Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß in der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages nun endlich überhaupt ein Gesetzentwurf über den Lastenausgleich vorliegt, reicht nicht aus, um die Feststellung zu unterdrücken, daß es eben 115 Sitzungstage ge-
.
dauert hat, bis die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf hier vorgelegt hat. Durch diese Verzögerung ist es ermöglicht worden, daß jenes gewissenlose Spiel von Versprechungen und Illusionen noch über Gebühr ausgedehnt worden ist. Wenn der Herr Bundesfinanzminister dieses Spiel mit Recht bedauert, so muß ich ihm sagen, daß er zur Abkürzung dieser Frist wesentlich hätte beitragen können. Ich fühle mich insbesondere deshalb zu dieser Feststellung vor der Öffentlichkeit berechtigt, da meine Freunde und ich mehrmals diesem Hause vorgeschlagen haben, der Bundesregierung einen Termin zu setzen, bis zu dem der Lastenausgleich als Entwurf vorgelegt werden sollte. In jedem Falle hat man uns gesagt, daß man damit ja nur offene Türen einrenne, denn die Regierung wäre ja nun schon usw. usw.; und alles zusammen hat es dann bis heute gedauert.
Die Gründe für diese lange Zeit — um nicht zu sagen versäumte Zeit — liegen auf der Hand. Es war für die Bundesregierung nicht sehr einfach, die vielen widerstreitenden Interessenten unter einen Hut oder, besser gesagt, ihre Standpunkte in einen Gesetzentwurf hineinzubringen. Es ist natürlich ein schwieriges Stück Arbeit, aus der Wahlpropaganda und aus den zahllosen Versprechungen von Jahren nun endlich ein nüchternes Zahlenwerk zu fabrizieren. Es hat so lange gedauert und ist vielleicht gerade deshalb so schlecht geworden, weil man den Versuch unternommen hat, schon vorher alles unter einen Hut zu bringen. Wir sind ja oft damit getröstet worden, daß durch die Länge der Beratungen — der internen Beratungen, der Gruppenberatungen, der Kreisberatungen, der neuen Entwürfe usw. — die Ausschußarbeit nachher sehr wesentlich vereinfacht werden würde. Meine Damen und Herren, aus der Kenntnis des Gesetzentwurfs kann ich für meine Freunde und mich nur sagen, daß trotz der Länge der Vorbereitungen eine sehr gründliche, das heißt auch recht langwierige Ausschußarbeit notwendig sein wird, um aus dem Gesetzentwurf das zu machen, was er zu sein vorgibt: ein Entwurf für die endgültige Lösung des Lastenausgleichs.
Meine Damen und Herren! Ich will hier die Ausschußarbeiten nicht vorwegnehmen und will gern darauf verzichten, auf die vielen, vielen Einzelheiten, die von meinen Herren Vorrednern hier schon behandelt worden sind, einzugehen. Das macht sich nachher an Hand der Zahlen, der konkreten Unterlagen im Ausschuß sehr viel besser, als wenn wir hier drauflospropagieren. Ich möchte nur auf einige grundsätzliche Fragen zu sprechen kommen.
Meine Freunde und ich haben unsere Vorstellung vom Lastenausgleich — sowohl nach der grundsätzlichen Seite wie nach seiner praktischen Gestaltung — in jahrelanger Arbeit entwickelt. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß wir uns dabei nur von der nüchternen Betrachtung der Tatsachen haben leiten lassen. Das hat es uns erspart, in die Gesellschaft jener Leute zu kommen, die phantastische Forderungen aufstellen, gewissenlose Versprechungen machen und die nun heute in dieser Weise noch fortfahren, obwohl durch den Gesetzentwurf schon einige Klarheit geschaffen ist, weil sie eben nicht wissen, wie sie mit ihren Beinen wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückfinden sollen.
Wenn wir zu jeder Zeit auch in diesem Hause den Lastenausgleich so nüchtern, sachlich und frei von allen Illusionen, ohne alle gewissenlosen Versprechungen, behandelt haben, dann vor allem deshalb, weil uns das Thema für bloße Agitation zu wichtig war und weil wir die an dieser Frage interessierten, von einer vernünftigen Lösung dieser Frage in vollem Umfange abhängigen Menschen nicht für das richtige Publikum für solche Versprechungen gehalten haben. Im übrigen haben wir im Lastenausgleich nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Stück unseres deutschen Schicksals gesehen, und das verbietet es, darüber anders als in der vollsten und höchsten Verantwortung zu sprechen.
- Das werden wir noch alles hören! — Wir haben bei den Diskussionen über den Lastenausgleich vielleicht gewisse Worte wie „individuell" oder „früheres Eigentum" weniger häufig benutzt als andere, die an der Diskussion teilgenommen haben. Auf der andern Seite aber haben wir uns doch gegen jeden Verdacht geschützt, etwa etwas unternehmen zu wollen, was man einen kollektiven Lastenausgleich nennt. Wir sind bei unseren Betrachtungen und bei unseren Forderungen immer von dem Menschen in seiner heutigen Situation ausgegangen, und wir haben im Lastenausgleich eine nationale Angelegenheit, eine, die alle angeht, gesehen; aber nicht irgendein Verrechnungsverfahren zwischen denen, die ihr Eigentum verloren haben, und denen, die ihr Eigentum noch erhalten haben. Wenn der Lastenausgleich wirklich nur das wäre, dann, meine Damen und Herren, wäre nicht einzusehen, warum er mit so viel Pathos vorgetragen wird; das wäre dann ein verhältnismäßig einfaches Verfahren, eine Angelegenheit innerhalb einer und nicht gerade der größten Gruppe in der deutschen Bevölkerung. Er ist aber mehr! Wir haben es sehr bedauert, daß unter der reichlichen Verwendung solcher Proklamationen wie „Gerechtigkeit" und gar unter Verwendung der Formulierung „sozialer Friede" hier oft und auch heute in einigen Äußerungen so getan wird, als sei es wirklich nichts anderes als eine Verrechnung zwischen dem erhaltengebliebenen Vermögen und dem verlorengegangenen Vermögen.
Aus einem Bekenntnis zu einem solchen Lastenausgleich ergibt sich nun unsere Kritik an der Vorlage im einzelnen. Es handelt sich dabei nicht um eine Kritik an dieser oder jener Feststellung, an Einzelheiten; es handelt sich, rund heraus gesagt, um eine Ablehnung der Tendenz und der Struktur des Gesetzentwurfes. Man hat uns heute auseinanderzusetzen versucht, daß es der Regierung gelungen sei, weder das eine noch das andere Schlagwort zu ihrem Programm zu machen, keinen quotalen, aber auch keinen sozialen Lastenausgleichsgesetzentwurf vorzulegen, sondern daß sie den goldenen Mittelweg gewählt habe. Meine Damen und Herren, leider trifft das in gar keiner Weise zu. Der Gesetzentwurf der Regierung hat sich sehr eindeutig — das war auch kaum anders zu erwarten — für eine der beiden Auffassungen entschieden, die in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort, wenn sie wollen, unter dem Schlagwort — die damit zu arbeiten wissen, denken sich schon etwas dabei — quotal oder sozial bekannt geworden sind. Sie hat sich für den quotalen Lastenausgleich entschieden, d. h. sie will die Leistungen aus dem Lastenausgleich in ein bestimmtes Verhältnis zu dem Schaden setzen, den jemand aus der Vertreibung, aus der Bombardierung und anderen mit dem Krieg zusammenhängenden Ursachen an seinem Vermögen erlitten hat.
Dabei muß uns notwendigerweise einfallen, daß ein Teil der Regierungskoalition schon aus dieser Auffassung heraus seinerzeit in Frankfurt die Mitarbeit am Soforthilfegesetz abgelehnt hat.
— Ja, das waren Sie. Ich weiß es so genau, wie Sie es wissen. Das werden Sie nachher schon tun. Zum Glück ist das nicht nur eine Angelegenheit zwischen Ihnen und uns, sondern eine Angelegenheit, an der auch andere Parteien in diesem Hause beteiligt sind.
Meine Damen und Herren! Vielleicht läßt sich der Charakter dieses Gesetzentwurfes, gegen den schon eine Fülle von Kritik laut geworden ist, an keinem Beispiel so klar verdeutlichen wie an dem hier auch schon angesprochenen Problem der Kriegsschadenrente. Wir haben es einmal gemeinsam für eine große Tat gehalten, als das Soforthilfegesetz all denen, die infolge des Krieges ihre Existenz verloren haben, eine reichlich dotierte Existenz oder eine sehr bescheidene Existenz, in Form eines Rechtsanspruches eine neue Lebenssicherheit gegeben hat, keine sehr großzügige, eine sehr bescheidene, aber doch eine Sicherheit, die es ihnen ersparte, weiter auf das Wohlfahrtsamt zu gehen, wohin die Leute vorher jahrelang gehen mußten. Ich glaube auch heute noch, daß es kein zu starkes Wort ist, wenn ich das als eine soziale Tat bezeichne. 70 DM wenigstens hat der Alte, hat der Arbeitsunfähige oder 100 DM zusammen mit seiner Frau bekommen, wenn er in seine heutige hilflose Lage aus der Vertreibung, aus der Ausbombung hineingekommen ist.
Der Gesetzentwurf der Regierung will, um denen mehr geben zu können, die ein Vermögen verloren haben und die den Verlust dieses Vermögens nachweisen können, diese Rente in einem Umfang abbauen, der ganz unglaublich erscheint.
Da fängt es in Zukunft mit, ich glaube, 11 DM im Monat an.
Das, was heute jeder bekommt, 70 DM, wird in
Zukunft nur noch einer zu beanspruchen oder zu
erwarten haben, der über 70 Jahre alt ist und über
150 000 Mark Vermögensverlust nachweisen kann.
Abgesehen von den Leistungen aus der Hausratsbeihilfe schließt der Gesetzentwurf der Regierung 80 % aller Geschädigten von den Hilfeleistungen aus dem Lastenausgleich aus.
Meine Damen und Herren! Ich fürchte sehr, daß die Kritik, die einstweilen besonders aus dem Regierungslager oder aus dem Lager der Verbündeten der Regierungsparteien an dem Gesetzentwurf geübt worden ist, weil er den Betreffenden, die offenbar einen so großen Vermögensschaden erlitten haben, daß selbst ein gewisser Bruchteil davon, eine Quote, wie man das nennt, für sie noch eine interessante Angelegenheit wäre, — ich fürchte sehr, daß diese Kritik durch die Empörung weit, weit zugedeckt werden wird, wenn in dem großen Kreis der Betroffenen, in dem großen Kreis derjenigen, die Ansprüche haben, erst einmal in vollem Umfang bekannt wird, um was es denn eigentlich geht, wenn über den quotalen und sozialen Lastenausgleich gestritten wird.
Das ist, wie gesagt, die Einzelheit, an der man wie
an keinem anderen Punkt des Gesetzentwurfes den
wahren Charakter dieser Vorlage klarstellen kann
Nun wird oft die Behauptung aufgestellt, daß eben diese Leute, von denen ich jetzt sprach, diejenigen, die gar keinen Vermögensverlust oder jedenfalls keinen nennenswerten Vermögensverlust nachweisen können, auch gar nicht in den Lastenausgleich hineingehören und daß deshalb die Änderung, um nicht zu sagen, der Wegfall der Unterhaltsrente auch recht und billig sei. Was recht ist, wird sehr oft umstritten. Billig mag ès schon sein, aber nicht in dem Sinne, in dem es hier wahrscheinlich gemeint worden ist. Gehört etwa die alte Frau, die nach dem Tode ihres Mannes von der Vermietung ihrer zwei Zimmer gelebt hat und die aus dem Ertrage dieser Miete und der Betreuung ihres möblierten Herrn eine zwar sehr bescheidene, aber gesicherte Existenz hatte, nicht in den Kreis derjenigen, die ihre Existenz durch die Austreibung verloren haben? Zweifellos, wenn man mal den Schaden in D-Mark feststellt, den sie erlitten hat, rangiert sie dann in der allerletzten Gruppe von den Gruppen, die da gebildet werden sollen. Wer auf einem gewissen „Rechts"standpunkt steht, wird leicht sagen können, daß sie so wenig gehabt hat und so wenig verlieren konnte, daß sie, da es hier nur um Quoten geht, gar nichts bekommen kann, vielleicht 10 DM im Monat; für den Rest muß sie der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen. Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach gehört sie und mit ihr z. B. ein Altenteiler oder ein kleiner Handwerker in vollem Umfang in den Lastenausgleich hinein, und ihre Ansprüche können auf keine andere Weise respektiert und befriedigt werden als durch eine Rente, die so hoch bemessen ist, daß sie davon ihren Lebensunterhalt auch bestreiten können.
Und ich möchte hier unumwunden aussprechen, daß es damit bei uns anfängt. Jede Maßnahme, jeden Versuch, die Renten abzuschaffen, was im Grunde auf eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes anstatt auf eine Verbesserung hinausläuft, werden wir nicht nur mit aller Energie bekämpfen, sondern wir werden davon möglicherweise auch die Notwendigkeit ableiten müssen, unser Ausmaß an Mitarbeit danach zu bemessen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zu der Hausratbeihilfe sagen. Herr Kollege Kunze hat vorhin schon gesagt, daß man damit nicht zufrieden sein könne. Ich hatte erwartet, weil er vorher einige Bemerkungen gemacht hatte, denen wir durchaus zustimmen konnten, daß er die von dem Entwurf beabsichtigte Höhe beanstanden würde, und ich wäre dann in der glücklichen Lage, ihm dabei zuzustimmen. Wir werden uns wirklich ganz gründlich überlegen müssen, ob man mit 400 bzw. mit 600 DM die Starthilfe geben kann, auf die jeder unserer Meinung nach Anspruch hat, nicht nur diejenigen, die sich selber eine Existenz nicht mehr aufbauen können, die sich selber nicht mehr ernähren können, sondern auch die, die sich noch mit ihrer eigenen Arbeit ernähren können, die aber im Alter von 40 oder 50 Jahren nicht noch einmal auf dem Wege über das Abzahlungsgeschäft anzufangen in der Lage sind.
Herr Kollege Kunze hat leider etwas anderes gesagt. Er hat die Frage aufgeworfen, ob man denn die Hausrathilfe einheitlich bemessen könne, für alle gleich. Ich möchte auch hier gleich unseren Standpunkt mit aller Eindeutigkeit sagen. Jeder-
mann, der weiß, welcher Betrag für eine Hausrathilfe zur Verfügung steht, muß sich darüber klar sein, daß diese Summe wahrscheinlich nicht einmal ausreicht, um jeden mit dem absolut Notwendigen auszustatten. Wer deshalb auch nur einen Teil mehr geben will, weil die Betroffenen schon früher mehr als das Lebensnotwendige gehabt haben, der muß sich auf der anderen Seite entschließen, der großen Zahl der Geschädigten dann weniger als das unbedingt Notwendige zu geben.
Das ist, wie gesagt, für uns in der Kategorie „Recht, gerecht und billig" nicht unterzubringen. Wir möchten also auch hier über unsere Auffassung gleich völlige Klarheit geschaffen haben.
Dann, meine Damen und Herren, zum Kapitel der Eingliederungshilfe. Ich darf mich hier noch einmal auf unsere Mitwirkung am Soforthilfegesetz beziehen. Wir waren es, die damals vor allem einen produktiven Einsatz der aufgebrachten Mittel verlangten,
und sind damit ja auch im großen und ganzen recht erfolgreich gewesen. Tatsache ist wohl auch, daß aus dem Aufkommen der Soforthilfe doch mindestens 40 % produktiv eingesetzt worden sind. Und so sollte nach unserer Meinung auch heute alles geschehen, was nur irgendwie in dieser Richtung erreichbar ist, um die aus der Wirtschaftskraft stammenden Mittel wieder wirtschaftlich nutzbar zu machen. Aber, meine Damen und Herren, das bedeutet unserer Meinung nach nicht, daß nur diejenigen einen Anspruch auf Förderungsmittel, auf alles, was unter dem Ausdruck „Eingliederungshilfe" zusammengefaßt wird, haben, die einen erlittenen Vermögensschaden nachweisen können. Wir denken da z. B. an die jungen Menschen, die aus Familien kommen, in denen man auch früher kein großes Vermögen hatte, in denen aber heute ein ordentlicher Teil der Zukunft unseres Volkes steckt. Und nur weil jemand normalerweise zu Hause wahrscheinlich niemals mehr als ein Schuhmachergeselle geworden wäre, wollen wir ihm hier den Weg zu mehr nicht abschneiden, wenn er in seiner Person die Gewähr dafür bietet, daß die ihm zur Eingliederung zur Verfügung gestellten Mittel auch wirklich wirtschaftlich eingesetzt werden.
Nicht jeder, der auf seinen früheren Vermögensstand hinweisen kann, bietet diese Gewähr. Ich will mich da auf Einzelheiten nicht einlassen. Ich glaube, das wird auch so deutlich genug verstanden.
Die Fragen der Eingliederung in ihrem ganzen Zusammenhang werden wahrscheinlich von allen Seiten als besonders eilbedürftig anerkannt werden. Schnell muß hier geholfen werden, wenn hier überhaupt geholfen werden soll. Aber ich kann mich nicht mit dem abfinden, was der Herr Bundesfinanzminister vorhin sagte, wo es hieß: in den ersten Jahren, etwa in den ersten fünf Jahren, wird ja sowieso, ob man auf den Rechtsanspruch abkommt oder nicht, alles für die Eingliederungsmaßnahmen gebraucht werden. Meine Damen und Herren, das Aufkommen aus den ersten fünf Jahren wird dazu nicht ausreichen, und wenn wir für die oft angesprochene Vorfinanzierung solide Grundlagen haben wollen, dann müssen wir das Aufkommen aus all den späteren Jahren auch für diesen Zweck der Eingliederung als Grundlage für die nötige und mögliche Vorfinanzierung in Rechnung stellen und sollten uns eben gar keine Illusionen machen, daß nach anderen Maßstäben verfahren werden könnte als nach den Maßstäben, die sich aus dem Menschen von heute und seiner heutigen Situation anbieten. Und wer darüber hinaus noch mehr tun will, wer so die Sorte von wohlerworbenen Rechten, die im Grundbesitz, im großen Besitz bestehen, der auch heute noch, in D- Mark ausgedrückt, imposant und interessant macht, berücksichtigen will, wer auch denjenigen, nur weil sie einen solchen Schaden nachweisen können, etwas geben will, muß sich entschließen, dann schon mehr Mittel aufzubringen, als das im Augenblick nach dem Regierungsentwurf wohl beabsichtigt ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat sich das Ziel in der Richtung ja nicht sehr hoch gesteckt, und ich möchte ihm hier folgendes sagen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben vorhin gesagt: Der Lastenausgleich ist ja eine ganz andere Angelegenheit als etwa die Kriegsopferversorgung. Hier geht es ja mehr um den Ausgleich zwischen denjenigen, deren Vermögen erhalten geblieben ist, und denen, die ihr Vermögen verloren haben. Man könnte vielleicht wünschen, daß es so wäre. Aber Sie selber haben offenbar nicht allzuviel Vertrauen in die Solidarität derjenigen, deren Vermögen erhalten geblieben ist. Denn nach Ihren heutigen Zahlen wird die öffentliche Hand mit 550 Millionen DM, d. h. mit einem Drittel des Aufkommens eingesetzt, so daß es sich also offenbar nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen den Leuten mit erhaltenem Besitz und denen mit verlorenem Besitz handelt, sondern darum, daß in diesen Ausgleich, in diese Verrechnung auch der ganz gewöhnliche Steuerzahler in einem sehr erheblichen Umfange mit einbezogen werden muß.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich sagen, daß meine Freunde und ich die Inanspruchnahme des öffentlichen Vermögens für Zwecke des Lastenausgleichs ablehnen und darüber hinaus für völlig untragbar halten.
— Natürlich, das ist sehr interessant; das ist besonders für diejenigen interessant, die immer noch mehr versprechen möchten und dann nach Wegen suchen, um möglichst wenig dazu beizutragen,
und die deshalb besonders großzügig mit den Geldern der anderen, in diesem Falle mit den Geldern der öffentlichen Hand und deren Vermögen sind. Das Eigentum der öffentlichen Hand und seine Erträgnisse dienen doch der Erledigung jener Fülle von Staatsaufgaben, die auf allen Gebieten, auf wirtschaftlichem, auf sozialem Gebiet wohl in keinem Lande der Welt dringender sind als in Deutschland. Alles, was durch Inanspruchnahme des öffentlichen Eigentums, des öffentlichen Vermögens und seiner Erträgnisse zur Erfüllung dieser Aufgaben des Lastenausgleichs verlorengeht, muß entweder durch ein Mehraufkommen an Steuern aufgebracht oder mit Verminderung von Leistungen bezahlt werden.
— Das scheint uns unmöglich zu sein. Das ist
gerade das, was unter allen Umständen vermieden
werden sollte: eine Abwälzung des Lastenausgleichs auf die breite Masse derjenigen Menschen,
die, ohne daß sie Vermögen haben, es ohnehin
schon schwer haben, mit dem Leben und mit den Preisen von heute fertigzuwerden.
Ich kann es mir ersparen, vor Ihnen hier klarzulegen, was es z. B. bedeutet, wenn die Elektrizitätswerke oder die Gaswerke in den Lastenausgleich einbezogen werden.
Das sollte sich jeder selber ausrechnen; das sollten sich im übrigen auch die Geschädigten ausrechnen, die sich von gewissen Leuten immer wieder vorreden lassen, daß man ihnen viel mehr geben könnte, wenn man z. B. auch das öffentliche Eigentum stärker belasten würde. Dann würden sie nämlich durch Erhöhung der Stromtarife und der Verkehrstarife und, soweit sie Steuern zahlen, der Steuern, ihren Lastenausgleich selber bezahlen.
Eine derartige Inanspruchnahme der öffentlichen Hand, wie sie dieser Gesetzentwurf vorsieht, scheint uns völlig indiskutabel zu sein. Das bedeutet nicht, daß wir diesen Teil des erwarteten Aufkommens einfach streichen, daß wir darauf einfach verzichten und die Leistungen entsprechend vermindern wollen. Wir denken gar nicht daran, die Leistungen etwa nach dem zu bemessen, was die Leute, die heute noch ein Vermögen haben, gutwillig herzugeben bereit sind. Diese Feststellung betreffend die Nichtinanspruchnahme des öffentlichen Vermögens bedeutet für uns nur, daß das Aufkommen umgelagert werden muß.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich gleich deutlich sagen: Unserer Auffassung nach wird es sich nicht umgehen lassen, daß die Vermögensbelastung — mit einer gewissenhaften Prüfung wird das im einzelnen festgestellt werden müssen — wirklich bis an den Rand des eben wirtschaftlich noch Erträglichen gebracht wird.
Das muß unter allen Umständen jedem klar sein, der über Lastenausgleich ernsthaft mitreden will und der sich nicht in den Verdacht bringen will, daß er auf der Seite jener steht, die zwar gern versprechen, sich aber den Kopf darüber nicht zerbrechen, wie dann diese Versprechungen eingehalten werden sollen.
Damit bin ich eigentlich schon bei der Frage des Aufkommens. Ich möchte auch dazu noch einige Bemerkungen machen. Wenn ich sage: bis an den Rand des Erträglichen —, dann weiß ich, daß das nur funktionieren wird, wenn das Gesetz von einer Regierung durchgeführt wird, die in der Erkenntnis der einmaligen Bedeutung des Lastenausgleichs bereit ist, auch ihre Wirtschafts- und ihre Finanzpolitik den Gesichtspunkten des Lastenausgleichs unterzuordnen.
Wir würden in eine außerordentlich peinliche Situation kommen, wenn man etwa um des guten Eindrucks willen oder, um die Leute zu beruhigen, einen recht „rabiaten" Lastenausgleich machen, aber dann sozusagen auf dem Verwaltungswege die Hälfte davon wieder aus der Welt schaffen würde.
Bis an die Grenze des Möglichen muß die Belastung der erhalten gebliebenen Vermögen gehen. Das sage ich, weil ich mich darauf berufen kann, daß meine Freunde und ich die wirtschaftliche Seite dieses Problems und die wirtschaftlichen Grenzen des Lastenausgleichs auch in diesem Hause schon mehr als einmal sehr offen angesprochen haben. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die Regierung, gerade weil in ihr das War' Wirtschaft immer mit erheblichem Pathos ausgesprochen wird,
auch große Anstrengungen machen würde, um die Leute aus ihrem eigenen Lager, die sich noch heute in Versprechungen ergehen — wir werden wahrscheinlich in diesem Hause von der Seite noch manche Kritik an dem Gesetzentwurf der Regie rung hören —, mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten etwas mehr vertraut zu machen.
Wir sind in der Gefahr, daß sich jetzt zwei falsche Fronten in unserem Volke bilden, wenn über den Lastenausgleich in den Einzelheiten diskutiert wird. In der einen falschen Front sehe ich — ich sage es einmal bewußt ganz zugespitzt — den ehemaligen Rittergutsbesitzer, der an der Spitze seiner Tagelöhner in die Versammlungen reitet und den totalen Lastenausgleich fordert, damit jeder das oder etwas Ähnliches wiederkriegt, was er einmal gehabt hat. Dabei ist den Leuten bloß noch nicht mitgeteilt worden, daß eine solche Lösung zwar für denjenigen recht interessant ist, der einen solchen Schaden nachweisen kann und dem es ein Ersatz dafür, wie gesagt, wieder ermöglichen würde, Landarbeiter zu beschäftigen, daß aber eine solche Lösung für diejenigen gar nichts bedeutet, die auf keinen anderen Verlust als auf den Verlust ihres Hausrats, ihrer Kleider und ihrer Arbeitsstelle hinweisen können. Das ist die eine falsche Front.
Die andere falsche Front könnte sich dadurch ergeben, daß diejenigen, die um ihre Vermögensabgabe wirklich Angst haben, weil man ihnen ein fühlbares Opfer zumuten will, alle die hier von Herrn Kunze vorhin mit soviel Sympathie angesprochenen kleinen Hausbesitzer — so als Schutzgarde, das hat man ja manchmal ganz gern gemacht — vor sich versammeln würden und diesen etwa einreden wollten: Es geht hier um das Eigentum. Auch wir sind der Meinung — und ich hoffe, daß wir damit gemeinsam etwas Brauchbares zustande bringen —, daß die untere Freigrenze auf die verschiedene Struktur, auf den verschiedenen Charakter von Vermögen Rücksicht nehmen muß und daß unter allen Umständen diejenigen Vermögen von jeder Belastung frei bleiben müssen, die keinen anderen Zweck haben, als ihrem Besitzer die Aufrechterhaltung eines sehr bescheidenen Lebensstandards zu ermöglichen.
Aber der soziale Gesichtspunkt sollte in dieser Frage, wie gesagt, nicht über Gebühr ausgeweitet werden. Noch einmal muß ich sagen: die Vermögensabgabe muß ein fühlbares Opfer sein und muß bis an die Grenze dessen gehen, was wirtschaftlich vertreten werden kann.
Ich hoffe, Sie wissen es zu würdigen, daß ich hier, wo doch die letzte Gelegenheit ist, über den Lastenausgleich in großen Tiraden loszulegen — denn ab morgen soll es ja im Ausschuß mit den Tatsachen weitergehen, und diese sind sehr viel härter —, unsere Kritik sachlich begründet vorgetragen habe und mit meinen Forderungen zweifellos im Rahmen der Tatsachen geblieben bin. Um so fester soll an diesen Forderungen aber auch festgehalten werden. Die unsachliche Opposition, die da so tut, als ob der Lastenausgleich der Bundesregierung den Forderungen der ehemals Besitzenden nicht gerecht würde, wird im übrigen Ihnen
und uns allen mehr zu schaffen machen, als uns lieb ist, so daß ich gern darauf verzichten kann, als Vertreter der sachlichen Opposition dazu noch meinen Beitrag zu liefern. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur folgendes sagen. Wir werden unsere Objektivität nicht so weit treiben, daß wir uns etwa mit den Herren aus Ihren Reihen oder aus den Kreisen Ihrer Verbündeten — man hat ja da in der Sitzung des Bundesrats so allerhand hören können — auseinandersetzen werden, daß wir uns etwa der Mühe unterziehen werden, diese wilden Leute zur Vernunft und zur Erkenntnis der wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen zu bringen. Das werden wir dann allerdings Ihnen selber überlassen müssen. Gegen unsachliche Angriffe auf unsere Auffassung oder gegen die landläufigen verleumderischen Interpretationen unserer Forderungen werden wir uns selbstverständlich selber unserer Haut wehren. Denn jetzt — und das ist schon durch die Tatsache bewirkt, daß ein so ungenügender, nach unserer Meinung ausgesprochen schlechter Gesetzentwurf hier vorliegt - ist die Zeit der Versprechungen, die Zeit der Propaganda vorbei. Jetzt kann jeder vor der Öffentlichkeit mit seinen Taten konfrontiert werden.
Wir glauben, daß es in unser aller Interesse ist, wenn über die Verhandlungen im Bundestag die denkbar größte Information an die Öffentlichkeit gegeben wird. Weil es sich um eine einmalige Angelegenheit handelt, von der für unser Volk, nicht bloß für diejenigen, die etwas zu kriegen hoffen, oder für diejenigen, die etwas hergeben sollen, so unendlich viel abhängt, sollte unser ganzes Volk von dem Fortgang der Verhandlungen wirklich eine gute Kenntnis haben. Wir möchten jedenfalls alles tun, was in unseren Kräften steht, um in diesem Sinne die Öffentlichkeit an den Beratungen teilnehmen zu lassen, damit jeder weiß, was hier auf dem Spiele steht. Denn sonst sind die Gewichte hier vielleicht ein bißchen zu ungleich verteilt.
In diesem Sinne werden wir an der grundlegenden Umgestaltung des Gesetzentwurfes über den Lastenausgleich in der Absicht mitarbeiten, möglichst viel für diejenigen herauszuholen, die wegen ihres Alters oder wegen ihres sonstigen körperlichen Zustandes nach dem Verlust ihrer gewohnten Lebensumstände nicht mehr in der Lage sind, sich aus eigenem zu helfen, und möglichst viel für diejenigen herauszuholen, die heute, nicht weil man irgendwelche ehemaligen Besitzansprüche nicht oder noch nicht anerkannt hat, im Grunde doch nur durch eine unsoziale, ja unchristliche Wirtschaftsgesinnung daran gehindert werden, ihre Familie und sich selber mit ihrer Arbeitsleistung, mit ihren Kenntnissen usw. zu ernähren. Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um diesen Lastenausgleich nach seiner Verwendungsseite produktiv, wirtschaftlich zu gestalten. Wir denken dabei daran, daß alle möglichen Hilfsmaßnahmen vergeblich sein würden, wenn man nicht auch die Frage der Umsiedlung, die Frage der Heranführung der Vertriebenen und anderer Menschen, die ihren früheren Wohnort haben aufgeben müssen, an die Arbeitsplätze zunächst einmal als eine der Aufgaben des Lastenausgleichs mit in Angriff nehmen würde.
Alles in allem, meine Damen und Herren, werden wir unsere Anstrengungen deshalb rückhaltlos einsetzen, weil unserer Überzeugung nach der Lastenausgleich eben doch mehr ist als eine Angelegenheit, die zwischen den ehemals Besitzenden und denen, die heute noch Besitzende sind, ausgehandelt werden muß. Hier steht nämlich in Wirklichkeit die Zukunft unseres Volkes auf dem Spiel, nicht nur unter dem allgemeinen Schlagwort „innerer Friede" — damit die Leute keinen Krawall machen —, nein, meine Damen und Herren, noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin darauf hingewiesen, daß doch auch das Ausland verstehen möge, vor welcher großen Aufgabe wir stehen, und er hat durchklingen Tassen, daß wir schließlich angesichts der Größe dieser Aufgabe und wegen ihrer Bedeutung auch über unser eigenes Land hinaus auf Hilfe von außen einen Anspruch haben. Es ist dabei auch der Ausdruck gefallen, daß die Zustände, unter denen wir hier leiden, nicht zuletzt auch von denen, an die wir uns heute hilfesuchend wenden, mit geschaffen worden sind. Darf ich der Ordnung halber doch noch einmal daran erinnern, daß das deutsche Unglück nicht in Jalta und in Teheran anfängt, sondern seinen wirklichen Ursprung in den Taten des Dritten Reiches hat, die dann die Konferenzen von Jalta und Teheran und ähnliche Dinge erst möglich und nötig gemacht haben.
Gerade weil auch ich davon überzeugt bin, daß wir mit dieser Aufgabe aus eigenem nicht fertig werden können, und gerade weil auch ich der Überzeugung bin, daß ein anständiger Lastenausgleich mehr als eine deutsche Angelegenheit ist und wirklich einen Beitrag zur Befriedung der Welt darstellt, möchte ich die mögliche Hilfe, die erwartet wird und erforderlich ist, nicht dadurch verzögern, daß hier erst noch Mißverständnisse aufgeklärt werden müssen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch das: Auch in der Weise hängt unser Schicksal von einer überzeugenden, anständigen und konsequenten Lösung dieses Problems ab, daß man uns draußen ja gar nicht anders beurteilen kann als nach dem, was wir hier zu Hause produzieren. Wir werden nicht erwarten können, daß man uns von draußen her mit anderen Maßstäben mißt, als wir hier auch unter uns gelten lassen, und deshalb werden wir es nach wie vor und zu allen Zeiten für unmöglich halten, daß man die alten hilflosen Menschen so zu behandeln, d. h. so abzuspeisen versucht, wie es dieser Gesetzentwurf will, weil wir als ganzes Volk von draußen her nicht so behandelt werden möchten.
Meine Damen und Herren, die Wohltat, sagt man, und das Wohltun beginnen zu Hause. Das gilt auch auf diesem Gebiet, und so, wie wir von den anderen bewertet und behandelt werden wollen, so wollen wir auch unter uns die Schwachen bewerten und behandeln.
Den Lastenausgleichsgesetzentwurf der Regierung unter diesen menschlichen Gesichtspunkten grundlegend umzugestalten, wird unser ernsthaftes Bemühen in den Beratungen sein, die morgen beginnen und die zweifellos Monate hindurch dauern werden. Wir werden uns dieser Arbeit in der Hoffnung unterziehen, daß ihr - und hoffentlich durch unser gemeinsames Bemühen - schließlich auch Erfolg beschieden ist.