Rede von
Dr.
Wilhelm
Hamacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DZP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DZP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zwar ein Sohn des Niederrheins und kenne Baden wie Württemberg nur aus vielen Reisen und langjährigen Studien, aber ich glaube mir doch gerade auf Grund dieser Eindrücke aus der Distanz ein Urteil zu diesem Thema erlauben zu können. Aus dem Verlauf der Aussprache ist zu entnehmen, daß wir noch keine klare, einheitliche Auffassung haben und daß es notwendig ist, diese Vorlage den entsprechenden Ausschüssen zu überweisen. Lassen Sie mich dennoch zu einzelnen Punkten einige Äußerungen machen.
Die Befürworter des Südweststaates betonen seine Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit. Wollen wir doch bitte bedenken, daß eine Zusammenfassung und ein Zentralismus auch zur Unzweckmäßigkeit werden kann und daß er organisch gewachsene Gebilde in eine Zwangsjacke kleiden kann. Was die Länder Baden und Württemberg angeht, so haben wir es hier mit organisch gewachsenen, historisch gewordenen Gebilden zu tun. Württemberg ist der Staat des Neckargebietes, Baden das Land, das dem Rhein zugewandt ist. Beide Länder haben in den letzten Jahrhunderten bewiesen, daß sie lebensfähig sind, daß sie eine fleißige Bevölkerung, ein entwicklungsfähiges Volkstum haben und daß sie gar nicht daran denken, irgendwie von ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Höhe abzusteigen. Wir sollten in Deutschland — ich glaube da auch Ihres Urteils sicher zu sein — nicht mehr Zentralismus schaffen, als unbedingt notwendig ist.
Die organische Entwicklung der deutschen Landschaften hat — ich erinnere an die Ausführungen des letzten Vorredners — auch etwas Gutes für die gesamtdeutsche Entwicklung. Es ist falsch — und fast könnte man ,darin eine Beleidigung für die Befürworter der Selbständigkeit der beiden Länder sehen —, wenn einzelne Redner sagen: Ich bin für eine deutsche Lösung. Ich denke nicht
daran, ihnen den Vorwurf zu machen, daß die Befürworter der Selbständigkeit der Länder Baden und Württemberg als Antideutsche hingestellt werden sollen.
Die organische Gliederung und die Selbständigkeit der Länder läßt sich mit einer Zusammenfassung in allem Notwendigen vereinen. Es ist urdeutsch, gerade diese weitestgehende Gliederung beizubehalten, mit anderen Worten, den Zentralismus nicht zu übertreiben.
Einzelne Redner haben dann darauf hingewiesen, daß Baden nicht lebensfähig sei. Es wurden Zahlen aus der jüngsten Gegenwart genannt. Jedenfalls können wir über die Leistungsfähigkeit und die Leistungsmöglichkeit Badens noch kein abschließendes Urteil fällen, vor allen Dingen nicht hinsichtlich des Hafens Mannheim. Dieser ist durch die Kriegswirren so stark mitgenommen und weiter 'durch die Maßnahmen der Besatzungsbehörden so gelähmt worden, daß die im Hafenbecken Mannheim liegenden Möglichkeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Ja, wir können damit rechnen, daß, wenn die Verkehrsverhältnisse sich weiter so entwickeln und die wirtschaftliche und verkehrsmäßige Freiheit des deutschen Volkes weiter zugelassen wird, der Hafen Mannheim wieder zu dem wird, was er einstens war, nämlich der größte Hafen Süddeutschlands und einer der größten zum Nordseegebiete gehörenden Binnenhäfen. Sie werden diese Bemerkung verstehen, und deshalb halte ich diese Hinweise auf Mannheim und das dort weithin noch darniederliegende Wirtschaftsleben für nicht ganz objektiv.
— Ich bin nicht nur einmal dort gewesen, sondern mehrmals, und immer wieder zieht es mich nach diesem schönen Ländchen Baden hin, und zwar darum, weil ich dieses Volkstum so kennen und schätzen gelernt habe und weil wir es bei diesem alemannischen Volkstum nicht nur mit einem besinnlichen, sondern auch schöpferischen Volkstum zu tun haben. Deshalb versuche ich mich gerade für die Erhaltung der Selbständigkeit Badens einzusetzen.
Nun wird die Lebensfähigkeit Badens bestritten. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich Ihnen aus einer Niederschrift einige Sätze vorlesen. Da heißt es:
Württemberg ist ein wasserarmes Land, Baden ein wasserreiches Land, das noch auf Jahrzehnte hinaus die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Menschen und neuen Industrien bietet, ohne daß Millionenbeträge für technische Kunstbauten für die Wasserbeschaffung investiert werden müßten.
Baden ist für sich allein und ohne Zusammenschluß lebensfähig, weil es die Rheinwasserstraße und die hochleistungsfähige internationale Rheintallinie zur Seite hat und weil es wie kein anderes Land über ausgebaute und ausbaufähige Wasserkräfte verfügt. Sieben Kraftwerke sind am Hochrhein bereits ausgebaut. Sie verfügen über eine mittlere Leistung von 377 000 kW. Noch harren weitere Wasserdarbietungen des Hochrheins mit einem Leistungsvermögen von ferneren 273 000 kW der Krafterschließung. Und es gibt wohl kein anderes Land in Deutschland, das
in der Ausschöpfung der Kleinwasserkräfte mehr getan hätte als Baden. Aber all das wäre nur Behelf geblieben, wenn der badische Staat nicht noch zu einer großzügigen Ausnützung der Gebirgsflüsse des Schwarzwaldes auf dem Boden des Ausbaues von Speicherwerken geschritten wäre. So sind im Badenwerk und im Schluchseewerk Speicherkraftanlagen im Sinne von Spitzenkraftwerken größten Stils entstanden, die in einer mit der rheinisch-westfälischen Elektrizitätsindustrie verkoppelten Verbundwirtschaft die täglichen und jahreszeitlichen Lücken der Stromdarbietung der Rhein-und Dampfkraftwerke ausfüllen. Nach Fertigstellung der dritten Baustufe des Schluchseewerkes im Jahre 1953
— ich erinnere den Redner, der Zahlenangaben bis 1950 brachte, daran, daß hier das Jahr 1953 genannt wird! —
wird in diesem Werk allein ein Leistungsvermögen von 450 000 kW zur Verfügung stehen.
— Gestatten Sie, daß ich mich nach den mir vorliegenden Tatsachen und Zahlen orientiere; ich sehe nicht, daß Sie mich nach dieser Seite hin besser orientieren.
Diese wenigen Angaben mögen Ihnen ein Beweis oder eine Begründung dafür sein, daß das Land Baden genau so lebensfähig ist wie hoffentlich auch das Land Württemberg. Aus dem Grundprinzip der deutschen Staats- und Volksentwicklung heraus möchte ich deshalb nochmals dafür plädieren, daß wir nicht mehr Zentralismus treiben, als notwendig ist, und daß wir alle die Länder, die lebensfähig sind, auch in ihrer Lebensfähigkeit erhalten. Deshalb stimme ich auch im Namen meiner Freunde vom Zentrum für den Vorschlag Hilbert und die Überweisung an die entsprechenden Ausschüsse.