Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, diesen Gesetzentwurf nicht nur dem Ausschuß für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung, sondern auch dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung zu überweisen; denn der Herr Innenminister hat — und darin trete ich ihm bei — seine Vorlage vor allem damit begründet, daß dieses Gesetz entscheidend die Probleme der inneren und der Grenzsicherheit berühre. Wir glauben daher, daß dieses Gesetz
das typische Arbeitsgebiet des Ausschusses für Verfassungsschutz darstellt.
Die Auslassungen des Herrn Innenministers geben mir zu einer kurzen Replik Veranlassung. Zunächst möchte ich allerdings auf etwas eingehen, was der Herr Abgeordnete von Merkatz geäußert hat. Die Ausführungen des Herrn Kollegen von Merkatz können in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als wenn der Parlamentarische Rat bei der Verfassungsgebung auf diesem Gebiete sehr oberflächlich und leichtfertig gearbeitet und gehandelt hätte. Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, daß gerade auch aus den Kreisen des Herrn von Merkatz, der Deutschen Partei, die Drohung kam: Wenn der Bund polizeiliche Befugnisse bekommt, werden wir unter Umständen in die Zwangslage versetzt sein, dieses Grundgesetz abzulehnen!
Wer war denn im Hauptausschuß und im Plenum des Parlamentarischen Rates der Sprecher der Deutschen Partei? Das war Herr Seebohm. Und wer war denn der Mentor, wer war denn derjenige, der Herrn Seebohm instruiert hat, so daß sich Herr Seebohm in den Ausschüssen damit begnügen konnte, das abzulesen, was ihm mit Schreibmaschine vorgeschrieben war? Das war Herr von Merkatz.
— Herr Kollege von Merkatz, wir haben nicht umsonst neun Monate hier in diesem Gebäude zusammengesessen und an diesem Gesetz gearbeitet. Herr von Merkatz, Sie sagten als Entschuldigung, Sie seien nicht Mitglied des Parlamentarischen Rates gewesen.
In dem selbstgeschriebenen Lebenslauf für das Handbuch des Bundestages steht: Herr von Merkatz war Mitglied des Parlamentarischen Rates.
Es dürfte also ganz gut sein, aufzuklären, woher das nun so kommt.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es hieße, die Tatsachen und die Entwicklung der Dinge doch leicht verwirren und auf den Kopf stellen, wenn man — und das hat der Herr Bundesinnenminister eben zu erkennen gegeben — sagen wollte: die heutige Stellungnahme der Sozialdemokratie sei nur aus einer parteipolitischen Einstellung zu erklären. Wer hat denn überhaupt die Initiative ergriffen, damit die Verfassung auf polizeilichem Gebiet geändert wird? Das war doch die Sozialdemokratie. Und wer hat hier denn Schwierigkeiten über Schwierigkeiten gemacht? Das waren doch die Regierungsparteien mit Ausnahme der FDP, und zwar nicht nur im Parlamentarischen Rat, sondern noch in der Oktober-Sitzung des Bundestages.
Wenn hier von einem der Redner erklärt wird, ich glaube, dem Herrn Kollegen Neumayer, er sei erstaunt, daß ich heute gegen die Grenzschutzbereitschaften spräche — ich habe gar nicht dagegen gesprochen, daß der Bund den Grenzschutz bekommt, sondern nur dagegen, daß er die Bereitschaften aufstellen darf —, dann möchte ich darauf erwidern: Wir haben gestern im Ausschuß für innere Verwaltung beschlossen, daß — um die Bedenken der Opposition zu zerstreuen, es handle sich hier um den Versuch der Aufstellung von quasi
militärischen Kaders von 60- oder 70 000 Beamten, wie es der Bundeskanzler bereits im vorigen Sommer erhofft hat — die CDU den Antrag einbringen wird, die Stärke des Grenzschutzes mit absuluter Mehrheit zu beschließen. Jetzt heißt es plötzlich, das sei nach der Geschäftsordnung nicht zulässig. Es handelt sich ja gar nicht um den Abänderungsantrag zu einem Gesetzentwurf — es mag sein, daß das nach der Geschäftsordnung unzulässig ist —, es handelt sich hier lediglich um einen zusätzlichen Punkt der Tagesordnung, den wir auf Grund dieser Debatte hätten beschließen können. Daß Sie das ablehnen — das müssen Sie doch verstehen —, muß uns stutzig machen.
Herr Bundesinnenminister, daß Sie den Kommunisten antworteten, verstehen wir; denn ich möchte Herrn Kollegen Paul eins sagen. Ich glaube, es steht Ihrer Partei schlecht an, über das Problem Polizei und Streik zu sprechen, wenn Sie sich bitte an das erinnern, was die Ostzonenpolizei bei dem Eisenbahnerstreik im Jahre 1949 getan hat,
als sie auf die streikenden Eisenbahner in Berlin, die man um 4/5 ihres Lohnes betrügen wollte, geschossen hat!
Aber, Herr Bundesinnenminister, ich glaube, es war kein glücklicher Zungenschlag, daß Sie sich durch Zwischenrufe von links aufs Glatteis führen ließen, als der Hinweis geschah — es mag dahingestellt bleiben, ob er objektiv richtig ist oder nicht —, Sie hätten einmal Herrn Hitler die Tür geöffnet, und daß Sie der Situation, glaube ich, nicht gerecht wurden, indem Sie sagten: Sie seien bereit, das ein zweites Mal zu tun. Wir würden uns freuen, wenn das ein Mißverständnis wäre.
Zum Schluß mag gesagt sein, der Herr Bundesinnenminister hat diese Opposition völlig falsch verstanden. Der Herr Bundesinnenminister ist nämlich nicht nur Polizeiminister, sondern er ist in erster Linie d e r Minister, der die Verfassung zu schützen hat. Er hat sie nicht nur durch Polizei und ihre Bewaffnung zu schützen, sondern, Herr Bundesinnenminister, Ihre Verpflichtung geht in erster Linie dahin — ich muß leider etwas wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe —, die Verfassung auch dann zu achten, wenn sie Ihnen bei ihrer praktischen Anwendung manchmal vielleicht Schwierigkeiten bereiten sollte. Grundsatz Ihrer Arbeit für die Gesetzgebung muß nicht nur rechtsstaatliches Denken, sondern in erster Linie rechtsstaatliches Handeln sein!
Meine Damen und Herren! Wir sind als Opposition ja bereit, dem Bund bestimmte polizeiliche Möglichkeiten zu geben. Wir sind doch diejenigen, die mit der Stellung verfassungsändernder Anträge begonnen haben. Aber Sie von der CDU haben es auch gestern dem Ausschuß unmöglich gemacht, darüber zu beraten. Sie waren es doch, die gestern im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beantragt haben, die weitere Beratung der Verfassungsänderung zurückzustellen.
Sie können sich doch heute nicht hierhinstellen und erklären, es liege nur an der unfreundlichen Haltung der Opposition, daß Sie auf diesem Gebiet nicht weiterkämen. Wir sind bereit, dem Bund zu geben, was des Bundes ist; aber wir fordern, daß
das entsprechend der Verfassung und nicht gegen die Verfassung geschieht!