Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die Ihnen im Namen meines Hauses zu unterbreiten ich die Ehre habe, verdient Ihre volle Aufmerksamkeit. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Ausgestaltung unserer inneren Sicherheit.
Nach reiflicher Prüfung hat sich die Bundesregierung entschlossen, in Anwendung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden durch Bundesgesetz in Angriff zu nehmen. Zwei Gesichtspunkte haben uns bei dieser Vorlage geleitet. Es ist Ihnen sicher durch Presse, Rundfunk und vielleicht auch aus eigener Beobachtung nicht unbekannt geblieben, daß in den letzten Monaten eine immer größere Zahl von Personen illegal über unsere Grenzen eingedrungen ist, und zwar Personen, von denen wir wissen oder von denen wir annehmen können, daß sie der Bundesrepublik nicht wohlgesinnt sind, daß sie entschlossen und zum Teil auch sogar ausdrücklich beauftragt sind, Unruhen anzustiften oder entstandene Unruhen zu schüren und für ihre dunklen Pläne auszunutzen. Ich möchte mit vollem Vorbedacht vor Ihnen keine Einzelheiten nennen. Ich darf aber auf mein ausführliches Referat Bezug nehmen, das ich den Damen und Herren des Ausschusses für innere Verwaltung gestern erstattet habe. Sie dürfen versichert sein, daß der Umfang der Grenzverletzungen nach den uns im gesamten zugegangenen Angaben die allerhöchste Aufmerksamkeit verdient. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran, daß einzelne Länderpolizeien bereits zu besonderen Maßnahmen greifen mußten, so vor acht Tagen in Hannover zur Großaktion der dortigen Polizei. Aber auch weiter im Inlande, nicht nur in den Ländern, die an der Ostgrenze liegen, ist die Auswirkung dieser vermehrten Infiltration und Agitation weithin zu verspüren. Das gilt ganz
besonders vom Lande Nordrhein-Westfalen. — Das war der eine Grund für die Vorlage.
Der andere Grund ist der, daß die Versuche, die allgemeinen Polizeikräfte zu stärken, bisher nicht zu nennenswerten Ergebnissen geführt haben. Wir haben angesichts der Tatsache, daß die Polizei Sache der Länder ist, den Ausweg von Verwaltungsabkommen über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien in den Ländern gewählt. Ich habe Ihnen darüber schon am 9. November vorigen Jahres Bericht erstattet und hatte damals die Zuversicht, daß angesichts des gleichlaufenden Interesses der Länder und des Bundes an innerer Sicherheit
diese Verwaltungsabkommen im ganzen Umfange getätigt werden und auch bei den Ländern die genügende Auswirkung schaffen würden. Das ist leider nicht der Fall gewesen. Bisher hat auch nur ein Teil unserer Länderregierungen das Abkommen unterzeichnet, und selbst unter den Unterzeichnern gehen die Meinungen weithin auseinander, namentlich in der Frage der finanziellen Belastung. Hier haben, um nur mal ein einzelnes Beispiel zu nennen, die Länderfinanzminister auch in den Ländern, welche das Abkommen unterzeichnet hatten, nachträglich noch Bedenken erhoben und über den Wortlaut des unterzeichneten Abkommens hinaus noch erhebliche Beträge in bezug auf laufende Personal- und Unterkunftskosten angefordert, und schließlich haben sich die Länderinnenminister mit den Länderfinanzministern trotz angestrengtester Bemühungen des Bundes noch nicht über die Besoldung der BereitschaftspolizeiBeamten einigen können, so daß eine Rekrutierung schon aus diesem Grunde bisher unterblieben ist. Ja, von einzelnen Unterzeichnern sind nachträglich einschränkende Einwendungen oder Bedingungen erhoben worden; und dabei geht es doch um die innere Sicherheit des Staatsganzen, an dem die Länder doch genau so interessiert sind wie der Bund selbst.
Was nun den zweiten Weg einer Polizeiverstärkung angeht, nämlich die Errichtung einer Bundesbereitschaftspolizei im Wege der Änderung unseres Grundgesetzes, so ist anzuerkennen, daß in dem dafür zuständigen Ausschuß für die innere Verwaltung auf allen Seiten des Hauses ein ehrliches und angestrengtes Bemühen festzustellen war, um zu einem Ergebnis und zur Anpassung der Meinungen zu kommen. Aber immerhin erscheint es mir heute rückblickend zweifelhaft, ob diese Vorlage, selbst wenn es gelingt, jetzt im Ausschuß für die innere Verwaltung zu einer Übereinstimmung der Auffassungen zu kommen, dann im Bundesrat die erforderliche Zweidrittelmehrheit finden wird. Solange hierüber keine Gewißheit besteht, werden Sie es verstehen können, daß ich die Bundesbereitschaftspolizei bei den schweren Sorgen, die wir im Hinblick auf den Schutz der inneren Sicherheit zur Zeit haben, vorerst nicht in Rechnung stellen kann.
Die Regierungsvorlage über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden jedoch bedarf keiner zeitraubenden Verhandlungen. Sie bedarf nur eines einfachen, mit Mehrheit dieses Hauses zu schaffenden Gesetzes. Es ist festzustellen, daß die Länder in den Beratungen im Bundesrat, wenn auch mit einer schwachen Mehrheit von nur einigen Stimmen, doch bereits zugestimmt haben.