Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die heutige Vorlage ist eine teilweise Erfüllung der von den westlichen Außenministern in New York niedergelegten Grundsätze. Auf dieser Konferenz wurde bekanntlich festgelegt, daß in Westdeutschland in schnellem Tempo eine bewegliche Polizeitruppe mit ordentlicher Bewaffnung aufgestellt werden soll. Die heutige Vorlage hat einen falschen Titel. Von dem Herrn Innenminister wurde ja auch zugegeben, daß es sich gar nicht um Grenzschutzbehörden handelt, sondern um eine militärähnliche Polizeiformation.
Damit wird ganz deutlich, was man mit dieser militärähnlichen Polizeiformation will. Die Aufstellung dieser Einheiten liegt in der Linie der Remilitarisierung Westdeutschlands und in der Vorbereitung eines amerikanischen Krieges gegen die Völker des Ostens und gegen die deutschen Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik.
Der Eingeber für solche Gedankengänge ist kein anderer als der Nazigeneral Halder.
Im „Hamburger Echo" wird am 19. September 1950 darüber einiges geschrieben. Dieser Nazigeneral empfiehlt, nicht sofort an die Aufstellung einer Armee heranzugehen, sondern er betrachtet als nächste Aufgabe die Schaffung einer militärähnlichen Polizeitruppe, und zwar mit der Aufgabe, sogenannte Störungen der Unordnung des westdeutschen Kolonialstaates zu verhindern.
Über die Bewaffnung dieser Polizei macht sich mein Vorredner, Herr Dr. Menzel, große Sorge. Ich glaube, darüber sind sich die Auftraggeber auf dem Petersberg schon völlig klar. Schon werden Waffen nach Westdeutschland transportiert, um diese neuen militärischen Verbände gemäß den Absichten des amerikanischen Finanzkapitals zu bewaffnen. Aus Meldungen bürgerlicher Zeitungen ergibt sich, daß diese sogenannten Überfallkommandos mit automatischen Waffen, mit leichten und schweren Maschinengewehren, mit vollmotorisierten Fahrzeugen und mit Panzern ausgerüstet werden sollen. Auch daraus ist ersichtlich, daß es sich nicht um eine Ordnungspolizei im wirklichen Sinne handelt, sondern um eine Angriffsarmee, die hier aufgestellt werden soll. Man will sie einmal gegen die Massen verwenden, die nicht bereit sind, diesen Zustand in Westdeutschland länger hinzunehmen, und zum andern, um die amerikanischen Kriegsvorbereitungen vorwärtszutreiben.
Die Polizeigewerkschaft hat sich gegen die Aufstellung solcher Überfallkommandos gewandt und mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß es sich nicht um eine sogenannte Ordnungspolizei handelt. Der Herr Innenminister hat in seiner sehr lahmen, aber immerhin klug abgewogenen Begründung auf die Notwendigkeit der Aufstellung solcher Verbände hingewiesen, weil es sonst möglich sei, daß die Gespräche zwischen den deutschen Menschen aus der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschland zunähmen. Er fürchtet genau wie Dr. Adenauer die Fortsetzung solcher Gespräche, weil er genau weiß, daß bei der Fortführung solcher Gespräche die Menschen in Ost und West sich im Kampf für die Wiederherstellung unserer nationalen Einheit doch zusammenfinden werden.
Er verwies auf die sogenannte Aktion Hannover. Was ist das für eine Aktion gewesen? Man hat umfangreiche Polizeikräfte gegen die Tagung des gesamtdeutschen Arbeitskreises für die deutsche Landwirtschaft und die deutschen Forsten eingesetzt.
Man hat Dutzende von Menschen an die Zonengrenze transportiert, die mit einem ordnungsgemäßen Interzonenpaß nach Hannover gekommen waren. Man will eben verhindern, daß deutsche Menschen sich zusammenfinden, den nationalen Notstand unseres Volkes besprechen und Maßnahmen beschließen, um aus diesem Notstand herauszukommen.
Deshalb auch die Kasernierung dieser Polizeiformationen an ganz bestimmten Schwerpunkten. Diese Einheiten sollen nicht nur zur sogenannten Grenzschutzbewachung eingesetzt werden. Die „Hannoversche Presse" schreibt am 24. Oktober 1950:
„Dr. Lehr braucht eine starke Polizei sowohl gegen die Umtriebe der Kommunisten als auch gegen die unberechtigten Forderungen der Gewerkschaften im Fall von sogenannten Streikunruhen."
Also nicht nur gegen die sogenannten Grenzgänger soll diese Polizei eingesetzt werden. Nein, diese Überfallkommandos sollen auch gegen Berg- und Stahlarbeiter zum Einsatz gelangen, die jetzt für ihr Mitbestimmungsrecht zu kämpfen bereit sind, die Polizei soll gegen die Arbeiter und die Gewerkschaften, die den Unternehmerterror nicht mehr hinnehmen wollen, eingesetzt werden.
Die jetzige Vorlage zeigt mit aller Deutlichkeit, daß man bereit ist, den Kurs, der vom Petersberg angegeben ist, weiterzugehen. Ich möchte sagen: die Vorlage ist eine Visitenkarte für den westdeutschen Polizeistaat.
Man will umfangreiche Militär- und Polizeiformationen aufstellen. Das ist der wirkliche Charakter dieses sogenannten Staates. Dieses Gesetz
ist ein Ermächtigungsgesetz für den Innenminister.
Keinerlei Kontrolle über den Umfang der Polizeikräfte, keinerlei Kontrolle über die Einstellung
der Mannschaften und der Offiziere! Man will hier in eigener Zuständigkeit, unter Ausschaltung der parlamentarischen Vertretungen vorgehen.
Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit aus politischen und sozialen Gründen gegen diese Vorlage wehren. Diese Vorlage bedeutet eine ungeheure neue Massenbelastung. 30 000 Mann solcher Polizeibereitschaften werden die westdeutsche Bevölkerung rund 1 1/2 Milliarden DM kosten. Diese Kosten kommen zu den ungeheuren Kosten, die sich aus der Verstärkung der Besatzungstruppen ergeben. Im Interesse der sozialen Lage unserer Bevölkerung, im Interesse des Friedens und des Kampfes für die Einheit Deutschlands wehren wir uns dagegen, daß auf diesem Umwege versucht wird, nun die Remilitarisierung gegen den Willen der übergroßen Mehrheit unserer Bevölkerung durchzusetzen. Wir möchten Sie ersuchen, diese Vorlage abzulehnen.