Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erörterungen über die Sicherheit der Bundesrepublik, über die Polizeifrage werden dereinst einmal in die deutsche Ge-
schichte als ein besonderes Beispiel der Verständnislosigkeit für die Bedürfnisse des Staates, der Ordnung und des Friedens eingehen.
Es wird in die deutsche Geschichte eingehen, daß man — —
— Ich hatte leider nicht die Ehre, dem Parlamentarischen Rat anzugehören.
Wir sprechen hier über eine der vitalsten Fragen. Ich gestehe zu, die Opposition hat das Recht, gegen eine Vorlage der Regierung Stellung zu nehmen. Sie hat auch das Recht, mißtrauisch zu sein; dafür ist sie im Parlament da. Aber dieses Mißtrauen und diese Opposition sollten sich nicht auf Fragen wie die der inneren Sicherheit erstrecken, die für alle eine und dieselbe ist.
Es ist hier die Frage aufgeworfen worden, welche Funktion ein solcher Grenzschutz habe, ob das eine polizeiliche Aufgabe sei oder etwas anderes. Der Grenzschutz hat eine polizeiliche Aufgabe besonderer Art,
d. h. mit einigen Besonderheiten, die sich aus dem Grenzdienst ergeben. Ich bin der Auffassung, daß auch der Bund in seiner Gesamtheit eine Polizeihoheit hat; denn die Polizeihoheit ist etwas für einen Staat Wesensnotwendiges.
Daher glaube ich, daß aus föderalistischer Dogmatik heraus für diese Frage gar nichts gewonnen werden kann.
— Man hat im Parlamentarischen Rat manche dieser Fragen nicht bis zu ihrer letzten Wurzel durchdacht; aber weder aus den Motiven noch aus dem Wortlaut des Grundgesetzes läßt sich ein Einwand gegen die nicht nur formale, sondern auch inhaltlich absolute Legitimität und Legalität dieser Gesetzesvorlage gewinnen. Dem Bund ist nun einmal durch Art. 87 des Grundgesetzes gegeben, Grenzschutzbehörden durch einfaches Gesetz zu schaffen. Daß diese Behörden eine Exekutive haben müssen, liegt auf der Hand. Das anders darstellen zu wollen, würde die Dinge närrisch verkehren.
Ich gebe zu, daß durch die modernen Sicherheitsaufgaben in gewisser Hinsicht eine Art Polizeiinflation entsteht. In der Praxis wird es in einer späteren Zukunft vielleicht möglich sein, auch hier Vereinfachungen vorzunehmen. Aber wie schon bei der Frage der Bereitschaftspolizei erörtert worden ist: wir brauchen in einem modernen Staat, insbesondere in der Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet, neben dem Polizeibeamten im Einzeldienst stärkere Bereitschaftsverbände. Dasselbe trifft auch auf die Aufgaben des Grenzschutzes zu. Infolgedessen wird eine Grenzschutzbereitschaft ebenso notwendig werden, wie eine Polizeibereitschaft im allgemeinen Polizeidienst notwendig ist. Ferner liegt es auch in der Natur der Sache, daß die Paßnachschau bei dieser Grenzschutzbehörde zu liegen hat. Das ist ein individueller Dienst. Aber wer sich mit den Dingen beschäftigt hat, wird sehen, daß zwischen der
Grenze und dem inneren Gebiet gerade in der jetzigen Situation der Bundesrepublik stets eine starke Wechselbeziehung besteht und daß man diese Aufgaben hier zusammenzufassen haben wird.
Ich stimme Herrn Kollegen Menzel bei seiner Kritik in der Frage der Bewaffnung restlos zu. Es ist unerträglich, was manchem bravem Polizeibeamten in der gegenwärtigen Situation zugemutet wird, unerträglich, daß Verbrecher stärker bewaffnet sind als die staatliche Exekutive. Diesem Zustand muß sobald wie möglich ein Ende bereitet werden.
Es ist an den §§ 2 und 3 der Gesetzesvorlage Kritik geübt worden. Sie bedeuten gar nichts Ungewöhnliches. Wenn man zu einem schnellen Aufbau dieser dringend notwendigen Grenzschutzformationen kommen will, wird man nach der in § 2 vorgesehenen Methode verfahren müssen.
Ferner ist Kritik daran geübt worden, daß dieser Grenzschutz möglicherweise zu polizeilichen Aufgaben herangezogen wird, die nicht unmittelbar an der Grenze anfallen. Auch das liegt in der Natur der Sache. Gewisse innere Vorgänge haben ihre Auswirkungen auf die Grenze und umgekehrt. Wir brauchen hier jene Elastizität, wie sie das Gesetz bietet. Dabei wird, wenn dieser Grenzschutz überhaupt funktionieren soll, der Mißbrauch eines solchen Instruments ausgeschlossen sein. Allerdings ist der Bund in der Lage, im Falle des Art. 91 des Grundgesetzes — und das soll man offen sagen — auch über diese Kräfte zu verfügen, wenn eine Zusammenfassung aller Polizeikräfte notwendig werden sollte. Ich glaube, es wäre nützlich, in Zukunft alle mit der inneren Sicherheit zusammenhängenden Fragen weniger aus dem Gefühl des Mißtrauens und aus der Furcht vor einem Mißbrauch zu betrachten. Es wäre besser, man einigte sich hier auf gesunde Gesichtspunkte, die sich unmittelbar aus der uns gestellten Aufgabe ergeben, die Sicherheit im Innern zu bewahren. Man sollte bei dieser Frage keiner unzweckmäßigen Dogmatik Raum geben.
Meine politischen Freunde und ich unterstreichen den Wunsch des Herrn Bundesinnenministers, diese Vorlage in ihrer jetzigen Fassung mit Entschlossenheit und Festigkeit zu verabschieden.