Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der KPD hat laut Drucksache Nr. 1533 den Antrag gestellt, daß der Bundestag fünf Beschlüsse, die die Durchführung des Gutachtens der Firma Coverdale & Colpitt bei der Deutschen Bundesbahn betreffen, fassen möge. Die Drucksache wurde dem Verkehrsausschuß überwiesen, der sich damit befaßt hat. Das Ergebnis der Ausschußberatung liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 1776 vor.
Ich darf zu den einzelnen fünf Punkten kurz folgendes sagen. Der Antrag zu Punkt 1 der KPD lautet:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, dem Bundestag umgehend die von der ECA-Mission überreichten Forderungen in bezug auf die Bundesbahnen, die sich auf das Gutachten der Firma Coverdale und Colpitt, New York, stützen, zur Stellungnahme vorzulegen.
Nach der Begründung des Antrags der KPD in der 104. Sitzung des Bundestags durch den Abgeordneten Kohl wird gewünscht, den Bundestag über das Ergebnis der Verhandlungen, die zwischen den Vertretern des Bundesministers für Verkehr, der Deutschen Bundesbahn und des Transport-SubCommittees der Alliierten Hohen Kommission über die Empfehlungen des Gutachtens stattgefunden haben, zu unterrichten. Die Besprechungen haben zu der übereinstimmenden Auffassung geführt, daß von 91 Empfehlungen 52 voll anzuerkennen, 25 dieser Empfehlungen des Gutachtens der amerikanischen Prüfungsfirma mit Einschränkungen anzunehmen und 14 abzulehnen sind. Bei der Mehrzahl der angenommenen Empfehlungen, also der 52, handelt es sich um Rationalisierungsmaßnahmen der Bundesbahn, die innerbetrieblicher Art sind und im großen und ganzen nicht interessieren. Was übriggeblieben ist, ist in einem sogenannten Siebenpunkteprogramm enthalten, in dem die wesentlichsten Empfehlungen zusammengefaßt sind. Zur Verwirklichung dieses Siebenpunkteprogramms ist eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich. Das Siebenpunkteprogramm befindet sich zur Zeit im Schoße der Regierung; es wurde darüber beraten; die Beratungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Nach dem Willen des Verkehrsausschusses soll aber der Bundestag das Ergebnis der Beratungen über das Siebenpunkteprogramm, also über die strittigen Punkte dieses Gutachtens, zugeleitet erhalten.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat deswegen zu Punkt 1 beschlossen:
die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag die sieben Punkte des C & C-Programms, die dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt wurden, mit der Stellungnahme des Kabinetts bekanntzugeben und damit Ziffer 1 für erledigt zu erklären.
Ich glaube, das Hohe Haus kann sich dieser Stellungnahme anschließen.
Der Punkt 2 des KPD-Antrages lautet:
Die am 21. Oktober 1949 beschlossene Entlassungssperre für die Bundesbahn wird nicht aufgehoben.
Ich darf das Hohe Haus daran erinnern. daß auf seinen Beschluß, nachdem Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen der zuständigen Gewerkschaft einerseits und der Bundesbahn andererseits stattgefunden haben, die Entlassungssperre bis Erde Dezember 1950 bestand. Die Bundesbahn hat
entsprechende Untersuchungen angestellt. Nach ihrer Auffassung sind zur Zeit etwa 20 000 Leute mehr beschäftigt, als es nach dem Betrieb, der zur Zeit anfällt, unbedingt notwendig wäre. Ich betone, das ist die Stellung der Bundesbahn. Die Firma Coverdale & Colpitt hat dagegen in ihrem Programm vorgeschlagen, bei der Bundesbahn erst einmal 50 000 Bedienstete und später noch einmal 30 000, also insgesamt 80 000 Beschäftigte, zu entlassen. Ich darf dazu erklären: Weder das Bundesverkehrsministerium, noch das alliierte Sub-Committee hat diesem Vorschlag des Gutachtens die Zustimmung gegeben. Dieser Vorschlag wird als weit über das Ziel hinausgeschossen betrachtet und sachlich als nicht gerechtfertigt angesehen. Dagegen ist also die Bundesbahn der Meinung, daß noch etwa 20 000 Menschen eingespart werden können.
Ich stelle aber fest: es ist die übereinstimmende Auffassung, die auch vor allem vom Verkehrsausschuß restlos geteilt wird — ich nehme an, das Hohe Haus stimmt dem zu —, daß Entlassungen trotz Durchführung dieses Programms im Jahre 1951 möglichst zu vermeiden sind. Das läßt erreichen, wenn folgende in Aussicht genommen, Maßnahmen durchgeführt werden: wenn erstens der natürliche Abgang des Personals im allgemeinen im Jahre 1951 nicht ersetzt wird, wenn zweitens die Möglichkeit geschaffen wird, Beamte vorzeitig in den Ruhestand oder Wartestand zu versetzen, und wenn drittens etwa 4200 Mann der Bahnpolizei in die Polizei der Länder oder des Bundes übernommen werden. Man hofft, daß man dann ohne größere Entlassungen auskommt und die Möglichkeit besteht, den Betrieb so zu führen, daß die Betriebssicherheit in keiner Weise gefährdet ist. Der Ausschuß schlägt also vor, diese Maßnahmen durchzuführen, um so eine allgemeine Entlassung zu vermeiden. Der Ausschuß glaubt auch, daß diese tatsächlich zu vermeiden ist.
Der Punkt 3 .des Antrags der KPD lautet:
Die Gewährung der Ruhegehälter und sozialen Leistungen an die umgesiedelten Eisenbahner bzw. deren Hinterbliebene wird in keiner Weise angetastet.
Ich darf zunächst der Auffassung des Verkehrs ausschusses Ausdruck geben, daß es sich nicht un sogenannte umgesiedelte Eisenbahner bzw. deren Hinterbliebene, sondern um Eisenbahner handelt, die aus politischen Gründen geflüchtet sind, die Ostzone verlassen mußten und jetzt von der Bundesbahnverwaltung in der Bundesrepublik sozial betreut werden. Ich bin vom Ausschuß für Verkehrswesen beauftragt, in diesem Zusammenhang auch auf die Entlassung, also die Maßregelung der Westberliner Eisenbahner durch die Eisenbahnverwaltung der Ostzone hinzuweisen, die entgegen der von der Eisenbahnverwaltung der Sowjetzone bei Beendigung des Berliner Eisenbahnerstreiks ausdrücklich abgegebenen Versicherung rechtswidrig durchgeführt wurde — sie ist daher aufs schärfste zu mißbilligen — und die beklagenswerte soziale Zustände bei den Westberliner Eisenbahnern geschaffen hat.
Sachlich ist zu dem Antrag der KPD noch zu sagen, daß die Bundesbahn und das Bundesverkehrsministerium entschieden bestreiten. die Absicht gehabt zu haben, die soziale Versorgung der geflüchteten Eisenbahner irgendwie abzubauen und die sozialen Leistungen nicht mehr weiter zu leisten. Es handelt sich lediglich um Erwägungen, die vom Verkehrsministerium aber auch bei der
Bundesbahn und im Verkehrsausschuß dahingehend gepflogen werden, ob diese soziale Last nicht als Kriegsfolgelast auf das Finanzministerium verlagert werden sollte. Denn es sind Lasten, die einseitig auf der Bundesbahn ruhen. Sie machen in jedem Monat allein etwa 7 Millionen DM aus. Es steht also keine Gefährdung dieser Leistungen in Frage, sondern es ist lediglich eine eventuelle Übertragung auf eine andere Stelle vorgesehen. Darüber wird unter Umständen auch das Bundesbahngesetz irgendeine Regelung treffen müssen.
Da die Deutsche Bundesbahn die in dem Antrag unterstellten Maßnahmen niemals beabsichtigt hat, beantragt der Ausschuß für Verkehr. die Ziffer 3 des KPD-Antrages für erledigt zu erklären.
Der Punkt 4 des Antrags der Fraktion der KPD lautet:
Die in dem Gutachten verlangte Belegschaftsminderung von 20%, die Verminderung der Zahl der Bahnhofsbediensteten bei großen Personenbahnhöfen um 15%, bei den Güterabfertigungen um 10 bis 12% und bei kleineren Bahnhöfen um 20 bis 30% wird nicht durchgeführt.
Die in dem Gutachten der Firma Coverdale & Colpitts empfohlenen Entlassungen nach festen Prozentsätzen werden sowohl vom Bundesminister für Verkehr als auch der Bundesbahnverwaltung abgelehnt. Personalverminderungen, die auf Grund von örtlichen Prüfungen stattfinden, sollen nur im Rahmen der allgemeinen Personalpolitik und möglichst unter Vermeidung von Entlassungen durchgeführt werden, also unter Berücksichtigung des normalen Abgangs.
Der Ausschuß für Verkehrswesen beantragt daher, die Ziffer 4 des KPD-Antrages für erledigt zu erklären, da sowohl die Deutsche Bundesbahn als auch das Bundesverkehrsministerium dem Vorschlag des Gutachtens der Firma Coverdale & Colpitts nicht gefolgt sind bzw. diesen Vorschlag von sich aus abgelehnt haben.
Der Punkt 5 des Antrages der Fraktion der KPD lautet:
Jede Tarifänderung, vor allem im Berufsverkehr, bedarf der Zustimmung des Bundestages. Nach dem jetzt geltenden Preisrecht — Preisgesetz des früheren Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 10. April 1948, das als Bundesrecht fortgilt — ist eine Mitwirkung des Bundestages nur bei solchen Tarifmaßnahmen erforderlich, die eine „grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung" haben. Zurzeit ist ein neues Preisgesetz in Vorbereitung, in dem der Bundesgesetzgeber die Rechtsgrundlage schaffen wird, auf Grund deren künftig u. a. auch die Verkehrstarife erlassen werden können. Der Ausschuß für Verkehrswesen steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß die alten bzw. neuen Preisvorschriften die Frage der Beteiligung der gesetzgebenden Körperschaften hinsichtlich des Erlasses von Verkehrstarifen abschließend regeln. Deshalb beantragt der Ausschuß für Verkehrswesen, Ziffer 5 des KPD-Antrages durch die zwingenden Vorschriften des alten und neuen Preisrechts für erledigt zu erklären.
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Anträgen des Verkehrsausschusses die Zustimmung zu geben.