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ID0111501700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951 4335 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951. Glückwünsche zum Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten Heuss 4335D Begrüßung des Abg. Morgenthaler nach seiner Genesung 4336A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4336A, 4365C Zugehörigkeit des Abg. Paschek zur Fraktion der WAV 4336B Aufnahme des Abg. Dr. Freiherrn von Fürstenberg in die Fraktion der CDU . . . 4336B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800 der Drucksachen) 4336B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4336C Kunze (CDU) 4343D Kriedemann (SPD) 4347D, 4381C Dr. Kather (CDU) 4353A Dr. Horlacher (CSU) 4357B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4359A Tichi (BHE-DG) 4361A Wartner (BP) 4362D Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4363D Kuhlemann (DP) 4365C Farke (DP) 4366C Dr. Atzenroth (FDP) 4367D Frommhold (DRP) 4369C Kohl (Stuttgart) (KPD) 4370C Wittmann (WAV) 4374A Loritz (WAV) 4375D Dr. von Golitschek -(FDP) 4377A Dr. Reismann (Z) 4377D Ausschußüberweisung 4383B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) (Nr. 1799 der Drucksachen) 4383C Ausschußüberweisung 4383C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Nr. 252 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) (Nr. 1802 der Drucksachen) . . . 4383C Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 4383D Lücke (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4390D Ewers (DP) 4391B Abstimmungen 4391A, D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. Laforet, Dr. Solleder u. Gen. betr. Koordinierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau (Nrn. 1803, 1096 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zusammenfassung der öffentlichen Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau (Nrn. 1804, 1352 der Drucksachen) mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nrn. 1805, 1540 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Wohnungsbauprogramme 1950 und 1951 (Nr. 1795 der Drucksachen) . . . . 4392B Wirths (FDP), Berichterstatter . . . 4392C Huth (CDU), Berichterstatter . . . . 4392D Kalbfell (SPD), Berichterstatter . 4392D Beschlußfassung 4393C Ausschußüberweisung 4393C Nächste Sitzung 4393C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Michael Horlacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist oft schwer im Leben eingerichtet, daß man ausgerechnet dann reden muß, wo man lieber noch ein bissel warten würde. Aber in dem Fall hat mich das Schicksal so getroffen. Ich muß sagen, es kommt mir so vor, als wenn manchmal Vorstellungen herrschen, die nicht realisierbar und nicht greifbar sind. Ja, wenn die Frage des Lastenausgleichs so zu lösen wäre, daß ich gewissermaßen auf einen elektrischen Knopf drücke und dann die Vermögensumschichtung zwischen denen, die etwas haben wollen, und zwischen denen, die etwas hergeben müssen, erfolgen könnte, dann hätte der Herr Kollege Kather vollständig recht. Aber das ist leider nicht der Fall.
    Ich habe schon ausgeführt, daß wir von der CDU/ CSU naturgemäß positiv zu dem Lastenausgleich stehen. Ich habe das dem Hohen Hause des langen und breiten schon einmal auseinandergesetzt. Es handelt sich nur um die Frage der Durchführung des Lastenausgleichs. In einem hat Herr Kollege Kather recht, ja man könnte ihm sogar noch weiter entgegenkommen, wenn sich das Problem so lösen ließe, daß wir die 30jährigen Leistungen für den Lastenausgleich, also die Leistungen jedes Jahr hindurch, zum großen Teil in einmalige Leistungen umwandeln; aber das geht aus eigener Kraft nicht, dazu gehört, daß das vorfinanziert, daß der Lastenausgleich mobilisiert wird. Dieses Problem der Mobilisierung des Lastenausgleichs ist aber das Problem, das den quotalen Lastenausgleich nicht so zuläßt, wie ihn Kollege Kather propagiert hat, sondern es muß der soziale Lastenausgleich im Vordergrund stehen, jener Lastenausgleich, der der Sicherung der Existenzen und der Schaffung von Arbeit und Brot für viele Menschen dient, die auch früher keinen Besitz hatten und nun zu uns herübergekommen sind. Sie sehen immer nur die Frage von der Seite derer, die etwas besessen haben. Es sind aber auch sehr viele da, die zu uns herübergekommen sind, die schon immer lediglich auf Brot und Arbeit angewiesen waren und die alle ihren Hausrat verloren haben. Dazu kommen die, die noch etwas besessen haben, sie sollen auch im Lastenausgleich angemessen berücksichtigt werden. Aber ich bin der Meinung, daß man die Kirche im Dorf lassen muß, wie es sich gehört, und daß man keine übertriebenen Vorstellungen haben darf.
    Jetzt kommt die eine Seite: Lastenausgleich bedeutet Einebnung zwischen denen, die etwas hergeben müssen, und denen, die etwas bekommen müssen, bedeutet, Gerechtigkeit walten zu lassen, bedeutet, daß hier unter allen Umständen ein Gesetz beobachtet werden muß, für das ich mich einsetzen möchte, das ist das, daß der Lastenausgleich für die Wirtschaft tragbar gemacht wird. Denn ein Lastenausgleich, der die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit übersteigt, ist ein schlechter Lastenausgleich und wird nicht zum sozialen Frieden, sondern zum dauernden Unfrieden in unserem Volke führen. Deswegen müssen hier die Grenzen richtig gezogen werden, und sie müssen dort liegen, wo derjenige, der dem anderen hilft — ich habe schon einmal das Beispiel des Blutspenders an anderer Stelle gebraucht: der ist gerne bereit, seinen schwächeren Mitmenschen zu helfen, aber er ist nicht bereit, sein ganzes Blut dem anderen zu geben, weil er dann selber dabei zugrunde geht und der andere dann auch geschädigt ist —, selbst zugrunde zu gehen droht; eine Hilfe findet also da ihre Grenze, wenn sie dem, der hilft, jede Verdienst- und Arbeitsmöglichkeit nimmt, wenn die Wirtschaft zum Erliegen kommen würde. Das sind Gesichtspunkte, die in wirtschaftlicher Hinsicht berücksichtigt und in den Vordergrund geschoben werden müssen.
    Herr Kollege Kather, ich könnte jetzt, wenn Sie nicht mein Fraktionskollege wären, eine schöne Bemerkung machen.

    (Heiterkeit.)

    Ich will das aber unterlassen.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zuruf: Man raus damit; der ist abgebrüht!)

    Eine schöne Idee war das nicht, ausgerechnet den Einheitswert anzugreifen. Da kommen Sie auch in die tiefsten Jagdgründe meiner agrarischen Seele hinein.

    (Heiterkeit.)

    Herr Kollege Kather, da beginnen bei mir die „Kater"-Ideen.

    (Heiterkeit.)

    Das kann unter keinen Umständen gemacht werden. Sie sind doch ein ausgezeichneter Anwalt, und wir zwei stehen ja persönlich besser da, als es momentan ausschaut, und verstehen auch vom Steuerwesen etwas. Es ist doch ein alter Begriff, daß die


    (Dr. Horlacher)

    Verkaufswerte je nach den Wirtschaftskonjunkturen schwanken, und sie können unmöglich für größere wirtschaftliche Berechnungen zugrunde gelegt werden: denn hier kommt die Nachhaltigkeit des Ertrages und die Bedeutung des Wertes für den Betrieb in Frage. Das ist der Gesichtspunkt, der hier eine Rolle spielt und der auch in weiten Kreisen unumstritten ist.
    Wir wollen von der landwirtschaftlichen Seite unbedingt an der Sache festhalten. Ja, es kommt dann der andere Grundsatz, den ich hier auch schon mal erläutert habe. Ich stehe deswegen auf dem Sandpunkt, daß dieses Lastenausgleichsgesetz gründlich von den zuständigen anderen Ausschüssen nach der wirtschaftlichen Seite hin mitberaten werden muß, wenigstens indem diese Ausschüsse angehängt werden. Herr Kollege Kunze, hier muß Landwirtschaft und Ernährung auf der einen Seite und auch die Wirtschaft auf der anderen Seite unbedingt mitsprechen, weil es sich darum handelt, den Gesetzentwurf so sachverständig zu untermauern, daß er nach allen Seiten hin gerecht geregelt und für die Wirtschaft tragbar wird.
    Glauben Sie mir, eines kann man nicht wegstreichen, daß der Umsatz in der Wirtschaft und die Leistungsfähigkeit des einzelnen Sachvermögens durchaus unterschiedlien sind. Ich habe hier Berechnungen vor mir — ich will nur darauf hinweisen, ich Labe die Ziffern hier im Hause schon einmal auseinandergesetzt und das kann an anderer Stelle noch einmal geschehen —, aus denen genau hervorgeht, wie unterschiedlich die Bedeutung des Umsatzes beispielsweise in Einzelhandelsgeschäften, in der verarbeitenden Industrie usw. ist, wie es dann auf der anderen Seite beim Hausbesitz aussieht, wie es beim landwirtschaftlichen Besitz, bei unserem Bauerntum aussieht, wo wir den langweiligsten Umsatz haben. Das brauche ich nicht extra zu betonen. Und der Umsatz des Hausbesitzes ist auch gewissermaßen eingeengt, weil er über gewisse Mieteinnahmen nicht hinaus kann. Infolgedessen ist nach meiner Überzeugung auch der Hausbesitz noch einer besonderen Würdigung zu unterziehen; denn wenn der Hausbesitz zugrunde geht, ist damit auch den Ausgewiesenen und Ausgebombten nicht gedient.
    Wir werden also diese Fragen einer gründlichen Erörterung unterziehen müssen. Bezüglich dieser Gesichtspunkte stehe ich persönlich mit einer ganzen Anzahl von Freunden auf dem Standpunkt, daß hier der erste Schäffersche Entwurf die Grundgedanken der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft besser herausgearbeitet hat, als es jetzt im Regierungsentwurf der Fall ist.

    (Sehr gut! rechts.)

    Es muß einmal ausgesprochen werden: wir wollen dadurch den Regierungsentwurf nicht in Bausch und Bogen ablehnen, sondern wir wollen uns eine gründliche Prüfung der Verhältnisse vorbehalten, denn es ist notwendig, daß insbesondere auch draußen auf dem Lande der soziale Frieden erhalten bleibt. Glauben Sie mir, ich habe heute große Befürchtungen: Nicht bloß der soziale Friede in den großen Industriezentren ist hier und da gefährdet, sondern der soziale Friede ist auch bereits auf dem Lande so erschüttert, daß er genau so gefährdet werden kann wie in den städtischen Betrieben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das ist meine große Sorge. Hier dürfen die Interessengegensätze draußen nicht überspitzt und
    nicht zu groß gemacht werden. Hier muß gewisser-
    maßen auch auf das Naturrecht des Bauernbetriebes zurückgegangen werden.
    Es kommt hinzu, daß der Gesetzentwurf in einem unzulänglich ist, weil er keine Berücksichtigung der mitarbeitenden Kinder des Bauern enthält, wenigstens nicht in ausreichendem Maße. Glauben Sie mir, wir werden der Landflucht nicht Herr werden, wenn wir nicht den Kindern des Bauern wieder ein gewisses Heimatgefühl und eine Bodenständigkeit und eine Sicherung ihrer Verdienstmöglichkeit auf ihrem eigenen Hofe verleihen, damit sie wirklich wissen, daß sie für ihren Vater nicht bloß umsonst arbeiten, sondern daß sie das Recht haben, auch den gerechten Lohn zu beanspruchen. Das ist die Frage des Bauerntums, die heute an uns herantritt. Deswegen muß ähnlich wie im Erbschaftsteuergesetz auch hier eine Bestimmung hineinkommen, wonach diejenigen Kinder des Bauern vom 15. Lebensjahre aufwärts, die nicht genügend Barlohn erhalten haben, diesen Barlohn entsprechend abgerechnet bekommen, damit der soziale Lastenausgleich auch innerhalb der Bauernfamilie in gerechter Weise zur Durchführung gebracht wird. Das sind Gesichtspunkte, die dabei eine Rolle spielen. Daß naturgemäß die Steuersätze insgesamt im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft einer Überprüfung nach den verschiedenen Kategorien bedürfen, darauf habe ich schon hingewiesen und brauche es jetzt nicht mehr besonders zu betonen.
    Der Herr Finanzminister hat einmal ein schönes Wort gesprochen — ich gebe auch auf jedes Wort vom Herrn Bundesfinanzminister Obacht, denn die Geschichten sind doch so: Finanzministern, wenn sie auch der eigenen Partei angehören, darf man nicht ganz über den Weg trauen; die muß man schon unter Kontrolle halten —, er hat ein wunderbares Wort von der Sanierung der Soforthilfe geprägt, also Wechselbeziehung zwischen Einkommensteuernovelle und Lastenausgleich. Diese Sanierung des Lastenausgleichs — und jetzt komme ich zu einem wesentlichen Punkt — ist zwar bei den größeren Einkommen erfolgt, aber nicht bei den kleineren und mittleren Einkommen und nicht bei den Einkommen, wo das Sachvermögen im Verhältnis zum Umsatz wesentlich größer ist als bei den größeren, rasch rotierenden und sich rasch umsetzenden Vermögen.

    (Zuruf von der SPD: Warum haben Sie das damals nicht gesagt?)

    - Das habe ich schon immer ausgeführt. Wissen Sie, oft dringe ich mit meiner Klugheit nicht durch. Das ist ja auch das Schicksal des Menschen.

    (Heiterkeit.)

    Was ich denen alles gesagt habe-die das nicht
    befolgt haben —, das ist ja auch eine Frage für sich.
    Man muß natürlich denen immer gut zureden, damit sie endlich das annehmen, was notwendig ist.

    (Heiterkeit.)

    — Ja, ihr von der SPD müßt mir bezüglich des kleinen und mittleren Hausbesitzes und des Bauerntums unbedingt herhalten; denn das ist auch eine soziale Frage. Da können wir die Dinge nicht bis zum äußersten überspitzen. Ich weiß, wenn man hier bestimmte sachliche Kreise in diesem Hause, die überall da sind, ermuntert und von den parteipolitischen Verhältnissen absieht — Herr Kollege Kriedemann, ich habe das Vertrauen zu Ihnen —, dann werden wir doch miteinander in verschiedenen Fragen mit Ihnen auf einen grünen Zweig kommen,

    (Heiterkeit)



    (Dr. Horlacher)

    der dann ewig grünen möge, damit man nicht bloß die Agitation im Volke sieht, sondern — und jetzt komme ich zum Schluß — damit man die sachliche Arbeit sieht, damit man sieht, daß wir sowohl denjenigen, die etwas bekommen sollen, unter allen Umständen helfen wollen, als auch, daß wir denen gerecht werden, die die Leistungen aufbringen müssen, damit nicht durch untragbare Leistungen der schönste soziale Lastenausgleich von Hause aus illusorisch und zunichte gemacht wird.

    (Lebhafter Beifall bei der CSU und Abgeordneten der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher hat seine Redezeit nicht voll ausgeschöpft.

(Abg. Dr. Horlacher: Na, schauns, ich bin eben ein anständiger Mensch! — Heiterkeit.)

Das Wort hat der Abgeordnete Nöll von der Nahmer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat -nach meinem Empfinden mit vollem Recht — am Anfang seiner Rede einen Blick in die Vergangenheit geworfen. Man kann tatsächlich in diesem Augenblick nicht über das schwerwiegende Gesetz des allgemeinen Lastenausgleichs sprechen, ohne der verhängnisvollen Entwicklung vor sechs Jahren zu gedenken. Im eisigen Winter wurden Millionen unserer Mitbürger aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Das mit Flüchtlingen überfüllte Dresden wurde von einer mächtigen Luftflotte angegriffen. An all dieses unsagbare Elend, damals vor sechs Jahren, sollte man sich heute hier in dieser Stunde erinnern. Ich gedenke dieser Zeit vor allem deswegen, weil es mir eine Pflicht zu sein scheint, einmal all den Mitbürgern zu danken, die trotzdem den Mut nicht verloren haben, die, als sie wieder eine neue Heimat hier bei uns fanden, sofort mit großer Energie den Aufbau begonnen haben, nicht immer so unterstützt, wie man es gern gesehen hätte! Diese Tatsache erfüllt uns mit Vertrauen in die Kraft unseres Volkes. Wir werden zu einer um so besseren Entwicklung kommen, wenn wir nun diesen Menschen, die sich zunächst einmal selbst geholfen haben, durch einen Lastenausgleich im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen weitere Hilfe zur Verfügung stellen.
    Es ist aber auch aus einem anderen Grunde notwendig, an diese Zeit vor sechs Jahren, die Zeit der Bombennächte, zu erinnern. Ein Kollege, ein Landwirt, sagte mir einmal folgendes: Wenn man ihm unerfüllbare Wünsche hinsichtlich einer Ermäßigung der Abgaben vortrage, so frage er diese Interpellanten oft, wie denn die Sache vor sechs Jahren gewesen wäre, als sie in den Bombenkellern gesessen hätten. Wenn damals unter dem Bombenhagel die Wände wankten und wenn dann plötzlich ein Engel gekommen wäre und gefragt hätte: Bist Du bereit, 50 % Deines Besitzes abzugeben, wenn Du gerettet wirst? —, dann wäre damals wohl keiner dagewesen, der nicht dieses Opfer gern gebracht hätte um den Preis seiner und seiner Familie Rettung.
    Meine Damen und Herren! In der Begründung zu dem Lastenausgleichsgesetz ist sehr eingehend die Frage nach der Rechtfertigung dieses Entschädigungsanspruches erörtert worden. Man hat dazu sogar unser altes Preußisches Allgemeine Landrecht zitiert, aber ich glaube, man braucht die Begründung gar nicht so weit herzuholen. Auch hier scheint mir zwischen uns und dem Herr n Bundesfinanzminister Übereinstimmung zu bestehen. Die Entschädigungspflicht ergibt sich aus der Existenz der Volksgemeinschaft. Man kann nicht einfach Millionen Mitglieder eines Volkes ihren ganzen Vermögensbesitz verlieren lassen, ohne eine Hilfe zu leisten. Für uns, die wir grundsätzlich das Privateigentum verteidigten, ist es ebenso selbstverständlich; daß das gerettete Privateigentum einen entsprechenden Ausgleichsbeitrag leisten muß.
    Wir sind uns in diesem Hause wohl weitgehend über die Notwendigkeit eines Lastenausgleichs klar, aber die Auffassungen über die Wege und die Art und Weise, wie dieser Lastenausgleich durchgeführt werden soll, gehen zwangsläufig auseinander. Ich halte es nicht für richtig und sinnvoll, die sich aus der ganz verschiedenen politischen Einstellung ergebenden Gegensätze zu verkleinern. Herr Kollege Kriedemann hat hier ganz offen den Standpunkt dargelegt, wie er und seine Freunde ihn auf Grund ihrer sozialistischen Einstellung haben. Ich habe für Ihren Standpunkt volles Verständnis. Ich darf Sie dann aber auch ebenso um Verständnis für unseren natürlich gegenteiligen Standpunkt bitten. Wir müssen auf dem Prinzip für die endgültige Gestaltung des Lastenausgleichs bestehen, das man mit einem wenig zutreffenden Ausdruck als „quotal" bezeichnet hat; richtiger wäre: ein auf den Vermögensverlusten aufbauender Lastenausgleich, bei dem die Vermögensverluste als solche wieder ausgeglichen werden sollen. Ich bedauere es, daß man immer noch ais Gegensatz zu dieser Form des Lastenausgleichs den irreführenden Ausdruck „sozialer Lastenausgleich" gebraucht. Wir, die wir den quotalen Lastenausgleich immer gefordert haben, sind uns völlig darüber klar, daß die soziale Dringlichkeit, die volkswirtschaftliche Notwendigkeit bei der Reihenfolge der Zahlungen, die geleistet werden können, berücksichtigt werden müssen. Wir akzeptieren ohne weiteres eine Staffelung der Entschädigungen. Darüber sollte kein Zweifel bestehen.
    Herr Abgeordneter Kather hat hier eben schon auch als Vertreter des Zentralverbandes der heimatvertriebenen Deutschen — nach meiner Meinung sehr wirkungsvoll — darauf hingewiesen, daß auch die Vertriebenenverbände und ebenso auch der Zentralverband der Fliegergeschädigten immer wieder die Forderung nach einem „quotalen" Lastenausgleich erhob en haben. Unbeschadet besonderer Beträge für Härtefonds und für Fürsorgemaßnahmen können und wollen also meine politischen Freunde nicht von dem Grundgedanken des „quotalen" Lastenausgleichs abgehen. Das war schon die Linie meiner Partei im Frankfurter Wirtschaftsrat, und wir sehen auch nach der bisherigen Entwicklung keine Veranlassung zu einer Änderung unseres Standpunktes.
    Daraus folgt, daß wir den Gesetzentwurf der Regierung unter dem Grundgesichtspunkt prüfen müssen, inwieweit er dieser Grundkonzeption entspricht. Herr Kriedemann hat den Entwurf ange-. griffen, weil er starke Züge des „quotalen" Lastenausgleichs trägt. Das ist nun gerade der Grund, weswegen wir mit dem Entwurf grundsätzlich einverstanden sind und ihn als eine geeignete Diskussionsgrundlage ansehen, unbeschadet einer ganzen Reihe von wichtigen Einzelheiten, wo wir unbedingt auf Abänderungen dringen werden.
    Wir sind insbesondere der Überzeugung, daß an dem Prinzip der Hauptentschädigung nicht gerüttelt werden darf. Wir unterstützen hier die


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Regierung durchaus in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der abweichenden Ansicht der Bundesratsmehrheit.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Neben der Hauptentschädigung begrüßen wir insbesondere die Grundsätze, wie sie der § 311 des Gesetzes enthält. Danach soll jetzt stärker als bisher auch der Hausbesitzer und der Einzelne, der sich eine Wohnung bauen will, bei der Zuteilung der für die Wohnbaufinanzierung vorgesehenen Mittel berücksichtigt werden.
    Wir halten es für ein gutes Vorzeichen, daß in derselben Sitzung, in der wir die erste Lesung des allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes vornehmen, auch das Gesetz über das Wohnungseigentum beraten werden soll. Wir sehen gerade in diesem Wohnungseigentumgesetz eine wesentliche Hilfe für die Eingliederung, die auch für uns, das betone ich besonders, im Vordergrund steht. Wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, daß die Menschen dort Wohnungen finden, wo Arbeit zu finden ist. Bei der Verteilung der Mittel muß der Nachdruck bei der systematischen Förderung des Wohnungsbaues liegen. Wir begrüßen es deshalb besonders, daß in diesem Gesetzentwurf das „quotale" Moment, gepaart mit der individuellen Entschädigung, sich weitergehend, als es bisher der Fall war, durchzusetzen scheint. Wir werden durch entsprechende Anträge gerade diesen Gedanken weiter zu fördern versuchen.
    Die von dem Regierungsentwurf vorgenommene Trennung zwischen den eigentlichen Fürsorgelasten und einer auf dem früheren Vermögensbesitz aufgebauten besonderen Zusatzrente erscheint uns als richtig. Insbesondere darf die Tatsache nicht übersehen werden, worauf j a auch der Herr Bundesfinanzminister vorhin in seiner Rede hinwies, daß wir auf diese Weise über das unmittelbare Aufkommen des Lastenausgleichsfonds hinaus immerhin noch über 250 Millionen jährlich für die Betreuung der Kriegsgeschädigten erhalten. Wir entlasten also insoweit den Ausgleichsfonds.
    Ich kann auch nicht zugeben, daß damit eine soziale Schlechterstellung erfolgt. Die vom Soforthilfegesetz vorgesehenen 70 DM Unterhaltsrente reichen tatsächlich vielfach nicht aus. Häufig muß noch eine ergänzende Fürsorge eingreifen. Meine Freunde und ich können darin nichts Diffamierendes erblicken, wenn Menschen, die ohne Schuld nicht mehr ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können, die öffentliche Fürsorge in Anspruch nehmen. Die Armenpflege des 19. Jahrhunderts haben wir doch wohl überwunden.
    In allen diesen Punkten hat die Bundesratsmehrheit eine andere Stellung bezogen. Wir begrüßen deshalb die ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Bundesratsvotum. Es ist hierzu schon von anderen Rednern Entsprechendes gesagt worden. Wir werden die Regierung in dieser Haltung gegenüber dem Bundesrat nachdrücklichst unterstützen.
    Der wundeste Punkt des Entwurfs ist die Hausratsentschädigung. In eingeweihten Kreisen wird erzählt, daß der Herr Bundesfinanzminister diese Regelung absichtlich so getroffen habe, um ein Objekt zu haben, wo er dem Drängen des Parlaments nachgeben kann. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist. Aber dieser Punkt ist tatsächlich für uns vollständig unannehmbar. Wenn wir die Hausratsentschädigung so lassen, würde die Masse der Geschädigten, die oft ein Leben lang für ihren Hausrat gespart haben, überhaupt leer ausgehen. Wenn man weiß, mit welcher Liebe gerade auch der kleine Mann in unserem Volke an seinem oft mühsam zusammengesparten Heim hängt, dann kann man allerdings eine Entschädigungsleistung von 400 bzw. 600 DM nicht als Diskussionsgrundlage betrachten. Also hier werden wir uns ganz energisch für eine Umgestaltung des Gesetzes einsetzen müssen.
    Nun ein weiterer Punkt, der uns Sorge macht! Das ist die Hinausschiebung gewisser Probleme auf eine spätere Zeit. Wir bitten die Regierung sehr nachdrücklich, unbedingt sofort mit Vorarbeiten zur Durchführung des § 259 zu beginnen. Das ist die Frage der Währungsschäden der Vertriebenen. Wir sind der Ansicht, dieses Problem ist so vordringlich und hat politisch eine so ungeheuere Bedeutung, daß wir dieses Problem unbedingt noch im Rahmen dieses Gesetzentwurfes lösen müssen. Es hat keinen Zweck, meine Herren, die Frage immer wieder zu vertagen. Probleme werden ja nicht dadurch gelöst, daß man sie vertagt, sondern wir müssen sie so oder so anpacken.
    Wir haben dasselbe Bedenken dagegen, daß die Schuldenregelung nach § 324 hinausgeschoben werden soll. Auch dieses Problem muß gelöst werden, und es dürfte auch kaum besonders schwierig sein.
    Meine Fraktion hat sich gestern sehr eingehend über den gefährlichen „Katalog der Hoffnungen", wie ich ihn nennen möchte, unterhalten, der in § 325 steckt. Herr Kollege Kunze hat vorhin schon das Problem der Altsparer angeschnitten. Ich will hier nicht im einzelnen darauf eingehen; dazu reicht meine Redezeit nicht. Aber meiner Fraktion erscheint der Vorschlag bedenklich, wonach all diese heiklen Fragen — Demontage- und Auslandsschäden, Altsparerentschädigung! — einer späteren gesetzlichen Regelung vorbehalten werden sollen. Die Entscheidung muß so oder so fallen. Wir müssen im Parlament den Mut haben, die Entscheidung dann auch nach außen hin zu vertreten. Je mehr wir den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern, desto schwieriger wird die Lösung des Lastenausgleichsproblems. Das ist in meiner Fraktion gestern sehr eingehend erörtert worden. Auf alle Fälle aber müssen jetzt hier Entscheidungen gefällt werden.
    Ein anderes Zeitproblem bildet die Hinausschiebung des endgültigen Gesetzes, das die Regelung der Hauptentschädigung bringen soll, bis zum 31. Dezember 1956. Hier müssen wir die dringende Bitte an die Regierung richten, mit einem sehr viel früheren Termin auszukommen. Selbstverständlich nimmt die Feststellung der Verluste Zeit in Anspruch. Das haben wir immer gesagt. Deswegen haben wir ja auch das von den anderen Fraktionen teilweise so stark kritisierte Feststellungsgesetz schon im Sommer eingebracht. Aber die endgültige Regelung der Entschädigung jetzt nochmals sechs volle Jahre in der Schwebe zu lassen, wäre wirklich eine Nervenprobe für die Betroffenen, die wir ihnen gern ersparen möchten.
    Ist nun das ganze Gesetz pessimistisch oder optimistisch zu beurteilen? Wir haben bei der bisherigen Diskussion die verschiedensten Standpunkte vertreten hören. Ich möchte unterstreichen, was Herr Kollege Kather vorhin gesagt hat. 45 Milliarden sollen aufkommen. Das ist immerhin ein Wort, und das soll und muß mit aller Deutlichkeit einmal auch nach außenhin gesagt werden. Nach der jetzigen Vorlage hat der Fonds auf der anderen Seite Belastungen von 31,35 Milliarden. Es ist also von vornherein eine Reserve, eine sehr erhebliche


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Reserve einkalkuliert worden. Wir haben damit im Ausschuß noch einen gewissen Spielraum, um Verbesserungen vorzunehmen bei den Renten, vor allen Dingen aber bei der Hausratentschädigung, die wir unbedingt für notwendig halten. Trotzdem, meine Damen und Herren, muß sich jeder, der heute im Lastenausgleichsausschuß mitarbeiten muß, darüber klar sein: Wir werden keinen Dank ernten, und wir werden niemals beide Teile, die abgebenden und die nehmenden, zufriedenstellen können. Wir können nur versuchen, das Bestmögliche herauszuholen, was unter den gegebenen Verhältnissen erreichbar ist. Wenn wir diese Aufgabe — vielleicht die größte Aufgabe, die einem Parlament im zwanzigsten Jahrhundert gestellt wird — wenigstens einigermaßen lösen, dann haben wir nicht nur unendlich vielen Menschen geholfen, sondern wir haben nach meiner Überzeugung sicherlich auch einen wertvollen Beitrag geleistet zum Neuaufbau einer hoffentlich dann nicht mehr gefährdeten deutschen Demokratie.

    (Beifall bei der FDP.)