Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache Nr. 1709 betreffend Mittel für Siedlungsvorhaben hat den Zweck, die festgefahrene Situation in unserer landwirtschaftlichen Siedlung, insbesondere in den Ländern, wo auf Grund der Bodenreform das nötige Siedlungsland vorhanden ist, wieder in Gang zu bringen. Die Situation ist heute die, daß z. B. in Bayern 50 000 Hektar Siedlungsland und in Schleswig-Holstein 30 000 Hektar Siedlungsland vorhanden sind. Aber das Vorantreiben der Schaffung von landwirtschaftlichen Neusiedlungen scheitert daran, daß die Mittel für die notwendigen Wohn- und Wirtschaftsbauten nicht vorhanden sind.
Die Situation ist allgemein bekannt. Denn der Herr Bundespräsident Heuss hat auf der Kundgebung der Selbsthilfeverbände in der PaulsKirche in Frankfurt am 23. September 1950 darauf hingewiesen, daß der Wiederaufbau in der Stadt bevorzugt zu sein scheint, während das Land hier etwas vernachlässigt ist und besonders die ländliche Siedlung einer bevorzugten Förderung bedarf. Herr Bundesminister Lukaschek hat sich in seinen anschließenden Ausführungen dieser Auffassung des Herrn Bundespräsidenten angeschlossen.
In dem von uns gestellten Antrag wird die Forderung gestellt, daß diese Mittel in erster Linie zur Finanzierung von Neubauten Verwendung finden. Wenn sie in erster Linie zur Finanzierung von Neubauten Verwendung finden sollen, was liegt dann näher, als daß man diese Mittel den auf diesem Sektor bereits vorhandenen Mitteln, den im Bundeshaushalt vorgesehenen allgemeinen Mitteln für die Förderung des Wohnungsbaus entnimmt?
Hiergegen wird nun eingewendet, daß die ländliche Siedlung hier bereits auf Grund des Flüchtlingssiedlungsgesetzes des Wirtschaftsrates des Vereinigten/Wirtschaftsgebietes bevorzugt werde. In dem neuen Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten steht unter Kapitel 1 Titel 18 eine Einnahmeposition: Beitrag des Soforthilfefonds zur Durchführung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes. Ich möchte aber auf folgendes aufmerksam machen. Das Flüchtlingssiedlungsgesetz hat den Zweck, heimatvertriebene Landwirte durch Pacht oder Kauf in Altbesitz einzuführen. Das Flüchtlingssiedlungsgesetz hat auf dem Gebiete der Seßhaftmachung der vertriebenen Landwirte eine hervorragende Wirkung ausgelöst; denn neben den Mitteln, die es über die Soforthilfe flüssig gemacht hat, haben insbesondere die Bestimmungen über die Steuervergünstigung usw. erst die Möglichkeit eröffnet, daß der Altbesitz, die auslaufenden Bauernhöfe, die heute ohne Erben dastehen, dazu übergegangen ist, seinen Besitz den Flüchtlingsbauern in erster Linie durch Pacht, in geringerem Umfang durch Kauf anzubieten.
Hierzu gestatten Sie mir aber eine Nebenbemerkung, die vielleicht nicht ganz zur Sache gehört. In einzelnen Fällen wurde das Flüchtlingssiedlungsgesetz dazu benutzt, daß man den bestehenden Besitz durch Heirat einem Flüchtling zugeführt hat, auf diese Weise die Voraussetzungen des Flüchtlingssiedlungsgesetzes erfüllt, seine Begünstigungen erreicht und natürlich, wie das immer im menschlichen Leben geschieht, dadurch die Mißgunst von zwei Gruppen hervorgerufen hat: die Mißgunst der einen, die diese Möglichkeit nicht besitzen, und die Mißgunst der anderen, in diesem Fall einer gewissen Flüchtlingsgruppe, die nicht in der günstigen Lage ist, durch eine Heirat die Begünstigung zu erlangen und die neue Existenzgründung zu ermöglichen.
Ich weise besonders darauf hin, daß diese 35 Millionen DM auf Grund des Flüchtlingssiedlungsgesetzes festgelegt sind; nach § 3 eine Beihilfe bis zu 5000 DM je Neusiedlerstelle, wenn das Land entsprechende Beihilfe leistet, nach § 5 bei Übernahme durch Kauf oder Pacht eines Althofes bis zu 5000 DM für notwendige bauliche Aufwendungen. Nach § 9 kann den Heimatvertriebenen bei Übernahme von landwirtschaftlichen Grundstücken durch Pacht oder Kauf ein zinsloses Darlehn bis zur Höhe von 5000 DM gegeben werden.
Wir sehen aus diesen Einzelheiten des Gesetzes bereits, daß hier das in den Hintergrund gedrängt ist, was die Voraussetzung ist, nämlich die Schaffung von Betriebs- und Wirtschaftsgebäuden.
Vorn Gesichtswinkel unserer Heimatvertriebenen aus gesehen muß ich noch auf etwas hinweisen. Es ist glücklicherweise so, daß in den Kreisen unserer Heimatvertriebenen erst so recht zum Ausdruck kommt, was es für einen Menschen, bedeutet, von einem Besitz getrennt zu werden, mit dem er im Innersten seiner Seele verbunden ist. Es ist wie immer im Leben, in der bäuerlichen Seele ganz besonders, daß diese Trennung besonders schwer empfunden wird. Dies läßt sich auch durch eine einzige Zahl beweisen. Ich mache darauf aufmerksam, daß meines Wissens in Bayern, wo wir sehr viel solche vertriebene Bauern aus den Ostgebieten haben, heute noch 230 000 fremde Arbeitskräfte in der Landwirtschaft vorhanden sind. Von diesen 230 000 sind 35 % Flüchtlinge. Diese 35 %, die zum Teil der Jugend angehören, tragen noch die Hoffnung in sich, daß der Tag kommt, wo sie entweder auf ihrem angestammten Besitz oder auch auf einem neuen Besitz ein neues Fundament ihres bäuerlichen Lebensberufes aufzubauen in der Lage sind. Das gilt aber nicht nur für unsere Heimatvertriebenen. Wir haben noch unsere nachgeborenen Bauernsöhne, die — sprechen wir das offen aus — sich manchmal durch die Auswirkung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes etwas zurückgesetzt fühlen.
Wir haben dann die Gruppe, die als jugendliche Menschen heute deshalb nicht mehr gewillt ist, ihre Berufstätigkeit in der Landwirtschaft aufzunehmen oder zu beginnen, weil sie auf Grund der gegebenen Situation keine Aussicht hat, jemals in ihrem Leben auf eigenem Grund und Boden, und sei er noch so bescheiden und noch so klein, ein Fundament für eine Familie zu finden. Wenn wir die Nachwuchskräfte unserer Landwirtschaft trotz der Situation der Zeit erhalten wollen, werden wir der Förderung des Landarbeiterwohnungsbaus und dem Übergang der Wohnung in den Besitz des betreffenden Landarbeiters mehr und mehr unser Augenmerk widmen müssen. So möchte ich bitten, daß dem Sinn dieses Antrags gemäß ein Beschluß zustande kommt, der auch dieser Schicht unseres Landvolkes eine Hoffnung und einen Glauben an ihre Zukunft und ein Ideal gibt, auf dem aufzubauen unbedingt notwendig ist.
Ich weiß, daß jetzt Einwendungen kommen werden, vielleicht in erster Linie von seiten des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau. Ich bestehe nicht darauf, daß diese Mittel aus den allgemeinen Wohnungsbaumitteln abgezweigt werden, obwohl das richtig wäre; denn das Land draußen hat genau soviel Anspruch auf Schaffung von Wohnungen, und wenn man in Verbindung damit noch das