Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das bayerische Staatsministerium der Justiz hat mit Schreiben vom 16. Januar 1950 über den Herrn Bundesjustizminister den Bundestag um Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Max Wönner ersucht. Nach Klärung verschiedener Streitfragen über den Verfahrensmodus bei Vorlage von Immunitätsaufhebungsanträgen, die eine Zurückstellung zahlreicher Anträge erforderlich machten, hat die Sache am 18. Dezember 1950 dem Geschäftsordnungsausschuß vorgelegen.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Nach einem Bericht des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München vom 7. Januar 1950 soll der Bundestagsabgeordnete Max Wönner als Inhaber einer Schreibmaterialienhandlung im Jahre 1947, jedenfalls vor der Währungsreform, mit der Lieferung von Schreibmaschinen an den Bayerischen Gewerkschaftsbund betraut worden sein. Der Bayerische Gewerkschaftsbund soll Bezugsscheine für die Schreibmaschinen vom Landeswirtschaftsamt erhalten und an Wönner zum Bezug der Schreibmaschinen weitergegeben haben. Nach der Währungsreform soll Wönner die Schreibmaschinen — die Anzahl ist nicht bekannt — geliefert und dafür den DM-Preis erhalten haben. Bei der Lieferung soll er erklärt haben, daß er jetzt seine schon seit 1939 aufbewahrten Maschinen geliefert habe, da er auf die Bezugscheine keine Maschinen erhalten habe.
Der Generalstaatsanwalt schreibt, daß das in der Anzeige behauptete Verhalten des Bundestagsabgeordneten Max Wönner den Tatbestand eines Vergehens der Untreue gemäß § 266 StGB, möglicherweise auch den Tatbestand eines Vergehens des Betrugs gemäß § 263 StGB erfüllen würde.
Die Anzeige erfolgte von einem früheren Mitarbeiter namens Krause, der vom Herrn Bundestagsabgeordneten Max Wönner eingestellt und später wegen Unfähigkeit entlassen wurde. Der Anzeigende hat dann Anschluß bei der Kommunistischen Partei gesucht, und es hat den Anschein, daß die Anzeige auf persönlichen Rachemotiven und auf politischen, Motiven beruht. Der Ausschuß glaubte daher, Ihnen die Nichtaufhebung der Immunität des Abgeordneten Max Wönner vorschlagen zu müssen.
Der Vollständigkeit halber darf ich aus den vorliegenden Akten noch erwähnen, daß der Abgeordnete Wönner von sich aus versucht hat, den Fall zu klären, und selbst Anzeige gegen den anzeigenden Krause wegen Verleumdung erstattet hat.
Es liegt den Akten eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Guttenberger bei, die folgenden Wortlaut hat:
In der Zeit vom 1. Mai 1947 bis Ende 1949 war ich Vorstandssekretär im damaligen Ortsausschuß München des Bayerischen Gewerkschaftsbundes, dessen 1. Vorsitzender Herr Max Wönner damals war und heute noch ist.
Es heißt dann weiter:
Sämtliche Bezugscheine erhielt ich persönlich zur weiteren Bearbeitung direkt von den Verteilungsstellen. Herr Wönner hatte mit diesen Bezugscheinen persönlich nie etwas zu tun Nach meiner sicheren Kenntnis und absolut eindeutigen Erinnerung hat Herr Wönner nicht einen einzigen in der vorstehend geschilderten Form zugeteilten Bezugschein überhaupt in die Hand bekommen, noch viel weniger hätte er die Möglichkeit gehabt, einen solchen Bezugschein zu verwerten, ganz abgesehen davon, daß es nie seine Absicht war, es zu tun.
So weit die eidesstattliche Erklärung.
Weiter liegt eine Mitteilung der Firma Royal, Schreibmaschinen G. m. b. H., Nürnberg, Karolinenstraße 51, bei den Akten. Aus dieser Mitteilung geht einwandfrei hervor, daß die drei mit einer Nummer bezeichneten Schreibmaschinen im Juli 1939 durch die Fabrik verkauft wurden. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:
In Beantwortung Ihres obigen Schreibens teilen wir Ihnen höflich mit, daß die 3 Orga-Schreibmaschinen Nr. 220 851, 220 886, 220 843 von uns im Juli 1939 verkauft wurden. Bezugsrechte für Schreibmaschinen gab es erst ab 1946.
Royal-Schreibmaschinen G. m. b. H.
Unterschrift.
Es ist nicht Sache des Immunitätsausschusses, in eine materielle Würdigung des Sachverhalts einzutreten, sondern lediglich, abzuwägen, was bei dem Dualismus Rechtspflege auf der einen Seite, Funktionsfähigkeit des Parlaments auf der andern Seite den Vorzug verdient, und danach den Fall zu entscheiden.
Der eben berichtete Fall beweist die Richtigkeit des bisher im Geschäftsordnungsausschuß angewandten Grundsatzes, daß bei politisch tendenziöser Verfolgung eines Abgeordneten die Immunität grundsätzlich aufrechterhalten werden soll. Dementsprechend auch der Vorschlag des Ausschusses, den Antrag auf Aufhebung der Immunität abzulehnen.