Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die in den beiden Gesetzentwürfen behandelte Frage der Bildung eines Südweststaates oder der Wiederherstellung der alten Länder hat in den letzten Jahren im südwestdeutschen Raum eine entscheidende Rolle gespielt. Bereits Ende vorigen Jahres wurde die südwestdeutsche Bevölkerung zu einem sogenannten Volksentscheid aufgerufen, in dem es sich für oder gegen die Bildung eines Südweststaates aussprechen sollte. Man hat damals in den davon betroffenen Ländern in der Propaganda, die dabei betrieben worden ist, einen ungeheuren Aufwand getrieben und dabei vergessen, die wahren Hintergründe dieser Südweststaatfrage überhaupt einmal aufzuzeigen.
Die Bevölkerung selbst hat ihr Desinteresse an dieser Frage — darüber soll man sich nicht täuschen — sehr eindeutig dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie in ihrer übergroßen Mehrheit der Wahlurne ferngeblieben ist. So ist, wie bereits von einigen Rednern festgestellt wurde, in einigen
Stimmkreisen nur eine Beteiligung von 41% erreicht worden. Wenn man die riesigen finanziellen Mittel berücksichtigt, die hierbei aufgewendet, die Demagogie und die Intrigen, die angewendet wurden — für oder gegen den Südweststaat —, so kann man wirklich sagen, daß die Kraft, die dafür vergeudet worden ist, einer besseren Sache würdig gewesen wäre.
Man soll doch wirklich nicht versuchen, mit der Südweststaat-Frage eine so starke politische Propaganda zu entfesseln, als ginge es hierbei um das Schicksal Deutschlands. Die Grenzziehung im südwestdeutschen Raum erfolgte auf Befehl der Besatzungsmächte im Jahre 1945. Dabei wurden die alten Länder Württemberg und Baden in unsinniger Weise zerrissen. Die Besatzungsmächte dachten nicht daran, auf die politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammengehörigkeit Rücksicht zu nehmen, sondern dieses Staatsgebilde wurde gegen den Willen der dortigen Bevölkerung geschaffen, weil die Besatzungsmächte ihren militärischen Interessen Rechnung tragen wollten. Entscheidend für diese Grenzziehung war die Tatsache, daß die amerikanische Besatzungsmacht ein starkes Interesse an dem Rheinhafen Mannheim und darüber hinaus an der Autobahn Frankfurt—München hatte, während die Bestrebungen Frankreichs darauf abgestellt waren, Karlsruhe und Mannheim zu bekommen. Die Gegensätze wollten auch im alliierten Lager niemals ruhen.
Die jetzigen 'Bestrebungen, einen Südweststaat zu schaffen, entspringen nach unserer festen Überzeugung viel mehr der politischen Konzeption der Alliierten als den Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung.
Darüber können auch nicht die offiziellen Erklärungen hinwegtäuschen, die von alliierten Kreisen und deutschen Stellen abgegeben worden sind. Seit Jahren geht der Kampf um die Frage des Südweststaates. Ich hatte Gelegenheit, in einer Reihe von Monaten den Kampf um die SüdweststaatFrage in Württemberg-Baden persönlich zu erleben. Seit Jahren erklären aber auch wir Kommunisten — und wir haben das wiederholt im württembergbadischen Landtag zum Ausdruck gebracht —, daß mit der Bildung des Südweststaates irgendeine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der dortigen Bevölkerung in keiner Form in Erscheinung tritt.
— Das müßte nachgewiesen werden, Herr Kollege Kalbfell! — Dabei ist nicht uninteressant, daß bereits Staatsverträge abgeschlossen worden sind, die das Gegenteil von dem beweisen, was Sie zu bezweifeln wagen. Ich erinnere an den Staatsvertrag von Karlsruhe, der abgeschlossen worden ist und der wahrscheinlich auch durch die Annahme dieses Gesetzes keineswegs außer Kraft gesetzt wird. Dieser Staatsvertrag sieht vor, daß bei der Bildung des Südweststaates vorläufig einmal vier eigene Regierungsbezirke gebildet werden sollen: ein Regierungsbezirk für Nordbaden mit Karlsruhe, ein Regierungsbezirk für Südbaden mit Freiburg, ein Regierungsbezirk für Südwürttemberg mit Tübingen und ein Regierungsbezirk für Nordwürttemberg mit Ludwigsburg als Sitz der Bezirksregierung.
Als Krönung hätten wir dazu in Stuttgart die Regierung des Südweststaates.
Schon seit Jahren — und hier wende ich mich an die FDP — wird gerade von Ihrer Partei bei jeder Gelegenheit die Frage der Verwaltungsreform propagandistisch herausgestellt.
Man zitiert besonders stark die württembergische Sparsamkeit, die als Grundlage für die Verwaltungsreform zu gelten habe, und man vertritt gerade von dieser Seite aus die Meinung, daß die Verwaltungsreform sich in erster Linie einmal um die vorhandenen Ministerien gruppieren müsse, deren Zahl man auf die der fünf klassischen Ministerien beschränken solle. Man sollte vermeiden, den in allen südwestdeutschen Ländern stark übersetzten Ministerien-Apparat noch zu vergrößern.
Nun, wir haben die Tatsache zu verzeichnen — das dürfte auch von Ihrer Seite nicht abgestritten werden —, daß mit der Bildung des Südweststaates auf der Grundlage dieses noch bestehenden Staatsvertrages ein bürokratischer Apparat ins Leben gerufen wird, der zu einer ungeheuer starken Belastung der Bevölkerung dieses Kreises führen muß.
Nun gestatten Sie, Herr Kollege Mayer, noch ein Wort zu Ihrem Gesetzentwurf. In Ihrem Gesetzentwurf scheint mir ein gewisser Widerspruch vorhanden zu sein, der vor allen Dingen in § 2 zum Ausdruck kommt und der gegenüber der Fragestellung im vergangenen Jahr eigentlich insofern als etwas rückschrittlich anzusprechen ist, als man im vergangenen Jahr bei der Volksbefragung dem Volke wenigstens zwei Fragen vorlegte, während Sie in § 2 ganz konkret die Frage stellen: Sind Sie für oder gegen den Südweststaat? Dabei können Sie — und Sie sind ja die „Hüter der Demokratie" — nach meiner Auffassung von Demokratie nicht mehr reden,
wenn Sie in einer solchen aggressiven Form das Volk einfach vor die Frage stellen: Wollen Sie oder wollen Sie nicht?
Das Volk wird sich für diese Fragestellung zu bedanken wissen.
Hinzu kommt der § 3 Ihres Gesetzentwurfs,' der sehr konkret sagt: Wenn die Mehrheit des Volkes nicht damit einverstanden ist oder die Bildung des Südweststaates nicht wünscht, dann bleibt es bei dem alten Zustand; dann bleibt es bei einem Zustand — und das ist die Konsequenz, Herr Kollege Mayer —, der nach Ihrer Begründung und nach Ihrer Definition- unhaltbar ist, der auch nach unserer Meinung deshalb unhaltbar ist, weil dieses künstliche Ländergebilde im südwestdeutschen Raum auch staatsrechtlich gesehen eine Unmöglichkeit darstellt.
Ihr Gesetzentwurf scheint mir also in den entscheidenden §§ 2 und 3 etwas unlogisch zu sein; er kann uns deshalb in keiner Weise befriedigen.
— Ich werde nie zu Ihrer Zufriedenheit sprechen.
Wenn Sie so sehr die Volksbefragung herausstellen, sollten Sie doch konsequent sein und sollten die entscheidenden Lebensfragen, die das Volk angehen, beispielsweise die Frage 'des Friedens oder die Frage der Beantwortung des Briefes von Grotewohl, dem Volk ebenso offen zur Entscheidung vorlegen.
— Das ist eine andere Frage, richtig; aber es ist
für das Leben des Volkes eine entscheidende Frage.
Wir Kommunisten sind der Auffassung — das wollte ich zum Abschluß sagen —, daß die alten Lander Württemberg und Baden wiederhergestellt werden sollten und daß man über die Neuordnung im gesamtdeutschen Raum dann reden kann, wenn Sie einmal die Einheit Deutschlands hergestellt haben.