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    Deutscher Bundestag - 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951 4335 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951. Glückwünsche zum Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten Heuss 4335D Begrüßung des Abg. Morgenthaler nach seiner Genesung 4336A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4336A, 4365C Zugehörigkeit des Abg. Paschek zur Fraktion der WAV 4336B Aufnahme des Abg. Dr. Freiherrn von Fürstenberg in die Fraktion der CDU . . . 4336B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800 der Drucksachen) 4336B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4336C Kunze (CDU) 4343D Kriedemann (SPD) 4347D, 4381C Dr. Kather (CDU) 4353A Dr. Horlacher (CSU) 4357B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4359A Tichi (BHE-DG) 4361A Wartner (BP) 4362D Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4363D Kuhlemann (DP) 4365C Farke (DP) 4366C Dr. Atzenroth (FDP) 4367D Frommhold (DRP) 4369C Kohl (Stuttgart) (KPD) 4370C Wittmann (WAV) 4374A Loritz (WAV) 4375D Dr. von Golitschek -(FDP) 4377A Dr. Reismann (Z) 4377D Ausschußüberweisung 4383B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) (Nr. 1799 der Drucksachen) 4383C Ausschußüberweisung 4383C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Nr. 252 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) (Nr. 1802 der Drucksachen) . . . 4383C Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 4383D Lücke (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4390D Ewers (DP) 4391B Abstimmungen 4391A, D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. Laforet, Dr. Solleder u. Gen. betr. Koordinierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau (Nrn. 1803, 1096 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zusammenfassung der öffentlichen Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau (Nrn. 1804, 1352 der Drucksachen) mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nrn. 1805, 1540 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Wohnungsbauprogramme 1950 und 1951 (Nr. 1795 der Drucksachen) . . . . 4392B Wirths (FDP), Berichterstatter . . . 4392C Huth (CDU), Berichterstatter . . . . 4392D Kalbfell (SPD), Berichterstatter . 4392D Beschlußfassung 4393C Ausschußüberweisung 4393C Nächste Sitzung 4393C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Herbert Kriedemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß in der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages nun endlich überhaupt ein Gesetzentwurf über den Lastenausgleich vorliegt, reicht nicht aus, um die Feststellung zu unterdrücken, daß es eben 115 Sitzungstage ge-


    (Kriedemann).

    dauert hat, bis die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf hier vorgelegt hat. Durch diese Verzögerung ist es ermöglicht worden, daß jenes gewissenlose Spiel von Versprechungen und Illusionen noch über Gebühr ausgedehnt worden ist. Wenn der Herr Bundesfinanzminister dieses Spiel mit Recht bedauert, so muß ich ihm sagen, daß er zur Abkürzung dieser Frist wesentlich hätte beitragen können. Ich fühle mich insbesondere deshalb zu dieser Feststellung vor der Öffentlichkeit berechtigt, da meine Freunde und ich mehrmals diesem Hause vorgeschlagen haben, der Bundesregierung einen Termin zu setzen, bis zu dem der Lastenausgleich als Entwurf vorgelegt werden sollte. In jedem Falle hat man uns gesagt, daß man damit ja nur offene Türen einrenne, denn die Regierung wäre ja nun schon usw. usw.; und alles zusammen hat es dann bis heute gedauert.
    Die Gründe für diese lange Zeit — um nicht zu sagen versäumte Zeit — liegen auf der Hand. Es war für die Bundesregierung nicht sehr einfach, die vielen widerstreitenden Interessenten unter einen Hut oder, besser gesagt, ihre Standpunkte in einen Gesetzentwurf hineinzubringen. Es ist natürlich ein schwieriges Stück Arbeit, aus der Wahlpropaganda und aus den zahllosen Versprechungen von Jahren nun endlich ein nüchternes Zahlenwerk zu fabrizieren. Es hat so lange gedauert und ist vielleicht gerade deshalb so schlecht geworden, weil man den Versuch unternommen hat, schon vorher alles unter einen Hut zu bringen. Wir sind ja oft damit getröstet worden, daß durch die Länge der Beratungen — der internen Beratungen, der Gruppenberatungen, der Kreisberatungen, der neuen Entwürfe usw. — die Ausschußarbeit nachher sehr wesentlich vereinfacht werden würde. Meine Damen und Herren, aus der Kenntnis des Gesetzentwurfs kann ich für meine Freunde und mich nur sagen, daß trotz der Länge der Vorbereitungen eine sehr gründliche, das heißt auch recht langwierige Ausschußarbeit notwendig sein wird, um aus dem Gesetzentwurf das zu machen, was er zu sein vorgibt: ein Entwurf für die endgültige Lösung des Lastenausgleichs.
    Meine Damen und Herren! Ich will hier die Ausschußarbeiten nicht vorwegnehmen und will gern darauf verzichten, auf die vielen, vielen Einzelheiten, die von meinen Herren Vorrednern hier schon behandelt worden sind, einzugehen. Das macht sich nachher an Hand der Zahlen, der konkreten Unterlagen im Ausschuß sehr viel besser, als wenn wir hier drauflospropagieren. Ich möchte nur auf einige grundsätzliche Fragen zu sprechen kommen.
    Meine Freunde und ich haben unsere Vorstellung vom Lastenausgleich — sowohl nach der grundsätzlichen Seite wie nach seiner praktischen Gestaltung — in jahrelanger Arbeit entwickelt. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß wir uns dabei nur von der nüchternen Betrachtung der Tatsachen haben leiten lassen. Das hat es uns erspart, in die Gesellschaft jener Leute zu kommen, die phantastische Forderungen aufstellen, gewissenlose Versprechungen machen und die nun heute in dieser Weise noch fortfahren, obwohl durch den Gesetzentwurf schon einige Klarheit geschaffen ist, weil sie eben nicht wissen, wie sie mit ihren Beinen wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückfinden sollen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn wir zu jeder Zeit auch in diesem Hause den Lastenausgleich so nüchtern, sachlich und frei von allen Illusionen, ohne alle gewissenlosen Versprechungen, behandelt haben, dann vor allem deshalb, weil uns das Thema für bloße Agitation zu wichtig war und weil wir die an dieser Frage interessierten, von einer vernünftigen Lösung dieser Frage in vollem Umfange abhängigen Menschen nicht für das richtige Publikum für solche Versprechungen gehalten haben. Im übrigen haben wir im Lastenausgleich nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Stück unseres deutschen Schicksals gesehen, und das verbietet es, darüber anders als in der vollsten und höchsten Verantwortung zu sprechen.

    (Abg. Dr. Oellers: Tun wir das nicht?)

    - Das werden wir noch alles hören! — Wir haben bei den Diskussionen über den Lastenausgleich vielleicht gewisse Worte wie „individuell" oder „früheres Eigentum" weniger häufig benutzt als andere, die an der Diskussion teilgenommen haben. Auf der andern Seite aber haben wir uns doch gegen jeden Verdacht geschützt, etwa etwas unternehmen zu wollen, was man einen kollektiven Lastenausgleich nennt. Wir sind bei unseren Betrachtungen und bei unseren Forderungen immer von dem Menschen in seiner heutigen Situation ausgegangen, und wir haben im Lastenausgleich eine nationale Angelegenheit, eine, die alle angeht, gesehen; aber nicht irgendein Verrechnungsverfahren zwischen denen, die ihr Eigentum verloren haben, und denen, die ihr Eigentum noch erhalten haben. Wenn der Lastenausgleich wirklich nur das wäre, dann, meine Damen und Herren, wäre nicht einzusehen, warum er mit so viel Pathos vorgetragen wird; das wäre dann ein verhältnismäßig einfaches Verfahren, eine Angelegenheit innerhalb einer und nicht gerade der größten Gruppe in der deutschen Bevölkerung. Er ist aber mehr! Wir haben es sehr bedauert, daß unter der reichlichen Verwendung solcher Proklamationen wie „Gerechtigkeit" und gar unter Verwendung der Formulierung „sozialer Friede" hier oft und auch heute in einigen Äußerungen so getan wird, als sei es wirklich nichts anderes als eine Verrechnung zwischen dem erhaltengebliebenen Vermögen und dem verlorengegangenen Vermögen.
    Aus einem Bekenntnis zu einem solchen Lastenausgleich ergibt sich nun unsere Kritik an der Vorlage im einzelnen. Es handelt sich dabei nicht um eine Kritik an dieser oder jener Feststellung, an Einzelheiten; es handelt sich, rund heraus gesagt, um eine Ablehnung der Tendenz und der Struktur des Gesetzentwurfes. Man hat uns heute auseinanderzusetzen versucht, daß es der Regierung gelungen sei, weder das eine noch das andere Schlagwort zu ihrem Programm zu machen, keinen quotalen, aber auch keinen sozialen Lastenausgleichsgesetzentwurf vorzulegen, sondern daß sie den goldenen Mittelweg gewählt habe. Meine Damen und Herren, leider trifft das in gar keiner Weise zu. Der Gesetzentwurf der Regierung hat sich sehr eindeutig — das war auch kaum anders zu erwarten — für eine der beiden Auffassungen entschieden, die in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort, wenn sie wollen, unter dem Schlagwort — die damit zu arbeiten wissen, denken sich schon etwas dabei — quotal oder sozial bekannt geworden sind. Sie hat sich für den quotalen Lastenausgleich entschieden, d. h. sie will die Leistungen aus dem Lastenausgleich in ein bestimmtes Verhältnis zu dem Schaden setzen, den jemand aus der Vertreibung, aus der Bombardierung und anderen mit dem Krieg zusammenhängenden Ursachen an seinem Vermögen erlitten hat.


    (Kriedemann)

    Dabei muß uns notwendigerweise einfallen, daß ein Teil der Regierungskoalition schon aus dieser Auffassung heraus seinerzeit in Frankfurt die Mitarbeit am Soforthilfegesetz abgelehnt hat.

    (Zuruf von der FDP: Das waren wir!)

    — Ja, das waren Sie. Ich weiß es so genau, wie Sie es wissen. Das werden Sie nachher schon tun. Zum Glück ist das nicht nur eine Angelegenheit zwischen Ihnen und uns, sondern eine Angelegenheit, an der auch andere Parteien in diesem Hause beteiligt sind.
    Meine Damen und Herren! Vielleicht läßt sich der Charakter dieses Gesetzentwurfes, gegen den schon eine Fülle von Kritik laut geworden ist, an keinem Beispiel so klar verdeutlichen wie an dem hier auch schon angesprochenen Problem der Kriegsschadenrente. Wir haben es einmal gemeinsam für eine große Tat gehalten, als das Soforthilfegesetz all denen, die infolge des Krieges ihre Existenz verloren haben, eine reichlich dotierte Existenz oder eine sehr bescheidene Existenz, in Form eines Rechtsanspruches eine neue Lebenssicherheit gegeben hat, keine sehr großzügige, eine sehr bescheidene, aber doch eine Sicherheit, die es ihnen ersparte, weiter auf das Wohlfahrtsamt zu gehen, wohin die Leute vorher jahrelang gehen mußten. Ich glaube auch heute noch, daß es kein zu starkes Wort ist, wenn ich das als eine soziale Tat bezeichne. 70 DM wenigstens hat der Alte, hat der Arbeitsunfähige oder 100 DM zusammen mit seiner Frau bekommen, wenn er in seine heutige hilflose Lage aus der Vertreibung, aus der Ausbombung hineingekommen ist.
    Der Gesetzentwurf der Regierung will, um denen mehr geben zu können, die ein Vermögen verloren haben und die den Verlust dieses Vermögens nachweisen können, diese Rente in einem Umfang abbauen, der ganz unglaublich erscheint.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Da fängt es in Zukunft mit, ich glaube, 11 DM im Monat an.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das, was heute jeder bekommt, 70 DM, wird in
    Zukunft nur noch einer zu beanspruchen oder zu
    erwarten haben, der über 70 Jahre alt ist und über
    150 000 Mark Vermögensverlust nachweisen kann.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Abgesehen von den Leistungen aus der Hausratsbeihilfe schließt der Gesetzentwurf der Regierung 80 % aller Geschädigten von den Hilfeleistungen aus dem Lastenausgleich aus.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Ich fürchte sehr, daß die Kritik, die einstweilen besonders aus dem Regierungslager oder aus dem Lager der Verbündeten der Regierungsparteien an dem Gesetzentwurf geübt worden ist, weil er den Betreffenden, die offenbar einen so großen Vermögensschaden erlitten haben, daß selbst ein gewisser Bruchteil davon, eine Quote, wie man das nennt, für sie noch eine interessante Angelegenheit wäre, — ich fürchte sehr, daß diese Kritik durch die Empörung weit, weit zugedeckt werden wird, wenn in dem großen Kreis der Betroffenen, in dem großen Kreis derjenigen, die Ansprüche haben, erst einmal in vollem Umfang bekannt wird, um was es denn eigentlich geht, wenn über den quotalen und sozialen Lastenausgleich gestritten wird.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ist, wie gesagt, die Einzelheit, an der man wie
    an keinem anderen Punkt des Gesetzentwurfes den
    wahren Charakter dieser Vorlage klarstellen kann
    Nun wird oft die Behauptung aufgestellt, daß eben diese Leute, von denen ich jetzt sprach, diejenigen, die gar keinen Vermögensverlust oder jedenfalls keinen nennenswerten Vermögensverlust nachweisen können, auch gar nicht in den Lastenausgleich hineingehören und daß deshalb die Änderung, um nicht zu sagen, der Wegfall der Unterhaltsrente auch recht und billig sei. Was recht ist, wird sehr oft umstritten. Billig mag ès schon sein, aber nicht in dem Sinne, in dem es hier wahrscheinlich gemeint worden ist. Gehört etwa die alte Frau, die nach dem Tode ihres Mannes von der Vermietung ihrer zwei Zimmer gelebt hat und die aus dem Ertrage dieser Miete und der Betreuung ihres möblierten Herrn eine zwar sehr bescheidene, aber gesicherte Existenz hatte, nicht in den Kreis derjenigen, die ihre Existenz durch die Austreibung verloren haben? Zweifellos, wenn man mal den Schaden in D-Mark feststellt, den sie erlitten hat, rangiert sie dann in der allerletzten Gruppe von den Gruppen, die da gebildet werden sollen. Wer auf einem gewissen „Rechts"standpunkt steht, wird leicht sagen können, daß sie so wenig gehabt hat und so wenig verlieren konnte, daß sie, da es hier nur um Quoten geht, gar nichts bekommen kann, vielleicht 10 DM im Monat; für den Rest muß sie der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen. Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach gehört sie und mit ihr z. B. ein Altenteiler oder ein kleiner Handwerker in vollem Umfang in den Lastenausgleich hinein, und ihre Ansprüche können auf keine andere Weise respektiert und befriedigt werden als durch eine Rente, die so hoch bemessen ist, daß sie davon ihren Lebensunterhalt auch bestreiten können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und ich möchte hier unumwunden aussprechen, daß es damit bei uns anfängt. Jede Maßnahme, jeden Versuch, die Renten abzuschaffen, was im Grunde auf eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes anstatt auf eine Verbesserung hinausläuft, werden wir nicht nur mit aller Energie bekämpfen, sondern wir werden davon möglicherweise auch die Notwendigkeit ableiten müssen, unser Ausmaß an Mitarbeit danach zu bemessen.
    Lassen Sie mich ein paar Worte zu der Hausratbeihilfe sagen. Herr Kollege Kunze hat vorhin schon gesagt, daß man damit nicht zufrieden sein könne. Ich hatte erwartet, weil er vorher einige Bemerkungen gemacht hatte, denen wir durchaus zustimmen konnten, daß er die von dem Entwurf beabsichtigte Höhe beanstanden würde, und ich wäre dann in der glücklichen Lage, ihm dabei zuzustimmen. Wir werden uns wirklich ganz gründlich überlegen müssen, ob man mit 400 bzw. mit 600 DM die Starthilfe geben kann, auf die jeder unserer Meinung nach Anspruch hat, nicht nur diejenigen, die sich selber eine Existenz nicht mehr aufbauen können, die sich selber nicht mehr ernähren können, sondern auch die, die sich noch mit ihrer eigenen Arbeit ernähren können, die aber im Alter von 40 oder 50 Jahren nicht noch einmal auf dem Wege über das Abzahlungsgeschäft anzufangen in der Lage sind.
    Herr Kollege Kunze hat leider etwas anderes gesagt. Er hat die Frage aufgeworfen, ob man denn die Hausrathilfe einheitlich bemessen könne, für alle gleich. Ich möchte auch hier gleich unseren Standpunkt mit aller Eindeutigkeit sagen. Jeder-


    (Kriedemann)

    mann, der weiß, welcher Betrag für eine Hausrathilfe zur Verfügung steht, muß sich darüber klar sein, daß diese Summe wahrscheinlich nicht einmal ausreicht, um jeden mit dem absolut Notwendigen auszustatten. Wer deshalb auch nur einen Teil mehr geben will, weil die Betroffenen schon früher mehr als das Lebensnotwendige gehabt haben, der muß sich auf der anderen Seite entschließen, der großen Zahl der Geschädigten dann weniger als das unbedingt Notwendige zu geben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ist, wie gesagt, für uns in der Kategorie „Recht, gerecht und billig" nicht unterzubringen. Wir möchten also auch hier über unsere Auffassung gleich völlige Klarheit geschaffen haben.
    Dann, meine Damen und Herren, zum Kapitel der Eingliederungshilfe. Ich darf mich hier noch einmal auf unsere Mitwirkung am Soforthilfegesetz beziehen. Wir waren es, die damals vor allem einen produktiven Einsatz der aufgebrachten Mittel verlangten,

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    und sind damit ja auch im großen und ganzen recht erfolgreich gewesen. Tatsache ist wohl auch, daß aus dem Aufkommen der Soforthilfe doch mindestens 40 % produktiv eingesetzt worden sind. Und so sollte nach unserer Meinung auch heute alles geschehen, was nur irgendwie in dieser Richtung erreichbar ist, um die aus der Wirtschaftskraft stammenden Mittel wieder wirtschaftlich nutzbar zu machen. Aber, meine Damen und Herren, das bedeutet unserer Meinung nach nicht, daß nur diejenigen einen Anspruch auf Förderungsmittel, auf alles, was unter dem Ausdruck „Eingliederungshilfe" zusammengefaßt wird, haben, die einen erlittenen Vermögensschaden nachweisen können. Wir denken da z. B. an die jungen Menschen, die aus Familien kommen, in denen man auch früher kein großes Vermögen hatte, in denen aber heute ein ordentlicher Teil der Zukunft unseres Volkes steckt. Und nur weil jemand normalerweise zu Hause wahrscheinlich niemals mehr als ein Schuhmachergeselle geworden wäre, wollen wir ihm hier den Weg zu mehr nicht abschneiden, wenn er in seiner Person die Gewähr dafür bietet, daß die ihm zur Eingliederung zur Verfügung gestellten Mittel auch wirklich wirtschaftlich eingesetzt werden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Nicht jeder, der auf seinen früheren Vermögensstand hinweisen kann, bietet diese Gewähr. Ich will mich da auf Einzelheiten nicht einlassen. Ich glaube, das wird auch so deutlich genug verstanden.
    Die Fragen der Eingliederung in ihrem ganzen Zusammenhang werden wahrscheinlich von allen Seiten als besonders eilbedürftig anerkannt werden. Schnell muß hier geholfen werden, wenn hier überhaupt geholfen werden soll. Aber ich kann mich nicht mit dem abfinden, was der Herr Bundesfinanzminister vorhin sagte, wo es hieß: in den ersten Jahren, etwa in den ersten fünf Jahren, wird ja sowieso, ob man auf den Rechtsanspruch abkommt oder nicht, alles für die Eingliederungsmaßnahmen gebraucht werden. Meine Damen und Herren, das Aufkommen aus den ersten fünf Jahren wird dazu nicht ausreichen, und wenn wir für die oft angesprochene Vorfinanzierung solide Grundlagen haben wollen, dann müssen wir das Aufkommen aus all den späteren Jahren auch für diesen Zweck der Eingliederung als Grundlage für die nötige und mögliche Vorfinanzierung in Rechnung stellen und sollten uns eben gar keine Illusionen machen, daß nach anderen Maßstäben verfahren werden könnte als nach den Maßstäben, die sich aus dem Menschen von heute und seiner heutigen Situation anbieten. Und wer darüber hinaus noch mehr tun will, wer so die Sorte von wohlerworbenen Rechten, die im Grundbesitz, im großen Besitz bestehen, der auch heute noch, in D- Mark ausgedrückt, imposant und interessant macht, berücksichtigen will, wer auch denjenigen, nur weil sie einen solchen Schaden nachweisen können, etwas geben will, muß sich entschließen, dann schon mehr Mittel aufzubringen, als das im Augenblick nach dem Regierungsentwurf wohl beabsichtigt ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat sich das Ziel in der Richtung ja nicht sehr hoch gesteckt, und ich möchte ihm hier folgendes sagen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben vorhin gesagt: Der Lastenausgleich ist ja eine ganz andere Angelegenheit als etwa die Kriegsopferversorgung. Hier geht es ja mehr um den Ausgleich zwischen denjenigen, deren Vermögen erhalten geblieben ist, und denen, die ihr Vermögen verloren haben. Man könnte vielleicht wünschen, daß es so wäre. Aber Sie selber haben offenbar nicht allzuviel Vertrauen in die Solidarität derjenigen, deren Vermögen erhalten geblieben ist. Denn nach Ihren heutigen Zahlen wird die öffentliche Hand mit 550 Millionen DM, d. h. mit einem Drittel des Aufkommens eingesetzt, so daß es sich also offenbar nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen den Leuten mit erhaltenem Besitz und denen mit verlorenem Besitz handelt, sondern darum, daß in diesen Ausgleich, in diese Verrechnung auch der ganz gewöhnliche Steuerzahler in einem sehr erheblichen Umfange mit einbezogen werden muß.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich sagen, daß meine Freunde und ich die Inanspruchnahme des öffentlichen Vermögens für Zwecke des Lastenausgleichs ablehnen und darüber hinaus für völlig untragbar halten.

    (Zuruf von der FDP: Das ist interessant!)

    — Natürlich, das ist sehr interessant; das ist besonders für diejenigen interessant, die immer noch mehr versprechen möchten und dann nach Wegen suchen, um möglichst wenig dazu beizutragen,

    (Beifall bei der SPD)

    und die deshalb besonders großzügig mit den Geldern der anderen, in diesem Falle mit den Geldern der öffentlichen Hand und deren Vermögen sind. Das Eigentum der öffentlichen Hand und seine Erträgnisse dienen doch der Erledigung jener Fülle von Staatsaufgaben, die auf allen Gebieten, auf wirtschaftlichem, auf sozialem Gebiet wohl in keinem Lande der Welt dringender sind als in Deutschland. Alles, was durch Inanspruchnahme des öffentlichen Eigentums, des öffentlichen Vermögens und seiner Erträgnisse zur Erfüllung dieser Aufgaben des Lastenausgleichs verlorengeht, muß entweder durch ein Mehraufkommen an Steuern aufgebracht oder mit Verminderung von Leistungen bezahlt werden.

    (Abg. Mellies: Das letztere möchte man!)

    — Das scheint uns unmöglich zu sein. Das ist
    gerade das, was unter allen Umständen vermieden
    werden sollte: eine Abwälzung des Lastenausgleichs auf die breite Masse derjenigen Menschen,
    die, ohne daß sie Vermögen haben, es ohnehin


    (Kriedemann)

    schon schwer haben, mit dem Leben und mit den Preisen von heute fertigzuwerden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich kann es mir ersparen, vor Ihnen hier klarzulegen, was es z. B. bedeutet, wenn die Elektrizitätswerke oder die Gaswerke in den Lastenausgleich einbezogen werden.

    (Zuruf von der SPD [nach rechts gewandt] : Das möchten Sie!)

    Das sollte sich jeder selber ausrechnen; das sollten sich im übrigen auch die Geschädigten ausrechnen, die sich von gewissen Leuten immer wieder vorreden lassen, daß man ihnen viel mehr geben könnte, wenn man z. B. auch das öffentliche Eigentum stärker belasten würde. Dann würden sie nämlich durch Erhöhung der Stromtarife und der Verkehrstarife und, soweit sie Steuern zahlen, der Steuern, ihren Lastenausgleich selber bezahlen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine derartige Inanspruchnahme der öffentlichen Hand, wie sie dieser Gesetzentwurf vorsieht, scheint uns völlig indiskutabel zu sein. Das bedeutet nicht, daß wir diesen Teil des erwarteten Aufkommens einfach streichen, daß wir darauf einfach verzichten und die Leistungen entsprechend vermindern wollen. Wir denken gar nicht daran, die Leistungen etwa nach dem zu bemessen, was die Leute, die heute noch ein Vermögen haben, gutwillig herzugeben bereit sind. Diese Feststellung betreffend die Nichtinanspruchnahme des öffentlichen Vermögens bedeutet für uns nur, daß das Aufkommen umgelagert werden muß.
    Meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich gleich deutlich sagen: Unserer Auffassung nach wird es sich nicht umgehen lassen, daß die Vermögensbelastung — mit einer gewissenhaften Prüfung wird das im einzelnen festgestellt werden müssen — wirklich bis an den Rand des eben wirtschaftlich noch Erträglichen gebracht wird.

    (Zuruf von der FDP: Bis alles kaputt ist!)

    Das muß unter allen Umständen jedem klar sein, der über Lastenausgleich ernsthaft mitreden will und der sich nicht in den Verdacht bringen will, daß er auf der Seite jener steht, die zwar gern versprechen, sich aber den Kopf darüber nicht zerbrechen, wie dann diese Versprechungen eingehalten werden sollen.
    Damit bin ich eigentlich schon bei der Frage des Aufkommens. Ich möchte auch dazu noch einige Bemerkungen machen. Wenn ich sage: bis an den Rand des Erträglichen —, dann weiß ich, daß das nur funktionieren wird, wenn das Gesetz von einer Regierung durchgeführt wird, die in der Erkenntnis der einmaligen Bedeutung des Lastenausgleichs bereit ist, auch ihre Wirtschafts- und ihre Finanzpolitik den Gesichtspunkten des Lastenausgleichs unterzuordnen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir würden in eine außerordentlich peinliche Situation kommen, wenn man etwa um des guten Eindrucks willen oder, um die Leute zu beruhigen, einen recht „rabiaten" Lastenausgleich machen, aber dann sozusagen auf dem Verwaltungswege die Hälfte davon wieder aus der Welt schaffen würde.
    Bis an die Grenze des Möglichen muß die Belastung der erhalten gebliebenen Vermögen gehen. Das sage ich, weil ich mich darauf berufen kann, daß meine Freunde und ich die wirtschaftliche Seite dieses Problems und die wirtschaftlichen Grenzen des Lastenausgleichs auch in diesem Hause schon mehr als einmal sehr offen angesprochen haben. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die Regierung, gerade weil in ihr das War' Wirtschaft immer mit erheblichem Pathos ausgesprochen wird,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    auch große Anstrengungen machen würde, um die Leute aus ihrem eigenen Lager, die sich noch heute in Versprechungen ergehen — wir werden wahrscheinlich in diesem Hause von der Seite noch manche Kritik an dem Gesetzentwurf der Regie rung hören —, mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten etwas mehr vertraut zu machen.
    Wir sind in der Gefahr, daß sich jetzt zwei falsche Fronten in unserem Volke bilden, wenn über den Lastenausgleich in den Einzelheiten diskutiert wird. In der einen falschen Front sehe ich — ich sage es einmal bewußt ganz zugespitzt — den ehemaligen Rittergutsbesitzer, der an der Spitze seiner Tagelöhner in die Versammlungen reitet und den totalen Lastenausgleich fordert, damit jeder das oder etwas Ähnliches wiederkriegt, was er einmal gehabt hat. Dabei ist den Leuten bloß noch nicht mitgeteilt worden, daß eine solche Lösung zwar für denjenigen recht interessant ist, der einen solchen Schaden nachweisen kann und dem es ein Ersatz dafür, wie gesagt, wieder ermöglichen würde, Landarbeiter zu beschäftigen, daß aber eine solche Lösung für diejenigen gar nichts bedeutet, die auf keinen anderen Verlust als auf den Verlust ihres Hausrats, ihrer Kleider und ihrer Arbeitsstelle hinweisen können. Das ist die eine falsche Front.
    Die andere falsche Front könnte sich dadurch ergeben, daß diejenigen, die um ihre Vermögensabgabe wirklich Angst haben, weil man ihnen ein fühlbares Opfer zumuten will, alle die hier von Herrn Kunze vorhin mit soviel Sympathie angesprochenen kleinen Hausbesitzer — so als Schutzgarde, das hat man ja manchmal ganz gern gemacht — vor sich versammeln würden und diesen etwa einreden wollten: Es geht hier um das Eigentum. Auch wir sind der Meinung — und ich hoffe, daß wir damit gemeinsam etwas Brauchbares zustande bringen —, daß die untere Freigrenze auf die verschiedene Struktur, auf den verschiedenen Charakter von Vermögen Rücksicht nehmen muß und daß unter allen Umständen diejenigen Vermögen von jeder Belastung frei bleiben müssen, die keinen anderen Zweck haben, als ihrem Besitzer die Aufrechterhaltung eines sehr bescheidenen Lebensstandards zu ermöglichen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber der soziale Gesichtspunkt sollte in dieser Frage, wie gesagt, nicht über Gebühr ausgeweitet werden. Noch einmal muß ich sagen: die Vermögensabgabe muß ein fühlbares Opfer sein und muß bis an die Grenze dessen gehen, was wirtschaftlich vertreten werden kann.
    Ich hoffe, Sie wissen es zu würdigen, daß ich hier, wo doch die letzte Gelegenheit ist, über den Lastenausgleich in großen Tiraden loszulegen — denn ab morgen soll es ja im Ausschuß mit den Tatsachen weitergehen, und diese sind sehr viel härter —, unsere Kritik sachlich begründet vorgetragen habe und mit meinen Forderungen zweifellos im Rahmen der Tatsachen geblieben bin. Um so fester soll an diesen Forderungen aber auch festgehalten werden. Die unsachliche Opposition, die da so tut, als ob der Lastenausgleich der Bundesregierung den Forderungen der ehemals Besitzenden nicht gerecht würde, wird im übrigen Ihnen


    (Kriedemann)

    und uns allen mehr zu schaffen machen, als uns lieb ist, so daß ich gern darauf verzichten kann, als Vertreter der sachlichen Opposition dazu noch meinen Beitrag zu liefern. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur folgendes sagen. Wir werden unsere Objektivität nicht so weit treiben, daß wir uns etwa mit den Herren aus Ihren Reihen oder aus den Kreisen Ihrer Verbündeten — man hat ja da in der Sitzung des Bundesrats so allerhand hören können — auseinandersetzen werden, daß wir uns etwa der Mühe unterziehen werden, diese wilden Leute zur Vernunft und zur Erkenntnis der wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen zu bringen. Das werden wir dann allerdings Ihnen selber überlassen müssen. Gegen unsachliche Angriffe auf unsere Auffassung oder gegen die landläufigen verleumderischen Interpretationen unserer Forderungen werden wir uns selbstverständlich selber unserer Haut wehren. Denn jetzt — und das ist schon durch die Tatsache bewirkt, daß ein so ungenügender, nach unserer Meinung ausgesprochen schlechter Gesetzentwurf hier vorliegt - ist die Zeit der Versprechungen, die Zeit der Propaganda vorbei. Jetzt kann jeder vor der Öffentlichkeit mit seinen Taten konfrontiert werden.
    Wir glauben, daß es in unser aller Interesse ist, wenn über die Verhandlungen im Bundestag die denkbar größte Information an die Öffentlichkeit gegeben wird. Weil es sich um eine einmalige Angelegenheit handelt, von der für unser Volk, nicht bloß für diejenigen, die etwas zu kriegen hoffen, oder für diejenigen, die etwas hergeben sollen, so unendlich viel abhängt, sollte unser ganzes Volk von dem Fortgang der Verhandlungen wirklich eine gute Kenntnis haben. Wir möchten jedenfalls alles tun, was in unseren Kräften steht, um in diesem Sinne die Öffentlichkeit an den Beratungen teilnehmen zu lassen, damit jeder weiß, was hier auf dem Spiele steht. Denn sonst sind die Gewichte hier vielleicht ein bißchen zu ungleich verteilt.
    In diesem Sinne werden wir an der grundlegenden Umgestaltung des Gesetzentwurfes über den Lastenausgleich in der Absicht mitarbeiten, möglichst viel für diejenigen herauszuholen, die wegen ihres Alters oder wegen ihres sonstigen körperlichen Zustandes nach dem Verlust ihrer gewohnten Lebensumstände nicht mehr in der Lage sind, sich aus eigenem zu helfen, und möglichst viel für diejenigen herauszuholen, die heute, nicht weil man irgendwelche ehemaligen Besitzansprüche nicht oder noch nicht anerkannt hat, im Grunde doch nur durch eine unsoziale, ja unchristliche Wirtschaftsgesinnung daran gehindert werden, ihre Familie und sich selber mit ihrer Arbeitsleistung, mit ihren Kenntnissen usw. zu ernähren. Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um diesen Lastenausgleich nach seiner Verwendungsseite produktiv, wirtschaftlich zu gestalten. Wir denken dabei daran, daß alle möglichen Hilfsmaßnahmen vergeblich sein würden, wenn man nicht auch die Frage der Umsiedlung, die Frage der Heranführung der Vertriebenen und anderer Menschen, die ihren früheren Wohnort haben aufgeben müssen, an die Arbeitsplätze zunächst einmal als eine der Aufgaben des Lastenausgleichs mit in Angriff nehmen würde.
    Alles in allem, meine Damen und Herren, werden wir unsere Anstrengungen deshalb rückhaltlos einsetzen, weil unserer Überzeugung nach der Lastenausgleich eben doch mehr ist als eine Angelegenheit, die zwischen den ehemals Besitzenden und denen, die heute noch Besitzende sind, ausgehandelt werden muß. Hier steht nämlich in Wirklichkeit die Zukunft unseres Volkes auf dem Spiel, nicht nur unter dem allgemeinen Schlagwort „innerer Friede" — damit die Leute keinen Krawall machen —, nein, meine Damen und Herren, noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin darauf hingewiesen, daß doch auch das Ausland verstehen möge, vor welcher großen Aufgabe wir stehen, und er hat durchklingen Tassen, daß wir schließlich angesichts der Größe dieser Aufgabe und wegen ihrer Bedeutung auch über unser eigenes Land hinaus auf Hilfe von außen einen Anspruch haben. Es ist dabei auch der Ausdruck gefallen, daß die Zustände, unter denen wir hier leiden, nicht zuletzt auch von denen, an die wir uns heute hilfesuchend wenden, mit geschaffen worden sind. Darf ich der Ordnung halber doch noch einmal daran erinnern, daß das deutsche Unglück nicht in Jalta und in Teheran anfängt, sondern seinen wirklichen Ursprung in den Taten des Dritten Reiches hat, die dann die Konferenzen von Jalta und Teheran und ähnliche Dinge erst möglich und nötig gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Gerade weil auch ich davon überzeugt bin, daß wir mit dieser Aufgabe aus eigenem nicht fertig werden können, und gerade weil auch ich der Überzeugung bin, daß ein anständiger Lastenausgleich mehr als eine deutsche Angelegenheit ist und wirklich einen Beitrag zur Befriedung der Welt darstellt, möchte ich die mögliche Hilfe, die erwartet wird und erforderlich ist, nicht dadurch verzögern, daß hier erst noch Mißverständnisse aufgeklärt werden müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch das: Auch in der Weise hängt unser Schicksal von einer überzeugenden, anständigen und konsequenten Lösung dieses Problems ab, daß man uns draußen ja gar nicht anders beurteilen kann als nach dem, was wir hier zu Hause produzieren. Wir werden nicht erwarten können, daß man uns von draußen her mit anderen Maßstäben mißt, als wir hier auch unter uns gelten lassen, und deshalb werden wir es nach wie vor und zu allen Zeiten für unmöglich halten, daß man die alten hilflosen Menschen so zu behandeln, d. h. so abzuspeisen versucht, wie es dieser Gesetzentwurf will, weil wir als ganzes Volk von draußen her nicht so behandelt werden möchten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, die Wohltat, sagt man, und das Wohltun beginnen zu Hause. Das gilt auch auf diesem Gebiet, und so, wie wir von den anderen bewertet und behandelt werden wollen, so wollen wir auch unter uns die Schwachen bewerten und behandeln.
    Den Lastenausgleichsgesetzentwurf der Regierung unter diesen menschlichen Gesichtspunkten grundlegend umzugestalten, wird unser ernsthaftes Bemühen in den Beratungen sein, die morgen beginnen und die zweifellos Monate hindurch dauern werden. Wir werden uns dieser Arbeit in der Hoffnung unterziehen, daß ihr - und hoffentlich durch unser gemeinsames Bemühen - schließlich auch Erfolg beschieden ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Linus Kather


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stellt sich Ihnen, um mit dem Herrn Abgeordneten Kriedemann zu reden, ein Vertreter nicht der grünen, sondern der sogenannten falschen Front vor. Ich bin zwar kein Gutsbesitzer, ich habe auch keine Tagelöhner hinter mir, und ich pflege auch nicht zu Wahlversammlungen zu reiten; trotzdem habe ich keinen Zweifel, daß der Herr Abgeordnete Kriedemann die Geschädigtenorganisationen, wenn auch nicht mich persönlich gemeint hat, wenn er immer wieder von den sogenannten wilden Leuten gesprochen hat, die nichts im Herzen und im Sinn haben, als die früheren Besitzverhältnisse herzustellen. Nun, Herr Kriedemann, das wundert mich nicht. Ich denke noch an die Zeit, da Sie im Zonenbeirat so energisch gegen das Koalitionsrecht der Vertriebenen gesprochen haben.

    (Hört! Hört! rechts. — Zuruf von der SPD: Ganz unerhört!)

    Herr Kriedemann hat den Begriff des quotalen Lastenausgleichs als ein Schlagwort bezeichnet. Nein, Herr Kriedemann, das ist nun einmal zufällig kein Schlagwort; das ist ein sehr genau abgegrenzter Begriff, der zu Irrtümern und Auslegungen nicht den geringsten Anlaß gibt. Sie haben es auch verpönt, daß man in diesem Zusammenhang von sozialer Befriedung spricht. Aber am Schluß Ihrer Ausführungen haben Sie das vergessen und selbst von der Befriedung der Welt gesprochen, die wir im Rahmen dieses Lastenausgleichs erreichen wollen. Sie haben den Ruf nach Sachlichkeit erhoben; aber als allzu sachlich konnte ich Ihre Ausführungen nicht empfinden.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren! Wir müssen uns in dieser Stunde bewußt sein, daß Millionen und aber Millionen heute auf Bonn sehen und auf uns hören, Menschen, die seit vielen Jahren darauf warten, daß endlich der versprochene Lastenausgleich kommt, und wir werden nur dann zu richtigen Entscheidungen kommen können, wenn wir uns dieses Übermaßes an Verantwortung, das uns vor unserem Volke und der Welt obliegt, bewußt sind.
    Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch ergänzend sagen, daß ich hier als Abgeordneter, in erster Linie meine Auffassung vortrage, daß diese aber in vollem Umfange der Auffassung entspricht, die die Vertreter sämtlicher Geschädigtenverbände gestern und vorgestern in Bonn gebilligt haben, als sie ihre Haltung und ihre Forderungen zum Lastenausgleich noch einmal einer Prüfung unterzogen haben.
    Auch ein Pessimist unter uns hätte es noch vor kurzem nicht für möglich gehalten, daß wir in diese Stunde unter so ungünstigen Vorzeichen eintreten würden, wie es tatsächlich der Fall ist. Die Regierung hat uns einen Entwurf vorgelegt, der von der Gesamtheit der Geschädigten als unannehmbar bezeichnet worden ist.

    (Abg. Renner: Hört! Hört! — Abg. Seuffert: 20 %!)

    — Auf die Prozente komme ich später noch zu sprechen.
    Der Bundesrat hat es in einer sehr kurzen Verhandlung fertigbekommen, diesen Entwurf noch ganz wesentlich zu verschlechtern, bzw. Vorschläge in dieser Richtung zu machen. Es ist nicht das erste Mal, daß der Bundesrat eine solche Haltung gegenüber den Vertriebenen einnimmt. Ich erinnere an das Sperrgesetz und an die Frage der Umsiedlung. Es ist hier der Egoismus der Länder wieder einmal deutlich zum Vorschein gekommen. Man lehnt die Kriegsschadenrente ab. Mit Recht! Auch wir tun das; wir lehnen sie in dieser Form ab, wie sie im Entwurf niedergelegt ist. Aber der Sinn und Zweck der Bundesratserklärung ist doch, daß die sogenannte Vollrente aus dem Lastenausgleich geht und damit eine wesentliche Entlastung des Wohlfahrtsetats der Länder herbeigeführt wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es muß doch Erstaunen erregen, daß von derselben Seite — und man darf ja wohl den Herrn Kriedemann dazu rechnen — es abgelehnt wird, die Betriebe der öffentlichen Hand zur Abgabe heranzuziehen.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Auch wir sind dagegen, daß die Vertriebenen weiter auf Fürsorge angewiesen bleiben. Es muß eine andere Form gefunden werden; aber es muß ebensosehr verhindert werden, daß der Lastenausgleich dem Zwecke der Entlastung des Wohlfahrtsetats der Länder dient.

    (Zurufe von der SPD.)

    Die Länder wollen auch die Vermögensteuer nicht hergeben. Die Vermögensteuer ist ja die einzige, die gewährleistet, daß die Leistungen aus der Abgabe, die nach dem Stichtag berechnet ist und deshalb im Laufe der Zeit immer geringer wird, gleichmäßig ausfallen; sie kann daher für die Zwecke des Lastenausgleichs nicht entbehrt werden.
    Die einschneidendste Verschlechterung, die der Bundesrat vorgenommen hat, ist aber die Streichung der Hauptentschädigung. An ihre Stelle soll die Eingliederungshilfe treten, die nur in Form eines langfristigen Darlehns gewährt wird. Das ist nach der Vorstellung aller Geschädigten und, wie ich annehmen möchte, auch nach der der übergroßen Mehrheit unseres Volkes unvereinbar mit dem Begriff, den man notwendigerweise mit einem Lastenausgleich verbindet,

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    der in einem Ausgleich zwischen dem erhaltenen Zufallsbesitz und dem erlittenen Zufallsschaden bestehen muß.
    Dieser Beschluß ist, wie wir schon gehört haben, mit einer Stimme Mehrheit gefaßt worden. Es ist aufschlußreich, daß der Finanzminister von Württemberg-Baden — er gehört auch zu den Neinsagern — vor wenigen Tagen die Haltung seines Kabinetts im Landtag mit Zeitdruck entschuldigt hat; man habe den Entwurf weder im einzelnen noch im ganzen prüfen können

    (Hört! Hört! rechts)

    und habe deshalb unter dem Vorbehalt gehandelt, in einem späteren Stadium der Gesetzgebung auf diese Dinge zurückzukommen.
    Meine Damen und Herren, das deutsche Volk wird für diese Behandlung einer Schicksalsfrage ersten Ranges kein Verständnis haben, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn es erfährt, daß der Präsident des Bundesrats am Schluß der Sitzung seiner tiefen Befriedigung über die so schnelle und sachgemäße Erledigung eines so schwierigen Problems Ausdruck gegeben hat.

    (Heiterkeit und Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Es gibt Anzeichen dafür, daß man auch im Bundestag eventuell ein solches Schnellverfahren durchexerzieren will. Ich möchte den Herren, die solche


    (Dr. Kather)

    Gelüste haben, doch den Rat geben, diese zu unterdrücken. Nachdem die Geschädigten so viele Jahre gewartet haben, werden wir uns um eines Zeitgewinns von fünf oder sechs Wochen willen nicht überfahren oder überrumpeln lassen; wir werden schnelle, aber auch gründliche Arbeit leisten müssen.
    Es ist im Hinblick auf die Haltung des Bundesrats schon von einem anderen Mitglied dieses Hauses vor einigen Tagen mit Recht gesagt worden, daß dadurch das Prinzip des Föderalismus an sich überhaupt aufgerufen wird. Das muß ich unterstreichen. Die Vertriebenen sind von Natur keine Föderalisten; aber sie wären bereit gewesen, dem, was natürlich gewachsen und geschichtlich geworden ist, ihre Achtung zu zollen. Wenn der Bundesrat so weitermacht, dann wird er sie zu hundertprozentigen Zentralisten erziehen. Man soll nicht vergessen, daß diese Gruppe, die immerhin 8 Millionen ausmacht, eines Tages in dieser Frage den Ausschlag geben könnte.
    Während der Regierungsentwurf einen Rechtsanspruch auf die Hauptentschädigung anerkennt und auch die quotale Schadensvergütung wenigstens dem Grunde nach in Vorschlag bringt, wird vom Bundesrat beides abgelehnt. Die knappe Mehrheit, die das beschlossen hat, war eine sozialdemokratische Mehrheit, und die Erklärungen, die der Herr Senator Dudek im Bundesrat und Herr Abgeordneter Seuffert im Rundfunk abgegeben haben, und auch die Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Kriedemann gemacht hat, haben deutlich ergeben, daß wir hier die Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei vor uns haben.
    Meine Damen und Herren! Das, was dort in Vorschlag gebracht worden ist und wird, ist begrifflich überhaupt kein Lastenausgleich.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Weder die völlig unzureichende Hausratsversorgung noch die sogenannte Vollversorgung von 80 plus 30 plus 20 DM kann diese Maßnahmen zu einem Lastenausgleich stempeln. Denn dazu gehört unerläßlich eine wenn auch nur anteilige Erstattung des Verlorengegangenen, wie ich mir Ihnen schon auszuführen erlaubte. An dieser Beurteilung vermag auch nichts zu ändern, wenn man letzten Endes sagt: Nun ja, wenn nach Erledigung der sozialen Aufgaben noch etwas übrigbleibt, dann können Sie in Gottes Namen auch noch eine Vermögensentschädigung vornehmen. Wenn man etwas derartiges im Zeitpunkt der Gesetzgebung sagt, so weiß man ja, wie die Sache praktisch nach Jahr und Tag läuft; sie verläuft nämlich im Sande.
    Für einen Bauern, Handwerker oder Kaufmann aus dem Osten oder für einen Bombengeschädigten im Westen sieht die Situation nach dieser Konzeption nun so aus: Er bekommt eine Hausratsentschädigung, über deren Höhe noch zu reden sein wird, aber von der man annehmen kann, daß sie unzulänglich ist, und bekommt, wenn er nicht mehr neu anfangen kann, die sogenannte Vollversorgung, deren Höhe ich eben schon hier ausgeführt habe. Und wenn er noch einmal von neuem anfängt, dann bekommt er einen Kredit, entgegen der wirtschaftlichen Erfahrung, daß es doch kaum möglich ist, ein neues Unternehmen zu hundert Prozent auf Kredit anzufangen, also ohne jedes Eigenkapital. Der Entschädigungsberechtigte wird damit dem Wohl- oder Übelwollen bürokratischer Stellen ausgeliefert. Man braucht nur an die Erfahrungen zu denken, die wir gerade bei der Aufbauhilfe, die heute so sehr gerühmt wurde, gemacht haben. Das, was Sie vorhaben, ist kein Lastenausgleich, genau so wenig, wie das Soforthilfegesetz ein Lastenausgleich war, und genau so wie man damals mit vollem Bewußtsein nicht irgendwie den Begriff Lastenausgleich verwendet hat, sondern gesagt hat: „Gesetz zur Milderung sozialer Notstände", genau so könnte man diese Aktion auch nennen: „Hilfsaktion zugunsten unbemittelter und hilfsbedürftiger Kriegsgeschädigter.

    (Zuruf links: Warum reden Sie denn zu uns?)

    — Weil ich zu Ihnen spreche!

    (Zuruf links: Sprechen Sie doch zur Regierungsbank! — Weitere Zurufe. — Zuruf links: Das hilft Ihnen aus der Verlegenheit!)

    — Den Grund müssen Sie beim Bundesrat suchen.
    Der Bundesrat hat es fertig bekommen, daß der Herr Finanzminister etwas in Windschutz gekommen ist.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Die Notwendigkeit eines Ausgleichs der sozialen Spannungen wird allgemein anerkannt und ist auch heute anerkannt worden. Aber auf diese Weise kann ein solcher Ausgleich nicht bewirkt werden. Die Reichen bleiben reich und die Armen bleiben arm.

    (Zurufe links.)

    — Seien Sie nicht so ungeduldig! Die andere Seite kommt auch noch daran! — Glauben Sie, daß ein Vertriebener befriedigt wird, wenn er statt bisher 70 in Zukunft 80 DM Unterhaltshilfe bekommt? Er wird nicht befriedigt.

    (Zuruf links.)

    — Warten Sie ab! — Er verliert jeden Glauben an Recht und Gerechtigkeit und wird bereit werden für jeden Radikalismus.

    (Zuruf links.)

    Welches sind die Gründe für eine so befremdliche und geradezu unverständliche Auffassung?

    (Zuruf links: Zum Thema!)

    — Ich bin beim Thema! Ich bin bei der Ablehnung des quotalen Ausgleichs durch die SPD.

    (Zuruf links: Laßt ihn nur sprechen!)

    Die ganzen Ausführungen ergeben, daß diejenigen, die den quotalen Lastenausgleich ablehnen, sich die Hauptfrage überhaupt nicht oder nur ungenügend vorgelegt haben, die Frage nämlich: hat der andere ein Recht, ein moralisches oder ein gesetzliches Recht auf diese Entschädigung? Das ist die Vorfrage, die zu stellen ist, und wenn Sie die Hauptentschädigung ablehnen, so müssen Sie den Rechtsanspruch verneinen. Darum kommen Sie nicht herum.

    (Zuruf links: Da müssen Sie zu dem Herrn Finanzminister sprechen!)

    — Das gilt auch für den Finanzminister, der aber immerhin in seinem Entwurf den Rechtsanspruch auf die Hauptentschädigung wenigstens durch das Gesetz geben will.

    (Abg. Seuffert: Das ist moralisch nicht zu rechtfertigen!)

    Meine Damen und Herren, es liegt hier ein Rechtsanspruch auf seiten der Geschädigten vor. Wir haben die Kriegssachschädenverordnung von 1940, die nur in den Auszahlungen suspendiert ist, aber im übrigen noch voll besteht. Halten Sie es für vertretbar, daß die Bombengeschädigten, die in den Jahren 1941, 1942, 1943 betroffen worden sind, in vollem Umfange und zum Teil sogar großzügig entschädigt worden sind und daß diejenigen,


    (Dr. Kather)

    die das Pech gehabt haben, erst in den Jahren 1944 oder 1945 betroffen zu werden, überhaupt nichts bekommen? Das ist doch die Folge Ihrer Konzeption, und unter die Kriegssachschädenverordnung fallen auch die Vertreibungsschäden, ganz abgesehen davon, daß ja auch die Vertriebenen zugleich in erheblichem Umfang bombengeschädigt sind. Man braucht ja nur an die völlig zerstörten Großstädte Breslau, Königberg und andere zu denken. Halten Sie es für völlig unbeachtlich, daß die Tschechoslowakei das ganze Vermögen der Ausgewiesenen angeblich de jure übernommen hat und daß Polen und Rußland doch praktisch dasselbe getan haben? Wollen Sie die alte Behauptung der Vertriebenen, sie hätten mit ihrem Hab und Gut Reparationen für das ganze Deutschland geleistet, etwa als völlig unbegründet zurückweisen oder sind Sie auch der Meinung, daß es keine staatsbürgerliche Gesamthaftung gibt und daß man also auch aus dem Naturrecht einen solchen Anspruch nicht herleiten kann? Ich kann doch den Standpunkt, zu sagen: du bekommst keine Vermögensentschädigung, sondern bestenfalls einen Kredit, nur einem Manne gegenüber einnehmen, der mir rechtlos auf Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert ist.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Damen und Herren, diese Haltung, diese Einstellung ist nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf den Begriff des Privateigentums.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wer den Rechtsanspruch auf eine Hauptentschädigung und den Grundsatz des quotalen Ausgleichs ablehnt, verneint den Begriff des Privateigentums überhaupt.

    (Erneute Rufe rechts: Sehr richtig! —Gegenrufe links.)

    Wer hier Hilfestellung leistet — und nun werde
    ich mich einmal nach der anderen Seite wenden —,

    (erneute Zurufe links)

    gerade, um vielleicht sein Eigentum zu erhalten und zu schonen, muß sich darüber klar sein, daß er den Ast absägt, auf dem er sitzt. Wer sich damit einverstanden erklärt, daß der ostdeutsche Besitz auf diese Weise entschädigungslos - und darauf kommt es hinaus — enteignet wird, kann sich ausmalen, nach welchen Prinzipien einmal die Neuordnung des Besitzes hier im Westen vor sich gehen wird.

    (Lachen links.)

    Ein solcher Vorgang ist nie ohne Folgen. Auch wenn Herr Kriedemann vom Recht nicht soviel hören will, — das Recht ist — das hat Herr Carlo Schmid, unser verehrter Vizepräsident, auch einmal ausgeführt —

    (Abg. Kriedemann: Ihnen werde ich einmal eine Antwort geben, die Sie sich hinter den Spiegel stecken können!)

    — hinter welchen Spiegel? —,

    (Große Heiterkeit; — Abg. Kriedemann: Das ist eine Unverschämtheit!)

    das Recht ist immer und ewig ein unteilbares Ganzes, und man kann es nicht vorübergehend oder auch nur im Raum suspendieren, ohne es in seinem wesentlichen Gehalt und für die Dauer zu gefährden.
    Mit vollem Bedacht hat die Bischofskonferenz in Fulda erklärt, daß ein gerechter Lastenausgleich nicht einen Angriff auf das Privateigentum, sondern den ersten Schritt zu seiner Wiederherstellung bedeute. Der sogenannte soziale Lastenausgleich muß also schon unter diesem Gesichtspunkt entschieden abgelehnt werden.
    Die Gründe, die gegen den quotalen Lastenausgleich vorgebracht werden, sind nicht stichhaltig. Man wirft ihm vor, er sei unsozial,

    (Abg. Leddin: Das ist er auch!)

    und sowohl Herr Dudek wie Herr Kollege Seuffert wie auch Herr Kollege Kriedemann haben behauptet, daß etwa 80 bis 85% der Vertriebenen leer ausgehen würden, wenn man den quotalen Lastenausgleich durchführte. Nun, diese Behauptungen sind bei der Besprechung und in der Polemik gegen den Regierungsentwurf gefallen, und bei dem Regierungsentwurf haben wir die famose Höchstgrenze von 15 000 D-Mark, die automatisch die Wiederherstellung großer Vermögen ausschließt. Aber auch wenn diese Äußerungen in bezug auf die hundertprozentige Durchführung eines quotalen Ausgleichs gefallen wären, sind sie nicht richtig. Nach der Einheitswertstatistik von 1935 lag der Anteil der Vermögensträger über 100 000 Mark im deutschen Osten unter 2 %

    (Abg. Seuffert: Das können Sie doch nicht aus der Einheitswertstatistik herauslesen, da müssen Sie doch die Vermögensteuerstatistik nehmen!)

    und der Anteil der Vermögen unter 10%. In höherem Umfang kann natürlich auch der Lastenausgleich durch dieses Vermögen nicht in Anspruch genommen werden.
    Nun verlangen die Geschädigten aber gar nicht die Durchführung eines sturen Quotenprinzips. Sie sind durchaus damit einverstanden, daß kleine Vermögensträger voll entschädigt werden und daß bei großen Vermögen die Quote bis unter 10 % heruntergesetzt werden kann. Damit widerlegen sich auch die Angriffe gegen den quotalen Lastenausgleich, er sei unsozial. Er ist meiner Überzeugung nach sozialer als der sogenannte soziale Ausgleich.
    Mit der Festlegung einer absoluten Höchstgrenze sind wir unter keinen Umständen einverstanden. Sie durchbricht praktisch das Prinzip des quotalen Ausgleichs, das für uns allein in Betracht kommt, und stellt eine teilweise entschädigungslose Enteignung dar. Die jetzt vorgesehene Höchstgrenze von 15 000 DM bedeutet praktisch auch eine ungeheure Erschwerung der Naturalabgabe; denn es wird kaum irgendein Geschädigter eine Forderung haben, die es ihm ermöglicht, einen mittleren Wirtschaftswert oder einen Betrieb überhaupt zu übernehmen.
    Wir halten die Staffelung der Entschädigungssätze in ihrer sozialen Struktur mit der von uns vertretenen Rechtsauffassung durchaus für vereinbar, weil wir an der Forderung nach der stärkeren Heranziehung der großen Vermögen festhalten. Insbesondere halten wir an der Forderung fest, daß der Vermögensgewinn in vollem Umfange erfaßt wird. Wenn diejenigen, die mehr oder weniger alles verloren haben, eine solche Forderung erheben, kann diese wohl nicht gut überhört werden.
    Der Herr Finanzminister hat heute von unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten gesprochen. Demgegenüber habe ich mir von Sachverständigen sagen lassen, daß die Schwierigkeiten der Durchführung dieser drei Vermögensabgaben, die wir im Entwurf haben, nicht größer sind als die Schwierigkeiten, die dann entstehen würden, wenn man eine Gesamtvermögensabgabe vornehmen würde.

    (Abg. Leddin: Wer „wir"?)



    (Dr. Kather)

    — Ich habe ja schon gesagt, daß ich von der falschen Front aus spreche!
    Ich möchte noch besonders hervorheben, daß wir durchaus damit einverstanden sind, bei der Bemessung der Kriegsschadenrente auch den Heimatverlust in Betracht zu ziehen. Damit erledigen sich also auch die Angriffe, die insoweit gegen uns gerichtet worden sind.
    Schließlich wirft man dem quotalen Lastenausgleich auch vor, daß er unproduktiv sei. Wenn die Kriegsschadenrente entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats ausgestaltet wird, bleibt für produktive Zwecke kaum etwas übrig.
    Gegen den Entwurf haben wir in erster Linie den Vorwurf zu erheben, daß er die Abgabe generell gestundet und eine Erstreckung der Abgabe auf 30 Jahre vorgenommen hat. Das können wir den Vertriebenen und Geschädigten im ganzen unter keinen Umständen zumuten. Wir wissen heute nicht, was nach 30 Tagen wird, und wir können sie unmöglich auf einen Zeitraum von 30 Jahren verweisen, insbesondere nicht die Alten und Erwerbsunfähigen und auch alle diejenigen nicht, die auf einen neuen Anfang angewiesen sind. Sie sind nicht einmal in der Lage, 10 oder 5 Jahre zu warten. Dann ist es zu spät.
    Auch von dieser Seite aus ist uns immer wieder eine echte Vermögensumschichtung zugesagt worden. In dem Entwurf können wir an keiner Stelle eine Bestimmung finden, die auf eine echte Vermögensumschichtung hindeutet oder eine solche herbeiführen kann.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn man die Behandlung der Geschädigten mit der Behandlung der Abgabepflichtigen vergleicht, dann kann man nicht mehr leugnen, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird: auf der einen Seite die ganze strikte Enteignung aller Vermögen über 15 000 DM, was praktisch auf die Vernichtung des ostdeutschen Mittelstandes hinausläuft, und auf der anderen Seite das ängstliche Bestreben, nur ja eine mühelose Aufbringung der Abgabe aus dem Ertrag zu ermöglichen und ja keinen zu zwingen, sich etwa von seinem Vermögen zu trennen. Man hat uns immer gesagt, 1,5 Milliarden DM seien die Grenze der Leistungsfähigkeit für die deutsche Wirtschaft. Wir haben inzwischen erfahren müssen, daß diese Grenze durch das neue Steuerbukett des Finanzministers erheblich weiter gerückt worden ist, nämlich um 2,7 Milliarden DM. Der Finanzminister hat das heute mit dem Hinweis auf Korea erklärt. Nun, wir wissen, daß eine Mal ist es Korea, das andere Mal ist es etwas anderes.

    (Zuruf von der Mitte: Nanu! — Zuruf des Abg. Kunze.)

    — Bitte sehr, Korea mag eine gewisse Bedeutung gehabt haben; aber ich habe Ihnen, Herr Kollege Kunze, schon immer erklärt, daß ich dieses Dogma von 1,5 Millarden DM als Höchstgrenze nicht anerkenne, und die Erfahrung hat mir durchaus recht gegeben.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Es ist auch eine gewisse Gefahr für die Geschädigten, wenn der Lastenausgleich ganz auf das Sozialprodukt, auf den Ertrag gelegt wird. Wir haben gesehen, wie die Unterhaltshilfe von der Teuerung überholt worden ist, und die Befürchtungen, die wir in dieser Hinsicht für die Zukunft haben und haben müssen, sind wirklich nicht leicht zu nehmen.
    Niemand kann leugnen, daß der Lastenausgleich in erster Linie ein Liquiditätsproblem ist. 1,5 Milliarden auf 30 Jahre, das gibt 45 Milliarden. Das ist ein Betrag, mit dem wir schon etwas anfangen könnten. Aber die Schwierigkeit liegt darin, jetzt in den ersten Jahren — ich habe die Gründe schon angeführt — größere Beträge fällig zu machen. Man muß den Weg der Anleihe gehen, wie der Herr Finanzminister uns das schon gesagt hat. Aber es ist nicht der einzige Weg; es müssen alle, aber auch alle Wege gegangen werden. Es ist nicht möglich und nicht zulässig und für uns nicht tragbar, daß die ganze Abgabe generell gestundet wird und daß auf diese Weise die Natural- und Sofortabgabe geradezu ausgeschlossen wird.

    (Zuruf des Abg. Seuffert.)

    Man wird mir sagen, daß ich vielleicht mit dieser Forderung, die heute schon einmal so strikt abgelehnt worden ist, die Beine nicht mehr auf dem Boden habe. Wir erkennen durchaus an, daß es sehr zahlreiche Fälle gibt, in denen eine sofortige Abgabe unmöglich ist, und wir haben uns damit einverstanden erklärt, daß es in allen Fällen, in denen die Abgabe nicht mehr als 15 000 DM beträgt, bei der Regelung des Entwurfs bleibt. Auch in den Fällen, die darüber liegen, soll der Abgabepflichtige das Recht haben, nachzuweisen, daß er nicht zahlen kann. Aber auch dann, wenn er diesen Nachweis nicht führt, verlangen wir noch nicht die sofortige Fälligkeit, sondern wir verlangen einen zusätzlichen Zins, der einen Druck in Richtung einer sofortigen Fälligkeit ausüben soll. Man sage mir, ob das unbillig ist oder ob das utopisch ist.

    (Abg. Kunze: Ja!)

    Sehen Sie sich an, was heute in der Wirtschaft vor sich geht. Denken Sie an alles, was wir auf dem Gebiet der Steuergebarung erlebt haben, und dann sagen Sie mir noch, daß es nicht wesentliche Wirtschaftskreise gibt, die durchaus in der Lage sind, sofort zu zahlen oder sich durch Naturalabgabe von dem Lastenausgleich zu befreien. Wir würden uns einer schweren Unterlassungssünde schuldig machen, wenn wir in dieser Richtung nicht das Äußerste versuchen würden. Ich sage mit allem Nachdruck, daß es sich hier für alle Geschädigten, jedenfalls für alle Geschädigtenverbände um eine Conditio sine qua non handelt.
    Wir lehnen den Einheitswert als Wertmesser ab. Der Einheitswert ist ein unrichtiger und fiktiver Wert. Bei einer Belastung des Grundbesitzes in Höhe des Einheitswertes würde die Folge sein, daß die Werte auf beiden Seiten aus der Entschädigung herausfallen. Das ist vom Entwurf dadurch anerkannt worden, daß auf der Entschädigungsseite nur die Hälfte der Schulden eingesetzt zu werden braucht. Das ist aber eine völlig willkürliche und ungerechte Regelung, und wir müssen. erwarten und darauf hinwirken, daß im Ausschuß ein Wertmesser gefunden wird, der allen Teilen gerecht wird.