Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich eigentlich, daß diese kurze Gesetzesvorlage eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit eines Jugendschutzgesetzes hier ausgelöst hat. Im Grunde genommen müssen wir sehr dankbar sein dafür, daß uns in einem Lande einmal eine derartige Gesetzgebung vordemonstriert worden ist.
In Niedersachsen hat man am 9. Dezember 1948 das Jugendschutzgesetz erlassen. Es ist, wenn ich mich nicht ganz gewaltig irre, sogar einstimmig in diesem Landtage über die Bühne gegangen.
— Na ja, es waren aber mindestens nur sehr wenige, die dagegen gestimmt haben.
— Wie stark ist die?
- Also, wenn die Herren von der Deutschen Partei sagen, sie hätten dagegen gestimmt, dann bin ich über die damaligen Vorgänge falsch informiert. Mir haben Leute aller Richtungen gesagt: Jawohl, wir haben ja damals gar nicht damit gerechnet, daß die Militärregierung das Gesetz genehmigen würde, und haben deshalb dafür gestimmt.
— Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, wenn Sie so freudig lachen, dann muß ich Ihnen sagen, daß es Ihren Parteifreunden in Niedersachsen auch so gegangen ist.
Selbst der Herr niedersächsische Arbeitsminister hat mir in aller Offenheit gesagt, daß er sich mit allem Nachdruck gegen das Gesetz ausgesprochen hat, weil er vorher wußte, daß eine weitgehende Beschäftigung Jugendlicher nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht möglich ist. Dann aber hat ein derartiges soziales Gesetz keinen sozialen Charakter mehr. Sie sehen ja auch, daß derselbe Landtag, der dieses Gesetz erlassen hat, schon ein halbes Jahr darauf eine Novelle — und das auch, soviel ich weiß, fast einstimmig — über die Bühne hat gehen lassen, durch die die wesentlichsten Punkte des Gesetzes außer Kraft gesetzt wurden. Man hat sich auf den Standpunkt gestellt: Nun ja, der Bund soll ein neues Gesetz machen, und vielleicht hat der eine oder andere dabei auch daran gedacht, daß man dann sagen könnte: Seht euch diese reaktionären Burschen in Bonn an, die haben ein viel schlechteres Gesetz gemacht, als wir es gewollt haben.
Auf Grund des Grundgesetzes ist dann der Niedersächsische Landtag nicht mehr in der Lage gewesen, die Frist im § 34 des Gesetzes zu verlängern, der es den Gewerbeaufsichtsämtern ermöglichte, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Es kam dann die Anfrage an uns, ob wir nicht vom Bund aus ein entsprechendes Gesetz erlassen würden.
Ich habe dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Arbeitsminister von Niedersachsen gesagt: Den Gefallen tue ich Ihnen nicht! Sie haben die Möglichkeit, über den Bundesrat einen derartigen Antrag an das Parlament zu bringen! Diesen Antrag haben Sie heute vor sich liegen. Sie haben meines Erachtens heute darüber zu entscheiden, ob Sie dem Wunsche der niedersächsischen Landesregierung entsprechen und ihr durch die Verlängerung der Fristen die Möglichkeit geben wollen, in ihrem Lande in einem größeren Umfange jugendliche Menschen in Arbeit zu bringen. Nur um diese Frage handelt es sich.
Der Zustand, den wir heute in Niedersachsen bezüglich dieses Gesetzes haben, ist so katastrophal, daß man eigentlich den Kopf schütteln muß. Seit dem 1. September 1949 ist das Gesetz voll in Kraft, aber es wird nirgends durchgeführt. Die Landesregierung hat darüber hinaus sogar einen Beschluß gefaßt, wonach Anzeigen wegen Übertretung des Gesetzes nach diesem Paragraphen als Bagatellfälle niedergeschlagen werden sollen. Ich glaube, ein derartiger Zustand ist einfach eine Unmöglichkeit, wenn die Gesetzgebung des Bundes und der Länder draußen überhaupt noch respektiert werden soll.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den hier vorliegenden Gesetzentwurf dem zuständigen Ausschuß überweisen würden, damit man sich darüber aussprechen kann, ob die vom Bundesrat vorgelegte Formulierung, die nach Auffassung der Juristen meines Ministeriums nicht richtig ist, nicht durch den Vorschlag abgelöst werden sollte, der von meinem Ministerium ausgearbeitet worden ist und Ihnen in der Drucksache vorliegt.