Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner ist von der Sorge um mein Gewissen geplagt, wenn ich jetzt von der Marktwirtschaft abkehren muß, und er glaubt, das sei ein innerer Bruch der Konzeption. Nein, die Erklärung ist sehr einfach. Wir sind nicht allein auf der Welt, sondern wir sind mit ihr aufs engste verbunden. Wir müssen uns selbstverständlich, da sich weltpolitische Ereignisse abspielen, die wirtschaftliche Konsequenzen auch in anderen Ländern haben, deren Regelungen anschließen, und wir tun das, ohne damit unserer Konzeption untreu zu werden, ohne einen inneren Bruch unserer Wirtschaftspolitik zu vollziehen,
sondern das ist einfach realistische Politik,
und Sie sollten sich freuen, daß wir so viel gesunden Menschenverstand aufbringen, uns dem anzuschließen.
Man hört heute so oft, all die Schwierigkeiten, die Spannungen, die selbstverständlich auch in der deutschen Wirtschaft aufgetreten sind, stellten eine Folge der Marktwirtschaft aus der ihr immanenten Entwicklung heraus dar. Demgegenüber ist mit aller Deutlichkeit festzustellen, daß die gleichen Erscheinungen auch in allen anderen Ländern aufgetreten sind, auch in den planwirtschaftlich geleiteten Ländern.
Ich darf Ihnen einen AP-Bericht vom 19. Januar 1951 vorlesen. Ich möchte ausdrücklich sagen: ich polemisiere hier nicht etwa gegen England, aber nachdem doch unbestreitbar ist, daß dort eine Planwirtschaft herrscht, die offenbar alles voraussieht,
ist es immerhin ganz lehrreich.
Großbritanniens Wiederaufrüstung ist seit Wochen durch eine ständig zunehmende Verknappung der Rohstoffe auf das schwerste gefährdet.
Der britische Bedarf an Kohle und Stahl kann zur Zeit nur mit Mühe gedeckt werden. Verschiedene Industriezweige mußten sich schon zu Entlassungen und Produktionskürzungen entschließen.
Die Liste der schwindenden Rohstoffvorräte ist nicht nur auf Kohle und Stahl beschränkt. Auch die Bestände an Roheisen und Schrott, Baumwolle, Wolle, Kupfer, Zinn, Zink, Schwefel, Industriealkohol, Papier und zahlreichen anderen Materialien sind stark zurückgegangen. Um der ständig steigenden Kohlennot abzuhelfen, ist der Nahverkehrsplan der staatlichen Eisenbahnen erheblich eingeschränkt worden. Die Regierung hat zur Einsparung von Gas und Elektrizität aufgerufen, und Ministerpräsident Attlee verhandelt mit den Kohlengewerkschaften, um die Sonderförderung von 3 Millionen Tonnen innerhalb von 4 Monaten zu erreichen.
Diese Spannungen im Weltmarkt scheinen also nicht eine spezifisch deutsche Angelegenheit zu sein.
Wenn ich aber höre, man müßte in einer solchen Lage rechtzeitig Vorsorge treffen, dann möchte ich Sie alle einladen, an dieser Vorsorge mitzuarbeiten.
Ich möchte nur einmal so einige Probleme andeuten, mit denen wir uns auseinandersetzen, die wir exakt formulieren und festlegen müßten, um dieses Programm von Ihnen zu erfüllen.
Sie wissen, welche Bedeutung im Augenblick die mandatorischen Aufträge haben, die stark zunehmen, wenn auch zunächst noch dezentralisiert erteilt werden. Wir wissen nicht, in bezug auf welches Material, in welchen Mengen und in welchen Zeiträumen diese Lieferungen anfallen werden. Wir wissen nicht, ob und in welchem Umfange uns dafür eine Devisensicherung gegeben wird, unter Umständen besondere Rohstoff-Unterbauungen vorgenommen werden. Wir kennen noch nicht unsere eigenen Leistungen, den deutschen Beitrag zur europäischen Verteidigung. Wir wissen nicht, welche Rohstoffmengen — sei es nun im Pfundraum oder im Dollarraum — zur Verteilung -gelangen und nach welchen Grundsätzen das der Fall sein wird. Wir können nicht voraussehen, wie sich die Rohstoffpreise entwickeln werden, in welchem Umfange wir also auch im Rahmen unserer Devisenverfügungen werden einkaufen können. Wir wissen nicht, inwieweit wir auch an Auslandslieferungen, die indirekt auch zur fremden Verteidigung beitragen, teilzunehmen haben. Wir können noch nicht die Höhe der Investitionsmittel beurteilen, die uns in diesem Jahre zur Verfügung stehen, welche Möglichkeiten der Kreditschöpfung sich im Rahmen der Konjunkturentwicklung ergeben werden. Wir wissen noch nicht, welchen Erfolg unser Bemühen um Aufhebung der Beschränkungen der Industrieproduktion oder gar der Verbote hat, und schließlich sind wir auch über unsere Exportverpflichtungen in bezug auf die Kohle noch ohne letzte Entscheidung.
Sie werden nicht leugnen können, daß jede Planwirtschaft, jede behördliche Planwirtschaft aus innerer Entwicklung heraus die Tendenz verfolgen muß, zu Richtlinien zu gelangen, zu Festlegungen, wie sie eben von einer Behörde, von ihrer Bürokratie notwendig gefordert werden. Was uns nottut, ist eine bewegliche und rasche Anpassung an die Gegebenheiten, wie sie sich aus der noch unklaren politischen und damit auch wirtschaftlichen Entwicklung heraus abzeichnen. Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn Herr Wönner hier ist, wird er die Richtigkeit bestätigen. Ich war am 29. Dezember in München. Am gleichen Tage wurde ich ins dortige Wirtschaftsministerium gerufen, und es wurde mir mitgeteilt: ab heute früh kommt keine Tonne Kohle mehr aus dem tschechischen Raum, und die ganze oberfränkische Porzellanindustrie und Glasindustrie drohen zum Erliegen zu kommen, wenn nicht das Wunder geschieht, daß diese Lieferungen von 110- bis 120 000 Tonnen im Monat ersetzt werden, und zwar so, daß am 2. Januar die rheinische Braunkohle in Oberfranken steht. — Mit zwei Telefongesprächen habe ich erreicht, daß die Kohle am 2. Januar in Oberfranken gestanden hat und auch weiterhin geliefert wird.
Hätten wir schon eine Bürokratie mit ihrem Verteilungsapparat gehabt, dann hätte diese Maßnahme ganz bestimmt nicht geklappt.
Im übrigen hat mein Herr Vorredner von Mangelerscheinungen gesprochen und von ähnlichen Erscheinungen, von Klemmen und dergleichen mehr. Ich spreche hier für die gewerbliche Wirtschaft in meiner Zuständigkeit, und für die gilt ja auch das Gesetz. Mit Ausnahme von gewissen Nichteisenmetallen ist in Deutschland ein Mangel an Rohstoffen noch nicht in Erscheinung getreten.
Wenn Sie heute den Run auf die Läden anschauen und wenn Sie wissen, daß wir Ende dieses Monats sogar noch Saisonausverkäufe veranstalten, dann können Sie sich denken, daß es mit der Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft nicht schlecht bestellt sein kann. Ich sage Ihnen: die deutsche Wirtschaft wird auch weiterhin in ausreichendem Umfange mit Rohstoffen versorgt werden. Das sage ich nicht Ihnen, das sage ich von dieser Stelle aus dem ganzen deutschen Volk, das endlich aus dieser Neurasthenie einmal erlöst werden muß.
— Fertigwaren gibt es, soviel Sie wollen.
Mir ist bisher kein Fall bekanntgeworden — und Ihnen sicher auch nicht —, daß etwa ein Käufer von industriellen Fertigwaren seinen Bedarf nicht hat decken können.
Dann ist gesagt worden, auch die Exporte müßten gesteuert werden. Meine Damen und Herren, wir haben die Exporte gesteuert, nur vielleicht nicht so, wie Sie das für richtig halten. Aber immerhin haben wir .so gesteuert, daß die deutsche Ausfuhr vom Januar von 350 Millionen DM auf eine Milliarde und zehn Millionen DM im Dezember angewachsen ist. Das scheint mir die beste Steuerung zu sein, die es überhaupt gibt.
Dann ist von Stahl gesprochen worden. Hier habe ich etwas zu berichtigen, weil es objektiv nicht stimmt. Ich habe hier bereits im vorigen Herbst — August und September — eingegriffen, um den übermäßigen Export an Rohstahl und Walzwerkerzeugnissen zu verhindern, und zwar mit Erfolg. Während wir bis dahin monatlich 220 000 Tonnen exportiert haben, haben wir zunächst auf 170 000 Tonnen gekürzt, und die Menge ist heute auf 120 000 Tonnen zurückgesetzt worden.
Also diese Zahlen, die hier genannt worden sind, stimmen nicht.
Was die Kohle anbelangt, so könnten wir darüber auch noch einmal sprechen. Aber ich muß hier mit aller Deutlichkeit sagen: Seit einem Jahr bemühe ich mich jetzt mit allen Mitteln, bei der Deutschen Kohlenbergbauleitung, die bekanntlich eine alliierte Dienststelle ist, eine Erhöhung der Kohlenförderung zu erreichen, sei es nun, daß der Lohn in höherem Maße an die Leistung gebunden wird, sei es mit anderen Maßnahmen. Ich habe lange darum gekämpft — bis jetzt vergebens —, daß die DKBL deutscher Zuständigkeit unterstellt wird. Ich hoffe, daß das jetzt endlich gelingt. Ich habe lange darum gekämpft, daß die Exportkohle nicht einseitig "von der Ruhrbehörde verteilt wird, sondern daß dieser kostbare Grundstoff uns auch als Handelsobjekt bei der Aushandlung unserer Handelsverträge zur Verfügung steht.
Das habe ich mit Wirkung vom 1. September erreicht, und ich erkläre Ihnen hier: von diesem Augenblick an ist nicht mehr ein Gramm Kohle abgeflossen, außer wenn wir dazu gezwungen worden sind.
Wie sieht es übrigens heute aus? Ende Januar soll die entscheidende Sitzung der Ruhrbehörde stattfinden; aber bis zu diesem Augenblick müssen wir sogar nach dem Moskauer Verteilungsschlüssel im Quartal 6,83 Millionen Tonnen Kohle exportieren.
England mit einer wesentlich größeren Förderung, mit einem größeren normalen Export, hat seinen Export jetzt auf 30 °/o der normalen Leistung eingeschränkt und tritt heute noch als Käufer von 3 Millionen Tonnen Kohle auf dem amerikanischen Markt auf.
Es ist also auch hier ganz offenkundig, daß es sich bei der Kohlenkrise nicht um eine deutsche, sondern um eine europäische Angelegenheit handelt. Das ist bekannt genug; und wenn die Kohlenkrise in Deutschland vielleicht noch schärfer in Erscheinung tritt als anderwärts, dann deshalb, weil wir in bezug auf die Kohlenexporte einem auf die Dauer unerträglichen Druck ausgesetzt sind.
Dann wünscht mein Herr Vorredner, die Bewirtschaftungsmaßnahmen möchten noch stärker ausgebaut werden, und es ist in diesem Zusammenhang auch auf Fertigwaren hingewiesen worden. Es ist nicht zu leugnen, daß in den letzten Wochen mancherseits auch Fertigwaren gehortet worden sind. Dagegen gibt es nur ein Mittel: den Bedarf unter allen Umständen zu befriedigen, und es gibt ganz bestimmt ein falsches Mittel: diese Waren zu bewirtschaften.
Ich kenne den Grund aus meiner Verbindung zu Groß- und Einzelhandel genau, denn die Kunden sind ja so frei und sagen es in den Läden. Warum horten sie denn? Weil sie Angst haben, daß die Prinzipien zur Anwendung kommen könnten, die Sie uns hier empfehlen möchten.
Trotzdem bin ich der Meinung, daß wir den Preisen sorgfältige Beachtung schenken müssen, und ich bin bereits in Verhandlungen sowohl mit der Industrie als auch mit den verschiedenen Stufen des Handels, um in gegenseitiger Abstimmung in einer Art Selbstkontrolle und in einer Selbstverantwortung hier die Stabilität des deutschen Preisniveaus soweit irgend möglich zu wahren. Obwohl ich damit manche Sünden auf diesem Gebiet ganz bestimmt nicht tolerieren möchte, kann ich Ihnen auf Grund der amtlichen Statistik sagen: Seit Mai vorigen Jahres bis einschließlich Dezember sind die Grundstoffpreise in Deutschland um 16,2 % gestiegen, in Frankreich um 32,2 % und in England um 61,5 %;
also nachzulesen in den amtlichen Statistiken.
Nun wird gar zum Schluß noch gesagt, es käme jetzt darauf an, die Autorität dieser Bewirtschaftungsstellen zu verstärken.
- Jawohl, die Absicht habe ich, wenn die Art von Bewirtschaftung oder die Art von Lenkung und von Ordnung in dem Umfang Platz greift, in dem mir dieses Gesetz dazu die Handhabe bietet. Das geht aber nicht, wenn ich an eine Bewirtschaftung im Sinne einer starren Preisbindung denke, eine Bewirtschaftung im Sinne von Lieferkontrollen und dergleichen mehr; denn diese Maßnahmen müßten, weil dadurch aufgestaute überschüssige Kaufkraft in Erscheinung tritt, zwangsläufig wieder zum Schwarzmarkt, zum Schleichhandel und, weil die Behörde da nicht zuschauen darf, dann auch zum Bezugsscheinwesen und zur Rationierung führen. Dann allerdings muß ich sagen: die Autorität dieser Bewirtschaftungsstellen kann kein Gott mehr retten!
Da haben die Bewirtschaftungsstellen selbst dafür gesorgt, daß ihr Renommee so ist, wie es im deutschen Volk tatsächlich ist.