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    Deutscher Bundestag — 112. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1951 4195 112. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4195D, 4223D edenkworte des Präsidenten zum Tag der Reichsgründung 1871 4196A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Dr. Horlacher 4199A Beratung der Interpellation der Abg. Strauß u. Gen. betr. Verwendung der Besatzungskosten (Nr. 1530 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Inanspruchnahme von Gebäuden und Wohnungen durch die Besatzungsmächte (Nr. 1721 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Beschlagnahme von Wohnraum für alliierte Truppen-Angehörige (Nr. 1726 der Drucksachen) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films (34. Ausschuß) über die Petition Nr. 8341 (Nr. 1753 der Drucksachen) 4196A Strauß (CSU), Interpellant 4196B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4199B, 4207A Dr. Seelos (BP), Antragsteller . . . . 4203A Frau Meyer-Laule (SPD), Antragstellerin 4204A Brunner (SPD), Berichterstatter . 4206B Euler (FDP) 4208B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 4210B Ewers (DP) 4213B von Thadden (DRP) 4214C Renner (KPD) 4215B Dr. Hamacher (Z) 4216D Abstimmungen 4217C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Nrn. 328, 788 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1724 der Drucksachen) . . . 4218A Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 4218A Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . . 4224A Neumayer (FDP), Berichterstatter . 4228B Weiterberatung vertagt 4235D Zweite Beratung des Entwurfs eines Wahlprüfungsgesetzes (Nr. 983 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (2. Ausschuß) (Nr. 1756 der Drucksachen) 4195D, 4235D Ewers (DP), Berichterstatter (schriftlicher Bericht) 4236B Weiterberatung vertagt 4236A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für Sicherungs- und Überleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 1510, 1679 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 1764 der Drucksachen); Änderungsantrag Umdruck Nr. 38 4236A Beratung vertagt 4236C Nächste Sitzung 4236C Anlage: Schriftlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses betreffend Entwurf eines Wahlprüfungsgesetzcs (Nrn. 983 und 1756 der Drucksachen) 4236 Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 112. Sitzung Schriftlicher Bericht des Wahlprüfungsausschusses (2. Ausschuß) im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über den Entwurf eines Wahlprüfungsgesetzes (Nrn. 983 und 1756 der Drucksachen) Berichterstatter : Abgeordneter Ewers Die Entscheidung, ob eine Wahl zu einem demokratischen Parlament sachgemäß durchgeführt ist und der einzelne Abgeordnete sich gesetzmäßig als Abgeordneter betätigt, gehört ebenso wie die Frage der Immunität der Abgeordneten zu den althergebrachten „Palladien" des Parlaments. Im alten Reichstag war daher die Wahlprüfung durch den Reichstag selbst vorzunehmen, der seine Entscheidungen zunächst in fünf, durch den Zufall des Loses bestimmten Abteilungen vorprüfen und sodann durch einen Wahlprüfungsausschuß vorbereiten ließ. Dieses System wurde in dem Reichstag der Republik von 1919 ab deshalb abgelehnt, weil offenbar bei solchen Entscheidungen mehr der Politik als der objektiven Rechtsfindung gedient wurde. Deshalb wurde durch die Weimarer Verfassung in Art. 31 ein Wahlprüfungsgericht vorgesehen, auf dessen Entscheidung allerdings das Parlament insofern einen gewissen Einfluß ausüben konnte, als es in der Besetzung mit fünf Richtern tagte, von denen die Mehrheit, also drei, Mitglieder des Reichstags sein mußten. Die beiden anderen wurden dem Reichsgericht entnommen, da es das in der Weimarer Verfassung vorgesehene oberste Reichsverwaltungsgericht nicht gab. Das Grundgesetz hat die Einführung einer dritten Methode für richtig gehalten. Es hat in Art. 41 bestimmt, daß zwar zunächst einmal der Bundestag in allen Wahlprüfungsangelegenheiten die „Entscheidung" zu fällen hat, daß aber gegen seine „Entscheidung" eine Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig ist. Das ist in der Geschichte des deutschen Staatsrechts eine Neuheit. Diese Regelung läuft darauf hinaus, daß das Parlament in einer Verwaltungsstreitigkeit konkreten Inhalts zunächst einmal zu entscheiden hat, dann aber seine Entscheidung durch ein unabhängiges Gericht nachgeprüft werden kann. Der Bundestag ist, abgesehen von der Frage der Immunität, bei der aber keineswegs allein rechtliche, sondern staatspolitische Auffassungen eine maßgebende Rolle spielen, sonst in keinem Falle berufen und (Ewers) darauf eingerichtet, in Einzelstreitfällen „Entscheidungen" zu treffen; er ist vielmehr seiner Natur nach Gesetzgebungsorgan, wobei selbstverständlich die Politik stets eine entscheidende Rolle spielen muß. Bei der Wahlprüfung aber hat der Bundestag nicht nach politischer Zweckmäßigkeit, sondern unter Anwendung bestehender Gesetze mit größtmöglicher Objektivität jedenfalls dann zu entscheiden, wenn seine Beschlüsse der Nachprüfung durch ein unabhängiges Gericht standhalten sollen. Nachdem nun das Grundgesetz durch Art. 41 dem Bundestag auferlegt hat, das Nähere in Ansehung der Wahlprüfung durch ein Gesetz zu bestimmen, ist es nach einstimmiger Auffassung sowohl des Wahlprüfungsausschusses als auch des Rechtsausschusses Aufgabe des Gesetzgebers, durch die rechtliche Gestaltung der Wahlprüfung eine möglichst große Sicherheit dafür zu schaffen, daß in Wahlprüfungssachen Entscheidungen ergehen, die auch bei richterlicher Nachprüfung Bestand haben. Andernfalls besteht die Gefahr, daß das Ansehen des Bundestages leidet. Nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses, der die Frage der zweckmäßigen Gestaltung des Wahlprüfungsgesetzes in sehr eingehenden und langwierigen Beratungen erwogen hat, bietet die Regierungsvorlage Drucksache Nr. 983 nicht die erforderliche Gewähr, daß die Herbeiführung der Entscheidung des Bundestags mit so viel rechtlichen Garantien ausgestattet ist, wie es erforderlich erscheint. Die Vorlage der Regierung hat daher in ihren wesentlichen Abschnitten eine grundsätzliche Umformung erfahren, deren Tendenz in jedem Falle war, die Wahlprüfung aus der Atmosphäre politischer Zweckmäßigkeit möglichst in diejenige zutreffender Rechtsanwendung zu verlagern. Eine weitere Schwierigkeit für das zu verabschiedende Gesetz beruht darauf, daß das Wahlprüfungsgesetz als solches nur verfahrensrechtliche Bestimmungen enthalten kann. Der Bundestag ist nicht auf Grund eines Bundeswahlgesetzes gewählt, sondern auf Grund eines Sondergesetzes, das von den Ministerpräsidenten der deutschen Länder aufgestellt ist, so daß bei seiner nächsten Wahl ein bisher unbekanntes Wahlgesetz anzuwenden sein wird. Es mußte daher möglichst weitgehend Bedacht darauf genommen werden, daß die verfahrensrechtlichen Vorschriften auch dann anwendbar bleiben, wenn ein anderes Wahlrecht als dasjenige, das zur Zeit der Bundestagswahl galt, vorhanden sein wird. Die Frage, ob in diesem zukünftigen Wahlrecht zweckmäßigerweise nicht. auch materiell-rechtliche Bestimmungen darüber aufzunehmen sein werden, unter welchen Umständen im einzelnen eine Wahl als unwirksam anzusehen ist, ist sowohl im Wahlprüfungsausschuß als auch im Rechtsausschuß erörtert worden. Die Tatsache, daß es ein umfassendes materielles Wahl-prüfungsrecht bisher nicht gibt, beruht darauf, daß bis 1919 der Reichstag selber in erster und letzter Instanz und ab 1919 ein besonderes Wahlprüfungsgericht ebenfalls in erster und letzter Instanz die Rechtssätze über die materielle Wahlprüfung zu entwickeln hatte, so daß sich ein Bedürfnis für die objektive Festsetzung des Rechts nicht herausgestellt hat. Wenn in Zukunft der Bundestag durch ein unabhängiges Gericht, dem Abgeordnete des Bundestages auf keinen Fall angehören dürfen, die Entscheidung nachprüfen läßt, bleibt die Frage offen, ob nicht zweckmäßigerweise der Gesetzgeber sowohl den Bundestag als auch den Bundesverfassungsgerichtshof an bestimmte Rechtsätze binden sollte, damit auf einer einheitlichen Basis das Recht fortgebildet werden kann. Diese Frage ist aber bei Verabschiedung des zukünftigen Wahlgesetzes zu entscheiden und nicht schon bei dem Wahlprüfungsgesetz. Nach diesen Vorbemerkungen komme ich zur Erörterung der Einzelbestimmungen der Ausschußvorlage. Ich darf formell nur noch folgendes vorausschicken. In der 69. Sitzung war die Regierungsvorlage dem Wahlprüfungsausschuß ohne Debatte zur weiteren Beratung überwiesen. Späterhin hat der Ältestenrat den Wunsch geäußert, daß auch der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sich mit der Vorlage befassen möge; ein Wunsch, der den Absichten des Wahlprüfungsausschusses durchaus entsprach. Die einzelnen Bestimmungen wurden daher, nachdem der Wahlprüfungsausschuß seine Arbeiten abgeschlossen hatte, durch den 23. Ausschuß nachgeprüft; dabei waren die Vorschläge des Wahlprüfungsausschusses Grundlage für die Erörterungen. Der 23. Ausschuß hat zum Aufbau des Gesetzes und zu seinen einzelnen wesentlichen Normen keine Änderung vorgeschlagen oder beschlossen; er hat in manchen Beziehungen die Vorlage technisch verbessert, die grundsätzlichen Bestimmungen aber ebenso wie der Wahlprüfungsausschuß durchweg einstimmig gutgeheißen. Ich trage im folgenden also den Sachverhalt sowohl im Sinne des Wahlprüfungsausschusses wie auch des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vor. Die §§ 1-4 entsprechen weitgehend der Regierungsvorlage, während §§ 5-13 der Drucksache Nr. 1756 eine Gegenüberstellung — Synopsis — mit den Vorschlägen des Regierungsentwurfs nicht vertragen. § 1 wiederholt in seinem ersten Absatz die Grundsatzbestimmung des Art. 41 des Grundgesetzes. Die Regelung im zweiten Absatz entspricht der im Wahlprüfungsrecht seit je geübten Praxis, daß die Entscheidung nicht nur konstituierend die Ungültigkeit — oder Gültigkeit — einer Wahl zu bestimmen, sondern sich insbesondere darüber auszusprechen hat, wie auf Grund der Rechtslage bei einer ungültigen Wahl weiter zu verfahren ist. Die Ausschußvorlage hat einen möglichst allgemein gehaltenen Wortlaut gewählt, damit alle Möglichkeiten, die das zukünftige Wahlrecht etwa vorsehen könnte, erfaßt sind. Bei § 2 war die Grundsatzfrage zu entscheiden, ob, wie die Regierungsvorlage vorsah, eine Nachprüfung nur auf Einspruch erfolgt, oder ob, wie es der Bundesrat wollte, auch eine Nachprüfung von Amts wegen vorzusehen sei. Die Ausschußvorlage geht einen Mittelweg. Im Abs. 1 wird der Grundsatz, daß eine Nachprüfung nur auf Einspruch hin erfolgen solle, aufrechterhalten; im Abs. 2 aber wird, um eine von Amts wegen vorzusehende Nachprüfung zu ermöglichen, festgestellt, daß gewisse Amtsträger in amtlicher Eigenschaft eine solche Prüfung anregen können. Die Frage, ob jeder Wahlberechtigte oder nur bestimmte Persönlichkeiten Einspruch einlegen können, wurde dahin beantwortet, daß man in einem freiheitlichen Staate die Möglichkeit, eine Prüfung der Wahl zu veranlassen, auch einem einzelnen Staatsbürger nicht verschließen sollte. Der Abs. 3 behandelt die Formalien des Einspruchs, wobei möglichst geringe Anforderungen vorgesehen sind, der Abs. 4 die Frist für Einlegung des Einspruchs, die natürlich für den Präsidenten des Bundestags nicht schon mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses, wohl aber mit seiner Wahl zum Präsidenten beginnen kann. (Ewers) Der Abs. 5 entspricht der Regierungsvorlage. Wodurch und wieso eine Mitgliedschaft später erworben werden kann, ist offengelassen, da das materielle Wahlrecht insofern Bestimmungen enthalten könnte, die heute noch nicht zu übersehen sind; nach der heutigen Wahlrechtslage sind die beiden Möglichkeiten der Nachwahl und des Nachrükkens aus der Liste gegeben. Zu § 3. Dieser Paragraph führt den Wahlprüfungsausschuß als Vorbereitungsorgan ein. Damit, daß dieser Ausschuß nicht etwa durch die Geschäftsordnung des Bundestags, sondern durch ein Bundesgesetz statuiert ist, erhält er eine Sonderqualität. Es steht danach also dem Bundestag nicht mehr frei, ob er einen Wahlprüfungsausschuß errichten will oder nicht, und auch seine Zusammensetzung ist gesetzlich festgelegt, ebenso seine Aufgaben entsprechend dem Inhalt des Wahlprüfungsgesetzes. Darüber, daß ein solcher Ausschuß nach der Natur der Sache notwendig und unvermeidlich ist, dürften Zweifel nicht obwalten können; denn dieser Ausschuß hat insbesondere die Funktion, den Beteiligten rechtlich Gehör zu verschaffen und die Beweisaufnahme durchzuführen. Beides sind Prozeßfunktionen, die von einem Parlament von mehreren hundert Mitgliedern unmöglich wahrgenommen werden können. Da der Wahlprüfungsausschuß ein unentbehrliches Instrument ist, um die Sammlung des tatsächlichen und rechtlichen Materials durchzuführen, muß er das Organ sein, das für eine objektive Rechtsanwendung in erster Linie bei diesen Vorbereitungsarbeiten, aber auch bei seinen weiteren Vorschlägen an den Bundestag die Gewähr bietet. Seine Funktionen sind in den Ausschüssen mehrfach zutreffend als „quasi-richterliche" bezeichnet werden. Auf Grund dieser Erwägung ist in der Ausschußvorlage eine zahlenmäßig möglichst geringe Besetzung vorgesehen, nämlich sieben Mitglieder, eine Anzahl, die auch bei Gerichten höherer Ordnung sehr wohl noch in Frage kommt. Da aber bei jeder Parlamentsarbeit nun einmal politische Gesichtspunkte eine Rolle spielen müssen, ist weiter vorgesehen, daß neben sieben Stellvertretern durch beratende Mitglieder in dem Ausschuß alle diejenigen Fraktionen vertreten sein sollen, die bei der Siebenzahl nach dem d'Hondtschen System nicht berücksichtigt werden konnten. Die Wahl des Wahlprüfungsausschusses erfolgt dann also in der Weise, daß in ihn vom Bundestag nach dem d'Hondtschen System sieben Mitglieder gewählt werden und weiterhin je ein Mitglied der danach nicht in ihm vertretenen Fraktionen, so daß jede weitere Fraktion ein weiteres Mitglied als beratendes Ausschußmitglied zur Wahl in Vorschlag bringen kann. Mit dieser Gestaltung glaubt die Vorlage allen rechtlichen und politischen Gesichtspunkten Rechnung getragen zu haben. Bemerkt wird, daß der Ausschuß schon bisher im wesentlichen in entsprechender Besetzung gearbeitet hat. In Abs. 3 ist aus der Regierungsvorlage der Schriftführer gestrichen. Die Schriftführung kann nur durch einen Beamten des Bundestags wahrgenommen werden, da die Ausschußmitglieder weder Zeit noch Gelegenheit hierzu haben werden. Zu § 4. Diese Bestimmung behandelt die Beschlußfähigkeit, die wie in allen Bundestagsausschüssen grundsätzlich schon dann gegeben ist, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Für die vorbereitenden und sonstigen allgemeinen Beschlüsse ist dies selbstverständlich. Von besonderer Bedeutung ist diese Frage aber bei der mündlichen Verhandlung und Beratung des Ausschusses in jeder einzelnen Sache, die in § 8 Abs. 2 und in § 10 behandelt sind. Dort wird noch Ergänzendes zu sagen sein. Zu § 5. Von § 5 an setzt die Umgestaltnug der Regierungsvorlage ein. Um zu einem rechtlich fundierten Vorschlag zu kommen, ist nach der Meinung der von mir vertretenen Ausschüsse zweierlei notwendig: erstens eine gründliche Vorbereitung und Materialsammlung bei jeder einzelnen Anfechtungssache, zweitens eine mit Rechtsgarantien ausgestattete mündliche Verhandlung, in der rechtlich Gehör gewährt wird und bei der die Beteiligten ihre Auffassung den Mitgliedern des Wahlpräfungsausschusses, die zur Entscheidung berufen sind, vorzutragen Gelegenheit haben werden. Dementsprechend wird, nachdem im Abs. 1 — entsprechend § 6 Abs. 1 der Regierungsvorlage — ein Berichterstatter bestimmt ist, zunächst einmal eine „Vorprüfung" angeordnet, in der auch die Formalien des Einspruchs zu erörtern sind. Die Vorprüfung hat, wie das im Gesetz in Abs. 2 zum Ausdruck kommt, den Zweck, die Sachlage so zu fördern, daß möglichst nach einem einzigen Verhandlungstermin eine Schlußentscheidung möglich erscheint. Der Abs. 3 des § 5 entspricht dem § 7 Abs. 1 der Regierungsvorlage. Es ist hier insbesondere angeordnet, daß Zeugen und Sachverständige schon im Rahmen der Vorprüfung vernommen und beeidigt werden können, insoweit allerdings nur im Wege der Rechtshilfe. Im Abs. 4 ist die Rechts- und Amtshilfeverpflichtung statuiert und weiter vorgeschlagen, daß bei gerichtlichen Vernehmungen die Hauptbeteiligten zu benachrichtigen sind, um ihre Rechte, wenn -sie wollen, in dem Termin wahrzunehmen. Wir kommen zu § 6. Im § 6 Abs. 1 ist die mündliche Verhandlung obligatorisch bestimmt. Nur wenn alle Beteiligten verzichten, kann davon abgesehen werden. Dadurch soll eine möglichst große Garantie für die Unmittelbarkeit und erschöpfende Behandlung der Einzelentscheidung gesichert sein. Als zunächst beteiligt an dem Verfahren sind im Abs. 2 des § 6 der Einsprechende und der Abgeordnete, um dessen Wahl es sich handelt, aufgeführt; der erstere ist beteiligt als derjenige, der das Verfahren in Gang gebracht hat, der letztere nicht etwa deshalb, weil es sich nur und ausschließlich um seine persönlichen Interessen drehte, sondern weil diese nach der Erfahrung auf jeden Fall irgendwie berührt werden. Die Wahlprüfung hat selbstverständlich nicht nur mit Privatrechten, sondern in erster Linie damit zu tun, daß der Bundestag den Gesetzen entsprechend zusammengesetzt ist. In Abs. 3 sind dann entsprechend dem Grundsatz, der im § 2 Abs. 2 aufgestellt ist, gewisse Amtspersonen als Nebenbeteiligte aufgeführt, die dem Verfahren beitreten können und denen in Abs. 4 auch dann ein besonderes Antragsrecht zuerkannt ist, wenn sie nicht etwa als Einsprechende ohnehin Hauptbeteiligte sind. Abs. 5 entspricht den Regeln eines geordneten Prozesses, indem er den Beteiligten die Akteneinsicht gestattet. § 7 enthält Bestimmungen, die den Ablauf des mündlichen Verhandlungstermins regeln sollen. Der Bericht des Berichterstatters ist obligatorisch, damit in der Verhandlung nichts unberücksichtigt bleibt, was etwa in den Akten enthalten ist, vor der Entscheidung aber in Gegenwart der Beteiligten gar nicht angesprochen wurde. Die weitere Regelung des Abs. 1 dürfte ohne weiteres verständlich sein, sie entspricht den Vorschlägen der Regierungsvorlage in ihrem § 7 Abs. 2. (Ewers) In Abs. 2 ist sodann die Beweisaufnahme angeordnet, die in der mündlichen Verhandlung stattfinden muß, soweit sie nicht in der Vorprüfung gemäß § 5 Abs. 3 angeordnet ist. Die Frage der Beeidigung ist in das Ermessen des Ausschusses gestellt. Sodann ist das Schlußwort nach der Beweisaufnahme dahin geregelt, daß der Anfechtende als derjenige, der im Normalfall der schwächere Teil ist, das Schlußwort hat. In Abs. 3 ist gemäß § 7 Abs. 3 der Regierungsvorlage eine Niederschrift gesetzlich vorgeschrieben, die allerdings zwangsläufig eine Wiedergabe der Aussagen der Zeugen und Sachverständigen enthalten muß, wenn sie ihrem Zweck, der Instanz des Verfassungsgerichtshofs als Material zu dienen, entsprechen soll. Im § 8 ist die äußere Form der mündlichen Verhandlung geregelt. Hier ist in Abs. 1 insbesondere klar vorgeschrieben, daß n u r diese mündliche Verhandlung öffentlich stattzufinden hat und nicht etwa, wie man es aus § 5 Abs. 1 der Regierungsvorlage herauslesen konnte, jede gewöhnliche Sitzung oder Zusammenkunft des Wahlprüfungsausschusses. Der Ausschuß hat sich überlegt, ob eine Vorschrift möglich sei, daß eine mündliche Verhandlung nur stattfinden solle, wenn alle Mitglieder des Ausschusses selbst oder ihre Stellvertreter anwesend sind. Diese Vorschrift kann aber im Rahmen eines Parlaments nicht erzwungen werden. Sie schien daher praktisch nicht möglich. Es ist deshalb eine Sondervorschrift aufgenommen worden, durch die insbesondere herbeigeführt werden soll, daß der Vorsitzende sich, ehe er einen Sitzungstag für die mündliche Verhandlung bestimmt, nach Möglichkeit davon überzeugen soll, ob alle Mitglieder oder ihre Stellvertreter zur Verfügung stehen, und die Ausschußmitglieder dazu anhalten soll, ihrer gesetzlichen Sollverpflichtung wenn irgend angängig zu genügen. Tatsächlich und rechtlich aber kann der Ausschuß nach Abs. 2 schon entscheiden, wenn nur vier Mitglieder oder Stellvertreter anwesend sind. In § 8 Abs. 3 ist ebenso wie generell im § 9 nach dem Muster der Wahlprüfungsordnung des früheren Wahlprüfungsgerichts des alten Reichstags vom 8. 10. 1920 der Zivilprozeß als die generelle Prozeßform bestimmt, nach der sich das Verfahren richten soll. Dadurch soll insbesondere ein Hinweis darauf geschehen, daß jeder Abgeordnete ohne jedes eigene Verschulden in die Rolle kommen kann, daß seine Wahl angefochten ist, daß es sich also in aller Regel keineswegs um die Nachprüfung irgendwelcher Beanstandungen handelt, die den Abgeordneten selbst treffen, sondern um die Nachprüfung der Formvorschriften, an deren Verletzung er selbst völlig unbeteiligt ist. § 9 ist dem § 9 der soeben genannten Wahlprüfungsordnung nachgebildet, um diejenigen allgemeinen Bestimmungen für anwendbar zu erklären, die in jedem Falle zu beachten sind. Mit diesem besonderen Hinweis auf Einzelbestimmungen sowohl im § 8 Abs. 3 wie im § 9 soll hervorgehoben werden, daß die Form des Verfahrens im übrigen im Ermessen des Wahlprüfungsausschusses liegt, soweit nicht in dem Gesetz selbst, wie es insbesondere in den §§ 5 bis 8 geschehen ist, besondere Vorschriften erlassen sind. Dazu ist noch weiterhin folgendes zu bemerken. Die Gesetzesvorlage sieht absichtlich keinerlei Bestimmungen für die Zulassung von Vertretern im Wahlprüfungsausschuß oder die Erscheinungspflicht von Beteiligten vor. Daraus ergibt sich also, daß jeder als Vertreter bestellt werden kann —und nicht etwa nur Rechtsanwälte — und daß niemand verpflichtet ist, auf eine Terminsnachricht hin zu erscheinen, es sei denn, er ist als Zeuge oder als Sachverständiger geladen. In § 10 Abs. 1 ist entsprechend § 8 Abs. 1 der Regierungsvorlage die geheime Beratung über das Ergebnis der mündlichen Verhandlung angeordnet. Diese Bestimmung erscheint selbstverständlich, wenn man den „quasi-richterlichen" Charakter des Wahlprüfungsausschusses bedenkt. Um die Unmittelbarkeit der Verhandlung und Entscheidung zu gewährleisten, ist in Abs. 2 ausdrücklich vorgeschrieben, daß nur diejenigen Mitglieder des Ausschusses an der Schlußberatung teilnehmen dürfen, die der mündlichen Verhandlung beigewohnt haben, so daß also jeder Mitentscheidende über alle Gesichtspunkte, die etwa geltend gemacht sind, unterrichtet ist. Eine sehr wesentliche Bestimmung ist sodann Abs. 3 des § 10, in der, da in einer Gerichtssache eine Entscheidung gefällt werden m u ß , eine Stimmenthaltung mit der Maßgabe, daß der Betreffende bei der Mehrheit oder bei der Minderheit nicht mitgezählt werden will, nicht möglich ist. Wenn also bei voller Besetzung des Wahlprüfungsausschusses drei Abgeordnete für die Ungültigkeit der Wahl, zwei dagegen sprechen und zwei sich der Stimme enthalten möchten, so ist die Entscheidung dahin gefallen, daß die Wahl gültig ist; denn die Stimmenthaltung bedeutet jedenfalls keine Jastimme, und jeder Abgeordnete muß konkret, also entweder mit Ja oder Nein Stellung nehmen. § 11 gehört ebenfalls noch zu den nötigen Formalien des Wahlprüfungsverfahrens und regelt die Form, in der der Wahlprüfungsausschuß seinen Vorschlag dem Bundestag zur Entscheidung vorlegen muß. Der Beschluß selbst ist schriftlich zu f assen. Dieser muß zunächst einmal die dem Bundestag vorzuschlagende „Entscheidung" im Wortlaut wiedergeben. Diese „Entscheidung" muß in ihrem Tenor entweder die Wahl für gültig erklären oder die Ungültigkeit und die sich daraus ergebenden Folgerungen aussprechen. Der Beschluß ist mit Tatbestand und Gründen zu versehen; er muß also alles in allem den Charakter einer verwaltungsrechtlichen Entscheidung haben. Die im Schlußsatz vorgesehene Möglichkeit, auf den Akteninhalt Bezug zu nehmen, entspricht der gerichtlichen Praxis. § 12. Dem Plenum des Bundestags gegenüber hat der Beschluß des Wahlprüfungsausschusses nur die Qualität eines Antrags. Die Vorschriften, wie und innerhalb welcher Fristen er im Bundestag zu behandeln ist, gehören als wesentliche Formvorschriften, die der Bundestag beachten muß, in dieses Gesetz. Dabei ist, wie auch im § 8 Abs. 3 der Regierungsvorlage vorgesehen, im § 12 Wert darauf gelegt, daß jedes einzelne Mitglied des Bundestags Gelegenheit hat, sich über die Begründetheit der vorgeschlagenen, vom Bundestag zu fassenden Entscheidung selbst Gedanken zu machen. Eine mündliche Berichterstattung ist, wie der letzte Satz des § 12 ergibt, in aller Regel nicht vorgesehen, aber selbstverständlich ergänzenderweise zulässig und möglicherweise dann zweckmäßig, wenn es sich um besonders grundsätzliche und schwierige Entscheidungen handeln sollte. Im § 13 ist sodann im Abs. 1 entsprechend der Regierungsvorlage § 9 Abs. 1 angeordnet, daß der Bundestag wie in aller Regel mit einfacher Mehrheit zu beschließen hat. Es ist weiter angeordnet, daß eine Ablehnung des Vorschlages des Wahlprü- (Ewers) fungsausschusses eine Zurückverweisung der Sache an den Wahlprüfungsausschuß bedeutet, also im Einzelfalle nicht etwa besonders beschlossen zu werden braucht. Entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag kann dabei die ablehnende Mehrheit dem Ausschuß die Nachprüfung einzelner Zweifelsumstände aufgeben. Die Regierungsvorlage sah darüber hinaus vor, daß das Plenum dem Ausschuß sogar „bestimmte Weisungen erteilen" könne. Das ist von beiden Ausschüssen, für die ich berichte, einstimmig abgelehnt worden, da damit das Recht eines Abgeordneten entgegen der Bestimmung im Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt wäre. Der Abs. 2 bestimmt dann, daß nach Zurückverweisung der Wahlprüfungsausschuß im Bundestag einen neuen Antrag vorzulegen hat. Das kann natürlich schon deshalb nur nach erneuter mündlicher Verhandlung geschehen, weil möglicherweise der zweite zu erarbeitende Vorschlag des Ausschusses nicht von den gleichen Mitgliedern des Ausschusses vorgenommen wird, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben. Darüber hinaus muß selbstverständlich, sobald Anregungen wegen der Nachprüfung vom Bundestag erteilt werden, das insoweit vorhandene Material der mündlichen Verhandlung einer besonders sorgfältigen und eingehenden Prüfung unterzogen und mit den Beteiligten besprochen werden. Die Frage, wie der Bundestag nach Zurückverweisung und nach Vorlage eines zweiten Vorschlags des Ausschusses zu einer endgültigen Entscheidung kommt — und das muß das Ziel jedes Verfahrens sein —, hat die Ausschüsse sehr lange und eingehend beschäftigt. Selbstverständlich kann der Bundestag nicht verpflichtet sein, dem zweiten Vorschlag des Ausschusses, der vielleicht dasselbe enthält wie der erste, zuzustimmen; denn dann wäre die Entscheidung nicht in die Hände des Bundestags, sondern allein in die Hand des Wahlprüfungsausschusses gelegt. Eine abweichende Entscheidung kann aber auf ganz verschiedenen Gründen und Erwägungen beruhen. Es ist daher hier nach dem Vorbild des konstruktiven Mißtrauensvotums — Art. 67 des Grundgesetzes — vorgesehen, daß die Ablehnung nur in der Weise erfolgen kann, daß statt dessen der Bundestag einem andern seiner ihm zur Annahme vorgelegten Anträge zustimmt, der ebenfalls den Anforderungen des § 11 entspricht, also einen Entscheidungsvorschlag enthält mit Tenor, Tatbestand und Gründen, so daß das Bundesverfassungsgericht in der Lage ist, die so gefällte Entscheidung nachzuprüfen, wenn Beschwerde eingelegt werden sollte. Wenn in einem einzelnen Falle ein solcher Antrag, der natürlich gewisser Vorbereitung bedarf, nicht vorliegt, wird die Mehrheit, die dem Ausschußvorschlag nicht zustimmen will, in aller Regel Aussetzung der Verhandlung beantragen, um einen dem § 13 Abs. 2 genügenden Gegenvorschlag dem Bundestag zur Entscheidung vorlegen zu können. Der Abs. 3 entspricht dem § 9 Abs. 2 der Regierungsvorlage. Der § 14 entspricht dem § 10 der Regierungsvorlage. Es ist nur vorgesehen, daß nicht die Mitglieder des Bundestags selbst, sondern auf ihr Verlangen hin der Präsident die Wählbarkeit eines Abgeordneten nachprüfen lassen kann, der dazu aber auch ohne das Verlangen von Abgeordneten von Amts wegen berechtigt ist. Diese Nachprüfung ist an keine Frist gebunden. Der § 15 entspricht dem § 11 der Regierungsvorlage. Die Formulierung, daß „nach den Vorschriften des Gesetzes zu verfahren ist", ist deshalb gewählt, um klarzustellen, daß bei diesem Verfahren das Antragsrecht sich nach § 2 richtet. Hier ist irgendeine Frist nicht vorgesehen. Der § 16 behandelt die Frage der vorläufigen Wirksamkeit der Entscheidung des Bundestags schon vor ihrer Rechtskraft. Hier sind drei Regelungsmöglichkeiten denkbar, jede wieder mit gewissen Abwandlungen. Erstens: die Entscheidungen haben erst mit Rechtskraft Wirksamkeit. Zweitens: die Entscheidungen haben schon v o r Rechtskraft Wirksamkeit. Drittens: der Bundestag kann von Fall zu Fall entscheiden, ob und welche Wirksamkeit die Entscheidung schon vor der Rechtskraft haben soll. Die Regierungsvorlage ist den Weg gegangen, daß sie im § 12 die Möglichkeit 2 mit der Möglichkeit 3 kombiniert hat, indem sie die Regel aufstellte, daß die Rechte und Pflichten des Abgeordneten, dessen Wahl für ungültig erklärt ist, zu ruhen hätten, daß aber der Bundestag von Fall zu Fall etwas anderes bestimmen könne. Der Wahlprüfungsausschuß hielt es für in hohem Maße bedenklich, im einzelnen Fall diese für die politische Zusammensetzung des Parlaments unter Umständen sehr bedeutsame Frage von einer Entscheidung des Bundestags abhängig zu machen, da hierbei der Tendenz seiner Vorlage zuwider unzweifelhaft politische Möglichkeiten und Machtverhältnisse eine kaum zu vermeidende Rolle spielen könnten. Er lehnte daher die Entscheidungsbefugnis des Bundestags ab und sprach sich einstimmig für eine klare Regelung im Gesetz aus. Der inzwischen von der SPD-Fraktion vorgelegte Änderungsantrag schlägt den Weg der Möglichkeit 1 vor, daß also in keinem Fall die Entscheidung des Bundestags vor Rechtskraft irgendwelche Wirksamkeit äußert. Die Ausschußvorlage schlägt den dritten Weg mit der Maßgabe vor, daß nicht etwa das Mandat des Abgeordneten erloschen, wohl aber seine Tätigkeit als Abgeordneter lahmgelegt ist. Er behält also seine fixen Diätenbezüge, er behält seine Immunität und bleibt im übrigen Abgeordneter; er kann sich aber an den Arbeiten des Plenums und der Ausschüsse während des Schwebezustandes nicht mehr beteiligen. Für den Vorschlag der Ausschüsse, der mit überwiegenden Mehrheiten gefaßt ist, waren folgende Gründe maßgebend. Der Ausschuß glaubt, durch die Gestaltung des Wahlprüfungsrechts im einzelnen größtmögliche Vorsorge getroffen zu haben, daß der Bundestag in jedem einzelnen Fall soweit irgend möglich nur auf Grund gesetzlicher Vorschriften und nicht unter dem Gesichtspunkt politischer Zweckmäßigkeit seine Entscheidungen fällen wird. Wenn man demgegenüber aber eine Norm einführt, durch die dieser Entscheidung, solange sie nicht rechtskräftig geworden ist, jegliche Bedeutung abgesprochen wird, entwertet man den Beschluß des Parlaments vollständig. Die Tatsache, daß in einem gewissen Umfang, nämlich in Ansehung der Mandatsausübung, die Entscheidung des Bundestages alsbald von einer gewissen Bedeutung sein m u ß , dürfte darüber hinaus dem Bundestag Veranlassung geben, sich nicht mit flüchtigen und nicht bis ins letzte durchdachten Entscheidungen zu begnügen, sondern mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob im einzelnen Fall eine Wahl für ungültig erklärt werden muß. Wenn die Entscheidung des Bundestags daher vorläufig und zunächst für den beteiligten Abgeordneten keinerlei Bedeutung hat, so besteht die Gefahr, daß sich der Bundestag von dem Gedanken leiten läßt, (Ewers) daß es auf seine Entscheidung ja ohnehin nicht ankomme, sondern daß das Wahlprüfungsgericht schon Recht sprechen werde. Eine solche Haltung, die hier selbstverständlich nur als Möglichkeit angedeutet werden soll, erschien im Ausschuß als für das Ansehen des Bundestags in hohem Maße bedenklich. Dann soll noch darauf hingewiesen werden, daß die Erklärung der Ungültigkeit einer Wahl zumeist keinerlei Kritik gegen den Abgeordneten enthält, sondern auf von seinem Verhalten völlig unabhängigen Umständen beruht, die er weder rechtlich noch moralisch zu vertreten hat. Es ist also keineswegs damit, daß dem Ausspruch des Bundestags eine gewisse vorläufige Wirksamkeit verliehen wird, irgendein Werturteil über die Person des beteiligten Abgeordneten gefällt. Allerdings hat die Vorlage des Ausschusses von der Regel des Abs. 1 des § 16 eine Ausnahme vorgesehen, und zwar dann, wenn es sich in einem einzelnen Einspruchsverfahren um das Mandat von mehr als neun Abgeordneten handelt, wenn also möglicherweise eine ganze Fraktion von dem Verfahren betroffen ist. Diese Ausnahme mit einer gewissen Mindestzahl — man hat sich auf die Mindestfraktionsstärke geeinigt — war schon deshalb geboten, weil zur Zeit dem Ausschuß Anfechtungen vorliegen, in denen die Wahlen, die in ganzen Ländern vorgenommen worden sind, aus formalen Gründen für ungültig gehalten werden. Wenn man also diese Massenanfechtung sofort irgendwie wirksam werden ließe, wenn der Bundestag seinerseits glaubt, daß man ihnen entsprechen muß, so würde man die Arbeiten des Bundestags unter Umständen lahmlegen. Bei solchen Massenanfechtungen handelt es sich natürlich stets um formale Wahlrechtsbestimmungen, ) die, wie anzunehmen ist, im einzelnen Fall in hohem Maße zweifelhaft sein dürften, da ja nach der Meinung des Anfechtenden der Wahlleiter des Landes eine offenbare Fehlentscheidung bei Feststellung des Wahlergebnisses getroffen haben müßte. Es wird bemerkt, daß die Gestaltung des § 16 im Wahlprüfungsausschuß zu sehr langwierigen Erörterungen geführt hat und erst nach wiederholten Überlegungen die jetzt vorgelegte Form fand. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich nach Darlegung aller Umstände der Meinung des Wahlprüfungsausschusses angeschlossen. § 17. Diese Vorschrift ist auf Anregung des Bundesrats aufgenommen; sie entspricht der allgemeinen Regel, daß niemand zur Entscheidung in eigener Sache berufen sein kann. Sie bezieht sich sowohl auf die Mitwirkung im Ausschuß wie im Plenum. Auch in diesem Falle ist wieder die Ausnahme entsprechend dem § 16 Abs. 2 vorgesehen, wenn eine einzelne Anfechtungssache mehr als neun Abgeordnete berührt. § 18. Nach einem Beschluß des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht soll entsprechend der Gesamtgestaltung des Gesetzes betreffend den Bundesverfassungsgerichtshof das bestehende Verfahren nicht im Wahlprüfungsgesetz, sondern in dem eben genannten Gesetz geregelt werden. Der Wahlprüfungsausschuß hat dies zur Kenntnis genommen. Im Rahmen meines Berichts habe ich daher zur Frage der Gestaltung des Beschwerderechts keine Stellung zu nehmen. Zu § 19. Die Vorschrift ist gleichlautend mit dem § 15 der Regierungsvorlage. Daß das Wahlprüfungsverfahren, soweit es sich vor dem Bundestag vollzieht, keine Kosten verursachen darf, dürfte der normalen Rechtsgestaltung entsprechen. Gleiches war schon im § 15 der Wahlprüfungsordnung vom 8. Oktober 1920 vorgesehen. Das gleiche gilt für die Nichterstattung der Auslagen. Zu § 20. Der § 16 der Regierungsvorlage ist auf Wunsch des Bundestags dahin ergänzt worden, daß noch ein Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes neue Einsprüche ermöglicht werden, weil dies einer rechtsstaatlichen Regelung entsprechen dürfte. Praktisch wird diese Bestimmung, wie man im Ausschuß annimmt, keine besondere Bedeutung haben. Bedeutsam ist, daß die Worte „beim Bundestag eingelegt" in der Regierungsvorlage geändert sind in „beim Bundestag eingegangen". Diese Änderung erschien erforderlich, weil die bisher vorliegenden Einsprüche ausnahmslos bei den zuständigen Wahlleitern eingelegt und durch diese dem Bundestag vorgelegt sind; sie sind also im Sinne des Gesetzes inzwischen beim Bundestag „eingegangen" und damit ohne weiteres formal wirksam. Bei der Formulierung der Regierungsvorlage käme in Betracht, daß alle bisherigen Einsprüche noch einmal formell erneuert werden müßten. Der § 21 entspricht dem § 17 der Regierungsvorlage. Die möglichst eilige Inkraftsetzung des Wahlprüfungsgesetzes ist ein selbstverständliches Erfordernis. Zum Schluß darf bemerkt werden, daß der Wahlprüfungsausschuß glaubt, mit diesem Gesetz eine Handhabe zu haben, um praktisch und so rasch wie möglich seinen Aufgaben zu genügen, und daß die Einzelbestimmungen sich als beweglich genug herausstellen, um eine sachgemäße Handhabung aller Wahlprüfungssachen auch vor dem Bundestag zu gewährleisten. Nachrichtlich sei bemerkt, daß dem Wahlprüfungsausschuß zirka 70 Einsprüche vorliegen. Ob die Hoffnung begründet ist, daß der Wahlprüfungsausschuß mit der Erledigung der Einsprüche bis Ende des laufenden Jahres fertig wird, muß abgewartet werden. Ewers Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst zu dem Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 1726, eine Erklärung abgeben. In Punkt 1 dieses Antrages wird gewünscht, daß der heute von Deutschen benutzte Wohnraum der Bevölkerung erhalten bleiben möge. Ich darf dazu folgendes feststellen:
    Die Bundesregierung ist bereits bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig geworden mit der dringenden Bitte, von der Requisition privaten Wohnraums wie auch gewerblicher Betriebe im Zusammenhang mit der Verstärkung der alliierten Streitkräfte künftig Abstand zu nehmen. Das ist zum letzten Male geschehen mit Note des Herrn Bundeskanzlers vom 2. Januar 1951. In der Zwischenzeit hat ein hoher britischer Offizier, General Jones, dem Herrn Bundestagsabgeordneten Blank zugesichert, daß in der britischen Zone in Zukunft keine Wohnraumrequisitionen für Angehörige der neuen alliierten Truppen mehr stattfinden sollen.
    Ich bemerke rückschauend: Soweit sich in der ersten Zeit aus zwingenden Gründen eine Requisition von privatem Wohnraum nicht hat vermeiden lassen — insbesondere in Niedersachsen —, hat das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den im interministeriellen Ausschuß der Bundesregierung vertretenen Bundesressorts die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt, um sofort Ersatzgebäude zu errichten, die für eine dauernde Unterbringung der Personen bzw. Familien geeignet sind. Die erforderlichen Baumaßnahmen werden nach den Richtlinien des interministeriellen Ausschusses der Bundesregierung durch die Länder zu Lasten des Einzelplans XXVII (Sonstige Kriegsfolgelasten) des Bundeshaushalts durchgeführt.
    Wegen der Kasernenbauten — hier sind Namen genannt worden, z. B. der der Kaserne in Bayreuth — möchte ich folgendes sagen: Die Bundesregierung verhandelt schon seit langer Zeit wegen aller dieser Kasernen. Ich glaube, daß, wenn das Ergebnis der Verhandlungen bekannt sein wird, die Befürchtungen sich als übertrieben herausstellen werden.

    (Hört! Hört! links.)

    Ich hoffe speziell z. B. wegen der genannten Kaserne, daß nach dem jetzigen Stand die Verhandlungen zu einem im Sinne der deutschen Bevölkerung positiven Ergebnis führen werden.
    Was die Statistik anlangt, so darf ich bemerken, daß eine solche über die beschlagnahmten Wohnräume bereits ausgearbeitet ist. Sie ist ein Teil einer Denkschrift, die z. Z. in meinem Hause in Ausarbeitung ist, und ich hoffe, sie dem Hause mit allen Unterlagen in den nächsten Wochen zuleiten zu können.
    Zu der Frage der Räumung von Kasernen, die für Wohnzwecke der Zivilbevölkerung nutzbar gemacht worden sind, darf ich noch folgendes feststellen. Soweit sich die Räumung einer solchen Kaserne, was hoffentlich nicht in dem befürchteten Ausmaß der Fall sein wird, nicht vermeiden läßt, werden ebenfalls für die dauernde Unterbringung der bisher in den Kasernen untergebrachten Personen geeignete Wohnungen in dem von mir soeben gezeichneten Rahmen nach den Richtlinien des interministeriellen Ausschusses und aus den Mitteln des Einzelplans XXVII (Sonstige Kriegsfolgelasten) errichtet werden. Das Bundesfinanzministerium und die im interministeriellen Ausschuß vertretenen Bundesressorts sind sich bewußt, daß in diesem Falle die Bauarbeiten für die Ersatzbauten möglichst beschleunigt durchgeführt werden müssen. Soweit eine vorübergehende Unterbringung in behelfsmäßigen Unterkünften überhaupt noch notwendig wird, wird auch diese nur in sogenannten Dauerunterkünften erfolgen.
    Weiter ersuchen die Antragsteller die Bundesregierung, dahin zu wirken, daß die von Alliierten in Anspruch genommenen Häuser beschleunigt daraufhin überprüft werden, ob hier Wandel geschaffen werden kann. Ich glaube, das Hohe Haus hat schon meiner Beantwortung der Interpellation entnommen, daß die Bundesregierung in dieser Richtung mit der Hohen Kommission längst in Fühlung steht und darauf hindrängt, daß kein unnützer und unnötiger Wohnraum beansprucht wird.
    Wegen der Aufhebung des in der US-Zone noch bestehenden Verbotes des Zusammenlebens von Amerikanern mit Deutschen hat das Bundesministerium der Finanzen im besonderen schon früher beim alliierten Unterausschuß für Besatzungskosten Vorstellungen erhoben. Dieser Ausschuß hat sich damals unter Hinweis darauf, daß es sich um eine politische Frage handelt, für nicht zuständig erklärt. Da es sich um eine politische Frage handelt, wird diese den politischen Faktoren, also den Hohen Kommissaren selbst, vorgelegt werden.
    In Punkt 3 wird die Bundesregierung ersucht, verbindliche Zusicherungen darüber herbeizuführen, daß Verfolgte des Naziregimes, Vertriebene, Kriegssachgeschädigte usw. möglichst nicht verdrängt werden. Selbstverständlich bestehen gegen diese Anregung nicht die geringsten Bedenken. Ich darf nur darauf hinweisen, daß die Bundesregierung sich bemüht, überhaupt zu vermeiden, daß eine Verdrängung von deutschen Personen eintritt. Letzten Endes entscheiden hier natürlich gewisse Notwendigkeiten, die von den Besatzungsarmeen geltend gemacht werden.
    Viertens wird die Bundesregierung ersucht, Maßnahmen zu beschließen und dem Bundestag sofort entsprechende Vorlagen zu unterbreiten, die sichern, daß die notwendigen Unterkünfte schnellstens errichtet werden. Darauf habe ich bereits geantwortet. Die Besatzungsmächte führen auch in allen Zonen umfangreiche Bauvorhaben zur Unterbringung der Angehörigen ihrer Truppen mit Mitteln des alliierten Besatzungshaushalts durch. In dem bisherigen Haushalt war dafür ein Betrag von 414 Millionen vorgesehen; in dem Nachtragshaushalt, den ich in meiner Beantwortung der Interpellation erwähnt habe, beläuft sich der Betrag, der hierfür vorgesehen ist, auf weitere 550 Millionen.
    Was nun Punkt 5 des Antrages betrifft, so darf ich bemerken, daß für alle diejenigen, die im Zuge der Verstärkung der alliierten Streitkräfte ihre bisherigen Wohnungen in Kasernen, Lägern und sonstigen militärischen Anlagen sowie vereinzelt auch in Privatwohngebäuden haben räumen müssen, zu Lasten des Einzelplans XXVII Dauerunterkünfte erhalten. In manchen Fällen konnte


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    die neue Unterbringung sogar besser sein als die alte Unterkunft.
    Bezüglich der sogenannten Altbesatzungsverdrängten ist es die Absicht des Bundesministeriums der Finanzen, daß hier planmäßig — ich betone: planmäßig — für angemessene Unterkünfte Sorge getragen wird. In dem erweiterten Einzelplan XXVII, der in diesen Tagen dem Haushaltsausschuß des Bundestages vorgelegt wird, sind für solche Aufwendungen für dieses Rechnungsjahr noch 35 Millionen D-Mark vorgesehen. Soweit möglich, wird versucht werden, an Stelle der Errichtung von Ersatzunterkünften für die Altbesatzungsverdrängten Wohngebäude für die Angehörigen der Besatzungsmacht Zug um Zug gegen Freigabe altrequirierter Wohnungen nebst Einrichtung und Ausstattung zu errichten. Das ist unsere Absicht, und die Verhandlungen darüber laufen.
    Im übrigen möchte ich wegen der Frage der Entschädigung der Altbesatzungsverdrängten hier einmal darauf hinweisen, daß das Bundesministerium der Finanzen schon vor langen, langen Monaten einen Gesetzentwurf ausgearbeitet hat, der die Möglichkeit geben soll, einen Rechtsanspruch für die Besatzungsgeschädigten zu schaffen und diese Frage gleichmäßig zu handhaben. Die Besatzungsmächte haben die Zuständigkeit für sich in Anspruch genommen. Sie haben aber ihren Gesetzentwurf, den sie ausarbeiten, unter Benützung — wenn ich so sagen darf — des im Bundesministerium der Finanzen ausgearbeiteten deutschen Entwurfs gemacht. So wie ich unterrichtet bin, ist zu hoffen, daß der Gesetzentwurf der Besatzungsmächte, der diese Frage endgültig regelt, bereits in den nächsten Wochen erscheinen wird. Ich hoffe, daß damit in den Kreisen der Altbesatzungsgeschädigten endlich eine gewisse Beruhigung eintritt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat die Zahlen bestätigt, die in der Interpellation der Kollegen Strauß und Genossen genannt worden waren, ja er hat sagen müssen, daß einige Zahlen über verschwenderische Ausgaben im Besatzungssektor noch weit über die Angaben in den Publikationen hinausgehen, die der Interpellation zugrunde liegen. Dazu kommen jetzt neuerdings sehr tief in das Volksbewußtsein eingreifende Mißstände, wie sie sich in überspitzten kurzfristigen Räumungsverlangen auch in solchen Fällen äußern, in denen schon aus mindesten sozialen Rücksichten auf die Not des deutschen Volkes überhaupt kein Räumungsverlangen ausgesprochen werden dürfte; so im Falle der Luitpold-Kaserne, wo j a von dem Räumungsverlangen 1400 Personen, darunter 650 Kinder, betroffen werden, darüber hinaus 85 Betriebe mit 1038 Beschäftigten, die in der LuitpoldKaserne untergebracht worden sind, und zwar mit einem Aufwand von insgesamt 828 000 Mark. Würde die Räumung durchgeführt, dann würde das über die Schädigung von Betrieben, die mit sehr erheblichen Staatsmitteln ins Leben gerufen worden sind, alles in allem Schadensersatzforderungen von etwa 12 Millionen DM erwarten lassen.
    Wenn man diese Zustände ins Auge faßt, dann muß man mit aller Deutlichkeit aussprechen, daß sich hier Verhältnisse anbahnen, die die Entwicklung der Haltung Deutschlands gegenüber den westlichen Demokratien, eine Entwicklung zur Freundschaft, wie wir hoffen, die von allen politisch verantwortlichen Elementen gefordert wird, auf das äußerste belasten werden. Diese Belastung kann sich zu außerordentlichen psychologischen Hindernissen auswachsen.
    Wir wissen j a, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Besetzung des Gebietes der Bundesrepublik durch amerikanische und englische Truppen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erhaltung des Friedens und die Gewährleistung der Lebenssicherheit nicht nur des deutschen Volkes, sondern aller europäischen Völker außerhalb des sowjetischen Machtbereiches geworden. Wir Deutschen wissen, daß ohne die Anwesenheit der westlichen Besatzungstruppen und ohne die damit zusammenhängende Sicherheitsgarantie der großen Demokratien das deutsche Volk bereits das Schicksal des koreanischen erlitten haben würde. Eine mittelbare sowjetische Aggression wäre mit Gewißheit bereits über den Westen Deutschlands hinweggegangen und hätte die Ausgangsbastion für ein einheitliches Deutschland des Rechtes und der Freiheit, als die wir die Bundesrepublik verstehen, bereits vernichtet.

    (Rufe bei der KPD: Huhu!)

    Wir wissen darüber hinaus, daß der gegenwärtige Besatzungsschutz in Anbetracht der wachsenden Gefahr aus dem Osten unzulänglich ist. Wir fordern trotz aller Opfer, die damit verbunden sind — und nicht nur die Regierungsparteien sind dieser Auffassung, sondern auch die sozialdemokratische Opposition — die Verstärkung der Besatzungstruppen, weil das Lebensinteresse unseres Volkes die feste Eingliederung des deutschen Volkes in die Welt der freien Völker gebietet.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Wir wollen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit dieser freien Welt auch beitragen, weil sie allein den Fortbestand der Werte gewährleistet, die das Leben lebenswert machen.
    Diesem fundamentalen Lebensinteresse des deutschen Volkes entspricht aber ein ebenso fundamentales Interesse der anderen europäischen Völker: daß die Bundesrepublik nicht in den Bereich des sowjetischen Gewaltsystems hineingelangt. Das Schicksal Gesamteuropas wäre besiegelt, wenn die Bundesrepublik einem östlichen Zugriff zum Opfer fallen würde. Ob dann überhaupt noch irgendwo für lange Zeit Freiheit und Recht eine Heimstätte finden würden, darf bezweifelt werden. Präsident Truman hat dies unlängst verneint.
    Aus dieser Erkenntnis ihres eigenen Lebensinteresses müssen nun allerdings die westlichen Besatzungsmächte als Sachwalter der Welt der freien Völker im heutigen Deutschland endlich die längst fälligen Konsequenzen ziehen. Wenn die westlichen Mächte nicht nur das feste Bekenntnis, sondern darüber hinaus die Opferbereitschaft des deutschen Volkes wünschen, damit die freie Welt in Frieden bestehen kann, dann müssen sie auch bereit sein, diesem Volk, das seine Entscheidung längst unzweideutig getroffen hat, mit dem Willen zur fairen Partnerschaft zu begegnen. Darum handelt sich's, muß man Sir Ivone Kirkpatrick sagen. Es handelt sich nicht um den Willen des deutschen Volkes, sondern um den unzweideutig herausgestellten entsprechenden Willen der westlichen Mächte.


    (Euler)

    Das deutsche Volk wird als freies unter freien Völkern zu allen Opfern bereit sein; aber es wird durch wachsende Zweifel in den Nihilismus geführt, wenn eine fehlerhafte Deutschlandpolitik der westlichen Mächte weiterhin das Mißtrauen nährt, Recht und Freiheit seien schöne Worte, mit denen durchaus Hand in Hand geht, daß man nicht nur diskriminierende, sondern sehr schwer schädigende Maßregeln gegenüber Deutschland aufrechterhält. Das deutsche Volk wartet seit Jahren auf den längst gebotenen Entschluß der Westmächte, die Politik der in Deutschland verfolgten Kriegsziele von 1945 durch eine unzweideutige Politik der fairen Partnerschaft zur Sicherung des Friedens abzulösen. Zur Zeit befinden wir uns noch in einer verwirrenden Übergangszeit. Zuviel hängt noch von der Vergangenheit herüber, zuviele Maßnahmen atmen noch den Geist der Kriegsziele von 1945. Das gilt insonderheit von der Art, wie die Probleme der Besatzungskosten und ihrer Bewältigung behandelt werden.
    Noch immer gilt hier das Kriegsrecht der einseitigen Festsetzung der Leistungen durch den Sieger. Noch immer gilt das Prinzip der Requisition für weite Bereiche der Leistungsbeschaffung. Noch immer läßt das Verhalten der Besatzungsmächte, insonderheit bei der Inanspruchnahme gewisser Leistungen, die mindeste Rücksicht auf die deutsche Bevölkerung und ihre Gefühle und auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik vermissen. Es sollte heute nicht mehr sein, daß gewisse Schilder der Besatzungsmächte der deutschen Bevölkerung ihre Zugehörigkeit zu einem Volk zweiter Klasse suggerieren wollen. Es sollte heute nicht mehr vorkommen, daß für Flugplätze Boden bester Qualität requiriert wird und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht werden, wenn in der Nachbarschaft geeignetes Gelände minderer Bodenqualität zur Verfügung steht, das die Anlage des Flugplatzes ohne Zerstörung von Dörfern ermöglicht. Es sollte heute nicht mehr vorkommen, daß binnen kürzester Frist die Räumung großer Gebäudekomplexe verlangt wird, wodurch nicht nur viele Menschen, sondern auch eine große Anzahl von Betrieben der äußersten Not ausgesetzt werden. Es sollte nicht mehr vorkommen, daß Deutschen das Zusammenleben mit Alliierten in einem Hause untersagt wird mit der Folge, daß die deutschen Hausbesitzer ihr Leben unter den unmöglichsten Umständen fristen müssen, während ein ganzes Haus für einen amerikanischen Sergeanten und seine Frau zur Verfügung steht. Es sollte heute nicht mehr sein, daß Rechtsansprüche Deutscher aus unerlaubten Handlungen von Besatzungsangehörigen endlos verschlepp t werden; es sollte heute nicht mehr sein, daß Entschädigungsansprüche Deutscher aus Nutzungsleistungen an die Besatzungsmächte mit erbitternder Gleichgültigkeit, ja Geringschätzigkeit behandelt werden.
    Die Alliierten haben selbst das Bewußtsein, wieviel hier im argen liegt. So wird ihre Empfindsamkeit gegenüber wahrheitsgemäßen deutschen Publikationen verständlich. Während sie die deutsche Presse auffordern, Mißstände im deutschen Verwaltungsbereich hartnäckig und unerbittlich zu kritisieren — wogegen wir an sich nichts einzuwenden haben —, handeln sie selbst sehr undemokratisch, indem sie mit Zeitungsverboten gegen Blätter wie „Echo der Woche" und ., Stern" vorgehen, die sehr grobe Mißstände im Besatzungsbereich nur wahrheitsgemäß darstellen. Das ist die falsche Reaktion, zu der leider auch manche deutsehe Behörden noch neigen. Die richtige Reaktion der Besatzungsmächte, mit der allein sie einen Prestigeverlust vermeiden könnten, wäre, die kritisierten Mißstände und Rechtsverletzungen abzustellen; darauf wartet das deutsche Volk.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und rechts.)

    Dazu gehört aber generell die Bereitschaft, das Recht des Siegers kraft einseitiger Festsetzung durch ein völkerrechtliches, um nicht zu sagen bundesgenossenschaftliches Vertragsrecht zu ersetzen. Wir brauchen heute ein Vertragsrecht, das dem neuen Zweck der Besatzung gerecht wird. Dieser Zweck ist nicht mehr die Sicherstellung von Kriegszwecken des Siegers im besetzten Land, sondern der Schutz eines befreundeten Landes, das in eine bundesgenossenschaftliche Rolle hineinwachsen will und soll, wenn eine vernünftige Politik in Europa zur Bewahrung des Friedens, der Freiheit und des Rechtes überhaupt noch möglich sein soll.
    Dahinter müßte dann die Mentalität stehen, alle Verhaltensweisen der Besatzungsmächte danach einzurichten, daß sie möglichst schonend für ein schwer geschlagenes Land werden, dessen Kraft aufs äußerste angespannt wird, wenn es mit Aufgaben fertig werden will, die einen wesentlichen Bestandteil des deutschen Verteidigungsbeitrags darstellen. Es sind dies die sozialen Leistungen, die einen Aufwand von 5,7 Milliarden allein im Bundeshaushalt erfordern. Sie sind der erste und wichtigste Bestandteil des deutschen Verteidigungsbeitrags, wenn man begreift, daß die militärische Abwehr drohender Aggressionen die innere, moralische Abwehrbereitschaft der Bevölkerung voraussetzt.
    Darüber hinaus findet sich der Westen nicht nur einer zukünftigen drohenden militärischen Aggression ausgesetzt, sondern einer jetzt schon bestehenden permanenten moralischen Aggression. Zu ihrer Abwehr gehört eine tragbare Gestaltung der Lebensverhältnisse für 4 Millionen Kriegsversehrte, für 8 Millionen Heimatvertriebene, für 11/2 Millionen Ostzonenflüchtlinge, für mindestens 3 Millionen Totalausgebombte. 15 Millionen unserer Menschen in den westlichen Zonen, fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung, sind Unterstützungsempfänger. In der Existenzsicherung für Menschen, die im wesentlichen ein Opfer auch der alliierten Politik geworden sind, liegt ein — so sollte man sich im Westen sagen — sehr wesentlicher deutscher Verteidigungsbeitrag. Trotz aller Schwierigkeiten der Verhältnisse in Deutschland haben wir diese Aufgabe bisher immerhin so gemeistert, daß das deutsche Volk in seiner großen Majorität geschlossener und entschiedener gegen den Kommunismus Stellung nimmt als manches andere europäische Volk, das sich in besseren Verhältnissen befindet.
    Wenn darüber hinaus ein Verteidigungsbeitrag in Form der Lastentragung für die verstärkten Besatzungstruppen geleistet wird, dann muß erwartet werden, daß die Kosten auf das Mindestmaß eingeschränkt und auf das Zweckmäßigste für die eigentlichen Zwecke der Sicherheit eingesetzt werden. Was wir brauchen und womit auch den anderen freien Völkern allein gedient wird, ist die Verstärkung der Truppe, nicht aber die Verstärkung des Heeres von Bediensteten, von Büroangestellten, Hausmeistern, Dienstmädchen usw., das schon heute insgesamt 450 000 Menschen umfaßt und damit in einem grotesken Mißverhältnis zu den 170 000 Besatzungsangehörigen steht, von


    (Euler)

    denen auch nur wieder 60- bis 70 000 Truppenangehörige sind.
    Wenn man sich allein diese Zahlen vergegenwärtigt und dazu die Zahlen über einen geradezu grotesk verschwenderischen Aufwand der Besatzungsangehörigen nimmt, dann wird ohne weiteres das verständlich, was sehr genau in der außerordentlich verdienstvollen Schrift des Instituts für Besatzungsfragen in Tübingen, für die Gustav von Schmoller verantwortlich gezeichnet hat, auseinandergerechnet worden ist. Darin ist im einzelnen dargelegt, daß der heutige Besatzungskostenaufwand durch Sparmaßnahmen, die keineswegs rigoros zu nennen wären, ohne weiteres auf die Hälfte, nämlich von 4 auf 2 Milliarden DM, gesenkt werden könnte.
    Ich möchte nur zur Illustration noch auf zweierlei hinweisen. Wenn man die heutigen Besatzungskosten mit den Kosten der Besatzung in den Jahren nach 1919 vergleicht, dann kommt man zu der erstaunlichen Feststellung, daß die inneren Besatzungskosten, also der Aufwand für die Truppe, auf den Kopf des Soldaten gerechnet, heute siebenmal so hoch sind wie in den Jahren nach 1919 und daß die Ausgaben für die Verwaltung pro Angehörigen der Verwaltung fünfmal so hoch sind. Hier liegen große Einsparungsmöglichkeiten. Wir sind aber überzeugt, daß sie nur wahrgenommen werden, wenn die Alliierten — und dazu müßten sie sich nach den grundlegend veränderten Verhältnissen jetzt bereit erklären — endlich von dem einseitigen Siegerrecht ablassen und es, wie das in Österreich schon vor zwei Jahren möglich war, durch einen völkerrechtlichen Vertrag ersetzen.

    (Beifall bei der FDP.)