt. Das ist nun gerade der Grund, weswegen wir mit dem Entwurf grundsätzlich einverstanden sind und ihn als eine geeignete Diskussionsgrundlage ansehen, unbeschadet einer ganzen Reihe von wichtigen Einzelheiten, wo wir unbedingt auf Abänderungen dringen werden.
    Wir sind insbesondere der Überzeugung, daß an dem Prinzip der Hauptentschädigung nicht gerüttelt werden darf. Wir unterstützen hier die


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Regierung durchaus in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der abweichenden Ansicht der Bundesratsmehrheit.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Neben der Hauptentschädigung begrüßen wir insbesondere die Grundsätze, wie sie der § 311 des Gesetzes enthält. Danach soll jetzt stärker als bisher auch der Hausbesitzer und der Einzelne, der sich eine Wohnung bauen will, bei der Zuteilung der für die Wohnbaufinanzierung vorgesehenen Mittel berücksichtigt werden.
    Wir halten es für ein gutes Vorzeichen, daß in derselben Sitzung, in der wir die erste Lesung des allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes vornehmen, auch das Gesetz über das Wohnungseigentum beraten werden soll. Wir sehen gerade in diesem Wohnungseigentumgesetz eine wesentliche Hilfe für die Eingliederung, die auch für uns, das betone ich besonders, im Vordergrund steht. Wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, daß die Menschen dort Wohnungen finden, wo Arbeit zu finden ist. Bei der Verteilung der Mittel muß der Nachdruck bei der systematischen Förderung des Wohnungsbaues liegen. Wir begrüßen es deshalb besonders, daß in diesem Gesetzentwurf das „quotale" Moment, gepaart mit der individuellen Entschädigung, sich weitergehend, als es bisher der Fall war, durchzusetzen scheint. Wir werden durch entsprechende Anträge gerade diesen Gedanken weiter zu fördern versuchen.
    Die von dem Regierungsentwurf vorgenommene Trennung zwischen den eigentlichen Fürsorgelasten und einer auf dem früheren Vermögensbesitz aufgebauten besonderen Zusatzrente erscheint uns als richtig. Insbesondere darf die Tatsache nicht übersehen werden, worauf j a auch der Herr Bundesfinanzminister vorhin in seiner Rede hinwies, daß wir auf diese Weise über das unmittelbare Aufkommen des Lastenausgleichsfonds hinaus immerhin noch über 250 Millionen jährlich für die Betreuung der Kriegsgeschädigten erhalten. Wir entlasten also insoweit den Ausgleichsfonds.
    Ich kann auch nicht zugeben, daß damit eine soziale Schlechterstellung erfolgt. Die vom Soforthilfegesetz vorgesehenen 70 DM Unterhaltsrente reichen tatsächlich vielfach nicht aus. Häufig muß noch eine ergänzende Fürsorge eingreifen. Meine Freunde und ich können darin nichts Diffamierendes erblicken, wenn Menschen, die ohne Schuld nicht mehr ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können, die öffentliche Fürsorge in Anspruch nehmen. Die Armenpflege des 19. Jahrhunderts haben wir doch wohl überwunden.
    In allen diesen Punkten hat die Bundesratsmehrheit eine andere Stellung bezogen. Wir begrüßen deshalb die ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Bundesratsvotum. Es ist hierzu schon von anderen Rednern Entsprechendes gesagt worden. Wir werden die Regierung in dieser Haltung gegenüber dem Bundesrat nachdrücklichst unterstützen.
    Der wundeste Punkt des Entwurfs ist die Hausratsentschädigung. In eingeweihten Kreisen wird erzählt, daß der Herr Bundesfinanzminister diese Regelung absichtlich so getroffen habe, um ein Objekt zu haben, wo er dem Drängen des Parlaments nachgeben kann. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist. Aber dieser Punkt ist tatsächlich für uns vollständig unannehmbar. Wenn wir die Hausratsentschädigung so lassen, würde die Masse der Geschädigten, die oft ein Leben lang für ihren Hausrat gespart haben, überhaupt leer ausgehen. Wenn man weiß, mit welcher Liebe gerade auch der kleine Mann in unserem Volke an seinem oft mühsam zusammengesparten Heim hängt, dann kann man allerdings eine Entschädigungsleistung von 400 bzw. 600 DM nicht als Diskussionsgrundlage betrachten. Also hier werden wir uns ganz energisch für eine Umgestaltung des Gesetzes einsetzen müssen.
    Nun ein weiterer Punkt, der uns Sorge macht! Das ist die Hinausschiebung gewisser Probleme auf eine spätere Zeit. Wir bitten die Regierung sehr nachdrücklich, unbedingt sofort mit Vorarbeiten zur Durchführung des § 259 zu beginnen. Das ist die Frage der Währungsschäden der Vertriebenen. Wir sind der Ansicht, dieses Problem ist so vordringlich und hat politisch eine so ungeheuere Bedeutung, daß wir dieses Problem unbedingt noch im Rahmen dieses Gesetzentwurfes lösen müssen. Es hat keinen Zweck, meine Herren, die Frage immer wieder zu vertagen. Probleme werden ja nicht dadurch gelöst, daß man sie vertagt, sondern wir müssen sie so oder so anpacken.
    Wir haben dasselbe Bedenken dagegen, daß die Schuldenregelung nach § 324 hinausgeschoben werden soll. Auch dieses Problem muß gelöst werden, und es dürfte auch kaum besonders schwierig sein.
    Meine Fraktion hat sich gestern sehr eingehend über den gefährlichen „Katalog der Hoffnungen", wie ich ihn nennen möchte, unterhalten, der in § 325 steckt. Herr Kollege Kunze hat vorhin schon das Problem der Altsparer angeschnitten. Ich will hier nicht im einzelnen darauf eingehen; dazu reicht meine Redezeit nicht. Aber meiner Fraktion erscheint der Vorschlag bedenklich, wonach all diese heiklen Fragen — Demontage- und Auslandsschäden, Altsparerentschädigung! — einer späteren gesetzlichen Regelung vorbehalten werden sollen. Die Entscheidung muß so oder so fallen. Wir müssen im Parlament den Mut haben, die Entscheidung dann auch nach außen hin zu vertreten. Je mehr wir den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern, desto schwieriger wird die Lösung des Lastenausgleichsproblems. Das ist in meiner Fraktion gestern sehr eingehend erörtert worden. Auf alle Fälle aber müssen jetzt hier Entscheidungen gefällt werden.
    Ein anderes Zeitproblem bildet die Hinausschiebung des endgültigen Gesetzes, das die Regelung der Hauptentschädigung bringen soll, bis zum 31. Dezember 1956. Hier müssen wir die dringende Bitte an die Regierung richten, mit einem sehr viel früheren Termin auszukommen. Selbstverständlich nimmt die Feststellung der Verluste Zeit in Anspruch. Das haben wir immer gesagt. Deswegen haben wir ja auch das von den anderen Fraktionen teilweise so stark kritisierte Feststellungsgesetz schon im Sommer eingebracht. Aber die endgültige Regelung der Entschädigung jetzt nochmals sechs volle Jahre in der Schwebe zu lassen, wäre wirklich eine Nervenprobe für die Betroffenen, die wir ihnen gern ersparen möchten.
    Ist nun das ganze Gesetz pessimistisch oder optimistisch zu beurteilen? Wir haben bei der bisherigen Diskussion die verschiedensten Standpunkte vertreten hören. Ich möchte unterstreichen, was Herr Kollege Kather vorhin gesagt hat. 45 Milliarden sollen aufkommen. Das ist immerhin ein Wort, und das soll und muß mit aller Deutlichkeit einmal auch nach außenhin gesagt werden. Nach der jetzigen Vorlage hat der Fonds auf der anderen Seite Belastungen von 31,35 Milliarden. Es ist also von vornherein eine Reserve, eine sehr erhebliche


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Reserve einkalkuliert worden. Wir haben damit im Ausschuß noch einen gewissen Spielraum, um Verbesserungen vorzunehmen bei den Renten, vor allen Dingen aber bei der Hausratentschädigung, die wir unbedingt für notwendig halten. Trotzdem, meine Damen und Herren, muß sich jeder, der heute im Lastenausgleichsausschuß mitarbeiten muß, darüber klar sein: Wir werden keinen Dank ernten, und wir werden niemals beide Teile, die abgebenden und die nehmenden, zufriedenstellen können. Wir können nur versuchen, das Bestmögliche herauszuholen, was unter den gegebenen Verhältnissen erreichbar ist. Wenn wir diese Aufgabe — vielleicht die größte Aufgabe, die einem Parlament im zwanzigsten Jahrhundert gestellt wird — wenigstens einigermaßen lösen, dann haben wir nicht nur unendlich vielen Menschen geholfen, sondern wir haben nach meiner Überzeugung sicherlich auch einen wertvollen Beitrag geleistet zum Neuaufbau einer hoffentlich dann nicht mehr gefährdeten deutschen Demokratie.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Tichi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht mir lediglich eine Redezeit von 15 Minuten zur Verfügung, und ich kann mich deshalb nur über die grundsätzliche Einstellung meiner Partei zum Lastenausgleichsentwurf äußern.

    (Abg. Kriedemann: Welche ist denn das?)

    — Ich glaube, das könnten Sie wissen, Herr Kollege.

    (Abg. Kriedemann: Ich war mir im Augenblick nicht ganz sicher! — Heiterkeit.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat die historische Bedeutung der heutigen Stunde mit einem Rückblick auf die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs unterstrichen. Wir, die wir die Leidtragenden sind, sind wohl einer etwas anderen Meinung über die Ursachen dieses Zusammenbruchs. Wir würden nur wünschen, daß die Regierung dem deutschen Volke in dieser schicksalsschweren Stunde den wahren sozialen Frieden gäbe, von dem der Herr Finanzminister und auch die anderen Redner wiederholt gesprochen haben. Ich habe aber den Eindruck, daß mit dem Regierungsentwurf zum Lastenausgleich dieser soziale Friede nicht herbeigeführt wird, insbesondere weil er ein Werk des Herrn Finanzministers Schäffer ist. Sollte dieser Regierungsentwurf Gesetz werden, dann werden die Gegensätze zwischen den Geschädigten und den Nichtgeschädigten noch mehr verschärft werden, und sie können auch in einen offenen Kampf ausarten.
    Wenn der Deutsche Bundestag, meine Frauen und Männer, heute in die Behandlung des Gesetzes über den allgemeinen Lastenausgleich eintritt, müssen wir uns, wie Herr Kollege Kather bereits gesagt hat, völlig darüber klar sein, daß Millionen Heimatvertriebene, Flieger- und Bombengeschädigte in diesem Augenblick mit allen ihren Hoffnungen nach Bonn blicken und darüber wachen werden, ob die Regierung, aber auch die politischen Parteien ihr Versprechen in bezug auf einen gerechten Lastenausgleich einhalten werden. Ich muß offen gestehen: ich habe die Sorge, daß der von diesen Millionen ersehnte Lastenausgleich eine bittere und böse Enttäuschung bringen wird. Wir, die wir für diese Gruppe sprechen — und jetzt,
    Herr Kollege Kriedemann, sage ich es Ihnen deutlicher —,

    (Abg. Kriedemann: Wir sprechen alle für diese Gruppe, nicht bloß Sie!)

    haben eine ernste Mission übernommen. Ich meine nicht die kleine Gruppe des BHE, die hier im Bundestag vertreten ist, sondern die Millionen Wähler, die sich bei den letzten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, in Bayern, in Württemberg und in Hessen zu uns bekannt haben.

    (Zuruf links: Es gibt noch mehr Flüchtlinge!) — Das sind schon eine große Anzahl von Flüchtlingen, und für diese können wir hier sprechen, und wir haben auch den Mut und das Recht, für diese Menschen hier einzutreten. Wir haben es bisher verhindert, daß diese oft verzweifelten Menschen, die Vermögen, Existenz und ihre Heimat verloren haben, dem Bolschewismus oder einem unangebrachten Radikalismus verfallen. Wir haben es gebilligt, daß unsere Leute auch in zwei Regierungen sitzen und die Mitverantwortung tragen. Auch in diesem Hause haben wir bis heute immer eine vernünftige Oppositionspolitik, nicht Opposition in jedem Fall, getrieben. Das müssen alle bedenken, die sich der Verantwortung bewußt sind.

    Das aber, was der Bundesrat, nicht nur bei der Behandlung des Unterbringungsgesetzes, sondern insbesondere bei Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes in seiner Sitzung vom 19. Januar 1951 geleistet hat, läßt das Böseste befürchten. Wir wissen, was wir von dieser Gesellschaft auch in der Zukunft zu erwarten haben. Wir führen seit einem Jahr einen zähen Kampf um den Art. 131 und wissen heute, daß diese Frage, wenn sie gelöst ist, auch die heimatvertriebenen Beamten kaum befriedigen wird. Der Bundesrat torpediert auch dieses Gesetz dadurch, daß er das Unterbringungsgesetz wieder zurückgewiesen hat. Das Gesetz wird dadurch illusorisch, daß inzwischen alle in Betracht kommenden Behörden die Zeit gefunden haben, die wahren Absichten des Unterbringungsgesetzes zu durchkreuzen.
    Das Problem, einen Ausgleich für die Lasten des gemeinsam verlorenen Krieges zu finden, ist das ernsteste deutsche Problem der Nachkriegszeit. Es ist für beide Teile, Geschädigte und verschont Gebliebene, höchste Zeit, daß es endlich — sechs Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen — einer praktischen Lösung zugeführt wird. Ein sozialer Friede ohne Ausgleich der krassen sozialen Spannungen ist undenkbar. Nachdem das Kabinett den Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes in einer viermal abgeänderten Form zu Weihnachten verabschiedet hat, tritt der Lastenausgleich nun den Lauf des parlamentarischen Weges an. Wer die Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes im Bundesrat und damit die erste Parlamentsdebatte verfolgt hat, muß tief erschüttert sein. Ein Gesetz, das das Schicksal von Millionen armer Teufel bestimmen soll, wird im Eiltempo in dreieinhalb Stunden verabschiedet und durchgepeitscht. Der Antrag meines Freundes Kraft, der Finanzminister von Schleswig-Holstein ist und im Bundesrat Sitz und Stimme hat, eine Generaldebatte zu führen, wird bagatellisiert und abgewiesen. Man will nicht, daß zu dieser brennenden Schicksalswunde in einer langen Debatte Stellung genommen wird. Alle von Minister Kraft vorgetragenen Forderungen der Geschädigten wurden bagatellisiert und nicht beachtet. Er verlangte die quotale Entschädigung, individuelle Schadensfestsetzung, Verkehrswert statt Einheitswert, Eingriff in die Vermögenssubstanz,


    (Tichi)

    sofortige Fälligkeit der Abgabe, Rechtsanspruch der Geschädigten. Alle diese unsere Forderungen sind im Regierungsentwurf entweder gar nicht oder sehr abgeschwächt enthalten.
    Für uns und für jedermann muß völlig klar sein: alle Deutschen müssen den gemeinsam verlorenen Krieg gemeinsam bezahlen, nicht wir allein. Wir lehnen es entschieden ab, daß diese Verluste aus Steuern ausgeglichen werden, und verlangen, daß der Eingriff in die Substanz erfolgt, auch dann, wenn der Herr Finanzminister Schäffer in diesem Falle von einem Bürgerkrieg spricht oder einen Bürgerkrieg an die Wand malt.
    Aus dem Regierungsentwurf zum Lastenausgleich weht der Geist des Bundesfinanzministers. Nun kommt der Bundesrat und verschlechtert diesen ohnehin schlechten Gesetzentwurf. Ich glaube, der Herr Finanzminister Schäffer hat eine Freude daran, daß er als Wohltäter der Heimatvertriebenen gelten wird, weil er sagt: der Bundesrat hat nicht soviel Gefühl und Einsicht wie ich, der Herr Schäffer.

    (Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Innerhalb des Deutschen Bundestages sind die Gegner eines von den Geschädigten geforderten Lastenausgleichs auch bereits zum Kampf angetreten. Die heutige Rede des Herrn Kollegen Kriedemann war deutlich genug, und die Haltung bei der Behandlung des Feststellungsgesetzes sagt uns ganz genau, daß die Gegner nicht nur bei den Regierungsparteien zu finden sind, sondern daß es auch im Lager der Opposition Menschen gibt, die der Meinung sind, der Lastenausgleich und das Feststellungsgesetz seien in der Form nicht notwendig. Nach meiner Überzeugung ist ein Lastenausgleich ohne vorherige Schadensfeststellung unmöglich und undenkbar.
    Ebenso gefährlich ist auch die Front, die sich gegen den Lastenausgleich außerhalb des Parlamentes heute schon formiert. Es ist der Deutsche Städtetag, der zu Protestversammlungen gegen den Lastenausgleich aufruft. Sie finden in allen möglichen Städten statt. Die Landwirtschaft, die Industrie- und Handelskammern tun das gleiche; kurz: alle Gegner des Lastenausgleichs haben sich bereits in einer gemeinsamen Front zusammengefunden.
    Man erzähle uns nicht, daß der Lastenausgleich den Zusammenbruch der Wirtschaft oder der staatlichen Finanzen herbeiführen würde. Das sind Mätzchen, über die man ernstlich nicht nachzudenken braucht. Kein Mensch von uns verlangt, daß der kleine, vom Schicksal verschonte einheimische Bauer, Handwerker oder Unternehmer wirtschaftlich umgebracht wird.
    Man nehme sich ein Beispiel an dem kleinen und heldenhaften finnischen Volk, das ein halbes Jahr nach Kriegsschluß bereits einen Lastenausgleich geschaffen hat, der alle befriedigt. Natürlich haben die verschont Gebliebenen Opfer gebracht. Neubauernhöfe und Siedlungen sind auf Grund eines Wohnungsbeschaffungsgesetzes entstanden. Freiwillig haben einheimische Bauern einen Teil ihres ohnehin mageren Besitzes an ihre vertriebenen Brüder aus Karelien abgegeben.
    Auch wir weisen mit Nachdruck darauf hin, daß die Forderung nach einem gerechten Lastenausgleich nicht das Verlangen einer Gruppe nach Bereicherung ist, sondern eine geistig-politische Auseinandersetzung von entscheidender Bedeutung zum Gegenstand hat. Wir wissen uns beim Kampf urn den Lastenausgleich frei von dem Verdacht, daß wir etwa selbstsüchtigen Interessen dienen, sondern wir sind zutiefst davon überzeugt, daß es um die Schaffung und die Erhaltung einer deutschen Not- und Schicksalsgemeinschaft geht. Die Geschichte lehrt, daß Besitz nicht ohne Opfer erhalten werden kann. Wir richten in letzter Stunde von dieser Stelle an die vom Schicksal verschonten Besitzenden den dringenden Appell, einen Teil der erhaltenen Substanz herzugeben, um der unbeschreiblichen Not der Geschädigten zu steuern. Auch die Verteidigung der Freiheit ist ohne Sicherheit und sozialen Frieden ein hoffnungsloses Beginnen. Die Lesung im Bundesrat hat gezeigt, welche erschreckenden Möglichkeiten zu einer Vermassung in einem falsch angelegten Lastenausgleich enthalten sind und welche Gefahren hierdurch für eine gegliederte Demokratie und für unsere abendländischen Kulturwerte heraufbeschworen werden. Wer nicht von solcher Schau aus an die Lösung dieser deutschen Schicksalsfrage herantritt, macht sich — wenn auch unbewußt — zum Schrittmacher des Bolschewismus und versündigt sich an der Zukunft eines freien Europas.

    (Zuruf von der SPD: Das sind sicher Worte von Kraft!)

    Wir lehnen aus diesen Gründen den Regierungsentwurf grundsätzlich ab und hoffen, mit allen jenen Volksvertretern, die es mit den Opfern des letzten Weltkrieges ehrlich meinen, eines Sinnes zu sein. Wir appellieren insbesondere an unsere Kollegen, die heimatvertriebenen Abgeordneten, nicht nur in den Reihen der Regierungsparteien, sondern auch in den Reihen der SPD, sich der Verantwortung, die sie gegenüber den Heimatvertriebenen und Geschädigten übernommen haben, bewußt zu sein. Wird dieser Regierungsentwurf Gesetz, dann wissen wir genau, was geschieht. Wir warnen vor diesen unabsehbaren Folgen.
    Wir . beantragen, den Regierungsentwurf über den allgemeinen Lastenausgleich auch dem Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen, damit wir dort unsere Forderungen stellen können.

    (Beifall beim BHE und bei anderen Abgeordneten.)