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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Zusammenbruch war die Versorgung der Kriegsopfer ausschließlich Angelegenheit des Reiches. Zur Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes bestanden Hauptversorgungsämter und Versorgungsämter. Die bezirkliche Eine teileng entsprach den damaligen politischen Grenzen. Aus dem ersten Weltkrieg war damals noch über eine Million Versorgungsberechtigter zu betreuen. Hinzu kamen die Opfer des neuen Krieges. Die besondere Kriegsopferorganisation hatte sich durchaus bewährt. Sie war die den Bedürfnissen der Kriegsopferversorgung zweckentsprechende Verwaltungsform.
Nach dem Zusammenbruch wurden in der amerikanischen und britischen Zo e in Zusammenhang mit der Beseitigung der besonderen Kriegsopferversorgung auch die selbständigen Versorgungsbehörden aufgelöst. Die Kriegsopfer wurden im wesentlichen auf die gleichen Versorgungsgrundsätze verwiesen wie die Versicherten. Die Leistungen an sie sollten im wesentlichen nicht die Leistungen der Sozialversicherung übersteigen. Die Durchführung der Kriegsopferversorgung wurde durch Anordnung der Militärregierung den Trägern der Rentenversicherung übertragen.
Die Sozialversicherungsträger haben diese neue Aufgabe zusätzlich übernommen, obwohl sie durch ihre eigenen Aufgaben der Betreuung der Sozialversicherten mehr als genug beansprucht waren. Man kann den Versicherungsträgern die Anerkennung nicht versagen, daß sie alles getan haben, was im Bereich des Möglichen lag, um die ihnen neu übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Die Kriegsopfer selbst haben diese Regelung immer nur als eine Notlösung angesehen. Sie haben naturgemäß nicht immer die Betreuung erfahren können, auf die sie als Kriegsopfer Anspruch erheben zu können glaubten. Es war nicht immer möglich, insbesondere den versorgungsärztlichen und orthopädischen Bedürfnissen Genüge zu leisten. Das Arbeiten wurde den Versicherungsträgern zusätzlich durch Raum- und Platzmangel erschwert.
Inzwischen ist die Zahl der Kriegsopfer auf über vier Millionen angestiegen. Nach dem Stichtag vom 31. Dezember 1950 liefen bereits über vier Millionen bewilligte Renten. Über eine halbe Million Anträge liegen noch vor, und monatlich kommen neue Anträge hinzu. Etwas günstiger liegen die Verhältnisse in den Ländern der französischen Zone, wo die Versorgungsbehörden der ehemaligen Reichsversorgung nicht beseitigt worden waren, sondern auch nach dem Zusammenbruch ihre Arbeit fortsetzen konnten.
Alle Verbände der Kriegsopfer haben bei der Bundesregierung Vorstellungen erhoben, um wieder eine eigene Versorgungsverwaltung zu erhalten. Auch die Länder sind im gleichen Sinne vorstellig geworden. Bayern hat inzwischen durch ein Gesetz vom April 1950 bereits wieder selbständige Versorgungsbehörden unter Lostrennung von der Rentenversicherung geschaffen. Ähnliche Wünsche sind der 'Bundesregierung auch von anderen Ländern mitgeteilt worden. Die Bundesregierung hat bei aller Würdigung der anerkennenswerten Arbeit der Träger der Rentenversicherung die Berechtigung dieser Wünsche anerkannt.
Nach der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes sind haushaltsmäßig über drei Milliarden DM jährlich für die Versorgung der Kriegsopfer aufzuwenden. Dieser Betrag steht an zweiter Stelle der Bundesaufgaben. Er kann nur vertreten werden, wenn bei der Durchführung der Kriegsopferversorgung die Gewähr gegeben ist, daß allen Anforderungen nach sachgemäßer und sozialer Durchführung Rechnung getragen wird. Dies ist aber nur möglich, wenn der Versorgung der Kriegsopfer ein Verwaltungsapparat zur Verfügung steht, der mit den 'besten Fachkräften ausgestattet ist, und wenn ausreichender Raum zur Verfügung gestellt wird.
Der Umfang der Arbeit für die Betreuung der Kriegsopfer ist zur Zeit und noch für die nächsten Jahrzehnte so groß, daß sie nicht nebenher in einer anderen Verwaltung durchgeführt werden kann. Die Bundesregierung hat deshalb den gesetzgebenden Körperschaften den Gesetzentwurf über die Errichtung von Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vorgelegt. Dieser Entwurf sieht wieder eine Versorgungsverwaltung vor, die von bewährten Grundsätzen des alten Reichsversorgungsgesetzes ausgeht, allerdings in dem durch das
Grundgesetz vorgeschriebenen Rahmen, das ja die Errichtung dieser Behörden als Bundesbehörden ausschließt und die Durchführung dieser bundeseigenen Aufgaben nur durch die Länder ermöglicht. Dementsprechend sieht das Gesetz die Errichtung von Versorgungs- und Landesversorgungsämtern im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsminister vor. Hinzu treten weiter nach Maßgabe des Bedürfnisses und der Zweckmäßigkeit orthopädische Versorgungsstellen, versorgungsärtzliche Untersuchungsstellen, Beschaffungsstellen für Heil- und Hilfsmittel, Versorgungskuranstalten und Heilstätten, Versorgungskrankenhäuser und Krankenbuchlager. Der gesamte Verwaltungsapparat untersteht in jedem Lande der zuständigen obersten Landesbehörde. Die notwendigen Verwaltungsvorschriften für ihre Organisation werden von der Bundesregierung mit Zustimmug des Bundesrats erlassen.
Dieser Gesetzentwurf bewegt sich nach Auffassung des Bundeskabinetts durchaus im föderativen Rahmen und trägt den Bedürfnissen der Länder weitgehend Rechnung. Der Bund selbst aber kann bei der großen Verantwortung, die er trägt, und bei den erheblichen Beträgen, die aus seinem Haushalt zur Verfügung zu stellen sind, nicht darauf verzichten, daß ihm eine gewisse Mitwirkung und Mitbestimmung bei der Organisation eingeräumt wird. Dieser Verteilung der Veranwortlichkeit hat der Bundesrat allerdings nicht entsprechen zu sollen geglaubt. Er hat in seiner Sitzung vom 1. Dezember 1950 beschlossen, das Mitwirkungsrecht der Bundesregierung bei der Errichtung der Versorgungsdienststellen, insbesondere bei der Festsetzung der Zahl der Versorgungsbehörden, zu beseitigen. Der Bundesregierung würde nach diesem Beschluß keine ausreichende und verantwortliche Mitwirkung eingeräumt werden. Der Bundesrat begründet seine Auffassung mit den Vorschriften des Grundgesetzes. Die Bundesregierung hält demgegenüber an ihren Vorschlägen fest und bittet den Bundestag, ihrem Vorschlag beizutreten.
Nach Art. 84 des Grundgesetzes bedarf dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates. Ich habe die Zuversicht, daß sich der Bundesrat in seiner zweiten Beratung den von der Bundesregierung vorgebrachten Erwägungen nicht verschließen wird. Für die rasche Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes, das inzwischen verkündet worden ist und für dessen Verwirklichung seitens des Bundesarbeitsministeriums alle Vorbereitungen in den Ländern getroffen worden sind, bedarf es einer einheitlichen Organisation. Die Frage ist außerordentlich vordringlich, und ich bitte den Bundestag, dieses Gesetz beschleunigt zu behandeln.
Außer diesem Gesetz sind im Bundesarbeitsministerium vorbereitet die Verwaltungsvorschriften, die in diesen Tagen dem Kabinett und dann dem Bundesrat vorgelegt werden, und ferner die Verfahrensordnung und die für die Versorgungsgerichtsbarkeit erforderlichen Gesetze.